Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Lissy Tempelhof

Schauspielerin

* 17. April 1929 in Berlin; † 10. Oktober 2017 in Berlin

Biografie

Filmstill zu "Alle meine Mädchen"

Lissy Tempelhof

in ALLE MEINE MÄDCHEN (R: Iris Gusner, 1979) Fotograf: Wolfgang Ebert

Die Schauspielerin Lissy Tempelhof gehört seit Mitte der 1960er Jahre zu den wichtigen Darstellerinnen des DEFA-Ensembles. Mehr als ein dutzend Mal steht sie vor der Kamera, spielt unter Regisseuren wie  Martin Hellberg und  Konrad Wolf. Meistens verkörpert die Schauspielerin starke Frauen, die sich ihre Entscheidungen nicht leicht machen. Sie überzeugt auf der Bühne sowie bei Film und Fernsehen vor allem in Rollen voller Leidenschaft, mit Charakteren, die kraftvoll ihr Leben gestalten.

Lissy Tempelhof wird am 17. April 1929 in Berlin geboren. Ihr Vater ist Arbeiter; die Familie lebt in Prenzlauer Berg. Als 16-jährige erlebt sie den Zusammenbruch des nationalsozialistischen Deutschlands. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, arbeitet sie danach als Trümmerfrau, Stanzerin, wird später Straßenbahnschaffnerin und Sekretärin. Zu dieser Zeit kommt sie auch mit dem Theater in Kontakt. Sie spielt in einer Laienspielgruppe in ihrem Heimat-Stadtbezirk, wird Mitglied eines Kabaretts im Zentralen Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft am Festungsgraben. Außerdem singt sie und ist an Schallplattenaufnahmen mit dem Sänger und Schauspieler Ernst Busch beteiligt.

1947 erhält die junge Schauspielerin ihr erstes Engagement am Theater in Anklam. Mehr als drei Jahre steht sie dort auf der Bühne und erarbeitet sich ein umfangreiches Repertoire. Trotz ihrer frühberuflichen Erfahrung besucht sie ab 1950 doch noch die staatliche Schauspielschule Berlin. Nach ihrem erfolgreichen Abschluss spielt Lissy Tempelhof auf verschiedenen Bühnen des Landes; ist am Theater der Bergarbeiter Senftenberg sowie am Theater der Freundschaft in Berlin zu sehen. Von 1958 bis 1962 arbeitet sie am Staatstheater Dresden. Besonders in Dresden, spielt sich die Darstellerin in die erste Liga: mit der Gestaltung zweier Bertolt Brecht-Rollen, der Grusche in „Der kaukasische Kreidekreis“ und der Johanna Dark in „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“, setzt sie sich durch. Beide Darstellungen sind ihre Eintrittskarte nach Berlin. Sie arbeitet schließlich an der Volksbühne, später am Maxim Gorki-Theater. Hier überzeugt sie in der Rolle der kraftvollen und zugleich feinfühligen Lisa Martin im Stück „Steine im Weg“ nach Helmut Sakowski. 1963 findet sie eine feste Heimstätte im Ensemble des Deutschen Theaters. Über 35 Jahre steht die Schauspielerin dort auf der Bühne, wird zu einer der prägenden Schauspielerinnen und spielt die griechischen Klassiker genauso wie Bertolt Brecht. In „Tag für Tag“ von Arnold Wesker – inszeniert von Horst Schönemann – spielt sie eine geerdete Mrs. Byrant. Als elegante Gräfin Terzky überzeugt sie in Friedrich Schillers „Wallenstein“ in der Inszenierung von Friedo Solter. Sie arbeitet mit den Regisseuren Wolfgang Heinz, Adolf Dresen und Benno Besson zusammen und überzeugt besonders in Rollen voller Leidenschaft, mit Charakteren, die kraftvoll ihr Leben gestalten.

