Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Erwin Stranka

Drehbuchautor, Regisseur

* 3. Januar 1935 in Kaaden, Tschechien; † 14. April 2014 in Potsdam

Biografie

Filmstill zu "Zwei schräge Vögel"

Erwin Stranka

bei den Dreharbeiten zu ZWEI SCHRÄGE VÖGEL (R: Erwin Stranka, 1989) Fotograf: Siegfried Skoluda

Der Regisseur und Drehbuchautor Erwin Stranka hat ein Dutzend Filme gedreht. Er macht sich als Künstler mit der Inszenierung von Historienfilmen einen Namen, bis er sich für die Verfilmung von Kinder- und Jugendstoffen entscheidet und damit seine größten Erfolge produziert. Als einer der wenigen Regisseure ist er über Jahre freischaffend tätig. Mit Filmen wie ZUM BEISPIEL JOSEF (1974) und SABINE WULFF (1978) setzt er sich publikumswirksam mit der Wirklichkeit in der DDR auseinander.

Erwin Stranka wird am 3. Januar 1935 in Kaaden geboren, einem Ort, der zu diesem Zeitpunkt zur Tschechoslowakei zählt. Er wächst in ärmlichen Verhältnissen auf. Sein Vater ist Handschuhmacher, arbeitet zeitweise auch als Bergmann. 1938 zieht die Familie, zu der neben der Mutter noch drei weitere Kinder gehören, nach Prag. Sein Bruder Walter Stranka wird sich später einen Namen als Lyriker und Schriftsteller machen. Nach dem Ende des II. Weltkrieges wird die Familie ausgesiedelt und geht zunächst nach Halle. Hier arbeitet Erwin Stranka als Statist am Theater des Friedens, will Schauspieler werden.

Auf Wunsch seines Vaters beginnt er aber zunächst ein Studium, um Lehrer zu werden. Nach kurzer Zeit wechselt er zur Theaterhochschule in Leipzig. Von 1953 bis 1959 absolviert er ein Regie-Studium an der Filmfakultät der Akademie der musischen Künste in Prag (FAMU). Im Jahr seines Abschlusses legt er mit DER REGEN KOMMT VON OBEN seinen ersten Erfolg vor. Er erhält auf den Studentenfilmtagen in Wien ein Ehrendiplom. 1959 schließt er das Studium mit dem Diplomfilm DER GENERAL (1959) ab.

Filmstill zu "Zum Beispiel Josef"

ZUM BEISPIEL JOSEF (R: Erwin Stranka, 1974) Fotograf: Hans-Joachim Zillmer

Filmstill zu "Sabine Wulff"

SABINE WULFF (R: Erwin Stranka, 1978) Fotograf: Dieter Jaeger

Danach kehrt er in die DDR zurück und arbeitet zunächst als Assistent im DEFA-Studio für Spielfilme, unter anderem bei Georg Leopold, der gerade den fünfteiligen TV-Film TEMPEL DES SATANS (1969) dreht und bei  Gerhard Klein für dessen Film DER FALL GLEIWITZ (1961). Ab 1963 ist Stranka als Regisseur beschäftigt. Seinen Debütfilm und zugleich seine einzige TV-Produktion JOSEF UND ALLE SEINE BRÜDER (1962) dreht er über einen Arbeitsbummelanten, der im Gefängnis landet und sich nach der Haft erst vom englischen, dann vom französischen und amerikanischen Geheimdienst anwerben lässt. Am Ende wird er nach West-Berlin abgeschoben und dort als Märtyrer und Held der freien Welt gefeiert.

Mit seinem ersten Kinofilm VERLIEBT UND VORBESTRAFT (1963) legt der Regisseur eine DEFA-Komödie vor, die anfangs euphorisch gelobt wird, dann aber das Missfallen der verantwortlichen Stellen erregt. Erzählt wird von der Baupraktikantin Hannelore, die in einer raubeinigen Brigade die Bauarbeiter zur Solidarität mit einem Kollegen aufruft. Auf Weisung von Hans Rodenberg, damaliger Filmminister, soll der Film umgeschnitten werden. Der Regisseur weigert sich, aber ein Umschnitt erfolgt trotzdem. Über acht Jahre arbeitet Erwin Stranka nicht als Regisseur, er ist als freischaffender Autor und Zeichner tätig. Für Heinz Kahlau schreibt er diverse Drehbücher, bei der DEFA wird keiner seiner Entwürfe angenommen. Er kündigt und arbeitet als Dreher an der Werkbank im Karl-Marx-Werk. Krankheitsbedingt muss er die Arbeit schließlich aufgeben.

