Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Raimund Schelcher

Schauspieler

* 27. März 1910 in Daressalam, Tansania; † 27. März 1972 in Berlin

Biografie

Raimund Schelcher

in BERLIN - ECKE SCHÖNHAUSER... (R: Gerhard Klein, 1957) Fotografen: Siegmar Holstein, Hannes Schneider

Der Schauspieler Raimund Schelcher bleibt in der Rolle des Krummen Anton in dem Zweiteiler SCHLÖSSER UND KATEN (1956) von  Kurt Maetzig unvergessen. Hier gelingt ihm eine der eindrucksvollsten Figuren des DEFA-Films der 1950er Jahre. Sein Landarbeiter, ehemaliger Knecht eines Grafen, Zeit seines Lebens geschunden und verspottet, findet nur langsam den Weg in die neue Ordnung. In 20 Jahren Arbeit für die DEFA überzeugt der Schauspieler auch in vielen anderen Rollen als proletarischer Arbeiter.

Raimund Schelcher wird am 27. März 1910 in Daressalam (Deutsch-Ostafrika, heute Tansania) geboren. Sein Vater ist Eisenbahningenieur, leitet die „Deutsch-Ostafrikanische Zeitung“ in Daressalam. Als 14-jähriger kommt er mit seinen Eltern nach Köln, da Deutschland in Folge des Versailler Vertrages seine Kolonien abgeben muss. Von 1924 bis 1928 absolviert er an einer Oberrealschule seine Schulausbildung, schließt diese mit der Mittleren Reife ab. Er beginnt eine kaufmännische Lehre bei einer Kölner Automobilfirma, bricht aber schnell die Ausbildung ab. Dann bewirbt er sich mit Erfolg an der Städtischen Schauspielschule Köln und studiert dort von 1928 bis 1930.

Sofort nach seinem Abschluss erhält er ein erstes Engagement am Stadttheater Gießen, spielt dort den jugendlichen Helden. Auf der Theaterbühne macht sich Raimund Schelcher schnell einen Namen: als jugendlicher Ferdinand in „Kabale und Liebe“ nach Friedrich Schiller, in der Titelrolle des Kaspar Hauser in dem gleichnamigen Stück oder als Hamlet nach William Shakespeare. Nach Gießen zieht es den jungen Schauspieler, an Spielstätten in Frankfurt am Main, nach Hamburg und Leipzig, bis er 1938 bei einem Gastspiel in Hildesheim von Heinrich George gesehen wird, der ihn nach Berlin ans Schiller-Theater holt. Erste Aufgaben für den Film folgen. In DAS UNSTERBLICHE HERZ (1939) von Veit Harlan spielt er an der Seite seines Förderers Heinrich George den jungen Konrad Windhalm, der dem Entdecker Peter Henlein seine Ehefrau abspenstig macht. In ROBERT KOCH, DER BEKÄMPFER DES TODES (1939) unter der Regie von Hans Steinhoff gibt er an der Seite von Emil Jannings; Kochs Assistent Dr. Fritz von Hartwig.

Filmstill zu "Schlösser und Katen"

Erwin Geschonneck und Raimund Schelcher in SCHLÖSSER UND KATEN (R: Kurt Maetzig, 1956) Fotograf: Eduard Neufeld

Filmstill zu "Gejagt bis zum Morgen"

Raimund Schelcher und Manja Behrens in GEJAGT BIS ZUM MORGEN (R: Joachim Hasler, 1957) Fotograf: Herbert Kroiss

Im August 1939 kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges wird Raimund Schelcher aufgrund seiner freimütigen Äußerungen über die Verhältnisse in Nazideutschland von der Gestapo verhaftet. In einem Strafbataillon wird er an die Ostfront geschickt. Mehrfach wird er verwundet, gelangt schließlich in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Hier engagiert er sich in der Kulturarbeit, spielt auch Theater. 1949 wird er entlassen und geht zunächst nach Bremen ans dortige Stadttheater. Ab 1950 wohnt und lebt der Schauspieler in Berlin, gehört zum Ensemble des Deutschen Theaters, tritt zudem als Gast an der Berliner Volksbühne auf. 1954 holt ihn  Bertolt Brecht ans Berliner Ensemble, hier spielt er unter anderem den Simon Chachava in „Der kaukasische Kreidekreis“, brilliert in „Winterschlacht“ nach Johannes R. Becher. Für seine darstellerischen Leistungen als Fritz Weiler in „Frau Flinz“ nach Helmut Baierl erhält er gemeinsam mit seiner Partnerin Helene Weigel den Nationalpreis.

