Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Jutta Wachowiak

Schauspielerin

* 13. Dezember 1940 in Berlin

Biografie

Filmstill zu "Fallada - Letztes Kapitel"

Jutta Wachowiak

in FALLADA - LETZTES KAPITEL (R: Roland Gräf, 1988) Fotograf: Wolfgang Ebert

Die Schauspielerin Jutta Wachowiak besitzt eine herbe Anmut. Ihr Äußeres entspricht nicht den gängigen Darstellerinnen-Klischees. Vielleicht beginnt deshalb ihre Karriere auf der Theaterbühne und beim Film erst, als sie bereits 30 Jahre ist. Dann aber spielt sich Jutta Wachowiak in die erste Riege der Charakterdarstellerinnen der DDR, gehört durch ihre Wandlungsfähigkeit und Vielseitigkeit zu den bekanntesten Schauspielgesichtern des Landes. Einigen der wichtigsten DEFA-Filmen hat sie ihren Stempel aufgedrückt.

Jutta Wachowiak wird am 13. Dezember 1940 in Berlin geboren. Über ihre familiäre Herkunft ist derzeit nichts bekannt. Nachdem sie ihre Schulausbildung beendet hat, lernt sie den Beruf einer Sekretärin und Stenotypistin. Danach bewirbt sie sich an der Schauspielschule in Berlin und wird abgelehnt. An der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg hat sie Erfolg, von 1961 bis 1963 absolviert sie dort das Schauspielstudium.

Ein Engagement am Hans-Otto-Theater in Potsdam nimmt sie nach ihrem Studienabschluss wahr, fünf Jahre bleibt sie an dem Theater, wo sie sich nicht besonders heimisch fühlt. 1968 geht sie an das Städtische Theater in Karl-Marx-Stadt. Sie arbeitet unter dem Talentförderer Gerhard Meier. Hier erwirbt sich die Schauspielerin ein umfangreiches Repertoire und gehört bald zu den angesehenen Darstellerinnen des Ensembles, unter anderem steht sie als Luise in „Kabale und Liebe“ auf der Bühne. 1970 holt sie der Intendant Wolfgang Heinz ans Deutsche Theater nach Berlin. Anfang der 1970er Jahre spielt sich Jutta Wachowiak mit der Sonja in Anton Tschechows „Onkel Wanja“ in die erste Reihe der bekannten und wandlungsfähigen Charakterdarstellerinnen der Theaterszene. Die Schauspielerin gehört bis 2005 dem Ensemble an. Sie steht in Stücken von William Shakespeare, Gerhart Hauptmann und Ulrich Plenzdorf auf der Bühne, arbeitet mit den Regisseuren Wolfgang Heinz, Horst Schönemann, Thomas Langhoff und Friedo Solter zusammen.

Filmstill zu "Märkische Forschungen"

Jutta Wachowiak und Roland Gräf bei den Dreharbeiten zu MÄRKISCHE FORSCHUNGEN (R: Roland Gräf, 1981) Fotografin: Waltraut Pathenheimer

Filmstill zu "Die Verlobte"

Jutta Wachowiak in DIE VERLOBTE (R: Günter Reisch, Günther Rücker, 1980) Fotografin: Waltraut Pathenheimer

Schon während ihrer Studienzeit erhält die Schauspielerin kleinere Rollen bei der DEFA und dem Fernsehen der DDR. Sie gilt als vielversprechendes Talent. Jutta Wachowiak debütiert vor der Kamera in dem Film AUF DER SONNENSEITE (1961) unter der Regie von  Ralf Kirsten. In der Komödie, die den jungen Mimen  Manfred Krug überaus populär macht, spielt sie eine Schauspielstudentin. Aber ähnlich wie auf der Theaterbühne will die Karriere beim Film nicht so richtig starten. Sie spielt Nebenrollen, zum Beispiel die Frau eines Studentenvertreters in der Komödie ACH, DU FRÖHLICHE... (1962) unter der Regie von  Günter Reisch oder die Rolle einer sorgenden Geliebten in dem wichtigen Film DIE GLATZKOPFBANDE (1962) an der Seite von  Ulrich Thein.

1968 erregt die Schauspielerin erstmal größere Aufmerksamkeit mit der Rolle der Partisanenführerin Babka in dem zweiteiligen TV-Film DER STREIT UM DEN SERGEANTEN GRISCHA (1968) nach dem Roman von Arnold Zweig und in der Regie von Helmut Schienmann. Danach werden die Talente von Jutta Wachowiak deutlicher in Szene gesetzt. In dem groß angelegten Filmepos um die Geschichte der Widerstandsgruppe Schulze-Boysen/Harnack KLK AN PTX - DIE ROTE KAPELLE (1970) von  Horst E. Brandt spielt sie Liberta Schulze-Boysen.

