Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Ulrich Plenzdorf

Drehbuchautor, Schriftsteller

* 26. Oktober 1934 in Berlin; † 9. August 2007 in Berlin

Biografie

Ulrich Plenzdorf

in einem Zeitzeugengespräch aus dem Zeitzeugenarchiv Thomas Grimm (1993) Fotograf: Thomas Hartmann

Ulrich Plenzdorf zählt zu den erfolgreichsten und bekanntesten Schriftstellern und Drehbuch-Autoren der DDR. Trotz und wegen seiner gesellschaftskritischen Stücke ist er einer der meistgespielten Dramatiker, der auch im Westteil des Landes Aufmerksamkeit erregt. Mitte der 1960er Jahre beginnt er, bei der DEFA Filmstoffe zu entwickeln und greift immer wieder realistische Gegenwartsthemen sowie Probleme junger Leute auf. Mit DIE LEGENDE VON PAUL UND PAULA (1972) schreibt er das Drehbuch zu einem der erfolgreichsten DEFA-Filme.

Ulrich Plenzdorf wird am 26. Oktober 1934 in Berlin geboren. Er entstammt einer Arbeiterfamilie. Seine Eltern sind Mitglieder in der KPD, die sich aktiv gegen die Nationalsozialisten einsetzen. Sie werden verfolgt und mehrfach verhaftet. Nach seiner Schulausbildung, die er mit dem Abitur beendet, studiert Ulrich Plenzdorf am Franz-Mehring-Institut in Leipzig marxistisch-leninistische Philosophie. Nach drei Semestern bricht er das Studium ab.

Ab 1955 ist er für drei Jahre bei der DEFA als Bühnenarbeiter beschäftigt, bis er 1958 als Soldat eingezogen wird und für eineinhalb Jahre seinen Militärdienst absolviert. Hier reift sein Entschluss, sich weiter mit dem Film zu beschäftigen. Von 1959 bis 1963 studiert Plenzdorf an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg im Fachbereich Dramaturgie. Nach seinem Abschluss ist er ab 1963 als Szenarist und Dramaturg bei der DEFA angestellt.

Filmstill zu "Die Legende von Paul und Paula"

Angelica Domröse und Winfried Glatzeder in DIE LEGENDE VON PAUL UND PAULA (R: Heiner Carow, 1972) Fotografen: Herbert Kroiss, Manfred Damm

Filmstill zu "Mir nach, Canaillen!"

Manfred Krug, Herwart Grosse und Fred Düren in MIR NACH, CANAILLEN! (R: Ralf Kirsten, 1964) Fotograf: Horst Bluemel

Sein erster Film, für den er gemeinsam mit Joachim Kupsch das Drehbuch verfasst, ist MIR NACH, CANAILLEN! (1964). Der Regisseur  Ralf Kirsten setzt die turbulente Komödie mit Publikumsliebling  Manfred Krug in der Hauptrolle in Szene. Dem Filmteam gelingt ein lebendiger, temporeicher und frischer Film, der zu den Kassenerfolgen des Jahres zählt. Die Verfilmung seines nächsten Drehbuchs bleibt unvollendet. KARLA (1965-1990) erzählt die Geschichte einer jungen Lehrerin (gespielt von  Jutta Hoffmann), die sich nicht mit den bürokratischen Strukturen in ihrer Schule zufrieden gibt. Der Regisseur Herrmann Zschoche muss die Dreharbeiten zu dem kritischen Beitrag über das Bildungswesen nach dem 11. Plenum des Zentralkomitees der SED beenden, zu sehr stehen hier Unangepasstheit und ungebremster Anspruch auf Individualität im Vordergrund. Der Film kommt erst 25 Jahre später in einer Rohschnittfassung auf die Leinwand.

