Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Ursula Karusseit

Schauspielerin, Regisseurin

* 2. August 1939 in Elbing, Preußen (heute Elblag, Polen); † 1. Februar 2019 in Berlin

Biografie

Ursula Karusseit

in DER NACKTE MANN AUF DEM SPORTPLATZ (R: Konrad Wolf, 1973)

Die Schauspielerin Ursula Karusseit macht zu Beginn ihrer Karriere mit Fernsehfilmen auf sich aufmerksam, die in der DDR zu Straßenfegern werden. Im In- und Ausland erreicht die Schauspielerin mit dem Mehrteiler WEGE ÜBERS LAND (1968) auf Anhieb eine große Popularität. Im Anschluss zählt sie zu den beliebten Darstellerinnen des Landes, ist in zahlreichen Fernsehfilmen und einigen DEFA-Filmen zu sehen.

Ursula Karusseit wird am 2. August 1939 in Elbing, bei Danzig geboren. Auf einem Flüchtlingstreck kommt die Familie 1945 nach Mecklenburg. Später zieht sie nach Gera. Karusseits Vater arbeitet dort als Berufsschullehrer. Zur Familie gehören noch drei weitere Kinder. Nach ihrer Schulausbildung absolviert sie eine kaufmännische Ausbildung an der Berufsschule für Wirtschaft und Verwaltung, arbeitet danach als Sachbearbeiterin. Karusseit übernimmt Sekretärinnen-Arbeiten in einer Maschinenfabrik, später in der Sozialversicherung. Ihr Hobby wird die Schauspielerei, sie spielt in der Theatergruppe ihres Betriebes mit. Aus der Freizeitbeschäftigung wird ihre Passion. Sie bewirbt sich an der Schauspielschule in Leipzig und wird abgelehnt. Mehr Erfolg hat sie an der Staatlichen Schauspielschule in Berlin-Schöneweide. Dort studiert sie von 1960 bis 1963, zu ihren Lehrern zählen  Wolfgang Heinz und  Erika Pelikowsky.

Noch während ihres Studiums 1961 macht die junge Schauspielerin an der Berliner Volksbühne als Anna in „Biedermann und die Brandstifter“ nach Max Frisch auf sich aufmerksam. Mit Beendigung ihres Studiums erhält sie ein festes Engagement an der Volksbühne, zwischenzeitlich ist sie auch an anderen Berliner Bühnen zu sehen, wie dem Maxim-Gorki-Theater, dem Deutschen Theater oder dem Theater im Palast (TiP). Besondere Beachtung erfährt sie mit der Rolle der Roten Rosa in „Moritz Tassow“ von Peter Hacks unter der Regie des Schweizers Benno Besson. Mehrfach wird sie mit dem Regisseur zusammenarbeiten, unter anderem bei „Der Drache“ (1966) als Elsa. Ursula Karusseit zählt zu den bekannten  Bertolt-Brecht-Interpretinnen. Sie spielt die Rolle der Mutter Courage, ist die Heilige Johanna oder Shen Te/Shui Ta. Ab Mitte der 1980er Jahre kann sie in zahlreichen Gast-Engagements auch das Publikum in West-Deutschland überzeugen. Ab 1987 arbeitet sie freischaffend als Schauspielerin an verschiedenen Bühnen, unter anderem am Schauspiel Köln (bis 1990), am Berliner Schillertheater (1992/93) und an den Kammerspielen München. Zur komödiantischen Eigenart Ursula Karusseits gehört, dass sie auch Männerrollen gestaltet. So etwa an der Volksbühne den Mitteldorf in „Der Biberpelz“, in Bremen den „Herrn Paul“ von Tankred Dorst oder in Zürich den Fleischfabrikanten Lennox in „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ in einer Inszenierung von Benno Bresson. Gefeiert wird sie auch als Faust in „Don Juan und Faust“. Die Schauspielerin ist auch als Theater-Regisseurin tätig, inszeniert in Dresden, Zittau und Tübingen.

Einem großen Publikum wird die Schauspielerin bekannt durch TV-Klassiker, die in der DDR zu Straßenfegern werden. In vielen Fällen spielt sie Frauen voller derber Sinnlichkeit, die ihren Anspruch ans Leben formulieren. In WEGE ÜBERS LAND (1968) nach Helmut Sakowski spielt sie die Magd Gertrud Habersaat, verleiht der Frau große Glaubwürdigkeit, spielt eine kräftige, herbschöne Frau. Der fünfteilige Fernsehfilm erzählt die Geschichte des Dorfes Rakowen und einiger seiner Bewohner zwischen 1939 und 1953. Sie spielt in dem Fernseh-Fünfteiler DANIEL DRUSKAT (1975) an der Seite von  Hilmar Thate, der als Vorsitzender einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft in Verruf gerät. In MÄRKISCHE CHRONIK (1983) agiert sie neben Walter Plathe und  Jürgen Heinrich als Gutsherrin.

