Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Katrin Sass

Schauspielerin

* 23. Oktober 1956 in Schwerin

Biografie

Filmstill zu "Fallada - Letztes Kapitel"

Katrin Sass

in FALLADA - LETZTES KAPITEL (R: Roland Gräf, 1988) Fotograf: Wolfgang Ebert

Die Schauspielerin Katrin Sass zählt in den 1980er Jahren zu den populärsten und bedeutendsten Darstellerinnen der DDR. Bereits mit ihrer ersten Hauptrolle vor der Kamera, in dem unter der Regie von  Heiner Carow entstandenen Ehedrama BIS DASS DER TOD EUCH SCHEIDET (1978), macht die junge Schauspielerin schlagartig von sich reden und avanciert zur gefragten Charakterdarstellerin. Ihr ausdrucksvolles Gesicht, ihre Natürlichkeit und Normalität üben eine Ausstrahlung aus, der sich die Zuschauer nicht entziehen können. Auch auf der gesamtdeutschen Leinwand hat die Schauspielerin in zahlreichen Filmen ihr Talent bewiesen.

Katrin Sass wird am 23. Oktober 1956 in Schwerin geboren. Ihr Vater ist Verwaltungsangestellter des Bezirkes, ihre Mutter Marga Heiden arbeitet als Schauspielerin an der Plattdeutschen Bühne des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin. Schon seit ihrer Kindheit interessiert sich Katrin Sass für die Schauspielerei, besucht Proben sowie Aufführungen ihrer Mutter und will unbedingt Schauspielerin werden. Nach ihrer Schulausbildung, die sie mit der zehnten Klasse abschließt, absolviert sie zunächst eine Facharbeiterausbildung als Telefonistin. Danach bewirbt sie sich an der Schauspielschule in Berlin, wird aber abgelehnt. Erfolg bei der Aufnahmeprüfung hat sie in Rostock, wo sie drei Jahre studiert.

Bereits während ihres Studiums wird Katrin Sass für den Film entdeckt. Der Regisseur Heiner Carow engagiert die junge Schauspielerin für die Hauptrolle in BIS DASS DER TOD EUCH SCHEIDET (1978). Erzählt wird von der konfliktreichen Ehe zwischen Sonja und Jens (ebenfalls in seiner ersten großen Filmrolle: Martin Seifert). Die Schwierigkeiten kommen nach dem ersten Kind. Der Mann verweigert der Frau ihren Emanzipationsanspruch, unterdrückt und schlägt sie solange, bis sie ihn schließlich vergiftet. Ungeschönt schildert der Film den realen Alltag des jungen Paares, konfrontiert mit unterschiedlichen Glücksansprüchen der Ehepartner. Katrin Sass zeigt den Entwicklungsweg der Sonja auf: von einer kindlich-ausgelassenen jungen Frau, über eine anschmiegsame Ehegattin, die mit Angst geduckt durchs Leben geht, bis zur reifen Frau, die eigene Entscheidungen treffen kann. Die performativen Leistungen der beiden Hauptdarsteller werden hochgelobt. Nicht nur deshalb findet der Film ein Millionenpublikum. Er wagt es ein brisantes Gegenwartsthema kompromisslos abzuzeichnen.

Trailer zu BIS DASS DER TOD EUCH SCHEIDET (R: Heiner Carow, 1978)

In ihre Studienzeit fällt ebenfalls das Debüt der Schauspielerin auf der Theaterbühne. In ihrer Heimatstadt steht Katrin Sass in dem populären Stück „Die Nacht nach der Abschlussfeier“ von Wladimir Tendrjakow als Vera auf der Bühne. Nach dem Beenden ihres Studiums führt sie ein Engagement an das Kleist-Theater in Frankfurt an der Oder. Hier wird sie hauptsächlich in Märchen eingesetzt. Anfang der 1980er Jahre gastiert die Schauspielerin am Landestheater Halle, wird dort später fest engagiert. Der Schauspieldirektor Peter Sodann fördert sie. Sie gibt die stumme Kathrin in „Mutter Courage und ihre Kinder“ nach  Bertolt Brecht und spielt die Julia in „Romeo und Julia“ von William Shakespeare. In Gegenwartsstücken von Volker Braun und Heiner Müller macht sie sich einen Namen. Außerdem singt und tanzt sie in der „Revue 50“ und steht auch in Leipzig auf der Theaterbühne.