Vier Jahre dauert es, bis ein weiteres Drehbuch von Ulrich Plenzdorf für die Leinwand adaptiert wird. Wieder ist es  Herrmann Zschoche, der WEITE STRASSEN - STILLE LIEBE (1969) verfilmt. Inszeniert wird der Alltag zweier Fernfahrer, die von Manfred Krug und  Jaecki Schwarz gespielt werden. Die Freundschaft zwischen dem Fernfahrer und dem Studenten zerbricht, weil sie beide dieselbe Frau (gespielt von Jutta Hoffmann) lieben. Der Alltag wird in diesem Unterhaltungsfilm sehr eindringlich und mit viel Liebe zum Detail geschildert. Mit KENNEN SIE URBAN? (1970) von  Ingrid Reschke macht sich der Drehbuchautor endgültig einen Namen als jemand, der sich mit der Gegenwart in der DDR auseinandersetzt und die Probleme junger Leute thematisiert. Locker-salopp und unterhaltsam wird von einem straffällig gewordenen jungen Mann erzählt, der sich auf die Suche nach seinem Vorbild macht.

Filmstill zu "Karla"

Jutta Hoffmann in KARLA (R: Herrmann Zschoche, 1965-1990) Fotograf: Eberhard Dassdorf

Filmstill zu "Weite Straßen - stille Liebe"

Jaecki Schwarz und Manfred Krug in WEITE STRASSEN - STILLE LIEBE (R: Herrmann Zschoche, 1969) Fotografen: Klaus Goldmann, Waltraut Pathenheimer

1972 wird am Landestheater in Halle das Plenzdorf-Stück „Die neuen Leiden des jungen W.“ uraufgeführt. Stück wie Buch werden ein sensationeller Erfolg in Ost und West. Viele Jugendliche sehen ihre eigene Situation realistisch wiedergegeben. Die Geschichte wird in mehr als 30 Sprachen übersetzt; bisher sind vier Millionen Exemplare verkauft. Bereits 1968 hat Ulrich Plenzdorf das Szenarium der DEFA vorgelegt, die den Stoff aber ablehnt. Kurz nach dem Durchbruch am Theater legt der Drehbuchautor gemeinsam mit  Heiner Carow ein Buch vor, das ebenfalls nicht realisiert wird. 1976 wird die Geschichte des jungen Lehrlings Edgar Wibeau, der sich trotz aller Widerstände selbst verwirklichen will, im Westen Deutschlands verfilmt.

Einen Höhepunkt in der Karriere des Ulrich Plenzdorfs marmkiert das Drehbuch zum erfolgreichen DEFA-Film DIE LEGENDE VON PAUL UND PAULA (1972). Heiner Carow inszeniert eine Liebesgeschichte, die realistische Milieubeschreibung mit märchenhaften Momenten vermischt. Die weibliche Hauptfigur Paula (gespielt von  Angelica Domröse) will ihren Glücksanspruch verwirklichen. Die komisch-tragische Geschichte entspricht dem Lebensgefühl der Zuschauer und trifft mit ihrer poetisch-verfremdeten Inszenierung den Nerv der Zeit. Der Film wird zum Kassenerfolg des Jahres und zieht auch heute noch Tausende Zuschauer in seinen Bann.

Filmstill zu "Glück im Hinterhaus"

Dieter Mann, Ute Lubosch und Käthe Reichel in GLÜCK IM HINTERHAUS (R: Herrmann Zschoche, 1979) Fotograf: Herbert Kroiss

Filmstill zu "Insel der Schwäne"

Britt Baumann, Axel Bunke und Kerstin Reiseck in INSEL DER SCHWÄNE (R: Herrmann Zschoche, 1982) Fotografin: Waltraut Pathenheimer

Weitere Drehbücher des Autors werden in den nächsten Jahren verfilmt. Gemeinsam mit Gisela Steineckert und  Rainer Simon verfasst er das Drehbuch zufür  Herrmann Zschoches LIEBE MIT 16 (1974). Ein weiteres Projekt unter der Regie von Herrmann Zschoche folgt 1979: GLÜCK IM HINTERHAUS. Nach dem Roman „Buridans Esel“ von Günther de Bruyn verfasst Ulrich Plenzdorf zunächst das Bühnenstück und entwirft anschließend das Szenarium für den Film. Erzählt wird die Geschichte um den Bibliotheksleiter Erp (gespielt von  Dieter Mann), der zwischen zwei Frauen steht. Die Liebe zu der Praktikantin Fräulein Broder (gespielt von Ute Lubosch) bringt neuen Schwung in sein Leben. Aber dem Alltag hält die Liebe nicht stand - er kehrt zu seiner Ehefrau zurück. Die Geschichte ist realistisch aufbereitet, zahlreiche Zuschauer können sich in ihr wiederfinden. Nochmals arbeiten Regisseur und Autor für den Film INSEL DER SCHWÄNE (1982) zusammen. Hier werden die Probleme von Jugendlichen in Neubausiedlungen aufgegriffen. Der Film hat es in der DDR schwer. Die kritische Haltung zu Einsamkeit und Brutalität in den modernen Hochhaus-Siedlungen stößt auf massiven Widerstand.