Filmstill zu "Rüpel"

RÜPEL (R: Bärbl Bergmann, 1962) Fotograf: Kurt Schütt

Filmstill zu "Die besten Jahre"

DIE BESTEN JAHRE (R: Günther Rücker, 1965) Fotografen: Eberhard Daßdorf, Klaus Zähler

Mit ihrer Etablierung auf der Berliner Bühne wird auch der Film auf die junge Darstellerin aufmerksam. Der Regisseur  Martin Hellberg verleiht ihr ihre erste Filmrolle in Der Ochse von Kulm (1954). Mehrmals arbeitet die junge Schauspielerin mit dem Regisseur zusammen. Eine größere Rolle erhält sie von Konrad Wolf. Sie spielt in seinem Professor Mamlock (1960/61) die Ärztin Inge Ruloff, die sich in der Auseinandersetzung um den jüdischen Arzt, trotz ihrer NSDAP-Mitgliedschaft, auf dessen Seite stellt. An ihrer Person wird der Zwiespalt vieler Deutscher sichtbar: die Parolen der Nationalsozialisten bejahen, ohne den Terror zu wollen. Für Konrad Wolf arbeitet sie auch als Sprecherin in Der geteilte Himmel (1964).

In dem Film Die besten Jahre (1965) von  Günther Rücker spielt sie die Neulehrerin Hilde Tamm, die dem Kriegsheimkehrer Ernst Machner – verkörpert von Horst Drinda – bei sich aufnimmt. Als dieser aber eine Stufe nach der anderen auf der Karriereleiter hinaufsteigt, wird sie von ihm vergessen. Der Film zählt zu den interessantesten DEFA-Werken, da er die Entscheidungen jener Generation schildert und reflektiert, die die DDR aufgebaut haben. In der Folge gehört Lissy Tempelhof zu den viel beschäftigten Schauspielerinnen in den DEFA-Spielfilmen. Helmut Nitzschke arbeitet zweimal mit ihr. In dem Gegenwartsstoff Alle meine Mädchen (1979), den die Regisseurin  Iris Gusner inszeniert, spielt Lissy Tempelhof die gutgelaunte Meisterin der Brigade, die die Disziplinverstöße ihrer Mädchen gewissenhaft verzeichnet. Kritiker loben ihre Auftreten: sie kann endlich ihr gereiftes und gar kräftiges Talent zum Ausdruck bringen. Sorgfältig genau und überaus menschlich, bringt sie in der Figur etwas heiteres und tragisches zugleich, wie auch schmerzliches zum Ausdruck. Zum Vorschein kristallisiert sich damit eine bedeutende Frauenfigur. Für ihre Darstellung erhält sie auf dem Filmfestival in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) den Publikums- und Jury-Preis zugesprochen.

In ERSCHEINEN PFLICHT (1983) von Helmut Dziuba beweist sie sich einmal mehr als Charakterdarstellerin. Der Film erzählt die Geschichte eines jungen Mädchens, dass durch den Tod ihres Vaters – einem hohen Parteisekretär – aus der Bahn geworfen wird. Lissy Tempelhof stellt ihre Mutter dar, die nunmehr ebenso auf sich allein gestellt ist. Wie sie mit dem plötzlichen Tod ihres Ehemannes umgeht, ist nicht nur sensibel, aber vor allem natürlich erspielt. Schon während der Produktionsphase des Film gibt es massive Veränderungen an Dialogen und Inhalten; nach der Uraufführung des Films kommt es zu scharfen Reaktionen seitens der Partei- und Staatsführung, da ihnen der Film zu offen die Befindlichkeit der Jugend mit dem DDR-System zeigt.