Filmstill zu "Verliebt und vorbestraft"

VERLIEBT UND VORBESTRAFT (R: Erwin Stranka, 1963) Fotograf: Peter Dietrich

Filmstill zu "Husaren in Berlin"

HUSAREN IN BERLIN (R: Erwin Stranka, 1970) Fotografen: Detlef Hertelt, Heinz Wenzel

Erst Anfang der 1970er Jahre kann Erwin Stranka wieder einen Film realisieren, arbeitet als einer der wenigen Regisseure über Jahre freischaffend. Die geplante Co-Produktion der DEFA mit Ungarn kommt zwar nicht zustande, aber der Regisseur realisiert HUSAREN IN BERLIN (1970) allein. Erzählt wird eine Geschichte aus dem Jahr 1757, als ungarische Husaren für einen Tag Berlin besetzen. Die Liebesgeschichte zwischen der Berliner Kaufmannstochter Andrea und dem ungarischen Trompeter Pali ist als actionreiche Komödie mit  Manfred Krug und Evelyn Opoczynski inszeniert.

Auch sein folgender Film DIE GESTOHLENDE SCHLACHT (1971) greift einen historischen Stoff auf. Während des Siebenjährigen Krieges erhält der Meisterdieb Käsebier von Friedrich II. den Auftrag, sich in die Stadt Prag einzuschleichen und diese in seine Hände zu spielen, aber er verliebt sich in das Prager Mädchen Katka und stellt sich auf die Seite der Bürger.

Der Kinderfilm SUSANNE UND DER ZAUBERRING (1973) markiert einen Wendepunkt in der Filmkarriere des Regisseurs. Um nicht auf Historienstoffe festgelegt zu werden, wendet sich Erwin Stranka der Gegenwart zu. Der Kinderfilm bebildert ein modernes Märchen. Susanne erhält einen Zauberring, der die Fähigkeit besitzt, seinem Besitzer in verschiedenen Notlagen zu helfen. Als der Ring durch eine diebische Elster verloren geht, hat Susanne bereits soviel Selbstvertrauen errungen, dass sie auch ohne den Ring an sich glaubt. Der Film wird über Jahre beim Publikum ein großer Erfolg.

Filmstill zu "Susanne und der Zauberring"

SUSANNE UND DER ZAUBERRING (R: Erwin Stranka, 1973) Fotograf: Klaus Groch

Filmstill zu "Der kleine Zauberer und die große 5"

DER KLEINE ZAUBERER UND DIE GROSSE 5 (R: Erwin Stranka, 1976) Fotograf: Dietram Kleist

Noch einen weiteren Kinderfilm wird Erwin Stranka drehen, der ebenso erfolgreich bei kleinen wie großen Zuschauern ist. In DER KLEINE ZAUBERER UND DIE GROSSE 5 (1976) wird erzählt, dass sich eine schlechte Zensur nicht wegzaubern lässt, auch wenn der kleine Oliver Zaubern als Lehrfach hat.

Mit ZUM BEISPIEL JOSEF (1974) legt Erwin Stranka seinen ersten Gegenwartsfilm vor. Es handelt sich um die Geschichte von Josef, der nach einem turbulenten Leben – Kriegsfindelkind, Fremdenlegionär, Seefahrer, Werftarbeiter – in der DDR endlich wieder Boden unter die Füße bekommt und auf der Werft in Rostock mit dem Brigadiers Bruno einen sinnstiftenden Gegenspieler erhält. Der Film wird als gelungener Versuch aufgenommen, Arbeiterpersönlichkeiten zu zeichnen, die ausnehmend individuell sind und deren Lebensläufe nicht immer gradlinig verlaufen.

Der Regisseur und Drehbuchautor konzentriert sich auch im folgenden auf ein jugendliches Publikum. Danach inszeniert Erwin Stranka den Jugendfilm DIE MORAL DER BANDITEN (1975). Im Jahre 1947 wird ein brandenburgisches Dorf von einer Bande Jugendlicher terrorisiert, die mit der Gesellschaft in Konflikt leben. Der Film schildert, wie Bürgermeister und Neulehrer die Jugendlichen für sich gewinnen wollen. Der Regisseur und sein Kameramann Peter Brand orientieren sich dabei am italienischen Neorealismus.