Filmstill zu "Die vertauschte Königin"

DIE VERTRAUSCHTE KÖNIGIN (R: Dieter Scharfenberg, 1983) Fotograf: Siegfried Skoluda

Filmstill zu "Die Gänse von Bützow"

DIE GÄNSE VON BÜTZOW (R: Frank Vogel, 1985) Fotograf: Dieter Lück

Auch auf der Kinoleinwand ist die Darstellerin präsent. Für ihre erste Rolle als Hilde Coppi wird sie in KLK AN PTX - DIE ROTE KAPELLE (1970), einem Film über den Widerstand des Juristen und Wirtschaftsexperten Arvid Harnack und Harro Schulze-Boysen, von Regisseur  Horst E. Brandt engagiert. Danach arbeitet sie mit dem Regisseur  Konrad Wolf zusammen und steht als Ehefrau an der Seite des Bildhauers Kemmel - gespielt von  Kurt Böwe - in DER NACKTE MANN AUF DEM SPORTPLATZ (1973). In den 1980er Jahren ist Ursula Karusseit unter der Regie von  Horst Seemann in LEVINS MÜHLE (1980) und  Ulrich Weiß in OLLE HENRY (1983) zu sehen. Mehrfach spielt die Schauspielerin in DEFA-Kinderfilmen mit. In DIE VERTRAUSCHTE KÖNIGIN (1983) kann sie ihre komödiantischen Fähigkeiten in einer Doppelrolle zum Ausdruck bringen. Gleiches gelingt ihr als Gräfin Hornborstel und beste Gänsezüchterin der Gegend in DIE GÄNSE VON BÜTZOW (1985) unter der Regie von  Frank Vogel.

Nach dem Zusammenbruch der DDR im November 1989 hat die Schauspielerin keine größeren Schwierigkeiten, sich im wiedervereinigten Deutschland zu behaupten. An der Seite von Jürgen Prochnow spielt sie in dem Kriminalfilm DIE WILDNIS (1993). Der Regisseur  Andreas Dresen besetzt sie in seinem Erfolgsfilm NACHTGESTALTEN (1999) als Frau Gerhardt. Ihr Hauptbetätigungsfeld ist jedoch das Fernsehen. Über viele Jahre ist sie als resolute Cafeteria-Pächterin Charlotte Gauss in der Krankenhausreihe IN ALLER FREUNDSCHAFT (1998-2019) zu sehen. Bereits vorher hat sie Engagements in zahlreichen TV-Serien, etwa in FÜR ALLE FÄLLE STEFANIE, LIEBLING KREUZBERG, IM NAMEN DES GESETZES, PRAXIS BÜLOWBOGEN und HAPPY BIRTHDAY.

Ab 1973 unterrichtet Ursula Karusseit an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg junge Studierende. Die Schauspielerin spricht zudem zahlreiche Märchen-Schallplatten ein, leiht ihre Stimme vielen Hörspielfiguren. Mit dem Programm „Jazz, Lyrik, Prosa“ gastiert sie in vielen Städten Deutschlands.

Ursula Karusseit ist in erster Ehe mit dem Theaterregisseur Benno Besson verheiratet. Ihr gemeinsamer Sohn Pierre Besson (geb. 1967) arbeitet ebenfalls als Schauspieler. Die Ehe wird geschieden. Die Schauspielerin heiratet in zweiter Ehe 1998 ihren langjährigen Lebenspartner, den Beleuchtungstechniker Johannes Wegner. Die Familie lebt in Senzig, in der Nähe von Königs Wusterhausen, südlich von Berlin.

Ursula Karusseit verstirbt am 1. Februar 2019 in Berlin.

Verfasst von Ines Walk. (Stand: Februar 2019)

Trailer zu DER NACKTE MANN AUF DEM SPIELPLATZ (R: Konrad Wolf, 1973)

Auszeichnungen

  • 1968: Nationalpreis der DDR
  • 1969: Kritikerpreis für die Beste Einzeldarstellung als Shen Te/Shui Ta
  • 1983: Kunstpreis des FDGB

Literatur

  • Ursula Mewes: Das Schönste an meinem Beruf: mit anderen auf Entdeckungen aus sein - Gespräch mit der Schauspielerin Ursula Karusseit, in: Neues Deutschland, 25.11.1986.
  • Helga Schwarz-Stötzer: Ursula Karusseit: Mit Herzblut und realem Sinn, in: Helga Schwarz-Stötzer (Hrsg.): Mit Leib und Seele - Eine Porträtsammlung, Berliner Verlag 1990.
  • Gisela Karau: Meine Wege übers Land - Gespräch mit der Schauspielerin und Regisseurin Ursula Karusseit, in: Neues Deutschland, 11.03.1992.
  • Heidemarie Mazuhn: Wege übers Land - Die Schauspielerin Ursula Karusseit feiert morgen ihren 60. Geburtstag, in: Der Tagesspiegel, 01.08.1999.
  • Christoph Funke: Rote Rose, Smeraldina - Zum 60. Geburtstag der Schauspielerin Ursula Karusseit, in: Der Tagesspiegel, 02.08.1999.
  • Hans-Dieter Schütt: Schwerelos auf hartem Boden - Der Schauspielerin und Regisseurin Ursula Karusseit zum 60. Geburtstag, in: Neues Deutschland, 02.08.1999.
  • Hanno Harnisch: In aller Freundschaft - Ursula Karusseit 65, in: Neues Deutschland, 02.08.2004.
  • wen.: Immer ganz oben: Die Schauspielerin Ursula Karusseit wird heute 65, in: Berliner Morgenpost, 02.08.2004.

DEFA-Filmografie

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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