Zeitgleich mit ihrer Arbeit bei der DEFA beginnt die Schauspielerin auch für das Fernsehen der DDR zu arbeiten. Besonders die Zusammenarbeit mit dem Regisseur  Thomas Langhoff wirkt sich förderlich auf ihren Erfolg aus. Ihre erste gemeinsame Arbeit wird der TV-Film DIE FORELLE (1976). Sie spielt eine junge Frau, die ihr Leben und jenes ihrer zwei Kinder nach dem Unfalltod ihres Mannes neu einrichten muß. In der Folgezeit kommt es zu einer intensiven Arbeitsbeziehung zwischen Regisseur und Schauspielerin, Jutta Wachowiak wird in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre die wesentlichste Protagonistin von Thomas Langhoff. Es entstehen Filme aus Gegenwartsstoffen BEFRAGUNG - ANNA O. (1977), GUTEN MORGEN, DU SCHÖNE (1980) sowie Literaturadaptionen nach Theodor Fontane STINE (1979), MUHME MEHLE (1980) oder STELLA - NACH GOETHE (1982).

Trailer zu KLK AN PTX - DIE ROTE KAPELLE (R: Horst E. Brandt, 1970)

Gegen Ende der 1970er Jahre erhält Jutta Wachowiak seitens der DEFA ihre anspruchsvollsten Rollen. In P.S. (1978) unter der Regie von  Roland Gräf agiert sie als Bewährungshelferin Margot, Mitte 30, in die sich der 18-jährige Peter aus dem Waisenhaus verliebt. Nach einer kurzen Zeit der Liebe, trennt sie sich von ihm. In  Herrmann Zschoches Film GLÜCK IM HINTERHAUS (1979) nach dem Roman „Buridans Esel“ von Günter de Bruyns spielt sie eine verlassene Ehefrau.

Als Hella Lindau in dem Film DIE VERLOBTE (1980) unter der Regie von Günter Reisch und  Günther Rücker überzeugt Jutta Wachowiak mit einer herausragenden schauspielerischen Leistung. Anfangs lehnt sie die Rolle aus Respekt ab, wird dann aber von den Regisseuren überzeugt. Erzählt wird die Geschichte der Kommunistin, die zehn Jahre in einem nationalsozialistischen Frauenzuchthaus verbringen muß. Als einzige Hoffnung auf eine Zukunft bleibt ihr die Liebe zu ihrem Verlobten. DIE VERLOBTE ist ein Film, der tief berührt, gerade durch seine einfache und gradlinige Struktur. Die Leistung von Jutta Wachowiak besteht unter anderem darin, die Gefühlswelten der Hella Lindau bemerkenswert erforscht zu haben; nie wirkt die Figur plakativ oder pathetisch. Hella Lindau ist überaus menschlich in einer unmenschlichen Umgebung. Mehrfach wird Jutta Wachowiak für ihre Darstellung ausgezeichnet.

Häufig arbeitet der Regisseur Roland Gräf mit der Schauspielerin. In dem Film MÄRKISCHE FORSCHUNGEN (1981), ebenfalls nach einem Stoff von Günter de Bruyn, gibt sie die Ehefrau des Landlehrer Pötsch, der sich auf den Spuren des vergessenen märkischen Dichter, Max von Schwedenow, bewegt und in die Mühlen von Bürokratie und Machtherrlichkeit gerät. In der Filmbiographie FALLADA – LETZTES KAPITEL (1988) spielt sie die Ehefrau des Schriftstellers Hans Fallada (gespielt von  Jörg Gudzuhn). Sie betreut den Künstler in den Zeiten tiefster Depressionen, erträgt seine Aggressionen und seine Liaison mit dem Hausmädchen. Als er ein Verhältnis außerhalb des Hauses beginnt, läßt sie sich scheiden. In der Liebe zu dem Schriftsteller ist nichts duldsames, eher eine mütterlich-bergende Wärme. In HAUS AM FLUSS (1985) spielt sie Mutter Voß, eine Frau umgeben von drei unterschiedlichen jungen Frauen, deren Männer an der Front sind und die vom Krieg und seinen Auswüchsen heimgesucht werden. In Ralf Kirstens historisch-biografischen Filmporträt KÄTHE KOLLWITZ - BILDER EINES LEBENS (1986) verkörpert Jutta Wachowiak die Malerin und Bildhauerin in ihren späteren Lebensjahren. Durch persönliches Leid findet die Künstlerin zu politischem Engagement.

Filmstill zu "Käthe Kollwitz - Bilder eines Lebens"

Ralf Kirsten und Jutta Wachowiak bei den Dreharbeiten zu KÄTHE KOLLWITZ - BILDER EINES LEBENS (R: Ralf Kirsten, 1986) Fotograf: Norbert Kuhröber

Filmstill zu "Fallada - Letztes Kapitel"

Jörg Gudzuhn und Jutta Wachowiak in FALLADA - LETZTES KAPITEL (R: Roland Gräf, 1988) Fotograf: Wolfgang Ebert

Jutta Wachowiak gehört zu den Initiatorinnen der Demonstration am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz, zu der 500.000 Menschen erscheinen und bei der sich ostdeutsche Intellektuelle für Veränderungen in der DDR einsetzen. Für ihr politisches Engagement ist die Schauspielerin 1993 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden.