Neben ihrer Theaterarbeit wird Katrin Sass auch wieder beim Film beschäftigt. Sie arbeitet mit dem Regisseur  Konrad Petzold in DIE SCHMUGGLER VON RAJGROD (1979) zusammen. Außerdem spielt sie die junge Mörderin Barbara in DIE VERLOBTE (1980) von  Günter Reisch und  Günther Rücker. Mit ihrer zweiten großen Hauptrolle wird die junge Schauspielerin international bekannt. In BÜRGSCHAFT FÜR EIN JAHR (1981) unter der Regie von  Herrmann Zschoche mimt sie Nina Kern, eine alleinstehende Arbeiterin mit drei Kindern, die ihre Aufgaben nicht bewältigt. Sie bekommt die Verantwortung für ihre Kinder und ihre überschäumende Lebensfreude nicht zusammen. Das Sorgerecht wird ihr wegen Vernachlässigung aberkannt. Während einer letzten Bewährungschance kämpft sie um ihre Kinder, muss aber am Ende auf eines verzichten, weil sie nicht zurechtkommt. Auf der Berlinale 1982 erhält Katrin Sass für ihre überaus differenzierte und nachvollziehbare Darstellung der Nina den Silbernen Bären. Danach überzeugt sie in MEINE FRAU INGE UND MEINE FRAU SCHMIDT (1984) unter der Regie von  Roland Oehme als Frau Brigitte Schmidt.

Nach der Friedrich Wolf-Erzählung „Der Russenpelz“ verkörpert sie in DAS HAUS AM FLUSS (1985) von  Roland Gräf in einem hervorragenden Schauspielerensemble die zentrale Figur der Agnes Eckert an der Seite von  Jutta Wachowiak,  Corinna Harfouch,  Rolf Hoppe und Sylvester Groth. Erzählt wird von der Familie Voß während des Zweiten Weltkrieges. Die Frauen des Hauses müssen sich der Zeit erwehren. Besonders Agnes steht den Nachstellungen eines skrupellosen Nazis gegenüber, der ihren Mann in den Krieg schickt. Katrin Sass gibt die junge Frau zurückhaltend, scheu und würdevoll, distanziert und voller Leidenschaft. Sie ist Opfer und Täter zugleich, wird verführt und lässt sich verführen. Der Film ist ebenfalls im Wettbewerb der Berlinale zu sehen.

Filmstill zu "Bürgschaft für ein Jahr"

Katrin Sass in BÜRGSCHAFT FÜR EIN JAHR (R: Herrmann Zschoche, 1981) Fotografin: Waltraut Pathenheimer

Filmstill zu "Bürgschaft für ein Jahr"

Uwe Kockisch und Katrin Sass in BÜRGSCHAFT FÜR EIN JAHR (R: Herrmann Zschoche, 1981) Fotografin: Waltraut Pathenheimer

Nochmals arbeitet sie mit dem Regisseur Roland Gräf in FALLADA - LETZTES KAPITEL (1988) zusammen. Nachgestaltet werden die letzten zehn Lebensjahre des Schriftstellers Hans Fallada (gespielt von Jörg Gudzuhn). Hier gibt sie die reiche, morphiumsüchtige Ursula Losch, in die sich der Autor verliebt und die er in zweiter Ehe heiratet. An der Seite von  Jutta Wachowiak,  Corinna Harfouch und  Ulrike Krumbiegel, die jede einen ganz eigenen Frauentyp verkörpert, ist Katrin Sass die leidenschaftliche, burschikose Frau, die alles aus dem Leben herausholen will – koste es, was es wolle.

Unter der Regie von  Siegfried Kühn entsteht der Film DER TRAUM VOM ELCH (1986). Hier spielt sie die Anästhesistin Anna, die sich ein Leben mit dem Mann, „Elch“ genannt, erträumt, aber deren Wünsche und Lebensansprüche unerfüllt bleiben. Nochmals steht sie unter seiner Regie in HEUTE STERBEN IMMER NUR DIE ANDEREN (1990), einem der letzten DEFA-Filme, vor der Kamera. Er taucht in die Freundschaften dreier Schauspielerinnen ein. Die Krebserkrankung einer Kumpanin, stellt ihre Beziehung auf eine harte Probe. Katrin Sass spielt Hanna, die der kranken Freundin am Ende die erlösende Spritze reicht.

Auch im Fernsehen ist die Darstellerin präsent; in kleineren Rollen ist Katrin Sass in den TV-Klassikern POLIZEIRUF 110 und DER STAATSANWALT HAT DAS WORT zu sehen. Nach dem Zusammenbruch der DDR 1989 wird das Fernsehen zunächst neben der Theaterarbeit ihr vorrangiges Betätigungsfeld. Im Westteil des Landes ist die Schauspielerin so gut wie unbekannt. Von 1994 bis 1997 spielt sie die Kommissarin Tanja Voigt im POLIZEIRUF 110 des Ostdeutschen Rundfunks (ORB). Sie arbeitet außerdem mit Regisseuren wie  Frank Beyer und Dominik Graf zusammen. Für ihre Rolle der Gastwirtin in dem Kriminalfall SPERLING UND DER BRENNENDE ARM (1998) wird sie mit dem Deutschen Fernsehpreis als Beste Nebendarstellerin ausgezeichnet. Außerdem ist sie in dem TV-Mehrteiler KLEMPNER - EIN LEBEN IN DEUTSCHLAND (1999) zu sehen.

