Interview zur Wahl mit Egon Krenz
42:24 Min., Color
Deutschland
Cintec Film- und Fernsehproduktionsgesellschaft mbH, 1990
- Film/Video Format
- U-Matic
Film Crew
- Camera
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- Helga Behr-Schurter
- Content Editing
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- Ulfert Engelkes
- Person, Primary
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- Egon Krenz
- Person, Secondary
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- Erich Honecker
- Michail Gorbatschow
Short Summary (German)
Dieses Material zeigt ein Interview mit dem ehemaligen Staatsratsvorsitzenden der DDR Egon Krenz. Krenz stellt sein Buch "Wenn Mauern fallen" vor und äußert sich u. a. zu den Wahlen, seinem Parteiausschluss, seiner derzeitigen Tätigkeit, zum demokratischen Sozialismus sowie zur Grenzöffnung am 09. November 1989. Die zweite Kassette beinhaltet die Fortsetzung des Interviews. Krenz geht u. a. auf den Mauerfall ein und äußert sich zum Wandlitz-Syndrom, zu Erich Honecker, zur Wiedervereinigung sowie zu Internierungslager der Staatssicherheit. Ferner werden Aufnahmen vom Cover seines Buches "Wenn Mauern fallen" gezeigt.
Summary
C1/0901:
Interview mit Egon Krenz; Krenz OT zu Gorbatschows Satz "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.": Ja/ in dem Buch, das demnächst erscheint, begründe ich eindeutig, dass ich mit meinen politischen Freunden zu spät die Initiative ergriffen habe, um eine Veränderung unserer Politik zu erwirken und somit Krise in der DDR-Gesellschaft entgegen zu wirken/ insofern trifft das, was Michail Gorbatschow für die Politik allgemein gesagt hat auch für jeden einzelnen also auch für mich..";
Krenz OT zur Ära Honecker/Krenz: "Ära Honecker war eine Periode, die man differenziert bewerten muss/ zu Beginn recht erfolgreiche Entwicklung der DDR/ dann Stagnation/ dann Probleme verdrängt haben, die dazu führten, dass wir keine Aktivität mehr für die Lösung der anstehenden Probleme entwickeln konnten/ Ära Erich Honecker ist eine Ära, die in der Geschichte der DDR verbunden ist mit guten und weniger guten Dingen/ meine Tätigkeit war eine Tätigkeit von 50 Tagen/ Übergangszeit zwar mit dem Willen alles zu tun, damit Krise gestoppt wird, aber wir sind zu spät gekommen und dadurch vom Leben bestraft worden.";
Krenz OT zur Frage, ob er seine Tätigkeit von Beginn an als Übergangslösung gesehen habe: "Habe gewusst, dass das eine ganz schwere Sache sein wird/ hatten keine gute ökonomische und politisch Situation/ habe in all den 50 Tagen versucht nie nach außen deutlich zu machen, dass auch ich davon überzeugt bin, dass ich nur der Kandidat des Übergangs bin/ hatte mir den Übergang etwas anders vorgestellt.";
Krenz OT zur Frage, ob es nicht ein persönlicher Widerspruch gewesen sei: "Wer nach außen hin von Anfang an so tut, dass er sowieso nur ein Kandidat des Übergangs ist, der wird nie die Energie aufbringen, um etwas zu bewirken/ etwas zu bewirken war aber mein Ziel/ musste Widerspruch so lösen, dass ich alle Kraft, die in mir war für diese Sache gab/ leider zu spät.";
Krenz OT zur Frage, ob die Geschichte ihn nicht auch überrollt habe: "Natürlich/ gab morgens Arbeitspläne, die abends überholt waren/ wusste manchmal nicht wie der Tag endet/ alles schnelllebig/ war für alle im Politbüro außerordentlich kompliziert.";
Krenz OT zur Frage, ob ihm Zeit und Macht zwischen den Fingern zerronnen sei: "Macht zwischen den Fingern zerronnen möchte ich nicht sagen/ habe meine Funktion nie als eine Machtfunktion verstanden.";
Krenz OT zur heutigen Tätigkeit: "Bin parteiloser Privatmann/ habe ein Buch geschrieben über friedliche Revolution mit dem Titel 'Wenn Mauern fallen’.";
Krenz OT: "Ich glaube nach wie vor daran, dass die Idee des demokratischen Sozialismus lebt/ Idee, die für eine sehr effektive Wirtschaft eintritt/ die sozial gerecht ist/ politisch demokratisch ist und in allem den Menschen zugewandt ist.";
