Filmstill zu "Einer vom Rummel"

Einer vom Rummel

Im Rahmen der monatlichen DEFA-Filmreihe im Berliner Kino Arsenal präsentiert die DEFA-Stiftung am Montag, 10. Juni 2024, 19:00 Uhr, den DEFA-Spielfilm EINER VOM RUMMEL (R: Lothar Großmann, 1982). Die Vorführung ist eine Würdigung des viel zu früh am 4. Juni 1994 – vor 30 Jahren – gestorbenen Schauspielers Dirk Nawrocki. Als Gast werden Regie-Assistentin Magda Greßmann und Schnittmeisterin Sabine Schmager erwartet.

Kurzinhalt

Filmplakat zu "Einer vom Rummel"

EINER VOM RUMMEL

(R: Lothar Großmann, 1982) Grafiker: Wolfgang Spuler

„Ich bin ich“. Der Leitspruch prangt in großen Buchstaben auf der Jeans-Weste des 18-jährigen Ben (gespielt von Dirk Nawrocki). Er arbeitet bei seinem Onkel (Helmut Straßburger) als Schausteller auf dem Rummel und hat ein sorgloses Leben. Doch weiß er, für wen dieses „ich“ in seinem Motto steht? Hat er sich schon gefunden? Ein Eklat führt zum Ausbruch aus der bunten Welt des Rummels und Ben fragt sich, wie und wo er leben will.

 Hier finden Sie die vollständigen Filmdaten.

Produktionsnotizen

EINER VOM RUMMEL wurde zwischen dem 11. Mai und dem 13. August 1982 unter anderem in Berlin-Friedrichshain gedreht. Die Rummelplatz-Szenen entstanden im brandenburgischen Jüterbog. Der Film geht auf eine gleichnamige Coming-of-Age-Geschichte des Hallenser Arbeiters Harry Falkenhayn zurück. Die Uraufführung feierte EINER VOM RUMMEL anlässlich der 11. Tage des sozialistischen Films am 20. September 1983 im Kino „Capitol“ in Schwerin. Später folgte die Berliner Premiere im „Colosseum“. 

 

 

 

 

Filmstill zu "Einer vom Rummel"

In flagranti erwischt: Ben (Dirk Nawrocki) und Ilona (Daniela Hoffmann) in EINER VOM RUMMEL (R: Lothar Großmann, 1982) Fotograf: Klaus Zähler

Filmstill zu "Einer vom Rummel"

Onkel Max (Helmut Straßburger) hält nicht viel von junger Liebe in EINER VOM RUMMEL (R: Lothar Großmann, 1982) Fotograf: Klaus Zähler

Regie: Lothar Großmann

Filmstill zu "Einer vom Rummel"

Lothar Großmann

bei den Dreharbeiten zu EINER VOM RUMMEL (R: Lothar Großmann, 1982) Fotograf: Klaus Zähler

Für den 1941 geborenen Regisseur Lothar Großmann war EINER VOM RUMMEL der erste und einzige Kinospielfilm bei der DEFA. Heute lassen sich die Stationen seiner Biografie nur mit Mühe zusammentragen.

Lothar Großmann studierte zunächst am Schweriner Konservatorium und war anschließend Orchestertrompeter in Ludwigslust sowie im Stabsmusikkorps der Grenztruppen in Erfurt. Während dieser Zeit bestand bei ihm bereits der große Wunsch Filme zu machen. Mehrfach bewarb sich Großmann an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg – ohne Erfolg. „Nicht jedem ist das Kommen, Sehen, Siegen in die Wiege gelegt“ hielt er im Interview mit Detlef Friedrich für „Kino DDR“ im Vorfeld der Uraufführung von EINER VOM RUMMEL fest. 1967 – mit 26 Jahren – gelang Großmann über ein Volontariat beim Fernsehen der Sprung in die Medienwelt.

Es folgte ein Regiestudium in Babelsberg, das Großmann mit seinem Diplomfilm VETTERS FRÖHLICHE FUHREN (1979-80) nach einer Erzählung von Martin Stade und mit Fritz Marquardt in der Hauptrolle erfolgreich beendete. Zuvor drehte er bereits publizistisch-dokumentare Filme für das Fernsehen, darunter GESICHT EINES TÄNZERS (1974), ein Porträt über den Tänzer und Choreografen Jean Weidt und DOROTHEENSTÄDTISCHE MONOLOGE (1976) nach Gedichten von Jens Gerlach. Großmann wurde Meisterschüler bei Lothar Warneke, der seinen Diplomfilm als Mentor betreute und den er als Regieassistent bei DIE UNVERBESSERLICHE BARBARA (1976) und ADDIO, PICCOLA MIA (1979) unterstützte. 1982 erhielt Großmann im Alter von 41 Jahren die Gelegenheit mit EINER VOM RUMMEL seinen ersten Kinospielfilm zu inszenieren. Im gleichen Jahr resümierte er über seinen bisherigen Lebensweg: „Jetzt mag das alles einfach klingen. Für mein Leben ist wohl bestimmt, dass ich lange Wege gehen muss, kämpfen muss, um mein Ziel zu erreichen.“ (Großmann zu Detlef Friedrich, Kino DDR, 1982).

