Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Konrad Weiß

Regisseur

* 17. Februar 1942 in Lauban, Niederschlesien (heute Polen)

Biografie

Filmstill zu "Zeitzeugengespräch: Konrad Weiß"

Konrad Weiß

während eines Zeitzeugengesprächs im Jahr 2003

Der Regisseur Konrad Weiß fällt im DEFA-Studio für Dokumentarfilme durch seine kleinen, nur auf den ersten Blick unscheinbaren Filme für Kinder und Jugendliche auf. Über 15 Jahre beobachtet er genau, zeigt Momente und Situationen, die dem öffentlichen Blick bisher entgangen sind. Dabei sind seine Filme frei von ideologischen Prämissen, blicken impressionistisch auf eine vorgefundene Wirklichkeit. Mit dem Zusammenbruch der DDR beginnt die zweite Laufbahn des Regisseurs. Er gehört zu den Unterzeichnern des Gründungsaufrufs der Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt“, wird 1990 Bundestagsabge­ordneter des ersten gemeinsamen deutsches Bundestages.

Konrad Weiß wird am 17. Februar 1942 in Lauban, Schlesien geboren. Sein Vater ist Beamter, der in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges auf der Flucht stirbt. Die Familie siedelt nach Genthin, wo Konrad Weiß bei seiner Mutter aufwächst, die als Arbeiterin tätig ist. Hier absolviert er seine Schulausbildung und beginnt 1958 eine Lehre als Elektromonteur. Ein Abitur wird ihm verweigert, da er zu seiner katholischen Erziehung steht. Nach dem Abschluss arbeitet er auch in dem Beruf. 1962 beginnt er eine Laienausbildung am Katechetenseminar in Görlitz. Bis Mitte der 60er Jahre arbeitet er als Seelsorger beim katholischen Seelsorgeamt in Magdeburg. 1964 holt er sein Abitur an der Volkshochschule nach.

Mit Erfolg bewirbt er sich an der Deutschen Hochschule für Filmkunst Potsdam-Babelsberg. Von 1965 bis 1969 studiert er in den Fächern Regie und Kamera, wird in die Spezialklasse für Dokumentarfilm bei  Karl Gass aufgenommen, in der unter anderem auch  Peter Rocha und Alexander Ziebell Mitstudenten sind. Sein Diplomfilm FLAMMEN (1969) erzählt von der jüdischen Widerstandsgruppe um Herbert Baum. Die jüngste deutsche Vergangenheit wird den Künstler immer wieder beschäftigen. Nach seinem Studium ist er bis 1990 im DEFA-Studio für Dokumentarfilme beschäftigt. Bis Ende der 1970er Jahre dreht er überwiegend Dokumentarfilme für Kinder.

Gemeinsam mit  Ernst Cantzler,  Jochen Kraußner und  Roland Steiner arbeitet er in der Arbeitsgruppe Kinder- und Jugendfilm des DEFA-Dokumentarfilmstudios, dreht zahlreiche Filme für Kindersendungen. Unter seiner Regie entstehen mehrere Beiträge für die Serie „Der besondere Tag“, die für das Kinderfernsehen der DDR produziert werden. Ein weiblicher Clown, ein Dompteur und ein Hochseilartist werden in CLOWNS GEHEN NICHT IN DEN KINDERGARTEN (1975) porträtiert, handwerkliche Fähigkeiten bereitet der Regisseur in DIE WASSERLEITUNG (1976) und DIE TÜR (1978/79) originell, witzig und kindgerecht auf. Für den Beitrag EIN GELBES PFERD, SCHNELL WIE DER WIND (1977) reist das Filmteam in die Mongolei und beobachtet deutsche und mongolische Familien, die gemeinsam bei einer geologischen Expedition tätig sind. Die sich fremden Kinder finden mittels eines gelben Pferdes zueinander. ICH DENK, ICH BIN IN EINEM SCHLOß (1983) besucht den 5-jährigen René, der mit seinen Eltern auf einem einsam gelegenen alten Bauernhof in Mecklenburg lebt. In seinen Filmen beobachtet der Regisseur genau, zeigt Momente und Situationen, die dem öffentlichen Blick bisher entgangen sind. Dabei sind seine Filme frei von ideologischen Prämissen, blicken impressionistisch auf eine vorgefundene Wirklichkeit. Aber die Kinderfilmgruppe gilt nur als eine Randgruppe des Studios, ihre Filme finden wenig Beachtung. Das ist gleichzeitig eine Chance für kritische Beiträge zum Stand der Gesellschaft. In GLÜHBIRNEN WACHSEN NICHT AM BAUM (1978) wird eine alleinstehende Frau mit drei Kindern porträtiert. In vielen Fällen ist sie auf sich allein gestellt, die Rundumversorgung der Frau in der DDR stellt sich als Legende heraus.