Krenz OT zur Frage, ob der demokratische Sozialismus überhaupt noch Chancen hat: "Ist keine aktuelle Frage/ gibt ein Lied bei uns "Die Enkel fechten es besser aus"/ das ist meine Hoffnung.";
Krenz OT zu Schriftsteller/ Berufswunsch Journalist; Krenz OT zu seiner Zukunft: "Bin vom Beruf Lehrer/ habe aber 30 Jahre lang nicht in diesem Beruf gearbeitet/ zweifle, ob ich in den Beruf jemals zurück kann/ zurück in die Politik ist im Moment keine praktische Frage/ wenn man aus einer Partei ausgeschlossen ist, sollte man nicht sofort darüber nachdenken, in welche andere Partei man tritt/ parteipolitische Bindung ist für mich im Moment kein aktuelles Problem/ würde mich als parteiloser, demokratischer Sozialist bezeichnen.";
Krenz OT zum Parteiausschluss: "War bitterer Schritt/ bin seit 1955 Mitglied/ seit 1953 Kandidat der SED gewesen/ habe alles aus fester Überzeugung getan/ Ausschluss aus der Partei war für mich ein bitterer Schritt/ für die Partei wahrscheinlich die notwendige Konsequenz, um sich zu erneuern/ für mich nicht in allem verständlich/ muss damit fertig werden/ freue mich aber, wenn ich alte Bekannte treffe, die mich als Genosse Krenz bezeichnen.";
Krenz OT zur Frage, warum das Buch so schnell fertig geworden ist. "Freunde haben mich gedrängt/ auch die Verlegerin hat mit mir entsprechend gearbeitet/ dachte mir Geschichte ist verlaufen, die kann man nicht korrigieren/ Interpretation ist aber interessant/ solange Dinge noch sehr frisch in Erinnerung sind, wird die Interpretation der Wirklichkeit am nächsten kommen/ deshalb habe ich jetzt geschrieben/ mit größerem Abstand wird manches vielleicht klarer.../ jetzt ist es erst mal meine Sicht.";
Krenz weist Vorwurf der Vermarktung zurück; Krenz OT zur Frage, warum das Buch zuerst im Westen erscheint;
Krenz OT: "In dem Buch ist eindeutig ausgesagt, dass die Veränderungen in den Oktober- und Novembertagen durch das Volk gemacht worden sind/ deswegen drücke ich im letzten Kapitel die Hoffnung aus, dass jene, die diese Revolution begonnen haben nun auch die Früchte ernten könnten/ habe manchmal den Eindruck, dass es nicht so ist/ das die Opposition von einst nun wieder die Opposition ist.";
Krenz OT zum Wahlergebnis: "Hatte mir vorher viele Varianten überlegt, wie das Ergebnis sein könnte/ so hatte ich es nicht erwartet/ hatte erwartet, dass wir vielleicht doch einen größeren Zuspruch für die SPD gehabt hätten/ habe mich trotzdem gefreut, dass wir nun mehr eine starke Opposition haben/ über das Abschneiden der PDS kann man zufrieden sein.";
Krenz OT: "..ein Teil der Wähler hat uns die Quittung gegeben für die Politik der letzten Jahrzehnte."; Krenz OT zum Buch/ Erkennen von geschichtlicher Warnung;
Krenz OT zur Frage, ob er in den 50 Tagen Sachen gemacht hat, die er heute anders machen würde: "Natürlich/ ich hätte sehen müssen, dass die Parteibasis mehr wollte als einen Personenwechsel an der Spitze/ hätte sagen müssen, dass der Personenwechsel an der Spitze in Ordnung ist, aber auch, dass wir sofort einen außerordentlichen Partei einberufen müssen, um eine Führung zu wählen, die in der Lage ist, die Partei zu erneuern/ ist damals von mir und manch anderen nicht erkannt worden/ auch dafür sind wir bestraft worden.";
Krenz OT zum 09. November: "...wir wollten ab dem 10. laut Verordnung die Grenzen für den freien Reiseverkehr öffnen wollten/ aus voller Überzeugung, dass das den Interessen der Bürger der DDR entspricht/ auch als Zeichen der Erneuerung unserer Politik/ das es schon am 09. gewesen ist hängt damit zusammen, dass eine Pressemitteilung dieser Anordnung beigefügt war, die am 10. veröffentlicht werden sollte/ die Pressemitteilung, die am 10. erscheinen sollte ist auf der Pressekonferenz am 09. bekannt gegeben worden/ dieses "sofort" haben die Leute so verstanden, dass man sofort an die Grenze gehen kann/ dann haben wir es 24 Stunden früher gemacht..."
