Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Hermann Beyer

Schauspieler

* 30. Mai 1943 in Altenburg

Biografie

Filmstill zu "Märkische Forschungen"

Hermann Beyer

in MÄRKISCHE FORSCHUNGEN (R: Roland Gräf, 1981) Fotografin: Waltraut Pathenheimer

Der Schauspieler Hermann Beyer ist, als er Anfang der 1980er-Jahre von der DEFA mit größeren Rollen bedacht wird, bereits ein gestandener und erfolgreicher Theaterschauspieler. Einigen der wichtigsten DEFA-Filme hat er mit seiner sensiblen Darstellung einen Stempel aufgedrückt. Meist spielt er verhalten und leise, ohne große Gesten, gibt so seinen Figuren eine wirkungsvolle Authentizität. Sein filmisches Gesamtwerk umfasst mehr als 150 Film- und Fernsehproduktionen.

Hermann Beyer wird am 30. Mai 1943 in Altenburg (Thüringen) geboren. Sein Vater ist kaufmännischer Angestellter, seine Mutter arbeitet als Verkäuferin. Zur Familie gehört der ältere Bruder  Frank Beyer, der später als Filmregisseur auf sich aufmerksam machen wird. Bereits während seiner Schulzeit interessiert er sich für das Schauspiel, steht unter anderem als Laienspieler auf der Bühne. Nach seinem Abitur bewirbt er sich mit Erfolg an der Staatlichen Schauspielschule in Berlin, schließt sein Studium 1966 ab.

Sein erstes Theaterengagement führt ihn an das Maxim Gorki Theater nach Berlin. Er debütiert mit der Hauptrolle in „Der Schuhu und die fliegende Prinzessin“ von Peter Hacks. 1969 wechselt er an das Hans Otto Theater in Potsdam, spielt dort bis 1971 unter der Intendanz von Peter Kupke. Unter anderem ist er als Egmont in dem gleichnamigen Bühnenstück von Johann Wolfgang Goethe und als Beckmann in „Draußen vor der Tür“ nach Wolfgang Borchert zu sehen. 1972 kehrt er nach Berlin zurück, arbeitet bis 1980 an der Volksbühne unter Benno Besson. Von 1980 bis 1983 ist er freischaffend tätig, betätigt sich unter anderem an der Volksbühne Berlin, am Berliner Ensemble und bei der DEFA. Von 1983 bis 1999 begeistert Hermann Beyer als festes Mitglied das Publikum am Berliner Ensemble. Er macht sich einen Namen als ausgezeichneter Theaterschauspieler, feiert zahlreiche Erfolge. Beyer brilliert in klassischen Stücken, etwa von Georg Büchner, ist aber auch in Gegenwartsstücken von Volker Braun und Heiner Müller erfolgreich. Mit Müller verbindet ihn eine intensive Arbeitsbeziehung; er tritt in zahlreichen seiner Stücke auf. Seit 1999 arbeitet Hermann Beyer wieder freischaffend, unter anderem in Chemnitz und Weimar, Hamburg und Schwerin, in München und Berlin.

Filmstill zu "Männer ohne Bart"

Manfred Boehm und Hermann Beyer in MÄNNER OHNE BART (R: Rainer Simon, 1971) Fotografen: Dietram Kleist, Dieter Lück, Rudolf Meister

Filmstill zu "Ich war neunzehn"

Kalmursa Rachmanow und Hermann Beyer in ICH WAR NEUNZEHN (R: Konrad Wolf, 1967) Fotograf: Werner Bergmann, Wolfgang Ebert, Bernd Sperberg

Hermann Beyer, obwohl schon landesweit geschätzt durch seine Leistung auf der Theaterbühne, kommt erst spät mit dem Film in Kontakt. Eine seiner ersten Rollen erhält er von Regisseur  Konrad Wolf in dessen autobiografischem Werk ICH WAR NEUNZEHN (1967). In der Folge sind es kleine Rollen für Film und Fernsehen, die der Schauspieler annimmt; das Theater steht immer wieder im Vordergrund. Zunehmend wird Beyer für größere Filmrollen engagiert, in denen er sein Talent zeigen kann. In MÄNNER OHNE BART (1971) von  Rainer Simon spielt er den Lehrer Nickel, der sich mit einem 15-jährigen Schüler auseinandersetzen muss. Er arbeitet mit Regisseuren wie  Horst E. Brandt,  Siegfried Kühn und  Werner W. Wallroth sowie seinem Bruder Frank Beyer zusammen.