In DAWIDS TAGEBUCH (1980) begibt sich der Regisseur auf die Spuren des jüdischen Jungen Dawid Rubinowicz, der 1942 gemeinsam mit seinen Eltern in Treblinka ermordet wurde und dessen Tagebücher 1957 gefunden worden sind. Filmdokumente, Fotografien und Aufnahmen der Landschaft erzählen vom Leben des Jungen, der nur zwölf Jahre alt geworden ist. Der Essay DER MORGEN (1981) illustriert den Beginn einer Erzählung von Maxim Gorki. Zu Dreharbeiten reist das Filmteam, Konrad Weiß mit seinem Stammkameramann Michael Lösche, in das abgelegende Wolgadorf Krasnowidowo, wo der Schriftsteller 1888 lebte. Die Landschaftsbildern und Dorfimpressionen kommentieren Zitate aus Briefen, die Maxim Gorki von Kindern erhielt.

Seit Beginn der 1980er Jahre konzentriert sich der Regisseur vor allem auf Filme, die den individuellen und gesellschaftlichen Umgang mit Menschen mit Behinderungen schildern. In IVO KLAUCK, 14 JAHRE ALT, QUERSCHNITTSGELÄHMT (1981) porträtiert er neben der Hauptperson, die im Rollstuhl sitzt, seine Mitschüler aus der Körperbehindertenschule Birkenwerder und die Freunde, mit denen Ivo lebt und aufwächst. Sachlich und realistisch wird die Situation des Jungen geschildert, ohne Selbstmitleid blickt der Protagonist auf sich selbst. Die Kamera folgt seiner Intention, völlig unsentimental blendet sie auch die Schwierigkeiten des Rollstuhlfahrers nicht aus. Sieben Jahre später trifft sich Konrad Weiß nochmals mit Ivo Klauck. Mittlerweile ist er mit Sabine verheiratet, ebenfalls querschnittsgelähmt. Das Paar spricht in IVO UND SABINE - QUERSCHNITTSGELÄHMT (1988) über ihr Leben, ihre Sehnsüchte, die Kamera beobachtet die alltäglichen Situationen. Der Interviewfilm ERSTE LIEBE (1984) stellt Jugendliche ins Zentrum, die über ihre ersten sexuellen Erfahrungen sprechen. Sensible Gefühle und große Unsicherheit stehen sich gegenüber. Die psychologische Studie fühlt sich in die Jugendliche zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr ein, bietet Informationen und Unterhaltung.

Der derzeit letzte Film des Regisseurs ist das Essay ICH BIN KLEIN - ABER WICHTIG (1988). Ein Film über Janusz Korczak, den jüdisch-polnischen Arzt und Erzieher, der mit Waisenkindern unter unsäglichen Bedingungen im Warschauer Ghetto gelebt hat und mit ihnen in den Tod ging. Der Film begibt sich auf Spurensuche nach dem Menschen, interviewt Freunde, Mitarbeiter und Schüler. Das Thema steht auch dem politischen Engagement des Regisseurs nahe. 1965 ist er einer der Teilnehmer der ersten Fahrt des Vereins „Aktion Sühnezeichen“ nach Auschwitz. Seit dieser Zeit ist er Mitglied, von 1988 bis 1990 übernimmt er die Leitung des Vereins. Die internationale Friedenorganisation setzt sich, da die Folgen des Nationalsozialismus noch immer spürbar sind, für einen intensiven Dialog ein, steht für eine Verständigung zwischen den Generationen, Kulturen, Religionen und Völkern, leistet intensive Erinnerungsarbeit. Zudem ist Konrad Weiß von 1988 bis 1990 Mitglied des Beirats für kirchlichen Rundfunk beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR.

Seit 1975 ist Konrad Weiß auch als Textautor tätig. Er liefert Liedtexte für den Komponisten Thomas Natschinski sowie die Sängerinnen Barbara Thalheim, Gaby Rückert und den Sänger Jürgen Walter. Seine Lieder erscheinen 1980 und 1982 auf Schallplatten. Außerdem ist der Regisseur auch Publizist. Anfang der 1980er Jahre beginnt er Texte zu schreiben, arbeitet in der Weltbühne mit, schreibt seit 1985 für DIE ZEIT und Zeitschriften in Polen.

