Alfred Müller
Schauspieler
* 4. Juli 1926 in Berlin; † 2. Dezember 2010 Berlin
Biografie
Der Schauspieler Alfred Müller wird über Nacht als „007 des Ostens“ bekannt. Er spielt in dem Spionagefilm FOR EYES ONLY (1963) den DDR-Agenten Hansen, der die CIA überlistet. Dabei ist er kein Superman oder Abenteurer, sondern ein liebenswerter Kerl von nebenan. Der Film zählt zu den erfolgreichsten des Jahres, obwohl er unverhohlen für das kommunistische System agitiert. Die Rolle begründet die bis heute anhaltende Popularität des Schauspielers, der mittlerweile als liebenswerter Großvater in SHERLOCK HOLMES UND DIE SIEBEN ZWERGE (1994) im Märchenland ermittelt.
Alfred Müller wird am 4. Juli 1926 in Berlin, im Wedding in der Müllerstraße geboren. Sein Vater ist Hilfsarbeiter und Taxifahrer, seine Mutter arbeitet als Sekretärin. Nach seiner Schulausbildung, die er an einer Schule im Humboldthain absolviert, beginnt er eine Facharbeiterausbildung als Mechaniker bei Siemens. Hier gründet er mit Freunden ein Kabarett. Als er zum Arbeitsdienst eingezogen werden soll, schließt er die Lehre mit einer Notprüfung ab. Das Ende des Krieges übersteht er in französischer Gefangenschaft.
1949 kehrt Alfred Müller nach Berlin zurück. Sein Wunsch, Schauspieler zu werden, erfüllt sich anfangs nicht. Das DEFA-Besetzungsbüro schickt ihn wieder nach Hause. Er studiert zunächst am Konservatorium des Nordens in West-Berlin Gitarre, spielt mit Freunden in Berliner Gaststätten. Zudem steht er im Prenzlauer Berg in einer Laienspielgruppe und einem Kabarett auf der Bühne. Mit 26 Jahren versucht er es nochmals mit einem Vorsprechen an der Staatlichen Schauspielschule in Berlin-Schöneweide und wird angenommen.
Nach dem Studium erhält er sein erstes Engagement am Theater der Bergarbeiter in Senftenberg. Sein Debüt gibt er als Muley Hassan in Friedrich Schillers „Die Verschwörung des Fiesco in Genua“. Er spielt weiter in Klassikern, unter anderem gibt er den Puntila, den Urfaust und den Theodor Maske in der Carl Sternheim-Komödie „Die Hose“. Das experimentierfreudige Theater gilt in den 1950er und 1960er Jahren als Talentschmiede für die hauptstädtischen Bühnen. Alfred Müller arbeitet mit Regisseur Horst Schönemann zusammen, der ihn 1959 mit ans Maxim Gorki-Theater nimmt. Dem Theater bleibt er treu, mit einer Pause von sieben Jahren, in der er Mitglied des DEFA-Ensembles ist. Aber die Bühne, der direkte Kontakt zum Publikum fehlt ihm, so dass er 1972 zum Maxim Gorki-Theater zurückkehrt. Zu seinen zahlreichen Rollen gehören der Phileas Fogg in „Reise um die Erde in 80 Tagen“, der Käpt'n Ritter in „Seemannsliebe“, der Sudakow in „Das Nest des Auerhahns“ und Hitler in „Das Ende“.
Mit dem Erfolg auf der Theaterbühne wird auch die DEFA auf den Schauspieler aufmerksam. Vor die Kamera holt ihn erstmals der Regisseur Kurt Jung-Alsen für eine kleine Rolle eines Gestapomannes in dem Film DIE HEUTE ÜBER 40 SIND (1960). Doch die Filmkarriere beginnt schleppend. Zunächst agiert der Schauspieler in zwei TV-Streifen. Nochmals arbeitet er mit dem Regisseur Kurt Jung-Alsen in dem TV-Film DER SCHWUR DES SOLDATEN POOLEY (1962) zusammen. Hier spielt er einen Offizier der Waffen-SS, der kaltblütig britische Kriegsgefangene ermorden lässt. Es folgt der fünfteilige TV-Kriminalfilm DER ERMORDETE GREIFT EIN (1961), der im westdeutschen Theatermilieu spielt.