 Filmstill zu "Automärchen"

AUTOMÄRCHEN (R: Erwin Stranka, 1983) Fotograf: Dieter Lück

Filmstill zu "Liane"

LIANE (R: Erwin Stranka, 1987) Fotograf: Siegfried Skoluda

1976 erhält Erwin Stranka wieder eine feste Anstellung bei der DEFA. In seiner neuen Position entsteht nach dem Kinderfilm DER KLEINE ZAUBERER UND DIE GROSSE 5 (1976) sein wohl erfolgreichstes Werk SABINE WULFF (1978). Die 18-jährige Sabine, gespielt von Karin Düwel, wird aus dem Jugendwerkhof entlassen, mietet sich ein eigenes Zimmer und beginnt eine Arbeit in einer Schuhfabrik. Sabine ist unbequem und ehrlich, stößt als Suchende bei vielen auf Widerstand. Der Film zählt zu den erfolgreichsten des Jahres, wird als Publikumsliebling beim Nationalen Spielfilmfestival in Karl-Marx-Stadt ausgezeichnet.

Danach inszeniert der Regisseur alle zwei Jahre einen Film. Mit DIE STUNDE DER TÖCHTER (1980) verfilmt Erwin Stranka ein Buch seines Bruders Walter Stranka. Erzählt wird die Geschichte des Arbeiters Richard Roth, der sich infolge einer Herzattacke die Frage stellt, was von ihm in seinen vier Töchtern weiterleben wird.

Der Episodenfilm AUTOMÄRCHEN (1983) schildert Geschichten um des Menschen „liebstes Kind“, das Auto. In dem turbulenten Episodenfilm agieren unter anderem  Kurt Böwe und Roman Kaminski. In DER HAIFISCHFÜTTERER (1985) regelt der Möbelfahrer Stefan in einigen Tagen sein Leben, bevor er zur Armee eingezogen wird. In dem Film LIANE (1987) sucht eine zwanzigjährige Elektronikfacharbeiterin ihren eigenen Weg im Leben. Die Auseinandersetzung mit Lebenswünschen und -ansprüchen junger Leute in der DDR ist mit einem sicheren Gespür für Atmosphäre inszeniert.

Dreharbeiten zu "Die Moral der Banditen"

Erwin Stranka bei den Dreharbeiten zu DIE MORAL DER BANDITEN (R: Erwin Stranka, 1975) Fotografen: Wolfgang Ebert, Ingo Raatzke

Filmstill zu "Sabine Wulff"

Erwin Stranka bei den Dreharbeiten zu SABINE WULFF (R: Erwin Stranka, 1978) Fotograf: Dieter Jaeger

Sein letzter Film ZWEI SCHRÄGE VÖGEL (1989) handelt von den Informatikstudenten Kamminke und Frank, die sich in der Provinz bewähren müssen und dies sehr findig tun. Der Film läuft am 12. September 1989 in Ostberlin an und wird von den politischen Ereignissen schnell eingeholt.

1990 erleidet Erwin Stranka einen Herzanfall. Er wird mehrfach operiert. Danach kann er keinen Film mehr realisieren. Der Künstler widmet sich der experimentellen Malerei und schafft Plastiken. Erwin Stranka ist mit der Kostümbildnerin Rosemarie Wandelt verheiratet. Beide haben zwei gemeinsame Söhne, Oliver und Stefan.

Erwin Stranka verstirbt am 14. April 2014 in Potsdam.

Verfasst von Ines Walk. (Stand: November 2020)

Trailer zu DIE GESTOHLENE SCHLACHT (R: Erwin Stranka, 1971)

Auszeichnungen

  • 1959: DER REGEN KOMMT VON OBEN - Ehrendiplom 1. Kategorie auf dem Studentenfilmfestival in Wien
  • 1974: ZUM BEISPIEL JOSEF - Heinrich Greif Preis
  • 1974: ZUM BEISPIEL JOSEF - Kunstpreis des FDGB
  • 1980: SABINE WULFF - Publikumspreis "Großer Steiger" beim Nationalen Spielfilmfestival in Karl-Marx-Stadt