In der Folge arbeitet Ulrich Plenzdorf mit  Frank Beyer zusammen. Plenzdorf schreibt das Buch für den Kinofilm BOCKSHORN (1983) nach einer Vorlage des westdeutschen Autors Christoph Meckel. Zunehmend arbeitet Plenzdorf auch für das Fernsehen im Westen Deutschlands. In der DDR hat er Schwierigkeiten; seine Stoffe gelten als zu kritisch. Ab Mitte der 1980er Jahre konzentriert sich der Autor auf das Theater. Die Stücke „Ein Tag länger als ein Leben“ und „Zeit der Wölfe“ nach Romanen von Tschingis Aitmatow werden uraufgeführt. Jahrelang bemüht sich Ulrich Plenzdorf um die Verfilmung der „Unvollendeten Geschichte“ von Volker Braun. Erst 1990 kommt der Film mit dem Titel DER VERDACHT (1990/91) unter der Regie von Frank Beyer als einer der letzten DEFA-Filme in die Kinos. Danach inszeniert Rainer Simon den Film DER FALL Ö. (1990), der als Ost-West-Kooperation in Szene gesetzt wird.

Filmstill zu "Der Verdacht"

Christiane Heinrich und Nikolaus Gröbe in DER VERDACHT (R: Frank Beyer, 1990/91) Fotografin: Christa Köfer

Filmstill zu "Der Fall Ö."

Sebastian Hartmann und Tatiana Lygari in DER FALL Ö. (R: Rainer Simon, 1990) Fotograf: Wolfgang Ebert

Nach dem Zusammenbruch der DDR arbeitet Ulrich Plenzdorf wiederholt für das Fernsehen. 1991 sendet die ARD den Film HÄSCHEN HÜPF ODER ALPTRAUM EINES STAATSANWALTS (1991). Er zeigt das neue Deutschland in einer Mischung aus Rückblenden und Vorgriffen auf Ängste und Befürchtungen. Danach schreibt er mehrere Folgen für die Serie LIEBLING - KREUZBERG mit Manfred Krug als Hauptdarsteller. Mit VATER MUTTER MÖRDERKIND (1992) unter der Regie von Heiner Carow legt er eine Auseinandersetzung mit dem Terrorismus vor. Ein Ex-Terrorist baut sich eine neue Existenz in der DDR auf und wird nach der Wende enttarnt. Der Stoff wird noch im gleichen Jahr in Halle als Theaterstück aufgeführt und 1994 in Buchfassung veröffentlicht. Es entsteht das Fernsehspiel DAS ANDERE LEBEN DES HERRN KREINS (1994), welches die Begegnung zwischen einem Regimegegner und seinem Sicherheitsoffizier nach der „Wende“ schildert. Außerdem schreibt Ulrich Plenzdorf das Drehbuch zu dem TV-Film ABGEHAUEN (1998) nach der Autobiografie von Manfred Krug. Zuletzt verfasst der Autor das Drehbuch zu DER TRINKER (1995) mit Harald Juhnke in der Hauptrolle und arbeitet an dem national wie international überaus erfolgreichen TV-Dreiteiler DER LADEN (1998) mit.

Ulrich Plenzdorf wird mehrfach ausgezeichnet: Der Kunstpreis der DDR geht ebenso an ihn wie der Heinrich Greif-Preis der Akademie der Künste. Des Weiteren erhält er 1978 den renommierten Ingeborg-Bachmann-Preis für seinen inneren Erlebnis-Monolog „Kein runter, kein fern“.

Der Autor lebt bis zu seinem Tod am 9. August 2007 mit seiner Familie in einem Dorf im Oderbruch.