Filmstill zu "Einer vom Rummel"

Dreharbeiten auf dem Rummel in Jüterbog für EINER VOM RUMMEL (R: Lothar Großmann, 1982) Fotograf: Klaus Zähler

Filmstill zu "Einer vom Rummel"

Blick durch die Kamera. Lothar Großmann bei den Dreharbeiten zu EINER VOM RUMMEL (R: Lothar Großmann, 1982) Fotograf: Klaus Zähler

Befragt nach Ideen für anschließende Projekte sprudelte Großmann 1982 vor Ideen: „Musikfilm und Wildweststory! Ich denke, dass ich unbewusst-bewusst immer bei heiteren, spannenden, tragikomischen bis grotesken Filmerzählungen ankommen werde. Und immer wohl mit Musik. Ein ernster Gegenwartskonflikt, ernsthaft inszeniert, der komisch kommt, das wär’s natürlich.“ (Kino DDR, 1982) Kameramann Andreas Köfer, mit dem Großmann bereits zu Studienzeiten mehrfach zusammenarbeitete, erinnert sich heute, dass Großmann im Verlauf der 1980er-Jahre mit großer Akribie an weiteren Stoffen arbeitete, jedoch keinen davon verfilmen konnte. Eine Festanstellung bei der DEFA erhielt er nicht. Noch vor dem Mauerfall ist Großmann 1989 aus der DDR nach West-Berlin ausgereist und – nachdem er sich auch dort nicht künstlerisch verwirklichen konnte – wenig später gestorben.

Ein Film für junges Publikum

EINER VOM RUMMEL wurde als DEFA-Beitrag konzipiert, der mit einer einprägsamen, jungen Hauptfigur insbesondere das 14- bis 20-jährige Kinopublikum ansprechen sollte, das in den 1980er-Jahren das Gros der Kinozuschauerinnen und -zuschauer in der DDR ausmachte. Der Film steht damit in der Tradition von DEFA-Produktionen wie SABINE WULFF (R: Erwin Stranka, 1978), P.S. (R: Roland Gräf, 1978) oder auch SOLO SUNNY (R: Konrad Wolf, 1979/80) – auch dort agieren junge Menschen am „Rand der DDR-Gesellschaft“, die auf der Suche nach ihrem Platz im Leben sind. Mit dem Rummelplatz als Handlungsort wurde in EINER VOM RUMMEL ein Milieu mit hohem Schauwert gewählt, das zum kommerziellen Erfolg des Films beitragen sollte. Renate Krößner übernahm zwei Jahre nach ihrem Erfolg mit SOLO SUNNY, erstmals wieder eine Kinorolle bei der DEFA. Mit Blick auf den Werdegang des Regisseurs erscheint es wenig verwunderlich, dass der Musik in EINER VOM RUMMEL eine hohe Bedeutung zukommt: Jürgen Ecke komponierte für den Film eingängige Rocksongs, die von der populären Musikgruppe „Pankow“ eingespielt wurden.

Filmstill zu "Einer vom Rummel"

Ganz anders als Sunny. Renate Krößner als Hanna in EINER VOM RUMMEL (R: Lothar Großmann, 1982) Fotograf: Klaus Zähler

Filmstill zu "Einer vom Rummel"

Ben (Dirk Nawrocki) und Freund Kalle (Jens-Uwe Pöse) in der bunten Rummelwelt von EINER VOM RUMMEL (R: Lothar Großmann, 1982) Fotograf: Klaus Zähler

Dirk Nawrocki ist Ben

Filmstill zu "Einer vom Rummel"

EINER VOM RUMMEL

(R: Lothar Großmann, 1982) Fotograf: Klaus Zähler

Für die Hauptrolle besetzte Lothar Großmann den 1958 geborenen Dirk Nawrocki, der früh den Weg zur Schauspielerei und zum Film fand. Bereits in den 1970er-Jahren diskutierte Nawrocki zusammen mit anderen Jugendlichen in der Sendung „Jugendfilmclub“ des Fernsehens der DDR über Filme. 1974 stand er zusammen mit Odette Bereska auf der Bühne des Berliner Ensembles und spielte eine der Hauptrollen in „Frühlingserwachen“ von Frank Wedekind in einer Inszenierung von B. K. Tragelehn und Einar Schleef. Später studierte Nawrocki an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“.