Einen enormen Schub erhält seine Filmkarriere Anfang der 1980er-Jahre, als Hermann Beyer freischaffend tätig ist. In der Verfilmung des Romans „Franziska Linkerhand“ von Brigitte Reimann UNSER KURZES LEBEN (1980) unter der Regie von  Lothar Warneke spielt er Schafheutlin, einen kommissarischen Stadtarchitekten, der längst in seinen Vorstellungen und Normen erstarrt ist. Er wird schnell zum Widersacher der jungen Architektin, die sich rigoros für Veränderungen einsetzt; macht aber auch die innere Widersprüchlichkeit der Figur deutlich. 1982 erhält er den Kritikerpreis der DDR als Bester Darsteller, da er in gleich zwei Filmen zu sehen ist, die zu den wichtigsten Produktionen des Jahres zählen. An der Seite von Christine Schorn spielt er in DIE BEUNRUHIGUNG (1981) erneut unter der Regie von Lothar Warneke. In MÄRKISCHE FORSCHUNGEN (1981) von  Roland Gräf gibt er den Landlehrer und Freizeitforscher Pötsch, der ein Kenner des vergessenen märkischen Dichters Max von Schwedenow ist. Komisch und skurril kommt die Figur daher, hat aber die Sympathien des Zuschauers auf ihrer Seite, da sie frei von Autoritätsgehabe und Obrigshörigkeit die Wahrheit der Forschung beansprucht. In der geistvollen, psychologisch genau gezeichneten Komödie steht Beyer neben  Kurt Böwe vor der Kamera, der den karrieresüchtigen Kleinbürger und Literatur-Professor Menzel verkörpert. Beide sind das ideale Paar für die zwei unterschiedlichen Forschungsrichtungen.

In der Folge ist Hermann Beyer in zahlreichen DEFA-Filmen präsent, spielt oft in größeren Nebenrollen, die aber durch seine ausdrucksstarken Auftritte in Erinnerung bleiben. In OLLE HENRY (1983) von  Ulrich Weiß verkörpert er den Portier eines Nachtclubs, in DAS HAUS AM FLUSS (1985) von Roland Gräf gibt er einen verwundeten Soldaten. Immer wieder sind es auch Kinder- und Jugendfilme, in denen der Schauspieler zu sehen ist, etwas in DER UNTERGANG DER "EMMA" (1973/74) von  Helmut Dziuba, IKARUS (1975) von  Heiner Carow und EIN SONNTAGSKIND, DAS MANCHMAL SPINNT (1978) von  Hans Kratzert. Besonders in Erinnerung bleibt seine Rolle des Hochgraf Julius Ortel von Rattenzuhausbeiuns in dem Märchenfilm GRITTA VON RATTENZUHAUSBEIUNS (1984), der eine Thronrettungsmaschine konstruiert.

Trailer zu MÄRKISCHE FORSCHUNGEN (R: Roland Gräf, 1981)

Überaus vielfältig sind die Rollen des Schauspielers. Mehrfach kann Beyer seine Wandelbarkeit unter Beweis stellen. Unter der Regie von  Siegfried Kühn spielt er in KINDHEIT (1986) den Schräter, ein altmodisches Überbleibsel vergangener Kriegsbegeisterung. Der Film TREFFEN IN TRAVERS (1988) unter der Regie von  Michael Gwisdek ist ein weiterer Karrierehöhepunkt des Schauspielers. Er gibt den Gelehrten und Jakobiner Georg Forster, der sich nach Jahren der Revolution mit seiner Ehefrau, deren Liebhaber und seinen Kindern trifft, um die Scheidung auszuhandeln. Die drei Figuren in dieser Konstellation - gespielt von  Corinna Harfouch, Hermann Beyer und Uwe Kockisch - balancieren am Rande der Katastrophe; die eindrucksvollen darstellerischen Leistungen tragen zur atmosphärischen Dichte des Films bei. Auch in der Kriminalkomödie DER BRUCH (1988) von Frank Beyer überzeugt das Darstellerensemble. Hier gibt Hermann Beyer neben Götz George, Otto Sander und  Rolf Hoppe den Polizeikommissar Kollmorgen. In dem Roland-Gräf-Film DER TANGOSPIELER (1990) verkörpert er Dr. Berger, einen DDR-Richter, der keine Schwierigkeiten damit hat, unrechte Urteile zu sprechen.

