Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Wolfgang Kieling

Schauspieler

* 16. März 1924 in Berlin; † 7. Oktober 1985 in Hamburg

Biografie

Filmstill zu "Das siebente Jahr"

Wolfgang Kieling

in DAS SIEBENTE JAHR (R: Frank Vogel, 1968) Fotografin: Waltraut Pathenheimer

Der Schauspieler Wolfgang Kieling kommt in den meisten seiner Rollen ohne Masken und Verkleidungen aus. Auch sein öffentliches Leben ist davon geprägt. Er beginnt als Kinderdarsteller in den 1930er Jahren, muss seine junge und erfolgreiche Karriere Anfang der 1940er Jahre beenden, weil er zum Militärdienst eingezogen wird. Erst 1949 kommt er aus russischer Gefangenschaft zurück und beginnt wieder als Darsteller zu arbeiten. Seit den 1950er Jahren wandelt er dann mehrmals - nicht gern gesehen von Presse und Öffentlichkeit - zwischen dem westlichen und östlichen Deutschland hin und her.

Wolfgang Kieling wird am 16. März 1924 in Berlin geboren. Sein Stiefvater, bei dem er aufwächst, ist Schneidermeister. Früh kommt er mit dem Theater in Kontakt, weil seine Eltern einem Theaterverein angehören. Er debütiert in „Mein Leopold“ auf der Bühne, arbeitet für den Hörfunk, synchronisiert Filme, bespielt Schallplatten, wird ein vielbeschäftigter Kinderdarsteller. Mit zwölf Jahren beginnt er, vor der Kamera zu arbeiten. Sein erster Spielfilm wird MARIA, DIE MAGD (1936) unter der Regie von Veit Harlan. In der Folge erhält er mehrere Rollen und arbeitet unter den Regisseuren Jürgen von Alten, Paul Martin und abermals Veit Harlan. Nebenbei macht er seinen Abschluss in der Mittleren Reife, später holt er sein Abitur nach. Außerdem nimmt er Unterricht bei dem bekannten Schauspieler Albert Florath, absolviert zudem eine Ausbildung als Regie-Assistent bei der Ufa.

Mit 17 Jahren erhält Wolfgang Kieling ein Engagement in Luckenwalde, ein Jahr später arbeitet er in Potsdam auf der Bühne. Aber mit 18 Jahren muss er den Reichsarbeitsdienst absolvieren, kurz darauf wird er eingezogen. Mehrfach wird er verwundet und gerät 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Vier Jahre wird er in verschiedenen Lagern überleben und Theaterspiele organisieren, bis er 1949 entlassen wird: entkräftet und krank.

Filmstill zu "Genesung"

Wolfgang Kieling in GENESUNG (R: Konrad Wolf, 1955) Fotograf: Rudolf Meister

Filmstill zu "Damals in Paris ..."

Gisela Trowe und Wolfgang Kieling in DAMALS IN PARIS (R: Carl Balhaus, 1956) Fotograf: Rudolf Meister

Zurückgekehrt nach Deutschland arbeitet er seit den 1950er Jahren wieder auf den verschiedensten Gebieten der darstellenden Kunst. Er ist Synchronsprecher, leiht seine Stimme US-amerikanischen Kollegen wie Frank Sinatra oder Paul Newman, steht in Rezitationsabenden allein auf der Bühne, spricht Nachrichten im Fernsehen, arbeitet am Hebbel-Theater in West-Berlin, auch an Bühnen in Stuttgart, München, Köln.