Über Nacht stellt sich der große Erfolg für den Schauspieler mit der Rolle des Agenten Hansen in dem Politthriller FOR EYES ONLY (1963) ein. Er arbeitet mit dem Regisseur János Veiczi zusammen, dem mit bewährten Genre-Qualitäten des Abenteuerfilms ein Publikumserfolg gelingt. Erzählt wird die Geschichte eines DDR-Geheimdienstlers, der an hoher Position in den amerikanischen CIA eindringt, dort einen wichtigen Plan des CIA-Hauptquartiers für einen militärischen Schlag gegen die DDR entwendet und dann in seine Heimat zurückkehrt. Alfred Müller gibt den Spion mit Understatement und ohne jede Heldenposse, er ist liebenswert, klug, mutig. Der Charakter überzeugt auch wegen der Normalität, in der der Schauspieler agiert, ohne Rückgriff auf die klassischen Spionage-Klischees agiert er als Meisterspion. Die Rolle begründet die bis heute anhaltende Popularität des Schauspielers.
Alfred Müller wird 1965 Mitglied des DEFA-Ensembles und erhält zahlreiche Angebote. Zu einer seiner Paraderollen wird jene des korrupten Richters in DAS KANINCHEN BIN ICH (1965) unter der Regie von Kurt Maetzig. Die Kellnerin Maria Morzeck (in ihrer ersten Filmrolle Angelika Waller) darf nicht studieren, weil ihr Bruder wegen „staatsgefährdender Hetze“ zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Sie verliebt sich in den wesentlich älteren Paul Deister. Als sie erfährt, dass er der Richter ist, der ihren Bruder verurteilt hat, gerät sie in seelische Konflikte. Der politische Sprengstoff des Films liegt in der Figur des Richters, der heuchlerisch, feige und doppelzüngig nicht nur Recht spricht, sondern auch sein Leben gestaltet. Der Film wird nach dem 11. Plenum des Zentralkomitees der SED verboten und gelangt erst 1990 in die Kinos.
In dem Zweiteiler DIE GEFRORENEN BLITZE (1967), der von Harry Thürk geschrieben und von János Veiczi in Szene gesetzt wird und die Entwicklung der ballistischen Fernrakete V 2 schildert, spielt er den deutschen Wissenschaftler Dr. Grunwald, der sich in moralischen Konfliktsituationen befindet. Vom Mitläufer wandelt er sich zum Gegner der Nationalsozialisten. In MEIN LIEBER ROBINSON (1970) agiert er als Vater Gruner, der ein gespaltenes Verhältnis zu seinem Sohn hat. In DIE FAHNE VON KRIWOJ ROG (1967) spielt er den Direktor Niedermeyer.
Häufig verkörpert Alfred Müller historische Persönlichkeiten, spielt die Großen der Geschichte. In der Karl Liebknecht-Filmbiografie SOLANGE LEBEN IN MIR IST (1965) von Günter Reisch mimt er den Großindustriellen Krupp. Außerdem spielt er Karl Marx in MOHR UND DIE RABEN VON LONDON (1968). Geschildert wird eine Episode aus dem Leben des Philosophen, der sich gegen Kinderarbeit einsetzt. Auch im Fernsehen spielt Alfred Müller diese Rollen häufig, gleichzeitig zu seiner Karriere bei der DEFA beginnt auch jene auf der kleinen Leinwand. So gibt er den Kunstflieger Ernst Udet in der mehrteiligen TV-Film OHNE KAMPF KEIN SIEG (1966), der nach der Biographie von Manfred von Brauchitsch entsteht. In dem aufwendig, an vielen Originalschauplätzen gedrehten siebenteiligen Fernsehfilm DIE GLÄSERNE FACKEL (1989) spielt er den Begründer sowie den Generaldirektor der Carl Zeiss Jena Werke. Aber auch andere Rollen stehen dem Schauspieler offen. Im Fernseh-Mehrteiler DIE BILDER DES ZEUGEN SCHATTMANN (1971/72) verkörpert er einen zynischen SS-Mann.
Mehr und mehr konzentriert sich der Schauspieler auf seine komödiantischen Fähigkeiten. In LEBEN ZU ZWEIT (1967) von Herrmann Zschoche agiert er als Mathematiker, der der heimliche Freund einer Standesbeamtin (gespielt von Marita Böhme) ist. Um sie heiraten zu können, muss er erstmal die 16jährige Tochter überzeugen. In dem Musical HIEV UP (1977) spielt er den Kapitän Odje auf einem Ostsee-Kutter, der das Brigadeleben der Kuttermannschaft auf Vordermann bringt. Leider nutzt die DEFA das komödiantische Talent des Schauspielers zu wenig. Seit 1982 ist Alfred Müller freischaffender Schauspieler, der sich im Unterhaltungsbereich einen Namen macht.