Verfasst von Ines Walk. (Stand: Dezember 2010)

Trailer zu DIE LEGENDE VON PAUL UND PAULA (R: Heiner Carow, 1972)

Auszeichnungen

  • 1971: KENNEN SIE URBAN? - Heinrich Greif Preis I. Klasse (gemeinsam mit Ingrid Reschke)
  • 1971: KENNEN SIE URBAN? - Kunstpreis des FDGB (im Kollektiv)
  • 1973: Heinrich Mann-Preis der Akademie der Künste der DDR
  • 1973: Heinrich Greif Preis
  • 1978: Ingeborg Bachmann-Preis
  • 1982: ES GEHT SEINEN GANG ODER DIE MÜHLEN UNSERER EBENE - Jacob Kaiser-Preis (gemeinsam mit Erich Loest)
  • 1991: HÜPF, HÄSCHEN HÜPF ODER DER ALPTRAUM DES STAATSANWALTS - Fernsehspielpreis (2. Preis) der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste
  • 1999: ABGEHAUEN - DAG-Fernsehpreis (Fernsehpreis der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft)

Literatur

Eigene Texte:

  • Ulrich Plenzdorf: Die neuen Leiden des jungen W., Hinstorff Verlag Rostock 1973.
  • Ulrich Plenzdorf: Legende vom Glück ohne Ende, Hinstorff Verlag Rostock 1979.
  • Ulrich Plenzdorf: Die Legende von Paul & Paula. Die neuen Leiden des jungen W. Ein Kino- und ein Bühnenstück, Henschel Verlag Berlin 1974.
  • Ulrich Plenzdorf: Karla, Der alte Mann, das Pferd, die Straße. Texte zu Filmen, Henschel Verlag Berlin 1978.
  • Ulrich Plenzdorf: Gutenachtgeschichte, Suhrkamp Frankfurt, Main 1983.
  • Ulrich Plenzdorf: Kein runter, kein fern, Suhrkamp Frankfurt, Main 1984.
  • Ulrich Plenzdorf: Filme 1, Hinstorff Verlag Rostock 1986.
  • Ulrich Plenzdorf: Filme 2, Hinstorff Verlag Rostock 1988.
  • Ulrich Plenzdorf: Freiheitsberaubung. Ein Stück, Suhrkamp Frankfurt, Main 1990.
  • Ulrich Plenzdorf: Vater, Mutter, Mörderkind, Hinstorff Verlag Rostock 1994.
  • Ulrich Plenzdorf: Eins und eins ist uneins, Eulenspiegel Verlag Berlin 1999.
  • Ulrich Plenzdorf, Klaus Schlesinger, Martin Stade: Berliner Geschichten, Surkamp Frankfurt, Main 2002.
  • Ulrich Plenzdorf, Richard VanCamp: Dreckige Engel, Aufbau Verlag Berlin 2004.
  • Ulrich Plenzdorf: Ich sehn mich so nach Unterdrückung, Reich, Rostock 2004.
  • Ulrich Plenzdorf, Rüdiger Dammann: Ein Land genannt die DDR, Fischer Frankfurt, Main 2005.

Fremde Texte:

  • Erika Richter: Die Legende von Paul und Paula, in: Erika Richter: Alltag und Geschichte in DEFA-Gegenwartsfilmen der siebziger Jahre, Filmwissenschaftliche Beiträge, Nr. 01/1976.
  • Manfred Behn-Liebherz: Ulrich Plenzdorf, in: KLG - Kritisches Lexikon der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, edition text + kritik München 1978.
  • Peter J. Brenner (Hrsg.): Plenzdorfs "Neue Leiden des jungen W.", Frankfurt: Suhrkamp 1982.
  • Siegfried Mews: Ulrich Plenzdorf, Beck / edition text + kritik München 1984.
  • Gudrun Klatt: Ulrich Plenzdorf, in: Hans Jürgen Geerdts (Hrsg.): Literatur der Deutschen Demokratischen Republik. Einzeldarstellungen. Bd. 3, Verlag Volk und Wissen Berlin 1987.
  • Manfred Behn: Ulrich Plenzdorf, in: cinegraph, Loseblattsammlung.
  • Arnim-Thomas Bühler: Ulrich Plenzdorf. Personalbibliographie 1970-1993, Tectum Verlag 2000.
  • Wolfgang Trampe: Gespräch mit Ulrich Plenzdorf, in: Wolfgang Trampe: Erzählen für den Film, DEFA-Stiftung, Berlin 2004.

DEFA-Filmografie

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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