Ansicht des Chimborazo
Am 23. Juni 1802 versuchten Alexander von Humboldt, seine Reisegefährten Aimée Bonpland und Carlos Montúfar sowie ein indigener Begleiter den Chimborazo zu besteigen, der mit 6310 Metern damals als der höchste Berg der Welt galt. Bis zum Gipfel kamen sie nicht, aber bis in eine Höhe von etwa 5700 Metern.
Ende Juni 1987 fliege ich mit Autor Paul Kanut Schäfer und dem Westberliner Koproduzent Karl Menzinger nach Ecuador zu Recherchen für einen Film über Alexander von Humboldt, der „Die Besteigung des Chimborazo“ heißen wird, es wird die erste filmische Koproduktion zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland. Wir Filmemacher kommen aus der DDR. Normalerweise konnten wir nicht in westliche Länder reisen, und ich war vorher noch nie in einem Land außerhalb Europas. Ich bin 46 Jahre alt.
Ecuador wird für mich zu einem Urerlebnis.
Von Quito aus folgen wir der Route Humboldts zum Chimborazo. Die ecuadorianischen Kollegen weisen darauf hin, sich dem Berg mit Respekt zu nähern. Wir grüßen ihn in der Quichua-Sprache: „Shamui, Tayta!“ – und jeder prustet einen Mund voll Rum zum Berg.
Ich möchte bei dieser Reise herausfinden, bis in welche Höhe ein Spielfilmteam zum Drehen aufsteigen kann. Mit einem Bergführer probiere ich es aus von der Berghütte in 4800 Metern bis auf 5500 Meter, schweren, langsamen Schritts, doch mit einem euphorischen Gefühl. In einer solchen Höhe war ich noch nie. Wolken brodeln um den Gipfel, geben den Blick frei wie eine Verheißung und verhüllen ihn wieder.
Es wird nicht einfach, in dieser Höhe zu drehen, unmöglich ist es nicht.
Beim Abstieg nehmen wir einen weiteren Weg, hinab bis ins Tal von Totorillas auf etwa 4000 Metern. Wir rutschen die Aschefelder prähistorischer Lava hinunter und kommen an den Ausläufern von Gletschern vorbei, wo die Eisholer vom Chimborazo die Eisblöcke herausschlagen, die sie seit eh und je auf den Markt nach Riobamba schleppen.