Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Iris Gusner

Regisseurin, Drehbuchautorin

* 16. Januar 1941 in Trautenau

Biografie

Filmstill zu "Die Taube auf dem Dach"

Iris Gusner

bei den Dreharbeiten zu DIE TAUBE AUF DEM DACH (R: Iris Gusner, 1973) Fotograf: Klaus Goldmann

Iris Gusner gehört - neben  Bärbl Bergmann,  Ingrid Reschke,  Evelyn Schmidt und Hannelore Unterberg - zu den wenigen weiblichen Spielfilm-Regisseuren der DEFA. Ihre Karriere verläuft alles andere als gradlinig. Der erste eigene Film wird verboten, eines ihrer eingereichten Szenarien liegt mehr als zehn Jahre in den Schubladen. Danach inszeniert die Regisseurin sechs Spielfilme für die DEFA, wobei das Gruppenporträt ALLE MEINE MÄDCHEN (1979) zu ihren erfolgreichsten Film zählt.

Iris Gusner wird am 16. Januar 1941 in Trautenau (heute Trutnow, Tschechien) geboren. Ihr Vater ist der Regierungsrat Hans Walter Beyer. Den Namen erhält sie von ihrer Mutter, die als Sekretärin tätig ist. Der Vater fällt im Zweiten Weltkrieg. Die ersten Lebensjahre verbringt sie in Gleiwitz (heute Gliwice, Polen). Mit einem Flüchtlingstreck kommt die Familie 1945 nach Leipzig. Hier und in Markkleeberg besucht Iris Gusner die Schule, schließt ihre Ausbildung mit dem Abitur ab. Danach absolviert sie ein einjähriges Vorpraktikum als Sortiererin im Holzveredelungswerk Wiederitzsch bei Leipzig.

1960 bewirbt sie sich mit Erfolg an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg am Fachbereich Regie. Im darauffolgenden Jahr wird sie nach Moskau an das Staatliche Allunionsinstitut für Kinematographie (VGIK) delegiert. Einer ihrer Dozenten ist der Regisseur Michail Romm. Ihr Studium schließt sie mit dem Kurzfilm STRACHOWOJ AGENT (1967) ab.

Filmstill zu "Die Taube auf dem Dach"

Roland Gräf und Iris Gusner bei den Dreharbeiten zu DIE TAUBE AUF DEM DACH (R: Iris Gusner, 1973/2010) Fotograf: Klaus Goldmann

Filmstill zu "Die Taube auf dem Dach"

DIE TAUBE AUF DEM DACH (R: Iris Gusner, 1973/2010) Fotograf: Klaus Goldmann

Zurück in der DDR arbeitet Iris Gusner zunächst beim Fernsehen der DDR. Sie ist Redaktions-Mitglied des TV-Magazins „Prisma“. Hier werden Reportagen hergestellt, die zum einen Situationen in der DDR kritisch beleuchten, wie mangelnde Arbeitsmoral oder Schwierigkeiten bei der Versorgung und zum anderen voller Selbstlob und Verteidigung des Systems sind. Nach kurzer Zeit kündigt Iris Gusner und arbeitet als Szenaristin und Regie-Assistentin bei der Dokumentation über den Chemie-Standort Leuna GESTERN UND DIE NEUE STADT (1968) unter der Regie von Wolfgang Bartsch. Ab 1970 ist Iris Gusner beim DEFA-Studio für Spielfilme tätig. Als Regie-Assistentin ist sie an dem opulenten Werk GOYA (1971) von  Konrad Wolf beteiligt.

Ihre erste Arbeit als Regisseurin legt Iris Gusner mit dem Spielfilm DIE TAUBE AUF DEM DACH (1973/2010) vor. Erzählt wird die Geschichte der jungen Bauingenieurin Linda Hinrichs (gespielt von  Heidemarie Wenzel), die erfolgreich im Beruf auch im privaten Leben nach Erfüllung sucht. Sie lernt zwei Männer kennen: einen spontanen Studenten und einen gestandenen Bauingenieur, der nicht sesshaft wird. Der Film wird nicht zur Uraufführung freigegeben. Grund mag die unbequeme und zweifelnde Sicht auf die Arbeitswelt sein, die in der herb-poetischen Inszenierung noch deutlicher zutage tritt. Erst 1990 gelangt eine Arbeitsfassung zur Aufführung.