Gemeinsam mit Gisela May widmet er Kurt Tucholsky, Bertolt Brecht und Erich Kästner verschiedene literarisch-musikalische Programme, die auch im Ausland, in Paris, Sydney, Stockholm und Zürich Erfolge feiern. Dem Unterhaltungsstar Helga Hahnemann gibt er Stichworte für ihre Sketsche auf der Bühne des Friedrichstadt-Palastes. Mit Marianne Wünscher arbeitet er an der Volksbühne zusammen. Er produziert zahlreiche Lacher mit dem Komiker Hans-Joachim Preil, in dessen Sketchen und Schwänke er als Briefträger Alois Wachtel auftritt.
Nach dem Zusammenbruch der DDR hat der Schauspieler zunächst wie viele seiner anderen Kollegen Schwierigkeiten. Im Westen des Landes ist er so gut wie unbekannt. Er gastiert am Theater in Dessau und erfüllt sich hier den Traum, die Titelrolle im „Hauptmann von Köpenick“ zu spielen. Weitere Stationen sind Hagen oder Dresden. In Berlin steht er in Musicals wie „Anything Goes“ oder „Blue Jeans“ am Theater des Westens auf der Bühne, spielt am Theater am Kurfürstendamm. Er ist in zahlreichen TV-Serie und -Spielfilmen präsent.
Bei Kindern besonders beliebt ist seine Rolle des Großvaters und Kriminalisten in SHERLOCK HOLMES UND DIE SIEBEN ZWERGE (1994) in der Regie von Günter Meyer, wo er mit viel Ironie und Kombinationsgabe im Märchenwald ermittelt. Mit dem Regisseur arbeitet er mehrfach zusammen. In dem Kinderfilm SPUK AM TOR DER ZEIT (2002) und der TV-Serie PENGO! STEINZEIT! (2002) steht er ebenfalls als hilfsbereiter Großvater vor der Kamera.
Alfred Müller ist mit der Kostümbildnerin Eva Drechsler seit 1958 verheiratet. Ihr gemeinsamer Sohn Nico wird 1967 geboren. Die Familie lebt in Berlin, am Grünauer See. Am 2. Dezember 2010 stirb Alfred Müller in Berlin.
Zusammengestellt von Ines Walk.
Auszeichnungen
- 1969: MOHR UND DIE RABEN VON LONDON - Nationalpreis III. Klasse
- o. A.: Kunstpreis der DDR - Fritz Heckert-Medaille des FDGB
- o. A.: Vaterländischer Verdienstorden in Silber
- 1975: Goethepreis der Stadt Berlin
- o. A.: Kunstpreis des FDGB
Literatur
- Peter Hoff: Salut für einen Alleskönner. Der Alfred aus der Müllerstraße wird 75, in: Neues Deutschland, 04.07.2001.
- E. Förster: Aktiver Mime – Alfred Müller, in: Berliner Morgenpost, 04.07.1996.
- Armin Stolper: Star ohne Allüren. Alfred Müller, Schauspieler und Entertainer, wird heute 70 Jahre alt, in: Neues Deutschland, 04. Juli 1996.
- MAZ: 007 der DDR wird heute siebzig, in: Märkische Allgemeine Zeitung, 04.07.1996.
- J. D.: Starkasten – Alfred Müller, in: Neues Deutschland, 02.03.1995.
- Dieter Wolf: Alfred Müller, in: Ralf Schenk (Hrsg.): Vor der Kamera - Fünfzig Schauspieler in Babelsberg, Henschel Verlag Berlin, 1995.
- Helga Schwarz-Stötzer: Alfred Müller – Die besten Jahre, in: Helga Schwarz-Stötzer: Mit Leib und Seele. Eine Porträtsammlung, Berliner Verlag 1990.
- Manfred Möckel: Alfred Müller wird 60.!, in: Filmspiegel 13/1986.
- Henryk Goldberg: Mich reizen Aufgaben, die so vielfältig sind wie unser Leben. Bekenntnisse eines populären Schauspielers. ND-Gespräch mit Alfred Müller, in: Neues Deutschland, 04.02.1984.
