Filmstill zu "Lotte in Weimar"

Der weite Weg ins deutsche Vaterland.

Ostdeutsche Kinoregisseure: Nach dem Ende der DEFA

von Barbara Felsmann

Teil I

Manche machen Fernsehserien. Andere hin und wieder einen Dokumentarfilm. Viele sind im Vorruhestand, beziehen Rente - und schweigen. In ihrem Metier, in dem sie teils jahrzehntelang und mit Erfolg arbeiteten, findet man sie allerdings kaum noch: die Spielfilm-Regisseurinnen und - Regisseure der DEFA. Über 40 waren bis Mitte 1990 im Babelsberger Studio fest angestellt. Dann wurde die DEFA privatisiert, ein Großteil des künstlerischen Personals entlassen. Bis heute vermochten es die Männer und Frauen auf dem Regiestuhl nicht, sich ins (west-)deutsche Kino zu integrieren; ihre Stoffe verschwanden oft in den Schubladen der Filmförderungen; sie blieben, von Ausnahmen abgesehen, draußen vor der Tür.

Die Ursachen dafür sind vielfältig und jeweils am konkreten Fall zu untersuchen. Zunächst spielte sicher das unbekannte Produktionssystem eine Rolle: Kein DEFA-Regisseur hatte es früher nötig, dem Geld für ein Projekt hinterherzulaufen. War in der DDR ein Stoff ideologisch abgesegnet und bei der DEFA, im Monopolstudio also, zur Produktion freigegeben, standen den Machern Technik, Gewerke und Schauspielerhonorare in ausreichendem Maß zur Verfügung. Eng verbunden mit dem ermüdenden und oft erfolglosen Hürdenlauf nach Finanzen ist seit 1990 aber auch, daß die Geschichten, die Ex-DEFA-Leuten am Herzen liegen und die sie teils noch aus den Zeiten der DDR herüberretteten, auf wenig Gegenliebe stoßen - nach dem Motto "Das rechnet sich nicht." Und: Viele Macher hatten im Westen zum Zeitpunkt der Vereinigung keinen Namen und keine Lobby. Ein Zustand, an dem sich bis heute wenig geändert hat.

Gegengewicht zu den Belanglosigkeiten

Dabei sind manche Ideen, die DEFA-Regisseure ins vereinte Deutschland mitbrachten oder die sie in den letzten Jahren neu entwickelten, nicht nur schlechthin kinoträchtig, sondern könnten dem deutschen Film wieder eine geistige und ästhetische Dimension geben, die man in der Schwemme von Belanglosigkeiten oft vergeblich sucht. Man muß ja nicht gleich, wie Günter Reisch, davon träumen, "Das Kapital" von Karl Marx verfilmen zu wollen - ein Plan, den vor ihm auch schon Eisenstein und Erich Engel hegten. Roland Gräf etwa, in der DDR Regisseur kritischer Gegenwartsfilme ("Bankett für Achilles", 1975) und spannender Parabeln im historischen Gewand ("Fallada - letztes Kapitel", 1987), arbeitete in den letzten Jahren an Stoffen über deutsche Emigranten in Kasachstan und die Begegnung zweier alter, aus dem Dienst ausgeschiedener Agenten - Russin und Amerikaner - in Potsdam. Gräf, ein vorzüglicher Schauspieler-Regisseur, der zu den produktivsten und sorgfältigsten Künstlern der DEFA zählte, ist mit solcherart tragischen oder tragikomischen Filmideen leider bisher gescheitert. Nach seinem letzten großen Kinofilm "Die Spur des Bernsteinzimmers" (1991) drehte er stattdessen zwei Teile einer Krimiserie fürs ZDF und ein dreiviertelstündiges Lustspiel, "Quartett zu fünft", für die ARD - Alltagskost, marginal für einen Mann seines Formats.