C1/0902:
Krenz OT zur Frage, wie es zur Öffnung der Berliner Mauer kam: "Wir waren davon ausgegangen, dass das freie Reisen der wichtigste Wunsch der DDR-Bevölkerung war und die Öffnung der Grenze das beste Zeichen für die Ernsthaftigkeit der Erneuerung unserer Politik war/ gab Verordnung, dass am 10. die Grenzen geöffnet werden/ auf der Pressekonferenz am 09. abends wurde diese Mitteilung für die Presse, die ja eigentlich erst am 10. veröffentlicht werden sollte verlesen/ dadurch hatten die Leute den Eindruck, dass dieser Schritt sofort möglich sei/ Gespräch mit Minister für Staatssicherheit/ haben dann gemeinsam festgelegt, dass man die Sache 24 Stunden vorverlegen kann/ wollten friedlichen Charakter unserer Revolution erhalten.";
Krenz OT zur Genugtuung, als die Menschen über die Grenze gingen: "Ist mir sehr nahe gegangen/ ich habe gesagt, dass mir die fröhlichen Gesichter der Bürger der DDR, die reisen dürfen lieber waren als der Groll und der Ärger, den wir alle an den Fernsehbildschirmen erlebt haben, als viele Bürger in den Sommermonaten über Ungarn oder die CSSR mit Groll unser Land verlassen haben/ war Genugtuung, dass die freie Entscheidung jedes DDR-Bürgers auch respektiert wurde, die Grenzen unseres Landes zu überschreiten.";
Krenz OT zum persönlichen Gefühl: "Habe nicht geweint/ hat mich aber sehr gerührt/ habe diese Entwicklung auch nicht erlebt, wie die Berliner selbst, die Berlin ohne Grenzen kannten/ trotzdem war die Freude groß.";
Krenz OT zum Wandlitz-Syndrom; Krenz OT zur doppelten Moral/ Laden in Wandlitz mit Westware: "Heute erkennt man, dass es eine doppelte Moral war/ wäre diese Erkenntnis bei uns allen damals da gewesen, dann wäre es keine doppelte Moral gewesen.";
Krenz OT zur Suche für eine Bleibe für Honecker/ Menschen wollen ihn nicht im Dorf haben: "Ich meine, man muss Erich Honecker geschichtlich gerecht bewerten/ er ist für seine Ideale 10 Jahre ins faschistische Zuchthaus gegangen ist/ wir sollten heute die Toleranz zeigen, die alle immer gewünscht haben/ ihn so behandeln, wie das zivilisierten Verhältnissen entspricht.";
Krenz OT zur Frage, ob die Errungenschaften der DDR in ein vereintes Deutschland eingebracht werden können: "Bin überzeugter Anhänger der Deutschen Demokratischen Republik/ als ich Generalsekretär wurde, habe ich davon gesprochen, dass es uns am Herzen liegt, die Eigenständigkeit der DDR, ihren sozialistischen Entwicklungsweg zu erhalten/ neue Ereignisse eingetreten/ scheint, dass die Vereinigung aktuelles Thema ist/ bin für gesicherte Grenzen/ Nachbarn keine Angst vor einem einheitlichen Deutschland/ möchte, dass etwas Neues entsteht/ beide Partner sollten etwas einbringen/ der überhebliche Ton, der manchmal von Politikern ihres Landes kommt, dass die DDR sich einfach nur anzuschließen braucht, der ist nicht zeitgemäß/ hoffe, dass ein Teil der nationalen Identität der DDR mit eingebracht wird.";
Krenz OT zu den Massengräbern/ Opfer von sowjetischen Internierungslager: "Woher soll ich das gewusst haben?/ war 1945 acht Jahre alt/ Berichte gehen davon aus, dass über diese Dinge nie gesprochen worden ist/ Historiker werden diese weißen Flecke aufarbeiten."; Krenz OT zur Frage, ob er gewusst habe, dass das Ministerium für Staatssicherheit Internierungslager für Andersdenkende vorbereitet hat: "Habe das heute irgendwo gelesen/ kann das kaum nachvollziehen/ halte das nicht für möglich/ habe das nur aus westlichen Nachrichten.";
Buch GA mit Schriftzug "Wenn Mauern fallen" (wird von Egon Krenz gehalten); Interview T; Redakteur Engelkes wiederholt die Fragen; Krenz signiert Buch; Engelkes OH; Engelkes wiederholt die Fragen