Mit dem Zusammenbruch der DDR beginnt die zweite Laufbahn des Regisseurs. Von Dezember 1989 bis März 1990 ist er der Vertreter von „Demokratie Jetzt“ am Zentralen Runden Tisch. Im Dezember 1989 legt er als Initiator einen Drei-Stufen-Plan für die nationale Einigung Deutschlands vor. Als Mitglied der Volkskammerfraktion Bündnis 90/Grüne ist er von April bis Oktober 1990 tätig. Als Mitglied der Regierungskommission hat er maßgeblichen Einfluss auf das neue Mediengesetz, beklagt aber auch zugleich den Schwund der Pressevielfalt in den neuen Bundesländern. 1990 wird er als Mitglied von Bündnis 90/Grüne in den Bundestag gewählt und ist vier Jahre lang Abgeordneter. Kritisch steht er den Fusionsplänen von Bündnis 90/Grüne gegenüber, einzelne Punkte kann er nicht mittragen, wie unter anderem den Asylkompromiss 1993. Zur Bundestagswahl 1994 kandidiert er nicht wieder. Seit Dezember 1994 arbeitet Konrad Weiß als freier Publizist. 1996 ist er Gründungs- und Vorstandsmitglied des Vereins „Bürgerbüro e.V.“ in Berlin, der denjenigen Menschen helfen will, die durch Willkürakte der DDR fortdauernd geschädigt sind.

In Berlin ist Konrad Weiß als Publizist tätig; er hat zahlreiche Bücher und Beiträge in Büchern sowie Zeitschriften veröffentlicht. Die ist eine Auswahl zu Filmthemen bzw. seiner Arbeit als Filmemacher.

Konrad Weiß ist verheiratet. Er hat drei Töchter. Die Familie lebt in Berlin.

Zusammengestellt von Ines Walk. (Stand: Juni 2009)

Filmstill zu "Dawids Tagebuch"

Filmstill zu DAWIDS TAGEBUCH (R: Konrad Weiß, 1980) Fotograf: Roman Vishniak

Filmstill zu "Dawids Tagebuch"

Filmstill zu DAWIDS TAGEBUCH (R: Konrad Weiß, 1980) Fotograf: Michael Lösche

Auszeichnungen

  • 1981: DAWIDS TAGEBUCH - Nationales Festival "Goldener Spatz" für Kinderfilme der DDR in Gera: Sonderpreis
  • 1989: ICH BIN KLEIN - ABER WICHTIG - Nationales Festival "Goldener Spatz" für Kinderfilme der DDR in Gera: Goldener Spatz als Bester Dokumentarfilm

Literatur

  • Konrad Weiß: Der Dokumentarfilm für Kinder und die ästhetische, psychologische und pädagogische Spezifik seiner Wirkungsweise, Diplomarbeit, Standort Hochschule für Film und Fernsehen, Potsdam-Babelsberg, 1970.
  • Konrad Weiß: Erprobung eines Genres, in: Film und Fernsehen 07/1976.
  • Konrad Weiß: Konflikte behandeln und bewältigen. Mitteilungen des Verbandes der Film- und Fernsehenschaffenden, Sonderheft II/1977.
  • Konrad Weiß: Träume und Wirklichkeiten, in: Film und Fernsehen 10/1978.
  • Konrad Weiß: Die Welt erkennen und sich begreifen, in: Film und Fernsehen 06/1979.
  • Konrad Weiß: Filme für Kinder, aber nicht als Großvater, in: Filmspiegel 21/1985.
  • Norbert Tolsdorf: Der Dokumentarist Konrad Weiß, in: Filmspiegel 21/1985.
  • Konrad Weiß: Getreuer Spiegel eines untergegangenen Landes, in: Die Wochenpost, 17.05.1996.
  • Konrad Weiß: Träumt für morgen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.05.1997.
  • Konrad Weiß: Kinderfilme aus Überzeugung. (Interview von Ralf Schenk mit Konrad Weiß), in: Ingrid Poss, Christiane Mückenberger, Anne Richter (Hgg.): Das Prinzip Neugier. DEFA-Dokumentarfilmer erzählen. Berlin: Verlag Neues Leben 2012, S. 389-416.

DEFA-Filmografie

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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