Filmstill zu "Professor Mamlock"

PROFESSOR MAMLOCK (R: Konrad Wolf, 1960 - 1961) Fotograf: Walter Ruge

Filmstill zu "Die Russen kommen"

DIE RUSSEN KOMMEN (R: Heiner Carow, 1968 - 1987) Fotograf: Jürgen Brauer

Auch das Fernsehen der DDR besetzt die beliebte Darstellerin. In dem Fernsehspiel SOMMER IN HEIDKAU (1964) von Martin Eckermann nach einer Geschichte von Helmut Sakowski spielt sie eine emanzipierte Frau, die ihr Glück erzwingt. Mit der Kurtisane Canima in VOLPONE nach Ben Jonson zeigt sie, dass sie auch im komödiantischen Genre zu hause ist, tritt mit viel Temperament, Witz und Kraft auf. Sie kann in Literaturverfilmungen wie IRRLICHT UND FEUER (1966) nach einem Roman von Max von der Grün überzeugen; ist in der Theodor Fontane-Inszenierung EFFI BRIEST (1969) in der Rolle des einfachen Hausmädchen Roswitha beteiligt oder steht bei der fünfteiligen Fernsehbiografie KRUPP UND KRAUSE / KRAUSE UND KRUPP (1969) vor der Kamera. In dem zweiteiligen TV-Film BETTINA VON ARNIM (1972) von Wolf-Dieter Panse spielt sie die Hauptrolle. Nach dem Zusammenbruch der DDR ist die Schauspielerin auch im gesamtdeutschen Fernsehen präsent. Sie spielt meistens in TV-Serie, unter anderem ist sie in „Für alle Fälle Stefanie“ oder „Der Landarzt“ zu sehen.

Seit 1979 unterrichtet Lissy Tempelhof an einer Musikspezialschule in Berlin auch Gesang. Zudem reist sie mit Gesangs- und Leseabenden durch das Land.
Verheiratet ist Lissy Tempelhof mit dem Schauspieler Dietrich Körner.

Lissy Tempelhof verstirbt in der Nacht vom 9. auf den 10. Oktober 2017.

Verfasst von von Ines Walk. (Stand: Oktober 2017)

Trailer zu WÄRE DIE ERDE NICHT RUND (R: Iris Gusner, 1981)

Auszeichnungen

  • 1963: Kunstpreis der DDR
  • 1980: ALLE MEINE MÄDCHEN - Nationales Spielfilmfestival: Beste Schauspielerin
  • 1980: ALLE MEINE MÄDCHEN - Nationales Spielfilmfestival: Publikumspreis "Großer Steiger"
  • 1980: ALLE MEINE MÄDCHEN - Kunstpreis des FDGB (im Kollektiv)

Literatur

  • o. A.: Lissy Tempelhof, in: o. A.: Unsere Filmsterne, Verlag Junge Welt 1962.
  • Constanze Pollatschek: Sorgen um eine Schauspielerin, in: Wochenpost 20.05.1966.
  • Martin Linzer: Lissy Tempelhof, in: Renate Seydel (Hrsg.): Schauspieler, Henschel Verlag Berlin 1966.
  • Christoph Funke: Lissy Tempelhof, in: Renate Seydel (Hrsg.): Schauspieler, Henschel Verlag Berlin 1974.
  • Margit Voss: Vertrauen - Prüfstein für alles, in: Film und Fernsehen 07/1980.
  • Jana Brandt: Kunst muß unruhig machen [Interview], in: Filmspiegel 06/1989.
  • Marta Zahn: Bei ihr sind Gefühl und Intelligenz im Spiel - Der Schauspielerin Lissy Tempelhof zum Sechzigsten, in: Neues Deutschland, 17.04.1989.
  • Ingrun Spazier: Lissy Tempelhof, in: cinegraph, Loseblattsammlung.
  • Hans-Dieter Schütt: Die Selbstunzufriedene - Schauspielerin Lissy Tempelhof wird heute 70, in: Neues Deutschland, 17.04.1999.

DEFA-Filmografie

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

menu arrow-external arrow-internal camera tv print arrow-down arrow-left arrow-right arrow-top arrow-link sound display date facebook facebook-full range framing download filmrole cleaning Person retouching scan search audio cancel youtube instagram