Immer seltener ist Jutta Wachowiak in Film und Fernsehen präsent. Sie konzentriert sich auf ihre Theaterarbeit. 1995 spielt sie in der Hans Fallada-Adaption DER TRINKER (1995) an der Seite von Harald Juhnke. Sie spielt die Ehefrau des Getreidehändler Erwin Sommer, der sich dem Alkohol hingibt. Im gleichen Jahr agiert sie in dem Frank Beyer Zweiteiler NIKOLAIKIRCHE, der die Ereignisse der politischen Wende der DDR thematisiert. Der bisher letzte Kinofilm, in dem die Künstlerin zu sehen ist, ist ROSENSTRASSE (2002-2003) von Margarethe von Trotta. Sie gibt eine jener deutschen Frauen, die um die Freilassung ihrer jüdischen Männer kämpfen. 
Jutta Wachowiak hat zwei Töchter: Anja und Therese. Sie ist geschieden. Mit ihrem Lebenspartner Martin Bartels lebt sie auf Usedom.

Verfasst von Ines Walk.

Trailer zu KÄTHE KOLLWITZ - BILDER EINES LEBENS (R: Ralf Kirsten, 1986)

Auszeichnungen

  • 1971: KLK AN PTX - DIE ROTE KAPELLE - Kunstpreis des FDGB im Kollektiv
  • 1979: DIE VERLOBTE - Kunstpreis der DDR
  • 1980: DIE VERLOBTE - Nationalpreis I. Klasse im Kollektiv Grand Prix auf dem Filmfest in Karlovy Vary
  • 1982: DIE VERLOBTE - 2. Nationales Spielfilmfestival der DDR: Schauspieler-Preis
  • 1993: Bundesverdienstkreuz I. Klasse
  • 2022: Lebenswerk-Preis der DEFA-Stiftung

Literatur

  • Marlis Linke: Jutta Wachowiak, in: Renate Seydel (Hrsg.): Schauspieler, Berlin Henschel Verlag, 1974.
  • hdt: Als die "Forelle": Jutta Wachowiak, in: Leipziger Volkszeitung, 24./25.07.1976.
  • Ingeborg Pietzsch: Jutta Wachowiak, in: Renate Seydel (Hrsg.): Schauspieler. Berlin Henschel Verlag 1980.
  • Ingeborg Pietzsch: Sehnsucht nach dem Unmöglichen. Die Schauspielerin Jutta Wachowiak. Versuch eines Porträts, in: Film und Fernsehen, Nr. 10/1980.
  • Uwe Römhild: Jutta Wachowiak lädt ein, in: Filmspiegel, Nr. 03/1980.
  • Günther Rücker: Jutta Wachowiak, in: Sonntag, Nr. 37, 14.09.1980.
  • Rosemarie Rehahn: Jutta Wachowiak, in: Horst Knietzsch (Hrsg.): Prisma 12, Berlin Henschel Verlag 1981.
  • Henryk Goldberg: Zuschauer erwarten bewegte Beschäftigung mit der Gegenwart – Gespräch mit Jutta Wachowiak, in: Neues Deutschland, 23.09.1982.
  • Sibylle Wirsing: Blick in ein leuchtendes Gesicht – Die Schauspielerin Jutta Wachowiak, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.11.1984.
  • Klaus Pfützner: Als die Mauer fiel, da wusste ich: jetzt isses vorbei mit Umbauen und Weiterbauen – Im Gespräch mit Jutta Wachowiak, Schauspielerin am Deutschen Theater Berlin, über ihre Erinnerungen an den Herbst '89, in: Neues Deutschland, 04.11.1992.
  • Dieter H. Schubert: Live-Wife mit Shirley MacLaine vom Prenzl'berg, in: Neues Deutschland, 12.12.1992.
  • Ernst Schumacher: Jutta Wachowiak, Berliner Schauspielerin, in: Berliner Zeitung, 04.02.1993.
  • Günther Rücker: Jutta Wachowiak, in: Ralf Schenk (Hrsg.): Vor der Kamera - Fünfzig Schauspieler in Babelsberg, Henschel Verlag Berlin, 1995.
  • Detlef Friedrich: Jutta Wachowiak will ihr Verdienstkreuz zurückgeben, in: Berliner Zeitung, 14.03.1996.
  • Günther Görtz: Ein Brief, der ohne Antwort blieb – Warum Jutta Wachowiak ihr Bundesverdienstkreuz nicht behalten möchte, in: Neues Deutschland, 16.03.1996.
  • Ded: Kühe im Salon fliegen lassen, in: Der Tagesspiegel, 29.07.1999.
  • Günter Gaus: Routine steht mir nicht zur Verfügung - Interview, in: Freitag, 28.01.2000.
  • Sibylle Wirsing: Ihr ist kein Knochen gebrochen - Die Schauspielerin Jutta Wachowiak verkörpert 30 Jahre Theater, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.08.2000.
  • Detlef Friedrich: Viel dazugelernt – Die Schauspielerin Jutta Wachowiak wird heute 60 und debütiert als Regisseurin, in: Berliner Zeitung, 13.12.2000.
  • Hans-Michael Bock, Hannelore Fischer: Jutta Wachowiak, in: cinegraph, Loseblattsammlung.

DEFA-Filmografie

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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