DEFA-Filmografie
- Der Augenzeuge 1949/07 (1949) - Person, primär
- Der Augenzeuge 1949/29 (1949) - Person, primär
- Der Augenzeuge 1950/43 (1950) - Person, primär
- Der Augenzeuge 1951/48 (1951) - Person, primär
- Der Augenzeuge 1953/03 (1953) - Person, primär
- Der Augenzeuge 1954/10 (1954) - Person, primär
- ALMATLAN EVEK / Traumlose Jahre (1959) - Synchronisation (Sprecher) | Regie: Félix Máriássy
- Der Augenzeuge 1959/A 45 (1959) - Person, primär
- Das Stacheltier - Herzlichen Glückwunsch - 10 Jahre DDR (1959) - Sprecher | Regie: Hans Dieter Mäde
- Die heute über 40 sind (1960) - Darsteller | Regie: Kurt Jung-Alsen
- POWEST PLAMENNYCH LET / Flammende Jahre (1960) - Synchronisation (Sprecher) | Regie: Julia Solnzewa
- Silvesterpunsch (1960) - Darsteller | Regie: Günter Reisch
- Das Stacheltier - Der Dickhäuter (1961) - Darsteller | Regie: Hans Dieter Mäde
- PUT K PRITSCHALU / Der Weg zum Hafen (1962) - Synchronisation (Sprecher) | Regie: Georgi Danelija
- ZERWANY MOST / Die abgerissene Brücke (1962) - Synchronisation (Sprecher) | Regie: Jerzy Passendorfer
- DWA WOSKRESSENJA / Zwei Sonntage (1963) - Synchronisation (Sprecher) | Regie: Wladimir Schredel
- for eyes only - streng geheim (1963) - Darsteller | Regie: János Veiczi
- KRAL KRALU / Seine Majestät - Kollege König (1963) - Synchronisation (Sprecher) | Regie: Martin Fric
- Das Kaninchen bin ich (1965) - Darsteller | Regie: Kurt Maetzig
- Leben - wofür? (1965) - Darsteller | Regie: Götz Oelschlägel
- POZNANSKIE SLOWIKI / Der Nachtigallenchor (1965) - Synchronisation (Sprecher) | Regie: Hieronim Przybyl
- Solange Leben in mir ist (1965) - Darsteller | Regie: Günter Reisch
- Der Weg zum "Q" (1965) - Sprecher | Regie: Werner Kreiseler
- Musawwarat, Teil 3. (1966) - Sprecher | Regie: Götz Oelschlägel
- Die Fahne von Kriwoj Rog (1967) - Darsteller | Regie: Kurt Maetzig
- Die gefrorenen Blitze (1967) - Darsteller | Regie: János Veiczi
- Leben zu zweit (1967) - Darsteller | Regie: Herrmann Zschoche
- Turlis Abenteuer (1967) - Darsteller | Regie: Walter Beck
- Mohr und die Raben von London (1968) - Darsteller | Regie: Helmut Dziuba
- Das siebente Jahr (1968) - Darsteller | Regie: Frank Vogel
- Aus unserer Zeit, Teil 1 - 4 (1969) - Darsteller | Regie: Helmut Nitzschke, Joachim (auch: Hans-Joachim) Kunert, Rainer Simon, Kurt Maetzig
- Netzwerk (1969) - Darsteller | Regie: Ralf Kirsten
- Kalender einer Ehe - Ein Film zum Thema Gleichberechtigung (1970) - Darsteller | Regie: Wolfgang Bartsch
- KLK an PTX - Die Rote Kapelle (1970) - Darsteller | Regie: Horst E. Brandt
- Mein lieber Robinson (1970) - Darsteller | Regie: Roland Gräf
- Meine Stunde Null (1970) - Darsteller | Regie: Joachim Hasler
- Signale - Ein Weltraumabenteuer (1970) - Darsteller | Regie: Gottfried Kolditz
- Anflug Alpha 1 (1971) - Darsteller | Regie: János Veiczi
- Der kleine Kommandeur (1972) - Darsteller | Regie: Siegfried Hartmann
- Laut und leise ist die Liebe (1972) - Darsteller | Regie: Helmut Dziuba
- Die Moral der Banditen (1975) - Sprecher | Regie: Erwin Stranka
- Hiev up (1977) - Darsteller | Regie: Joachim Hasler
- Klein Zaches, genannt Zinnober (1977 - 1978) - Sprecher | Regie: Ina Rarisch
- Das Versteck (1977) - Darsteller | Regie: Frank Beyer
- Chiffriert an Chef - Ausfall Nr. 5 (1979) - Darsteller | Regie: Helmut Dziuba
- 18 Knoten bis Hongkong (1981) - Sprecher | Regie: Heinz Hafke
- Erscheinen Pflicht (1983) - Darsteller | Regie: Helmut Dziuba
- Kindheit (1986) - Sprecher | Regie: Siegfried Kühn
- Zeitzeugengespräch: Alfred Müller (2008) - Person, primär
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