Auch Heiner Carow, der mit "Die Legende von Paul und Paula" (1973) einen DEFA-Klassiker par excellence inszeniert hatte, kam nach "Verfehlung" (1991) nur noch beim Fernsehen unter. Neben jeweils mehreren Folgen für "Die Drei", "Großstadtrevier" und "A.S." präsentierte er im vergangenen Jahr mit "Kanzlei Bürger" immerhin eine ganze Reihe, in der er die Arbeit einer aus Berlin-West stammenden Rechtsanwältin in der brandenburgischen Provinz beschrieb. Jeden der Teile sahen rund drei Millionen Zuschauer. Dennoch stieß "Kanzlei Bürger" in den Chefetagen der ARD auf Kritik. Carow: "Hinter vorgehaltener Hand wurde gebarmt, ich führe den puren Osten vor, mit dem sich kein Westmensch hinter dem Ofen hervorlocken ließe. Ein anderer Vorwurf war, ich zeige alles viel zu realistisch und anspruchsvoll, zu wenig märchenhaft. Man müsse ja fortwährend hingucken, um den Filmen folgen zu können. Vermutlich verunsicherte aber auch das Bild, das ich mit Hilfe bestimmter Lebensgeschichten von der DDR vermittelte.

Ich habe es nämlich satt, immer wieder vorgekaut zu bekommen, daß die Menschen im Osten unter totalen Zwängen gelebt hätten, und die Stasi hinter jeder Ecke lauerte." Seit "Kanzlei Bürger", der monatelang verschoben worden war, hüllt sich die ARD gegenüber Carow in Schweigen.

Keine Chance für Kinostoffe

Die Chance für Kinostoffe, die er mit sich herumträgt, sieht er realistisch: Sie tendiert gegen Null. Trotzdem träumt Carow noch immer davon, Franz Fühmanns grandioses Szenarium vom "Simplicissimus" zu verfilmen, die Geschichte eines pubertären Toren aus dem Dreißigjährigen Krieg. Für den Regisseur ein Endzeit-Gemälde, eine Technoparty aus dem Mittelalter, ein Spektakel über menschliche Leidenschaften, ein pazifistisches Lehrstück über die totale Auflösung aller Strukturen und somit "ein Film, der wunderbar in die heutige Zeit paßt". Am "Simplicissimus" hatte Carow bereits Anfang der 80er Jahre intensiv gearbeitet; die Szenographien von Alfred Hirschmeier beispielsweise lagen nahezu komplett vor, als das Projekt aus finanziellen und wohl auch politischen Erwägungen abgebrochen wurde. Noch immer interessant findet Carow auch die Idee eines Kino-Rockmusicals "Paule Panke": Der Tagesablauf eines jungen Arbeiters, der einer alten sterbenden Frau eine letzte Bitte nicht abschlagen will. Die Suche nach jenem blauen Glas, aus dem sie vor vielen Jahren mit ihrem Liebsten getrunken hat, wird zum Ausgangspunkt einer Odyssee. Dem Jungen begegnen Zärtlichkeit und Zorn, Bürokratie und Opportunismus. Carow: "Ich denke, daß man diese Story sehr wohl in heutige Zeiten übertragen kann."

Am nächsten ist ihm womöglich eine Fortsetzung seiner "Legende von Paul und Paula", wieder mit Angelica Domröse in der Hauptrolle. Paula, so der Regisseur, "wäre jetzt um die sechzig, und sie würde sich zu allem bekennen, was ihr Leben ausgemacht hat: alle Höhen und Tiefen, alle Schönheiten und Widrigkeiten. Mit einem solchen Film würde ich an unsere Träume erinnern wollen: daß Kinder in einer friedlichen Welt aufwachsen, daß Gerechtigkeit herrscht und nicht Hunger; daß die Leute Arbeit haben und daß die Liebe gedeiht". Über diesen Gedanken hinaus ist der Stoff freilich noch nicht gewachsen; Carow, der sich von der Serienarbeit fürs Fernsehen jetzt weitgehend zurückziehen will, denkt über eine entsprechende Fabel nach.