1954 siedelt er mit seiner zweiten Ehefrau, der Schauspielerin Gisela Uhlen in die DDR über. Aufgrund eines Sorgerechtstreits um Uhlens Tochter Barbara fühlen sie sich im östlichen Deutschland sicherer. Presse- und Filmleute nehmen das dem Schauspieler-Ehepaar übel, sehen einen politischen Hintergrund. In der DDR erhält der Schauspieler Wolfgang Kieling neben einem Haus und einem DEFA-Vertrag auch seine erste große Filmrolle. In GENESUNG (1955) von  Konrad Wolf spielt er Friedel Walter, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg als Arzt ausgibt, aber keiner ist. Sein Werdegang vom Medizinstudent in den 1930er Jahren, über eine Tätigkeit als Sanitäter im Krieg, bis hin zum mit falschen Papieren praktizierenden Arzt wird filmisch nachgezeichnet und wirft ein Bild auf jüngste deutsche Vergangenheit.

Danach ist der Schauspieler in DAMALS IN PARIS ... (1956) unter der Regie von  Carl Balhaus zu sehen. Erzählt wird von Geneviève (gespielt von Gisela Trowe) und René. Er ist Mitglied der Résistance, sie steht seinem Kampf gegen die deutschen Besatzer skeptisch gegenüber. Nachdem sie während einer Razzia verhaftet wird, übersteht ihre Liebe und ihr Vertrauen auch die Folter. Der Film ist eine der ersten Koproduktionen der DEFA mit dem Deutschen Fernsehfunk und wird als ausgefeiltes, dicht inszeniertes psychologisches Kammerspiel gelobt.

Filmstill zu "Betrogen bis zum jüngsten Tag"

Wolfgang Kieling und Rudolf Ulrich in BETROGEN BIS ZUM JÜNGSTEN TAG (R: Kurt Jung-Alsen, 1957) Fotograf: Max Teschner

Filmstill zu "Das siebente Jahr"

Wolfgang Kieling in DAS SIEBENTE JAHR (R: Frank Vogel, 1968) Fotografin: Waltraut Pathenheimer

Sein dritter Film, die Franz-Fühmann-Adaption BETROGEN BIS ZUM JÜNGSTEN TAG (1957) unter der Regie von Kurt Jung-Alsen, wird einer der überzeugensten DEFA-Produktionen der Zeit. Geschildert wird die Geschichte dreier Wehrmachtsangehöriger im Juni 1941, die in Litauen stationiert sind. Bei einer Jagd töten sie unglücklich die Tochter eines Hauptmanns. Ein SS-General bringt die Sache für sie in Ordnung, gibt die Schuld am Tod der jungen Deutschen den Russen, schlachtet ihn propagandistisch aus und lässt lettische Mädchen zur Vergeltung erschießen. Wolfgang Kieling spielt den brutalen Gefreiten Lick, der die ganze Sache unbeeindruckt vertuschen will. Der Film wird bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes 1957 eingereicht, darf dort allerdings nur im Rahmenprogramm und nicht im Wettbewerb laufen. Die Verantwortlichen der Bundesrepublik hatten interveniert und ihren Alleinvertretungsanspruch geltend gemacht. Hochgelobt wird der Film aber trotzdem in zahlreiche Länder verkauft.

Ab 1957 lebt und arbeitet Wolfgang Kieling wieder in der Bundesrepublik. Regisseure, die Kieling für ihre Filme engagieren, sind unter anderem Kurt Hoffmann, Helmut Käutner und Dietrich Haugk. International wird der Darsteller bekannt durch den Alfred-Hitchcock-Film in Zeiten des Kalten Krieges DER ZERRISSENE VORHANG (1966). Hier spielt er den Geheimagenten Hermann Gromek, der in einer effektvollen Szene vom amerikanischen Physikprofessor Michael Armstrong, gespielt von Paul Newman, ermordet wird.