Filmstill zu "Das Haus am Fluss"

Katrin Sass und Sylvester Groth in DAS HAUS AM FLUSS (R: Roland Gräf, 1985) Fotograf: Dietram Kleist

Filmstill zu "Fallada - Letztes Kapitel"

Katrin Sass in FALLADA - LETZTES KAPITEL (R: Roland Gräf, 1988) Fotograf: Wolfgang Ebert

Gegen Ende der 1990er Jahre erstrahlt Katrin Sass auch wieder auf der Leinwand. In HÄRTETEST (1997) von Janek Rieke kann sie nach längerer Pause endlich wieder ihre Wandelbarkeit unter Beweis stellen. Der junge Regisseur  Andreas Dresen besetzt sie mit einer Nebenrolle in DIE POLIZISTIN (2000). Danach bietet ihr Michael Klier die Hauptrolle in HEIDI M. (2001) an. Hier als eine fast 50-jährige Frau, die – verlassen von ihrem Mann – allein einen Berliner Kiosk betreibt und gemeinsam mit ihrer Freundin Jacqui (gespielt von  Franziska Troegner) abends um die Häuser zieht. Als sie unerwartet mit der Liebe konfrontiert wird, brechen alte Wunden wieder auf. Zunächst zögert sie, sich einem neuen Mann zu öffnen. Doch dann ergreift Heidi die Chance, die Weichen für ihr Leben noch einmal ganz neu zu stellen. In HEIDI M. (2001) zeigt der Regisseur ein außergewöhnliches Frauenportrait, in dem sich Momente aus Melodram, Sozialstudie und Roadmovie reizvoll mischen. Die Charaktere werden mit liebevollem und beharrlichem Blick, ohne sentimentale Klischees begleitet. Katrin Sass feiert ein furioses Comeback im Kinosaal, wird mit dem Deutschen Filmpreis und dem Preis der deutschen Filmkritik ausgezeichnet.

Mit GOOD BYE LENIN (2002) kann die Schauspielerin einen weiteren nationalen und internationalen Erfolg verbuchen. Katrin Sass spielt eine Ostberlinerin, die vor dem Zusammenbruch der DDR ins Koma fällt und zur Währungsunion wieder die Augen aufschlägt. Um sie vor Aufregung zu schützen, gaukelt ihr der Sohn vor, dass die DDR noch existiert. Die Komödie, warmherzig und melancholisch, ideenreich und lustig inszeniert, wird nicht nur der Publikumserfolg des Jahres, sondern auch einer der erfolgreichsten deutschen Filme der letzten zehn Jahre und mehrfach ausgezeichnet. Im selben Jahr steht Katrin Sass auch für die Artur-Brauner-Produktion BABIJ JAR (2002) vor der Kamera: Als bösartige ukrainische Mutter denunziert sie die jüdische Familie, mit der sie eigentlich befreundet ist und ein Haus teilt, damit ihre Tochter nach der bevorstehenden Hochzeit ein Heim hat. Außerdem ist die erfahrene Schauspielerin in MUTTERSEELENALLEIN (2004) von Bernd Böhlich im Kino zu sehen. Sie verkörpert eine Mutter, dessen Sohn verdächtigt wird, einen Mord begangen zu haben.

Mehrere Jahre ist die Schauspielerin alkoholsüchtig. Anfangs unbemerkt leidet ihre Arbeit Mitte der 1990er Jahre darunter, unter anderem wird sie als Kommissarin des ORB-Tatortes abgesetzt. Während einer längeren Ruhepause und Therapie setzt sich die Künstlerin mit ihrer Sucht auseinander. Davon und von ihrem Leben schreibt sie in ihrer Autobiografie „Das Glück wird niemals alt“, die 2003 erscheint.

