Carmen-Maja Antoni
Schauspielerin
* 23. August 1945 in Berlin
Biografie

Carmen-Maja Antoni
während eines Zeitzeugengesprächs im Jahr 2014. Fotograf: Teubner
Die Schauspielerin Carmen-Maja Antoni ist klein, nur 1,52 m groß. Sie entspricht auch nicht dem gängigen Schönheitsideal: die Haare strubblig, der Mund schmal, die Nase kräftig. Trotzdem oder gerade deswegen gilt sie im Theater wie auf der Leinwand als auffallende, interessante Erscheinung. Zu DDR-Zeiten und im wiedervereinigten Deutschland ist sie auf den Berliner Bühnen ein Star, brilliert vor allem in Bertolt-Brecht-Stücken. Leider wird das Potenzial der Darstellerin mit dem verschmitzen Lächeln zu selten für die Leinwand genutzt.
Carmen-Maja Antoni wird am 23. August 1945 in Berlin geboren. Ihr Vater ist der Kunstmaler Joseph Antoni. Er verlässt die Familie früh. Die Mutter Ursula Antoni-Orendt verdient ihren Lebensunterhalt als Allroundkünstlerin, die sich früh dem Alkohol hingab. Mit elf Jahren beginnt Carmen-Maja Antoni für das Fernsehen zu arbeiten. Sie ist eines der drei Mitglieder des Pionier-Kabaretts „Blaue Blitze“ beim Fernsehen der DDR, die unter der Regie von Gisela Schwartz-Martell live in gewitzten Gesprächen Situationen aus dem Leben darstellten. Außerdem tritt sie in dem Musical „Der Dieb im Warenhaus“ auf. Mit ihrer Arbeit ernährt sie die Familie.
Mit Erfolg bewirbt sich Carmen-Maja Antoni nach ihrem Abitur an der Deutschen Hochschule für Filmkunst Potsdam-Babelsberg. Von 1962 bis 1965 absolviert sie dort ein Schauspielstudium, als eine der jüngsten Studentinnen. Bereits während des Studiums wird die junge Schauspielerin an das Hans-Otto-Theater in Potsdam engagiert. Hier macht sie sich in dem Bertolt-Brecht-Stück „Der kaukasische Kreidekreis“ einen Namen. Mit 18 Jahren überzeugt sie als jüngste Grusche die Kritiker. Danach ist sie in Märchenspielen zu sehen, erarbeitet sich ein Repertoire deutscher Klassiker, unter anderem gibt sie die Minna von Barnhelm. 1970 folgt Antoni dem Ruf der Volksbühne in Berlin. Hier arbeitet sie mit den Regisseuren Benno Besson, Matthias Langhoff und Fritz Marquardt, wird eine beliebte Darstellerin des Ensembles. Fünf Jahre bleibt sie an dem Theater, überzeugt besonders durch komische und groteske Rollen. Dabei ist ihr Repertoire vielfältig, es reicht von Moliere bis Heiner Müller.

Carmen-Maja Antoni in KINDHEIT (R: Siegfried Kühn, 1986) Fotografen: Eckhardt Hartkopf, Waltraut Pathenheimer

Marita Böhme, Winfried Glatzeder, Rolf Kuhlbach und Carmen-Maja Antoni in DER MANN, DER NACH OMA KAM (R: Roland Oehme, 1971) Fotograf: Rudolf Meister
1975 wechselt die Schauspielerin - gerufen von Ruth Berghaus - ans Berliner Ensemble. Hier macht sich Carmen-Maja Antoni einen Namen als Charakterdarstellerin. Sie überzeugt unter anderem in dem Ein-Personen-Stück „Jacke wie Hose“ von Manfred Karge, spielt William Shakespeare und immer wieder Bertolt Brecht, unter anderem die weiblich-männliche Doppelrolle Shen Te/Shui Ta in „Der gute Mensch von Sezuan“. Häufig spielt sie Musiktheater, gewinnt Kritiker und Zuschauer durch ihre gesanglichen und artistischen Qualitäten. In Hosenrollen feiert sie Erfolge. Zahlreiche Gastspiele führen sie ins Ausland. Mit einem Bertolt-Brecht-Programm ist die Schauspielerin in den 1980er Jahren in Westeuropa und in den USA zu sehen.
Nach dem Zusammenbruch der DDR wird Carmen-Maja Antoni von Claus Peymann in sein neues Team am Berliner Ensemble übernommen. Sie steht in den Brecht-Stücken „Die Mutter“ als Pelagea Wlassowa sowie in „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ auf der Bühne. Zudem gibt sie Rechas Gesellschafterin in Lessings „Nathan der Weise“ und agiert in Peter Handkes „Untertagblues“ sowie in William Shakespeares „Richard III.“.