Seit den 1960er Jahren ist der Darsteller in zahlreichen Fernsehfilmen zu sehen und gehört bald zum festen Bestandteil der bundesdeutschen Fernsehlandschaft. Besonders in Erinnerung bleiben seine Rollen in Klassiker-Adaptionen wie 1963 als St. Just in Georg Büchners Stück „Dantons Tod“. 1964 fällt er als Möbius in Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker“ auf, zwei Jahre später überzeugt er als Garcin in Jean-Paul Sartres Stück „Geschlossene Gesellschaft“. Auch in 'einfacher' TV-Ware wie Kriminalserien ist er zu sehen: „Kriminalmuseum“, „Tatort“ oder „Dem Täter auf der Spur“ gehören dazu. Erfolgreich ist der Darsteller auch im TV-Kinderbereich. Er leiht seit Beginn der Sendung „Die Sesamstraße“ bis zu seinem Tod seine Stimme dem Bert aus dem populären Gespann Ernie und Bert.

Filmstill zu "Jungfer, Sie gefällt mir"

Wolfgang Kieling und Rolf Ludwig in JUNGFER, SIE GEFÄLLT MIR (R: Günter Reisch, 1968) Fotografen: Herbert Kroiss, Peter Schlaak

Filmstill zu "Goya"

Wolfgang Kieling in GOYA (R: Konrad Wolf, 1971) Fotograf: Arkadi Sager

1968 siedelt der Schauspieler erneut in die DDR über. Er protestiert gegen die politische Haltung der Springer-Presse im Vietnam-Krieg, setzt sich für den Vietkong ein. Im Ostteil des Landes sind es die Regisseure  Günter Reisch,  Frank Vogel,  Joachim Kunert und Konrad Wolf, die den Darsteller für ihre Filme engagieren. Der Gegenwartsfilm DAS SIEBENTE JAHR (1968) schildert die Schwierigkeiten in der Ehe einer Herzchirurgin und eines Schauspielers, die eine gemeinsame sechsjährige Tochter haben. Der Film scheut sich nicht, die Doppelbelastung einer berufstätigen Frau und Mutter unbeschönigt zu reflektieren. Wolfgang Kieling überzeugt neben Jessy Rameik. In der turbulenten Komödie JUNGFER, SIE GEFÄLLT MIR (1968) unter der Regie von Günter Reisch spielt er den Dorfrichter Adam, der es auf die Jungfer Ev abgesehen hat und einige Intrigen spinnt. In dem farbprächtigen GOYA (1971) von Konrad Wolf übernimmt der Schauspieler die Rolle des Manuel Godoy, der ein Bild bei dem Künstler in Auftrag gibt.

Anfang der 1970er Jahre kehrt Kieling in den westlichen Teil des Landes zurück. Hier wird der Darsteller zu einem der beliebtesten Fernsehschauspieler, der in unzähligen Rollen seine Figuren mit Glaubwürdigkeit füllt.

Wolfgang Kieling heiratet 1950 die Schauspielerin Jola Jobst. Zwei Jahre später begeht seine Ehefrau Selbstmord. 1952 vermählt er sich mit Gisela Uhlen. Nach fünf Jahren Ehe trennt sich das Paar. Die 1955 geborene, gemeinsame Tochert Susanne Uhlen wird ebenfalls Schauspielerin. Aus seiner Beziehung zu der Bildhauerin Johanna Göllnitz stammt die Tochter Anette und der Sohn Florian Martens, der gleichfalls als Schauspieler arbeiten wird. 1969 heiratet er die Schauspielerin Monika Gabriel. Die Ehe hält sechs Jahre.

Wolfgang Kieling stirbt am 7. Oktober 1985 in Hamburg.

Verfasst von Ines Walk. (Stand: November 2021)

Auszeichnungen

  • 1965: POLIZEIREVIER DAVIDSWACHE - Deutscher Filmpreis: Filmband in Gold als Bester Darsteller
  • 1967: GESCHLOSSENE GESELLSCHAFT - Goldene Kamera der Zeitschrift "Hör Zu" als Bester Darsteller
  • 1974: IM RESERVAT - Fernsehpreis der Deutschen Akademie für Darstellende Künste als Bester Darsteller
  • 1974: IM RESERVAT - Adolf-Grimme-Preis in Gold

Literatur

Eigene Texte:

  • Wolfgang Kieling: Stationen. Wien, Neft 1986.