Seit Anfang der 1950er Jahre arbeitet der Schauspieler auch für die DEFA. In DIE SONNENBRUCKS (1951) von Georg C. Klaren verkörpert er den Dozenten Joachim Peters, der wegen seiner politischen Überzeugung im Konzentrationslager inhaftiert ist und 1943 fliehen kann. In dem  Martin Hellberg-Film GEHEIMAKTE SOLVAY (1952) und den Ernst Thälmann-Filmen [ERNST THÄLMANN - SOHN SEINER KLASSE (1954); ERNST THÄLMANN - FÜHRER SEINER KLASSE (1955)] spielt er jeweils einen klassenbewussten Arbeiter, außerdem den Oberheizer August Lenz in DAS LIED DER MATROSEN (1958) von Kurt Maetzig und  Günter Reisch, der sich als Sozialdemokrat auf die Seite der Novemberrevolutionäre schlägt. Die Rolle des proletarischen Helden scheint auf Raimund Schelcher zugeschnitten, er verkörpert sie in zahlreichen Rollen.

Eine seiner anspruchvollsten Aufgaben erhält er von Regisseur Kurt Maetzig. In dem Zweiteiler SCHLÖSSER UND KATEN (1956) spielt er einen Landarbeiter, den „krummen Anton“, ehemals Kutscher des Grafen. Sein Leben lang von seinem Herrn getreten und verspottet, hofft er nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf ein bisschen Glück für seine Tochter Annegret; sie ist die illegitime Tochter des Grafen. Raimund Schelcher beeindruckt in dieser Glanzrolle des Geschundenen, gibt ihn naturalistisch und kann so das ganze Leid und den Schmerz der Figur, seinen schweren Weg in die neue Ordnung für den Zuschauer sichtbar machen. Dem Regisseur Kurt Maetzig gelingt es, zahlreiche individuelle Einzelschicksale feinfühlig und schlüssig zu einem Gesamteindruck über den gesellschaftlichen Umbruch auf dem Land zu verbinden.

Filmstill zu "Die Sonnenbrucks"

Eduard von Winterstein und Raimund Schelcher in DIE SONNENBRUCKS (R: Georg C. Klaren, 1951) Fotograf: Gerhard Kowalewski

Filmstill zu "Das Lied der Matrosen"

Raimund Schelcher in DAS LIED DER MATROSEN (R: Kurt Maetzig, Günter Reisch, 1958) Fotografen: Herbert Kroiss, Heinz Wenzel

In der Folge gehört Raimund Schelcher zu den viel engagierten Schauspielern der DEFA. In einigen Jahren ist er an zwei bis drei Filmen beteiligt. In dem Berlin-Film BERLIN ECKE SCHÖNHAUSER... (1957) von Gerhard Klein verkörpert er ein verständnisvoller Volkspolizisten. In DER PROZESS WIRD VERTAGT (1958) nach einer Novelle von Leonard Frank und in der Regie von Herbert Ballmann agiert er als Jude Michael Vierkant, der 1955 aus der Emigration in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehrt, um den Verantwortlichen für den Tod seiner Schwester zur Rechenschaft zu ziehen. Für die Stärke der Arbeitergemeinschaft wirbt der Schauspieler als Baggerführer im Braunkohlenwerk in ERICH KUBAK (1959), der unter der Regie von  Johannes Arpe entsteht und von einer fruchtbaren Verbindung von Arbeiter und Intelligenz berichtet. Als Dreher Rochlitz, Kommunist und linientreu, weist er in SCHRITT FÜR SCHRITT (1960) von János Veiczi seinem Sohn die Tür, weil dieser sich freiwillig zum Wehrdienst gemeldet hat. Nach Gesprächen erkennt er die Dringlichkeit der Armee und respektiert die Entscheidung seines Sohnes.

Aufgrund seiner angegriffenen Gesundheit zieht sich der Schauspieler Mitte der 1960er Jahre mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurück, nimmt nur noch gelegentlich Aufgaben vor der Kamera wahr. Raimund Schelcher stirbt am 27. März 1972 in Berlin. Er wird 62 Jahre alt.

Verfasst von Ines Walk. (Stand: August 2006)

Trailer zu DER PROZSS WIRD VERTAGT (R: Herbert Ballmann, 1958)

Auszeichnungen

  • o.A.: Nationalpreis
  • 1950: IMMER BEREIT - Nationalpreis III. Klasse (im Kollektiv)
  • 1952: DAS VERURTEILTE DORF - Nationalpreis I. Klasse (im Kollektiv)
  • 1954: ERNST THÄLMANN - SOHN SEINER KLASSE - Nationalpreis I. Klasse (im Kollektiv)
  • 1960: KABALE UND LIEBE - Heinrich Greif-Preis I. Klasse (im Kollektiv)
  • 1960: SCHRITT FÜR SCHRITT - Verdienstmedaille der NVA in Silber
  • 1961: Nationalpreis

Literatur

  • Karl Heinz Busch: Der Schauspieler Raimund Schelcher, in: Deutsche Filmkunst 05/1957.
  • o. A.: Raimund Schelcher, in: o. A.: Unsere Filmsterne, Verlag Junge Welt 1962.
  • Hans-Michael Bock: Raimund Schelcher, in: cinegraph, Loseblattsammlung.
  • Klaus Wischnewski: Raimund Schelcher, in: Ralf Schenk (Hrsg.): Vor der Kamera - Fünfzig Schauspieler in Babelsberg, Henschel Verlag Berlin 1995.

DEFA-Filmografie

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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