Mitte der 1960er Jahren kommen erste Angebote von der DEFA und dem Fernsehen der DDR. Anfangs spielt Carmen-Maja Antoni in Nebenrollen. In der Komödie DER RESERVEHELD (1964) debütiert sie als junges Mädchen. Ihre nächsten beiden Filme finden nicht den Weg auf die Leinwand, verschwinden aufgrund des 11. Plenums des Zentralkomitees der SED in den Kellern. Sie spielt eine Studentin in DENK BLOSS NICHT, ICH HEULE (1965), gibt eine Verkäuferin in FRÄULEIN SCHMETTERLING (1965/1966-2005). Die Angebote werden etwas größer. Bevorzugt wird sie mit Rollen unscheinbarer Frauen bedacht, denen sie aber immer ihren ganz individuellen Stempel aufdrückt. In der erfolgreichen Komödie DER MANN, DER NACH DER OMA KAM (1971) spielt sie eine Versicherungskassiererin. Als Kellnerin agiert sie in der Komödie DAS ZWEITE LEBEN DES FRIEDRICH WILHELM GEORG PLATOW (1973). Ihrer Rolle der fremden Meisterin in ALLE MEINE MÄDCHEN (1979) verleiht sie originelle Züge. In der Filmbiografie KÄTHE KOLLWITZ - BILDER EINES LEBENS (1986) agiert sie verhaltend als Fräulein Lina, der Vertrauten der Künstlerin (gespielt von Jutta Wachowiak).
Trailer zu KINDHEIT (R: Siegfried Kühn, 1986)
Eine ihrer wenigen Hauptrollen spielt Carmen-Maja Antoni in KINDHEIT (1986) unter der Regie von Siegfried Kühn. Hier agiert sie als Großmutter des neun-jährigen Alfons, der seine Kindheit um 1944 in einem schlesischen Dorf erlebt. Die Großmutter gibt ihm viel Zärtlichkeit und erzählt ihm immer wieder kuriose Geschichten. Als ein Wanderzirkus ins Dorf kommt, entsteht zwischen dem Schausteller Nardini (gespielt von Fritz Marquardt) und ihr eine zarte Liebe. Carmen-Maja Antoni wird für ihre Darstellung mit dem Kritikerpreis als beste Darstellerin ausgezeichnet.
Als Besetzung in Kinderfilmen ist Antoni besonders beliebt. In BLUMEN FÜR DEN MANN IM MOND (1974-75) agiert sie als Maja. Die Mutter des neun-jährigen Florian spielt sie in DER DICKE UND ICH (1981). In Erinnerung bleibt ihre Darstellung in VERFLIXTES MISSGESCHICK! (1988) unter der Regie von Hannelore Unterberg. Sie spielt das garstige Wesen, welches immer neue Opfer sucht und findet, mit schelmischer Bravour.
Trailer zu VERFLIXTES MISSGESCHICK! (R: Hannelore Unterberg, 1988)
Auch im wiedervereinigten Deutschland ist Carmen-Maja Antoni auf der Kinoleinwand präsent. Wieder sind es allerdings nur kleinere Rollen, mit der die Schauspielerin auf sich aufmerksam machen kann. In einem der letzten DEFA-Filme ZWISCHEN PANKOW UND ZEHLENDORF (1990-91) unter der Regie von Horst Seemann gibt sie eine Verkäuferin. Nebenrollen erhält sie in den Filmen DAS LEBEN IST EINE BAUSTELLE (1997) und NACHTGESTALTEN (1999). In BERLIN IS IN GERMANY (2001) stellt sie die sympathische Bewährungshelferin dar, die dem Haftentlassenen Martin Schulz das neue, unbekannte Leben in Deutschland erleichtern soll. Die Rolle der Mutter, der Großmutter, der Umsorgenden wird häufig von ihr verkörpert. Diese gibt sie unter anderem in EIN SCHIFF WIRD KOMMEN (2002).