1973 legt die Künstlerin der DEFA das Drehbuch „Einer trage des andern Last“ nach einem autobiografisch gespeisten Szenarium von Wolfgang Held vor. Das Thema ist brisant: In einem Sanatorium für Lungenkranke in der DDR treffen 1950 ein kommunistischer Volkspolizist und ein evangelischer Vikar aufeinander.  Lothar Warneke bekundet Interesse an dem Projekt, zieht sich dann aber zurück. Iris Gusner wird von der Hauptverwaltung Film als Regisseurin nicht aktzeptiert. Über Jahre ruht der Stoff in Schubladen, bis 1986 die Verantwortlichen das Szenarium zur Verfilmung freigeben. 1987 beginnt der Regisseur Lothar Warneke mit den Dreharbeiten zu dem Film EINER TRAGE DES ANDEREN LAST (1987).

Dreharbeiten zu "Das blaue Licht"

Iris Gusner bei den Dreharbeiten zu DAS BLAUE LICHT (R: Iris Gusner, 1975) Fotograf: Jürgen Hoeftmann

Filmstill zu "Alle meine Mädchen"

Iris Gusner bei den Dreharbeiten zu ALLE MEINE MÄDCHEN (R: Iris Gusner, 1979) Fotograf: Wolfgang Ebert

Iris Gusner dreht Arbeiten für das Fernsehen. Es entsteht unter anderem der Dokumentarfilm WAS HALTEN SIE VON LEUTEN, DIE MALEN (1974) für das Fernsehstudio Halle. Erzählt wird von einer Gruppe Arbeiter, die in ihrer Freizeit malen.

1976 legt die Regisseurin in zweiten Spielfilm vor, der auch uraufgeführt werden darf und auf positive Resonanz bei Kritik und Zuschauer stößt. Der Märchenfilm DAS BLAUE LICHT (1975) nach den Brüdern Grimm erzählt ebenso leicht und spielerisch wie hintersinnig von dem aus dem Krieg zurückgekehrten Soldaten Hans, der von seinem König um den Sold betrogen wird. Mit Hilfe der Zauberkraft eines Lichts wird er mutig und fordert vom König seine Rechte, entführt dessen Tochter und wird vor dem Galgen gerettet. Der Film ist trickreich und stimmungsvoll in Szene gesetzt. Ausnehmend einprägsam ist der Auftritt von Marylu Poolman als sinnliche Hexe.

Danach inszeniert Iris Gusner die Kriminalgeschichte EINER MUSS DIE LEICHE SEIN (1977) nach einem Roman von Gert Prokop. Eine Gruppe Touristen strandet auf einer Insel. Um sich die Zeit zu vertreiben, schlägt ein Kriminalexperte ein Mörderspiel vor. Unwohlsein macht sich breit, als wirklich ein Mord geschieht. Der Film floppt an den Kinokassen, wird auch von der Kritik als unbefriedigend eingeschätzt und nicht gut aufgenommen.

Mit der Sozialstudie ALLE MEINE MÄDCHEN (1979) feiert die Regisseurin einen großen Erfolg. Der Filmstudent Ralf Päschke erhält den Auftrag, einen Dokumentarfilm über eine Frauenbrigade im Glühlampenwerk NARVA in Berlin zu drehen. Bei der Arbeit an dem Film wird aus seinem beruflichen Interesse persönliche Anteilnahme, er lernt die sechs Frauen näher kennen. Dem Film wird ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit bescheinigt, besonders die Darstellerinnen werden aufgrund ihrer Spielfreude gelobt. Die Regisseurin und das Kollektiv erhalten Kunstpreis des Gewerkschaftsbundes; zwei Darstellerpreise werden auf dem nationalen Filmfest in Karl-Marx-Stadt vergeben.

Filmstill zu "Wäre die Erde nicht rund..."

WÄRE DIE ERDE NICHT RUND (R: Iris Gusner, 1981) Fotograf: Wolfgang Ebert

Filmstill zu "Kaskade rückwärts"

KASKADE RÜCKWÄRTS (R: Iris Gusner, 1983) Fotograf: Wolfgang Ebert

Ein Jahr später legt die Regisseurin einen weiteren Spielfilm vor. Hier verarbeitet sie autobiografische Erfahrungen. WÄRE DIE ERDE NICHT RUND... (1981) erzählt von der DDR-Auslandsstudentin Christine, die sich in Moskau in den Kommilitonen Hatem aus Syrien verliebt und mit ihm ein Kind hat. Nach dem Studium werden sich ihre Wege unweigerlich trennen. Der Film wird zwar wegen seiner atmosphärischen Inszenierung gelobt, bleibt nach Ansicht der Filmkritik aber in zahlreichen Klischees stecken.