Fremde Texte:

  • AP: Kielings dritter DEFA-Film, in: TT. Rundschau, 09.09.1968.
  • H. L.: Das verflixte siebente Jahr, in: A-Z, 25.03.1969.
  • AP: Kieling wieder im Westfernsehen, in: B. M., 17.12.1969.
  • dpa: Kieling filmt im Westen, in: Frankfurter Allgemeine, 09.07.1970.
  • Rolf Michaelis: Artist im geteilten Land: heimatlos, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.07.1970.
  • W. W.: Diesmal: Wechsel nach dem Westen, in: BZ, 15.07.1970.
  • Kurt Seliger: Kieling kehrt zurück, in: Spandauer Volksblatt, 15.07.1970.
  • Karin Thimm: Kalter Krieg um die Kannibalen, in: Abendzeitung, 20.08.1970.
  • asd/A. R.: Kannibalen mit Konsequenzen, in: BZ, 21.08.1970.
  • dpa: Wegen Kieling die Verträge gelöst, in: Spandauer Volksblatt, 21.08.1970.
  • ASD: Protest gegen Wolfgang Kieling, in: Berliner Morgenpost, 21.08.1970.
  • Karin Thimm: Ich bin kein Enttäuschter, in: Abendzeitung, 22.08.1970.
  • Gerd Spohn: Wolfgangs Kielings Ost-West-Kolportage, in: Stuttgarter Zeitung, 26.08.1970.
  • pff: Überzeugung nicht gefragt, in: Die Welt, 27.08.1970.
  • Monika Nellissen: Nennen Sie es ein subjektives Versagen, in: BZ, 22.04.1971.
  • Klaus Stampffuss: Ich habe Erfolg bei Frauen – jetzt ist seine vierte Ehe geschieden, in: Bild, 05.11.1975.
  • Harry Bérard: Kieling; Auch das rechte Auge wird jetzt operiert!, in: BZ, 18.04.1977.
  • B. L.: Eine Erfahrung, die Kieling nicht missen möchte, in: Berliner Morgenpost, 26.01.1979.
  • KOKI: Seid nett zu Wolfgang Kieling, in: BZ, 09.08.1982.
  • gk: Kieling ist sensationell zwielichtig, in: Bild am Sonntag, 11.09.1983.
  • Walter Deppisch: Ein Zweifler und Rebell - als Mensch wie als Darsteller, in: Die Welt, 08.10.1985.
  • gesta: Die Unruhe des Grenzgängers, in: Stuttgarter Zeitung, 08.10.1985.
  • DW/dpa: Wolfgang Kieling gestorben, in: Wahrheit, 08.10.1985.
  • F. R.: Zum Tode von Wolfgang Kieling, in: Tagesspiegel, 08.10.1985.
  • SZ: Wolfgang Kieling gestorben, in: Süddeutsche Zeitung, 08.10.1985.
  • Wolfram Schütte: Auf dem Sprung, in: Frankfurter Rundschau, 08.10.1985.
  • dpa: Wanderer zwischen Ost und West – Wolfgang Kieling gestorben, in: Mannheimer Morgen, 08.10.1985.
  • gesta: Die Unruhe des Grenzgängers, in: Stuttgarter Zeitung, 08.10.1986.
  • Volker Baer: Eine unstete Schauspielerexistenz, in: Der Tagesspiegel, 18.01.1987.
  • Horst Ziermann: Ein gefährdeter Held in Deutschland, in: Die Welt, 10.10.1987.
  • Arthur Wohlgemuth: Wolfgang Kieling, in: cinegraph, Loseblattsammlung.
  • Fred Gehler: Wolfgang Kieling, in: Ralf Schenk (Hrsg.): Vor der Kamera – Fünfzig Schauspieler aus Babelsberg, Berlin, Henschel Verlag 1995.

DEFA-Filmografie

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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