Nach dem Zusammenbruch der DDR hat der Schauspieler zunächst keine Probleme, sich auf dem gesamtdeutschen Film- und Fernsehmarkt zurechtzufinden. 1992 steht er als Anselm Ritter von Feuerbach für KASPER HAUSER von Peter Sehr vor der Kamera. 1994/95 spielt er die Hauptrolle in Stefans Trampes DER KONTROLLEUR. im neuen Jahrtausend arbeitet er mit Regisseur Oskar Roehler zusammen. In dessen Studie DER ALTE AFFE ANGST (2003) spielt er den Vater von Marie, in ELEMENTARTEILCHEN (2006) jenen von Annabelle. Mehrfach gibt er seine Erfahrungen an Studierende weiter, mit denen er bei Kurzfilmoroduktionen zusammenarbeitet. Zugleich ist er in zahlreichen TV-Filmen und -Serien präsent. Neben populären Serien wie POLIZEIRUF 110, TATORT oder WOLFFS REVIER ist es gehobene Abendunterhaltung, in der Hermann Beyer zu sehen ist. Hervorzuheben ist der dreiteilige Fernsehfilm DER LADEN (1997) nach Erwin Strittmatter unter der Regie von Jo Baier sowie sein Friedrich Hoprecht in DER HAUPTMANN VON KÖPENICK (1997) von Frank Beyer. In dem Hans Christoph Blumenberg-Historienfilm DEUTSCHLANDSPIEL (2000) über den Mauerfall und die deutsche Einheit verkörpert er Hans Modrow. In der ZDF-Produktion DIE NACHRICHTEN (2005) von Matti Geschonneck nach dem gleichnamigen Roman von Alexander Osang spielt er den Vater des Nachrichtensprechers, der sich, erfolgreich angekommen in der bundesrepublikanischen Wirklichkeit der 1990er-Jahre, mit seiner DDR-Vergangenheit auseinandersetzen muss. 2012 wird er für seine Darstellung in VERGISS DEIN ENDE (Andreas Kannengießer, 2011) in dem an der Seite von Renate und Eugen Krößner vor der Kamera steht in der Kategorie Beste männliche Nebenrolle für den Deutschen Filmpreis nominiert. 2020 ist er in der dreiteiligen, aufwendig von Matti Geschonneck inszenierten Fernsehproduktion UNTERLEUTEN - DAS ZERRISSENE DORF nach einer Romanvorlage von Juli Zeh zu sehen.

Neben seiner schauspielerischen Tätigkeit interessiert sich Hermann Beyer für Philosophie. Von 1969 bis 1975 absolviert er ein Fernstudium an der Humboldt Universität zu Berlin. Hermann Beyer lebt mit der Fotografin Ina Voigt in Berlin.

Verfasst von Ines Walk. (Stand: Mai 2023)

Filmstill zu "Gritta von Rattenzuhausbeiuns"

Suheer Saleh und Hermann Beyer in GRITTA VON RATTENZUHAUSBEIUNS (R: Jürgen Brauer, 1984) Fotografin: Waltraut Pathenheimer

Filmstill zu "Ikarus"

Hermann Beyer in IKARUS (R: Heiner Carow, 1975) Fotograf: Norbert Kuhröber

Auszeichnungen

  • 1982: MÄRKISCHE FORSCHUNGEN - Nationales Spielfilmfestival der DDR: Bester Hauptdarsteller
  • 1983: MÄRKISCHE FORSCHUNGEN - Theodor Fontane-Preis im Kollektiv
  • 1987: GRITTA VON RATTENZUHAUSBEIUNS - DDR-Kritikerpreis: Bester Darsteller
  • o.A.: Festival "Goldener Spatz": Ehrendiplom
  • 1987: KINDHEIT - Nationales Spielfilmfestival der DDR: Bester Nebendarsteller
  • 1989: TREFFEN IN TRAVERS - Nationales Spielfilmfestival der DDR: Bester Hauptdarsteller

Literatur

  • Hermann Beyer: Erste Probe. Ich kann nicht sprechen. Ich kann nicht lesen. Merken: Ein Kriegstagebuch, in: Wolfgang Storch: Explosion of a Memory Heiner Müller DDR. Ein Arbeitsbuch, Edition Hentrich Berlin 1988.
  • Manfred Dietrich, Otto-Fritz Hayner: Zum Beispiel Hermann Beyer, in: Theater der Zeit 03/1977.
  • Helmut Ullrich: Hermann Beyer, in: Filmspiegel 06/1982.
  • Ralf Schenk: Hermann Beyer, in: Filmspiegel 13/1983.
  • Marlis Linke: Weil ich nicht anders kann ... Fragmente von und über Hermann Beyer, in Filmspiegel 11/1989.
  • Leonore Krenzlin: Das Weiße im Auge der Geschichte: Gespräch mit Hermann Beyer, in: Film und Fernsehen 06/1989.
  • Roland Gräf: Hermann Beyer, in: Ralf Schenk (Hrsg.): Vor der Kamera, Henschel Verlag Berlin 1995.

DEFA-Filmografie

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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