In dem Werk KASKADE RÜCKWÄRTS (1983) erzählt die Filmemacherin von Maja, die ein neues Leben beginnt, ihr Landhaus verkauft und als Zugschaffnerin zu arbeiten beginnt. In der Großstadt sucht sie per Anzeige einen Mann. Der Film balanciert gekonnt zwischen Romantik und Satire, misst das Leben einer Frau an den Maßstäben der staatlich proklamierten Emanzipation und setzt sich ironisch mit dem DDR-Alltag auseinander. Besonders das Spiel der Hauptdarstellerin Marion Wiegmann wird gelobt.

Der letzte Film der Regisseurin für die DEFA wird die Komödie ICH LIEBE DICH – APRIL! APRIL! (1987), in der sie von Professor Schneider, Familienrechtler und gleichzeitiger Gegner der Ehe, erzählt, dessen Assistent eine heimliche Ehe mit einer Studentin führt. Es stellt sich heraus, dass er der Vater der Studentin ist. Die Komödie gilt einigen Kritikern als nicht wirklich gelungen.

Nach dem Zusammenbruch der DDR im November 1989 geht die Regisseurin nach Köln und arbeitet dort für das Fernsehen. 1993 inszeniert sie den TV-Film SOMMERLIEBE (1993) mit Iris Berben in der Hauptrolle einer 48-jährigen Malerin, die sich in den Studienfreund ihres Sohnes verliebt.

Iris Gusner hat zwei Töchter, die ebenfalls beim Film beschäftigt sind. Amina Gusner (geb. 1965) arbeitet als Schauspielerin, Autorin und Regisseurin. Mehrfach ist sie in Filmen ihrer Mutter zu sehen. Inken Gusner arbeitet als Kostümbildnerin und Designerin.

Verfasst von Ines Walk.

Trailer zu ICH LIEBE DICH - APRIL! APRIL! (R: Iris Gusner, 1987)

Auszeichnungen

  • 1980: ALLE MEINE MÄDCHEN - Kunstpreis des FDGB im Kollektiv im Kollektiv
  • 1980: Großer Steiger der Publikumsjury auf dem Nationalen Spielfilmfestival in Karl-Marx-Stadt
  • 1980: Darstellerpreis auf dem Nationalen Spielfilmfestival in Karl-Marx-Stadt an Lissy Tempelhof
  • 1980: Darstellerpreis auf dem Nationalen Spielfilmfestival in Karl-Marx-Stadt für beste Nebenrolle an Fritz Marquardt

Literatur

  • Cornelia Klauß, Ralf Schenk (Hg.): Sie – Regisseurinnen der DEFA und ihre Filme, 02/2019.
  • Iris Gusner: Start in Moskau. Regiestudenten der Moskauer Filmhochschule erinnern sich von Iris Gusner, 2018.
  • Iris Gusner, Helke Sander: Fantasie und Arbeit - Biografische Zwiesprache, 2009.
  • Michael Romm: Dramaturgie heute, übersetzt von Iris Gusner, in: Theorie und Praxis des Films, 01/1972.
  • Grigori Kosinzew: Gogoliade. Auf dem Weg zu einem Film, übersetzt von Iris Gusner. Mit einem Nachwort herausgegeben von Rolf Richter, Henschel Verlag Berlin 1976.
  • Ot'ia Ioseliani: Sechs alte Jungfern und ein Mann, übersetzt von Iris Gusner, Henschel Verlag Berlin 1976.
  • Andrej Tarkowski: Über die Bildsprache im Film, übersetzt von Iris Gusner, in: Theorie und Praxis des Films, 1981.
  • Aleksandr Naumovic Mitta: Das Detail in der Struktur des Films, übersetzt von Iris Gusner, in: Theorie und Praxis des Films, 02/1982.
  • Henryk Goldberg: Iris Gusner - Das Eigene und das Fremde, in: Rolf Richter (Hrsg.): DEFA-Spielfilm-Regisseure und ihre Kritiker. Band 2, Henschel Verlag Berlin 1983.
  • Erika Richter und Rolf Richter: Vom Weg abgekommen. Ein Gespräch mit der Regisseurin Iris Gusner, in: Sonntag, 02.09.1990.
  • Rolf Richter: Filmfrauen – Vital Leichtsinniges. Gespräch mit der Regisseurin Iris Gusner, in: Sonntag, 24.04.1988.

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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