Egon Günther, auch er inzwischen ein "Klassiker" unter den DEFA-Regisseuren, hatte seit 1978, nach der Biermann-Ausbürgerung und den Querelen um seinen Fernsehfilm "Ursula" (1978), im Westen gearbeitet. Unmittelbar nach dem Mauerfall kam er in die DDR zurück, um mit seinem Freund und bevorzugten Darsteller Rolf Ludwig ein Requiem auf das untergegangene Land zu drehen: "Stein" (1991). Der symbolbeladene, anspielungsreiche Film gehörte zu den acht DEFA-Projekten, für die der Kulturminister der letzten DDR-Regierung noch Geld zur Verfügung gestellt hatte. Günther träumte davon, die in "Stein" praktizierte, zwischen Sentimentalität und Zorn balancierende Aufarbeitung jüngster Historie, auch der eigenen biografischen Verstrickungen, mit einer Handvoll weiterer Filme in "seinem" Studio fortsetzen zu können. Der Verkauf der DEFA schob dem einen Riegel vor. Für den Süddeutschen Rundfunk konnte Günther 1992 noch den literarischen Fernsehfilm "Lenz" realisieren; seitdem beschäftigt sich der Regisseur mit Friedrich Nietzsche, aus dessen Leben er ein Kapitel auf die Leinwand bringen möchte; und er plant eine mehrteile Fernsehadaption der Grass'schen "Unkenrufe", für die Klaus Poche das Szenarium schrieb. Aber auch dafür ist das Geld noch längst nicht beisammen...

Mißachtete Qualitäten

Während Günther hin und wieder durch provokante, philosophisch-spielerische Artikel in Berliner oder Münchener Tageszeitungen für Aufmerksamkeit sorgt, ist es um Lothar Warneke leider sehr still geworden. Der "Berlinale"-Erfolg "Einer trage des anderen Last..." (1988) blieb bis heute sein letzter Spielfilm. Im vergangenen Jahr drehte er für den Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg zwei Viertelstunden-Sujets über "Spuren jüdischen Lebens": Begegnungen mit Emigranten aus der Ex-UdSSR und Nachdenken über Tucholsky. Wichtiger ist ein abendfüllender Dokumentarfilm, den er 1992 realisieren konnte, der aber keinen Sendeplatz im Fernsehen fand: "Zwei Schicksale oder Eine kleine Königstragödie". Darin porträtiert Warneke seinen greisen Kollegen Richard Groschopp, der in den 20er Jahren als Amateur begonnen hatte und bis Anfang der 70er Jahre bei der DEFA beschäftigt war.

Warneke konfrontiert den Lebenslauf des eher bodenständigen Groschopp mit der Vita eines Tausendsassas und Glücksritters, der durch den Schmuggel optischer Geräte aus der DDR zum Millionär wurde und auf Mallorca einen riesigen Leihwagen-Park besitzt. Beide Männer sind sich nie begegnet, und doch sind ihre Biografien durch ein unsichtbares Band verbunden: Groschopp hatte 1959 die authentische Schmuggelaffäre als Vorlage für seinen Kriminalfilm "Ware für Katalonien" verwendet. Die beiden eigenwilligen Helden, die auch vor der Kamera nicht zusammengeführt werden, sind in ihren Lebensentwürfen und - linien völlig verschieden; Warneke nutzt ihre Erzählungen zu einem spannenden, unterhaltsamen Traktat über die verschlungenen Wege durch die Täler des Kalten Krieges, über Lauterkeit und Schlitzohrigkeit, Idealismus und schnöden Mammon. Ein berührender, ja weiser, wie immer bei Warneke um Harmonie bemühter Film, der Lust macht auf einen neuen Spielfilm des Regisseurs.