Literatur

  • M. Schröder: Held und Autor "vorbestraft", in: Junge Welt, 16.11.1963.
  • Michael Hanisch: Hauptattraktion auch diesmal der Indianerfilm, in: Junge Welt, 15.07.1971.
  • K. Meyer: Feuertaufe und Zerreißprobe, in: Sonntag, 29/1971.
  • Horst Knietzsch: Sommerliches aus Babelsberg, in: Neues Deutschland, 12.07.1971.
  • Michael Hanisch: Spaß an Käsebiers gekonnten Späßen, in: Junge Welt, 06.08.1972.
  • M. Heidecke: Dieb und König, in: Filmspiegel 18/1972.
  • Horst Knietzsch: Potztausend, dieser Gauner Käsebier, in: Neues Deutschland, 06.08.1972.
  • K. Anders: Poesie und Wirklichkeit, in: Filmspiegel 22/1978.
  • P. Berger: Poetisches Gleichnis für Kinder und Erwachsene, in: Neues Deutschland, 25.08.1973.
  • E. Novotny: Wunder dauern etwas länger, in: Berliner Zeitung, 07.10.1973.
  • K. Richter de Vroe: Kino für 25 Pfenning, in: Sonntag, 02/1974.
  • M. Beckmann: Sprung in eine andere Welt, in: Filmspiegel, 22/1974.
  • Rolf Richter: Dramatisches Geschehen um einen jungen Helden, in: Neues Deutschland, 15.10.1974.
  • Hans-Dieter Tok: Vom Anderswerden in unserer Gesellschaft, in: Film und Fernsehen, 10/1974.
  • Hans-Dieter Schütt: Geschichte, in der es nicht zimperlich zu geht, in: Junge Welt, 14.03.1976.
  • E. Jahnke: Lehrer Lindner und die Rächer-Bande, in: Filmspiegel, 07/1976.
  • Rolf Richter: Ein Lehrer ringt um die Herzen der Jugend, in: Neues Deutschland, 17.03.1976.
  • W. Schroeder: Ohne erhobenen Zeigefinger, in: Wochenpost, 14/1976.
  • Horst Knietzsch: Wunderbares für junge Zuschauer, in: Neues Deutschland, 10.02.1977.
  • K. Anders: Zauber, Poesie und Kriegsgetümmel, in: Filmspiegel, 12/1977.
  • Hans-Dieter Tok: Rezension zu SABINE WULFF, in: Wochenpost, 46/1978.
  • Günter Agde: Kleine Geschichte einer Ankunft, in: Filmspiegel, 25/1978.
  • M. Heidicke: Vom neuen Anfang einer 18jährigen, in: Berliner Zeitung, 11.11.1978.
  • Horst Knietzsch: Nachdenken über den eigenen Weg im Leben, in: Neues Deutschland, 11.11.1978.
  • Klaus Rümmler: Ein Mädchen findet zu sich selbst, in: Film und Fernsehen, 02/1979.
  • Hans-Dieter Tok: Suche nach Freundlichkeit, in: Wochenpost, 47/1978.
  • o.A.: Erwin Stranka – Im Gespräch mit dem DEFA-Regisseur, in: Ostsee-Zeitung, 19.01.1980.
  • Maja Turowskaja: Auf der Suche nach der "freundlichen Welt", in: Film und Fernsehen, 01/1981.
  • R. Schostach: Schmollmund und Trotz im Blick, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.08.1981.
  • Fred Gehler: Rezension zu DIE STUNDE DER TÖCHTER, in: Sonntag, 14/1981.
  • Günter Agde: Vielerlei Prüfungen, in: Filmspiegel, 06/1981.
  • R. Stolze: Gesucht wird der eigene Weg im Leben, in: Junge Welt, 27.02.1981.
  • Horst Knietzsch: Bekenntnisse zur Wirklichkeit und zu einem bewußt gelebten Leben, in: Neues Deutschland, 03.03.1981.
  • Margit Voss: Kleiner Radius für großes Thema, in: Film und Fernsehen, 05/1981.
  • Hans-Dieter Schütt: Erwin Stranka: Eingreifen in die aktuelle Situation, in: Rolf Richter (Hrsg.): DEFA-Spielfilm-Regisseure und ihre Kritiker, Bd. 2, Henschel Verlag Berlin, 1983, Seite 174 – 192.
  • Jochen Maaß: HAIFISCHFÜTTERER – Interview mit dem Regisseur Erwin Stranka, in: Sonntag, 29.09.1985.
  • Ida Falken: Interview mit Erwin Stranka über DER HAIFISCHFÜTTERER, in: Filmspiegel 18/1985.
  • Horst Knietzsch: Nachdenken über LIANE und über ihre Freunde - Die Filmschöpfer äußern sich zu Publikumsreaktionen, in: Neues Deutschland, 11.01.1988.
  • Ulrike Odenwald: Erwin Stranka, Regisseur, in: Film und Fernsehen Nr. 03/1998, Seite 43 - 48.

DEFA-Filmografie

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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