Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Hans Kratzert

Drehbuchautor, Regisseur

* 3. Februar 1940 in Polkowice, Polen; † 15. August 2023

Biografie

Filmstill zu "Der Drache Daniel"

Hans Kratzert

bei den Dreharbeiten zu DER DRACHE DANIEL (R: Hans Kratzert, 1989) Fotograf: Hans-Joachim Zillmer

Regisseur Hans Kratzert hat früh seine Bestimmung gefunden: Er will Kinderfilme drehen, Filme, die das jugendliche Publikum unterhalten und Freude bringen, und ganz nebenbei auch noch erzieherisch wirken. Mit HANS RÖCKLE UND DER TEUFEL (1974) und DER DRACHE DANIEL (1989) schafft er zwei moderne Märchen, die gekonnt die reale mit der fantastischen Welt verbinden. In seinen anderen Filmen schaut er fast dokumentarisch auf den Kosmos der Kinder, beobachtet sensibel und einfühlsam ihre Erlebnisse, Ängste und Handlungen.

Hans Kratzert wird 1940 in Heerwegen (heute Polen Polkowice) geboren. In seiner Kindheit erlebt er mehrfache Vertreibungen. Seine Eltern werden von der SS aus der „Festung Neiße“ vertrieben. Seine Mutter mit böhmischen Vorfahren wird aus der Tschechoslowakei ausgewiesen, als sie sich zu ihrem deutschen Ehemann bekennt. Als dieser aus der Gefangenschaft zurückkehrt, lässt er sich scheiden. Hans Kratzert wächst mit seinen drei Geschwistern in der Altmark auf. Seine Mutter verdient den Lebensunterhalt der Familie als Landarbeiterin und spätere Verkaufstellenleiterin.

Filmstill zu "Hälfte des Lebens"

Hans Kratzert bei den Dreharbeiten zu HANS RÖCKLE UND DER TEUFEL (R: Hans Kratzert, 1974) Fotograf: Uwe Fleischer

Filmstill zu "Der Wüstenkönig von Brandenburg"

Jörg Hochschild und Hans Kratzert bei den Dreharbeiten zu DER WÜSTENKÖNIG VON BRANDENBURG (R: Hans Kratzert, 1973) Fotografen: Dieter Lück, Günter Sahr

Kratzert besucht die Internatsoberschule Beetzendorf, bleibt hier bis zu seinem Abitur. Bereits mit zehn Jahren steht er auf der Bühne, nimmt regen Anteil an den Theaterinszenierungen der Schule, die auch auf der lokalen Freilichtbühne für ein großes Publikum vorgeführt werden. Er spielt in Stücken von William Shakespeare und Bertolt Brecht, rezitiert auch Wladimir W. Majakowski. Mit dem Abitur in der Tasche bewirbt er sich an der Filmhochschule, wird aber als zu jung abgelehnt. Nach dem Armeedienst versucht er es wieder - diesmal mit Erfolg. 1960 beginnt er mit dem Studium an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg im Fachbereich Regie. Zu seinen Mitstudenten gehören unter anderem  Lothar Warneke,  Roland Oehme und Richard Engel. 1964 legt er seinen Diplomfilm ABENTEUER (1964) vor. Erzählt wird von einer Gruppe junger Traktoristen, die im Alleingang Produktionsrückstände einer LPG aufholen wollen. Auf Gegenliebe stößt ihre Initiative bei den Verantwortlichen nicht. Erst als die Aktion erfolgreich verläuft, ändert sich die offizielle Einschätzung.

Nach dem Ende des Studiums arbeitet er bei  Kurt Maetzig als Regie-Assistent an dem Film DAS MÄDCHEN AUF DEM BRETT (1967) mit. Sein erster Spielfilm in eigener Regie wird der Kriminalfall MORD AM MONTAG (1968) nach einer Geschichte von Franz Wysbar. Ein Fotomodell wird in einer westdeutschen Großstadt tot aufgefunden, die Spur führt zu einem Rohdiamanten-Schieberring und einem Großindustriellen. Obwohl der junge Kommissar die Täter überführt, kommt er nicht gegen deren Einfluss an. Der Film ist spannend inszeniert, kann aber seine ideologischen Prämissen nicht verleugnen. Da hier auch Kinder mitspielen, wird Kratzert von den Dramaturginnen Gudrun Deubener und Inge Wüste der Künstlerischen Arbeitsgruppe „Kinder- und Jugendfilm“ des DEFA-Studios für Spielfilme gefragt, ob er sich vorstellen könne, mal einen Kinderfilm zu drehen. Er kann und wird in der Folge zu einem der erfolgreichsten Kinderfilmregisseure der DEFA.