Nach dem Studium zog es Nawrocki zum Anklamer Theater mit Intendant Frank Castorf. Dort war er unter anderem als Ferdinand in Schillers „Kabale und Liebe“ zu sehen. Parallel übernahm Nawrocki erste Aufgaben beim Film und wirkte u.a. in Rainer Simons Verbotsfilm JADUP UND BOEL (1981/88) und Karl-Heinz Heymanns Jugendfilm SCHWIERIG SICH ZU VERLOBEN (1982) mit. Wenige Monate später spielte Nawrocki in EINER VOM RUMMEL seine erste Kinohauptrolle. Im Zuge eines Besuchs bei den Dreharbeiten zitiert ihn der Filmspiegel: „Diese Arbeit fordert mich sehr, denn vom Theater bin ich gewohnt, Zeit zu haben zum Probieren (…) Hier nun, beim Drehen, muss alles schnell gehen, auch fehlt mir der unmittelbare Kontakt zu Publikum.“ (Filmspiegel 1982/19; S. 4). Die DDR-Presse beurteilte Nawrockis Leistung weitgehend positiv.

Filmstill zu "Einer vom Rummel"

Stürmische Liebe? Hanna (Renate Krößner) und Ben (Dirk Nawrocki) in EINER VOM RUMMEL (R: Lothar Großmann, 1982) Fotograf: Klaus Zähler

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Neue Arbeit, neues Glück? Ben (Dirk Nawrocki) mit seinem neuen Chef (Hans-Peter Reinecke) in EINER VOM RUMMEL (R: Lothar Großmann, 1982) Fotograf: Klaus Zähler

Mitte der 1980er-Jahre reiste Dirk Nawrocki mit seinem damaligen Lebensgefährten, dem Maler Heiko Zolchow, in die BRD aus. Im Abspann seines letzten Films in der DDR, der Polizeiruf-Folge INKLUSIVE RISIKO, die am 16. Dezember 1984 erstmals ausgestrahlt wurde, war Nawrockis Name bereits gestrichen. Nach einem Engagement am Düsseldorfer Schauspielhaus zog es das Paar nach West-Berlin, wo Zolchow nach wenigen Monaten an den Folgen einer HIV-Infektion starb. In seinen letzten Lebensjahren führte Nawrocki eine Beziehung mit dem späteren Künstleragenten Bernhard Hoestermann. 1991 holte Frank Castorf Nawrocki als seine rechte Hand an die Berliner Volksbühne. Gelegentlich trat er dort noch in Lesungen auf, wie Frank-Burkhard Habel in einem Nachruf berichtet (Film und Fernsehen, 3/1994, S. 64). Ein großer Leinwand-Erfolg war Nawrocki nicht mehr vergönnt. Auch er starb 1994 an AIDS.

Echo

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Ben hat den Schalk im Nacken

in EINER VOM RUMMEL (R: Lothar Großmann, 1982) Fotograf: Klaus Zähler

Die DDR-Filmkritik ging mit Großmanns Debütfilm überwiegend hart ins Gericht. „Nur wenig sehenswerte Szenen“ lautet etwa die Überschrift von Silvia Fichtners Kritik in der Regionalzeitung „Neuer Tag“ (Frankfurt/Oder, 2. November 1983). Ein im „Sonntag“ vom 8. Januar 1984 abgedruckter Leserbrief zeigt sich von solchen Besprechungen irritiert und sucht ironisch-konnotiert nach den Gründen: „Ich weiß nicht, ob hier mitunter das Alter eine Rolle spielt, habe jedoch den Eindruck gewonnen, dass der geistige und der emotionale Abstand zwischen dargestellter (und in erster Linie auch angesprochener) und fachlich kritisierender Generation zu groß ist.“ Nur wenige Kritiker äußern sich verhandelnd bis freundlich. So urteilt etwa Horst Knietzsch im ND: „Die Geschichte wird mit einiger Sicherheit erzählt, und nicht wenige Sequenzen verraten Stilgefühl“ (ND, 15. September 1983) und auch Helmut Ullrich attestiert Großmann einen „Talentbeweis“ (Neue Zeit, 21. September 1983).

In Folge der Ausreise von Renate Krößner wurde EINER VOM RUMMEL 1985 die Zulassung entzogen. Ausgestattet mit neuem Werbematerial konnte der Film einige Monate später wieder gezeigt werden. Folgt man den Ankündigungen von Vorführungen in der zeitgenössischen Presse, war EINER VOM RUMMEL jedoch nur noch selten zu sehen. Im Fernsehen wurde der Film erst 1990 gezeigt.

Verfasst von Philip Zengel. (Juni 2024)

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