Verfasst von Ines Walk. (Stand: August 2005)

Filmstill zu "Bis dass der Tod euch scheidet"

Heiner Carow und Katrin Sass bei den Dreharbeiten zu BIS DASS DER TOD EUCH SCHEIDET (R: Heiner Carow, 1978) Fotografin: Waltraut Pathenheimer

Filmstill zu "Bis dass der Tod euch scheidet"

Katrin Sass und Martin Seifert in BIS DASS DER TOD EUCH SCHEIDET (R: Heiner Carow, 1978) Fotografin: Waltraut Pathenheimer

Auszeichnungen

  • 1982: BÜRGSCHAFT FÜR EIN JAHR - Internationale Filmfestspiele Berlin: Silberner Bär als Beste Darstellerin
  • 1987: HAUS AM FLUß / TRAUM VOM ELCH - Kritikerpreis "Die große Klappe" der Sektion Theorie und Kritik des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR: Beste Darstellerin
  • 1999: SPERLING UND DER BRENNENDE ARM - Deutscher Fernsehpreis: Beste Nebendarstellerin
  • 2002: HEIDI M. - Deutscher Filmpreis: Beste Darstellerin
  • 2002: HEIDI M. - Deutscher Filmkritikerpreis: Beste Darstellerin
  • 2003: GOOD BYE, LENIN - Bambi (gemeinsam mit Daniel Brühl und Florian Lukas)
  • 2004: GOOD BYE, LENIN - Europäischer Filmpreis: Publikumspreis als Beste Darstellerin
  • 2005: Berlinale Kamera

Literatur

Eigene Texte:

  • Katrin Saß: Das Glück wird niemals alt, Ullstein Verlag 2003.

Fremde Texte:

  • Marlies Linke: Sie ist zwar nicht die Mathieu ... , in: Filmspiegel, 24/1980.
  • Klaus Baschleben: ... und gleich die große Rolle, in: National-Zeitung, 19./20.09.1981.
  • Marlene Köhler: Für mich gibt es im Moment nur diesen Beruf: Die Schauspielerin Katrin Saß, in: Filmspiegel 15/1986.
  • Ingeborg Pietzsch: Unschuldsvoll bei aller Schuld, in: Film und Fernsehen, Nr. 06/1986.
  • Gudrun Küsel: Von der Leidenden zur Powerfrau - Die Wandlung der Darstellerin Katrin Saß, in: Berliner Morgenpost, 11.07.1993.
  • Torsten Wahl: Die Polizistin ohne Colt - Interview mit Katrin Saß, in: Berliner Zeitung, 16.10.1993.
  • Hans-Michael Bock: Katrin Saß, in: cinegraph, Loseblattsammlung.
  • Jutta Voigt: Katrin Saß, in: Ralf Schenk (Hrsg.): Vor der Kamera, Henschel Verlag Berlin 1995.
  • Jan Draeger: Rustikales Refugium auf dem Land - Schauspielerin Katrin Saß liebt ihr altes Bauernhaus, in: Berliner Morgenpost, 26.02.1995.
  • Anke Leweke: Spätkauf in Berlin Mitte - Porträt Katrin Saß, in: Die Tageszeitung, 28.03.2001.
  • Kerstin Decker: Die Langsamkeit der Seele - Porträt Katrin Saß, in: Der Tagesspiegel, 30.03.2001.
  • Caroline M. Buck: Bei Heiner Carow flogen die Fetzen - Interview mit Katrin Saß, in: Neues Deutschland, 31.03.2001.
  • Michael Hanisch: Zu Hause füttert sie Pferde. Mit HEIDI M. nominiert für den Deutschen Filmpreis: die Schauspielerin Katrin Saß, in: Die Welt, 03.04.2001.
  • Frank Junghänel: Der schmale Grat. Nach zehn Jahren ist die Schauspielerin Katrin Saß zurück im Kino. Ihre Alkoholsucht hat sie überwunden, in: Berliner Zeitung, 19.05.2001.
  • Horst Knietzsch: Wiederkehr - Katrin Saß, in: Neues Deutschland, 26.06.2001.
  • Ariane Heimbach: Kann eine Frau traurig, spröde und doch erotisch sein? Katrin Saß zeigt auf der Leinwand, wie das geht, in: Chrismon. Das evangelische Magazin, Januar 2003.
  • Jan Draeger: Glücklich - Sie wachte auf und war Mutter der Nation. Katrin Saß. Ein Kino. Zwei Staaten. Drei Leben, in: Berliner Morgenpost, 16.03.2003.
  • Birk Meinhardt: Dich muss man rütteln und schütteln - Porträt Katrin Saß, in: Süddeutsche Zeitung, 12.04.2003.
  • mut/ddp: "Von allein kommt das Glück nicht" - Schauspielerin Katrin Saß veröffentlicht ihre Memoiren, in: Die Welt, 21.08.2003.
  • Gabriela Walde: "Ich bin doch keine Ost-Mutti" - Katrin Saß erzählt vom (Un)Glück, in: Die Welt, 15.10.2003.
  • Carla Woter: Ein bisschen Angst ist immer dabei - Die Schauspielerin Katrin Saß, in: Der Tagesspiegel, 09.03.2005.

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

menu arrow-external arrow-internal camera tv print arrow-down arrow-left arrow-right arrow-top arrow-link sound display date facebook facebook-full range framing download filmrole cleaning Person retouching scan search audio cancel youtube instagram