Filmstill zu "Wir kaufen eine Feuerwehr"

Lars Peldschus und Erwin Geschonneck in WIR KAUFEN EINE FEUERWEHR (R: Hans Kratzert, 1970) Fotograf: Wolfgang Braumann

Filmstill zu "Tecumseh"

Rolf Römer in TECUMSEH (R: Hans Kratzert, 1972) Fotografen: Eckhardt Hartkopf, Joachim Zillmer

Es entsteht WIR KAUFEN EINE FEUERWEHR (1970), der die Geschichte des kleinen Matti erzählt. Allein und traurig sitzt er zuhause, bis er Herrn Clasen (gespielt von  Erwin Geschonneck) kennenlernt. Gemeinsam kaufen sie von einem Schrottplatz eine Feuerwehr und richten sie mit Kindern aus der Nachbarschaft wieder her. Der Film wird an den Kinokassen ein Erfolg und von Kritikern wegen seiner Lockerheit und Spannung gelobt. Gekonnt verbindet er das gemeinschaftliche Miteinander von älterer und jüngerer Generation, beobachtet einfühlsam und blickt heiter auf die Figuren. Auf der 4. Kinder und Jugendfilmwoche der DDR wird der Film zum erfolgreichsten Kinderfilm des Jahres gekürt.

Danach ist es aber zunächst nochmals ein Film für Erwachsene, den Hans Kratzert dreht. TECUMSEH (1972) schwimmt auf der Welle der Indianerfilme, erzählt vom Häuptling der Shawanen, der sich 1812 um eine Allianz der verfeindeten Indianerstämme bemüht. Wie bei den ostdeutschen Indianerfilmen üblich, wird ohne falsche Romantik und heroische Stilisierung erzählt. Der Film schildert die historischen Ereignisse eindringlich und sensibilisiert durch Emotionen. Nochmals wendet sich der Regisseur mit AM ENDE DER WELT (1974) einem erwachsenen Thema zu. Im Mai 1945 wird einem 19-Jährigen das Bürgermeisteramt übertragen. Für den politisch Unerfahrenen keine leichte Aufgabe.

Filmstill zu "Hälfte des Lebens"

Rolf Hoppe in HANS RÖCKLE UND DER TEUFEL (R: Hans Kratzert, 1974) Fotograf: Uwe Fleischer

Filmstill zu "Ottokar der Weltverbesserer"

Lars Herrmann und Micaëla Kreißler in OTTOKAR DER WELTVERBESSERER (R: Hans Kratzert, 1976) Fotograf: Heinz Wenzel

Dann konzentriert sich Hans Kratzert ganz auf den Kinderfilm. HANS RÖCKLE UND DER TEUFEL (1974) nach der Erzählung „Hans Röckle und Meister Flammfuß“ von Ilse und Vilmos Korn erzählt vom Puppenspieler und Mechanikus Hans Röckle, der einen Pakt mit dem Teufel schließt. Er erhält „Zauberkraft an Kopf und Händen“ und muss dafür immer etwas Neues schaffen. Mit seinen Erfindungen will er den Armen helfen, aber die Welt ist noch nicht reif für Neuerungen. Am Ende besiegt Hans Röckle den Teufel. Trickreich wird die Geschichte erzählt, Gags, Überraschungen und viele poetische Bilder sind zu sehen. Leise, lebendig und charmant erzählt der Film, verbindet Märchenhaftes mit Real-Historischem. Zudem beweist der Regisseur sein pädagogisches Einfühlungsvermögen.

Mit OTTOKAR, DER WELTVERBESSERER (1976) verfilmt Hans Kratzert Geschichten des Satirikers Ottokar Domma. Der Schüler der 5. Klasse Ottokar fällt überall auf, weil er sich einmischt und Ungerechtigkeiten aus der Welt schaffen will. Damit stößt er nicht überall auf Gegenliebe. Erst sein neuer Lehrer Burschelmann erkennt seinen guten Kern und versucht, seinen Gerechtigkeitssinn in die richtigen Bahnen zu lenken. Der Film wird ein Erfolg an den Kinokassen, Millionen wollen den heiteren Spaß um Ottokar sehen. Danach setzt Hans Kratzert EIN SONNTAGSKIND, DAS MANCHMAL SPINNT (1978) in Szene. Erzählt wird von der 10-jährigen Kathy, die sich nach einem Umzug vom Dorf in die Stadt erst einmal an die neue Situation gewöhnen muss. Da sie an allem, was ihr begegnet, Anteil nimmt, gerät sie ständig in besondere Situationen, wird von vielen als Spinnerin bezeichnet. Der Film wird zu einem Plädoyer für die Individualität des Einzelnen.