Die Karriere beim Fernsehen startet die Darstellerin ebenfalls Mitte der 1960er Jahre. Als Magd überzeugt sie in dem populären fünfteiligen Fernsehroman WEGE ÜBERS LAND. In der Krimiserie ROSA ROTH spielt sie seit 1992 die hilfreiche Sekretärin von Kommissarin Rosa Roth, die von Iris Berben gegeben wird. Mit dieser Rolle wird sie über Jahre identifiziert. Überaus populär wird die Schauspielerin als Großmutter in dem TV-Dreiteiler DER LADEN nach Erwin Strittmatter. Als kleine Großmutter huscht sie unauffällig, aber emsig und zuverlässig durch das Haus, hat ihre Augen und Ohren überall, ist die praktische Großmutter. Regisseur Jo Baier und Drehbuchautor
Ulrich Plenzdorf gelingt ein fesselnder und äußerst aufwendig inszenierter Fernsehbeitrag, der durch brillante Schauspielerleistungen getragen wird.
Neben ihren schauspielerischen Tätigkeiten auf der Bühne und beim Film leiht Carmen-Maja Antoni ihre Stimme Hörspielfiguren. Mit ihren Lesungen erreicht sie ein großes Publikum, unter anderem liest sie Lyrik von Thomas Brasch. Außerdem arbeitet sie als Dozentin an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg sowie an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“.
Seit 1974 ist Carmen-Maja Antoni verheiratet. Zur Familie gehören ein Sohn und eine Tochter. Sie lebt in Berlin.
Verfasst von Ines Walk.

Carmen-Maja Antoni und Barbara Dittus in EINFACH BLUMEN AUFS DACH (R: Roland Oehme, 1979) Fotograf: Wolfgang Ebert

Carmen-Maja Antoni und Jutta Wachowiak in KÄTHE KOLLWITZ - BILDER EINES LEBENS (R: Ralf Kirsten, 1986) Fotograf: Norbert Kuhröber
Auszeichnungen
- 1974: Kritikerpreis der Berliner Zeitung - (Beste Darstellerin des Jahres) für die Eva in "Herr Puntila und sein Knecht Matti"
- 1976: Kritikerpreis der Berliner Zeitung - (Beste Darstellerin des Jahres) für die Herakes in "Herakes W" von Heiner Müller
- 1988: Kritikerpreis der Berliner Zeitung - (Beste Darstellerin des Jahres) für die Mutter in "Baal"
- 1988: KINDHEIT - Preis für die Beste weibliche Hauptrolle auf dem 5. Nationales Spielfilmfestival der DDR
- 1989: Kunstpreis der DDR - für das künstlerische Gesamtschaffen
- 1990: Helene Weigel-Medaille - für die Darstellung der Schwiegermutter in "Der Selbstmörder"
Literatur
- Martin Linzer: Carmen-Maja Antoni, in: Renate Seydel: Schauspieler, Henschel Verlag Berlin 1974.
- Marlis Linke: Hosen-, Weiber- und andere Komödien, in: Filmspiegel, 08/1987.
- Friedel von Wangenheim: Die Neugier hat mich jung und fröhlich gehalten, in: Zwischentöne. Verlag Das Neue Berlin 1996.
- Ingrun Spazier: Carmen-Maja Antoni, in: cinegraph, Loseblattsammlung
- Holde-Barbara Ulrich: Wer hat Angst vor der Antoni? Sie war ein Star, damals auf den Bühnen der DDR. Dann kam die Zeit der kleinen Fernsehrollen. Doch jetzt trumpft Carmen-Maja Antoni auf, in Claus Peymanns neuer Truppe am wiedereröffneten Berliner Ensemble, in: Die Zeit, 2000.
- o.A.: Berliner Ensemble - Gespräch mit Carmen-Maja Antoni. Eine ehrliche Haut sein, in: Berliner Zeitung, 25.04.2003.
DEFA-Filmografie
- Der Reserveheld (1964) - Darsteller | Regie: Wolfgang Luderer
- Denk bloß nicht, ich heule (1965) - Darsteller | Regie: Frank Vogel
- Das Kaninchen bin ich (1965) - Darsteller | Regie: Kurt Maetzig
- Fräulein Schmetterling (1965/1966 - 2020) - Darsteller | Regie: Kurt Barthel
- Hauptmann Florian von der Mühle (1968) - Darsteller | Regie: Werner Wolfgang Wallroth
- Schüsse unterm Galgen (1968) - Darsteller | Regie: Horst Seemann
- PAN TAU JDE NADILET / Herr Tau geht zur Bescherung (1969) - Synchronisation (Sprecher) | Regie: Jindřich Polák
- Zeit zu leben (1969) - Darsteller | Regie: Horst Seemann
- Unterwegs zu Lenin (1970) - Darsteller | Regie: Günter Reisch
- Zeit der Störche (1970) - Darsteller | Regie: Siegfried Kühn
- DOBUTSU TAKARAJIMA / Die Schatzinsel (1971) - Synchronisation (Sprecher) | Regie: Hiroshi Ikeda
- Der Mann, der nach der Oma kam (1971) - Darsteller | Regie: Roland Oehme
- Eolomea (1972) - Sprecher | Regie: Herrmann Zschoche
- Das große Fest (1972) - Sprecher | Regie: Werner Krauße
- Wo fängt der Regenbogen an (1972 - 1973) - Sprecher | Regie: Ina Rarisch
- Darf ich mitspielen? (1973) - Sprecher | Regie: Ina Rarisch
- Drei Haselnüsse für Aschenbrödel (1973) - Synchronisation (Sprecher) | Regie: Vaclav Vorlicek
- Die Kückenmutter (1973 - 1974) - Sprecher | Regie: Werner Krauße
- Das zweite Leben des Friedrich Wilhelm Georg Platow (1973) - Darsteller | Regie: Siegfried Kühn
- Blumen für den Mann im Mond (1974 - 1975) - Darsteller | Regie: Rolf Losansky
- Johannes Kepler (1974) - Darsteller | Regie: Frank Vogel
- Warst du es ? (1974) - Sprecher | Regie: Ina Rarisch
- Wo tut's weh (1974) - Sprecher | Regie: Ina Rarisch
- Bankett für Achilles (1975) - Darsteller | Regie: Roland Gräf
- LEPTIROV OBLAK / Traum von einem Mädchen (1977) - Synchronisation (Sprecher) | Regie: Zdravko Randic
- WIELKA PODROZ BOLKA I LOLKA / Die grosse Reise von Lolek und Bolek (1977) - Synchronisation (Sprecher) | Regie: Wladyslaw Nehrebecki, Stanislaw Dülz
- Alle gegen einen (1978) - Sprecher | Regie: Ina Rarisch
- Entschuldigt bitte (1978 - 1979) - Sprecher | Regie: Ina Rarisch
- Meta Morfoss (1978 - 1979) - Sprecher | Regie: Monika Anderson
- SPIRALA / Spirale (1978) - Synchronisation (Sprecher) | Regie: Krzysztof Zanussi
- Alle meine Mädchen (1979) - Darsteller | Regie: Iris Gusner
- Einfach Blumen aufs Dach (1979) - Darsteller | Regie: Roland Oehme
- Wer will fleissige Handwerker sehn ... (1979) - Sprecher | Regie: Ina Rarisch
- Das häßliche junge Entlein (1980 - 1981) - Sprecher | Regie: Ina Rarisch
- Max und siebeneinhalb Jungen (1980) - Darsteller | Regie: Egon Schlegel
- Die dicke Tilla (1981) - Darsteller | Regie: Werner Bergmann
- Der Dicke und ich (1981) - Darsteller | Regie: Karl Heinz Lotz
- JESIENNE BAJKI / Herbstmärchen (1983 - 1985) - Synchronisation (Sprecher) | Regie: Alina Kotowska
- Die Gänse von Bützow (1985) - Darsteller | Regie: Frank Vogel
- BOLEK I LOLEK NA DZIKIM ZACHODZIE / Bolek und Lolek im wilden Westen (1986) - Synchronisation (Sprecher) | Regie: Stanislaw Dülz, Waclaw Wajser, Wladyslaw Nehrebecki, Bronislaw Zeman
- Käthe Kollwitz - Bilder eines Lebens (1986) - Darsteller | Regie: Ralf Kirsten
- Kindheit (1986) - Darsteller | Regie: Siegfried Kühn
- PORWANIE W TIUTIURLISTANIE / Die entführte Prinzessin (1986) - Synchronisation (Sprecher) | Regie: Zdzislaw Kudla, Franciszek Pyter
- MALTSCHIK S PALTSCHIK; POHADKA O MALICKOVI / Märchen vom Däumling (1987) - Synchronisation (Sprecher) | Regie: Gunars Piesis
- Verflixtes Missgeschick! (1988) - Darsteller | Regie: Hannelore Unterberg (geb. Neupert)
- Ein Zigeunermärchen (1988) - Sprecher | Regie: Christl Wiemer
- Zwischen Pankow und Zehlendorf (1990 - 1991) - Darsteller | Regie: Horst Seemann
- Rosenemil (1992 - 1993) - Darsteller | Regie: Radu Gabrea
- Zeitzeugengespräch: Carmen-Maja Antoni (2014) - Person, primär | Regie: Ferdinand Teubner, Katrin Teubner
Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.