Filmstill zu "Taubenjule"

Jördis Hollnagel und Ruth Reinecke in TAUBENJULE (R: Hans Kratzert, 1982) Fotografen: Jürgen Hoeftmann, Ulrich Jänchen

Filmstill zu "Der Drache Daniel"

Gunnar Helm in DER DRACHE DANIEL (R: Hans Kratzert, 1989) Fotograf: Hans-Joachim Zillmer

Kindgerecht verarbeitet der Regisseur auch andere Themen. In MEIN VATER ALFONS (1980) steht eine Vater-Sohn-Beziehung im Vordergrund. In TAUBENJULE (1982) zieht ein 11-jähriges Mädchen in eine neue Stadt und kommt mit der neue Situation nicht zurecht. Erst nach einiger Zeit weiß sie, wie auch ihre Brieftauben, wo ihr wirkliches Zuhause ist. In DER SCHWUR VON RABENHORST (1986) gründen Umsiedlerkinder und Einheimische 1949 in einem Dorf den „Bund der Gerechten“ und geben den Armen, was sie den Reichen nehmen. Nachdem der Lehrer eine Pioniergruppe bildet, finden die eigenwilligen Aktionen eine organisatorische Form. Alle drei Filme sind nicht frei von ideologischen Inhalten, erziehen die Jugend im Sinne des sozialistischen Wertekanons.

DER DRACHE DANIEL (1989) wird der letzte Film des Regisseurs. Der 8-jährige Daniel ist in seine Lehrerin verliebt. Er verwandelt sich in einen Drachen und entführt sie. Daniel muss einige Proben bestehen, bis er und seine Lehrerin wieder Menschen werden können. Trickreich erzählt der Film seine Geschichte, verbindet die Fantasie mit der Alltagswelt von Daniel. Mit der Abwicklung der DEFA wird auch Hans Kratzert gekündigt. Er wird arbeitslos, findet nach längerer Zeit eine ABM-Stelle. Nach einigen kleineren Arbeiten für Filmfirmen, für die er Dokumentar- und Videofilme herstellt, arbeitet er in der Video-Abteilung des Vereins „Pro Brandenburg“, die Reportagen über die Region herstellen.

Der Filmemacher veröffentlicht mehrfach Texte zum Kinderfilm, setzt sich intensiv für ihn ein. Er gehört der Arbeitsgruppe Kinderfilm in der Sektion Spielfilm des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR an.

Hans Kratzert stirbt nach langer Krankheit im August 2023.

Verfasst von Ines Walk. (Stand: August 2023)

Trailer zu WIR KAUFEN EINE FEUERWEHR (R: Hans Kratzert, 1970)

Auszeichnungen

  • 1971: WIR KAUFEN EINE FEUERWEHR - 4. Kinder und Jugendfilmwoche der DDR: Preis des Ministeriums für Kultur als Bester Spielfilm für Kinder
  • 1974: HANS RÖCKLE UND DER TEUFEL - Filmtage der Werktätigen, Tschechoslowakei: Bester ausländischer Film
  • 1974: HANS RÖCKLE UND DER TEUFEL - Salerno, Italien: Viatec für die Beste Trickgestaltung
  • 1978: OTTOKAR, DER WELTVERBESSERER - 7. Kinder und Jugendfilmwoche der DDR: Diplom des Ministers für Kultur
  • 1978: OTTOKAR, DER WELTVERBESSERER - 7. Kinder und Jugendfilmwoche der DDR: Diplom der Kinderjury

Literatur

  • Hans Kratzert: Werkstattbericht zu dem Diplomfilm ABENTEUER, Diplomarbeit im Fachbereich Regie, Standort Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" Potsdam-Babelsberg, 1964.
  • Hans Kratzert in: Podium und Werkstatt, Heft 9 "Film für Kinder", Berlin 1981.
  • Hans Kratzert: Probleme und Überlegungen bei der Gestaltung des Films WIR KAUFEN EINE FEUERWEHR, in: Film, Fernsehen, Erziehung, 02/1971.
  • Hans Kratzert: In Sachen Kinderfilm: Hans Kratzert, in: Filmspiegel 05/1985.

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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