Warnekes Debüt war eine Kriminalgroteske: "Mit mir nicht, Madam!" (1968). Sein damaliger Co-Regisseur, der sich, anders als er, später ganz auf Komödien spezialisierte, heißt Roland Oehme. Auch dieser arbeitete seit 1991 ("Farßmann oder Zu Fuß in die Sackgasse") nicht mehr fürs Kino; er inszeniert seit vier Jahren auf der Naturbühne in Ralswiek (Insel Rügen) Episoden um den legendären Seeräuber Klaus Störtebeker und hat damit beachtlichen Erfolg: immerhin bejubelten im vergangenen Sommer mehr als 180 000 Zuschauer das malerische Spektakel, an dem 120 Schauspieler, Statisten, Pyrotechniker und Kaskadeure beteiligt waren. Ein anderer DEFA-Regisseur, Horst Seemann ("Levins Mühle"), der immer auf "große Bilder" versessen war und sich ebensowenig vor großen Gefühlen und großem Kitsch scheute, betreute 1994 nach langer Pause den episodisch strukturierten, aus Spielszenen und Zeitzeugen-Interviews gebauten Film einer Schülergruppe aus Bad Iburg, "Fremdsein in Deutschland". Eine Arbeit, die mehr Hilfestellung als eigen-schöpferische Leistung bedeutete. Selbst einem so berühmten Künstler wie Frank Beyer ("Spur der Steine") ist es seit dem Ende der DEFA nicht gelungen, wenigstens den einen oder anderen seiner in der Tat großen Stoffe als Kinoproduktion zu realisieren: Dabei hätten Fernsehfilme wie "Das große Fest" (1992) oder "Das letzte U-Boot" (1993) gute Chancen gehabt, auf den Leinwänden Furore zu machen...

Der deutsche Film: Vaterlos

Und Rainer Simon, vielleicht der grüblerischste Intellektuelle und formal Innovativste unter den einstigen DEFA-Regisseuren? Er lehrte in den vergangenen Jahren als Regiedozent an der Babelsberger Filmhochschule "Konrad Wolf", erkundete in "Die Farben von Tigua" (1994), einem kurzen Dokumentaressay, die Lebensumstände von Bauernmalern in Ecuador und gestaltete eine entsprechende Ausstellung im Filmmuseum Potsdam. Sein schon im Nach-DEFA-Studio Babelsberg gedrehtes "Fernes Land Pa-isch" (1993) über zwei Kinder, die sich auf die Wanderschaft zwischen Hamburg und Berlin begeben, um nach dem Glück zu suchen, und die auf Kälte und Haß stoßen, fand keinen Verleih. Das Projekt "Der Erlkönig", das Simon bereits in der DDR mit dem französischen Romanautor Michel Rournier verhandelt hatte, wurde von Studiochef Volker Schlöndorff an sich gezogen und als "Unhold" adaptiert. Wird nun auch Simon, wie die meisten seiner Kollegen, vom Fernsehen aufgesogen und auf den endlosen Wellen der Serien schwimmen müssen?

Es gab in der deutschen Filmgeschichte schon einmal eine vergleichbare Situation. Mitte der 60er Jahre, als sich das "Neue deutsche Kino" etablierte, scherten sich jüngere Regisseure und Produzenten nicht mehr um die Generation zuvor. Der Abschied von gestern, radikal und zum Teil sehr zu Recht vollzogen, drängte neben blassen Konfektionären freilich auch Künstler wie Staudte, Käutner oder den Kameramann Heinz Pehlke ins Abseits. Zwischen den Generationen gab es kaum einen Handschlag, kaum ein Wort der Ermutigung - von beiden Seiten nicht. Die Neuen kamen, die Alten verdingten sich bei "Derrick" oder dem "Kommissar". Von irgendetwas mußten sie ja leben. Heute scheint der deutsche Film wieder einigermaßen vaterlos. Und das sicher auch, weil sich nirgendwo eine Heimat findet für die Versprengten der DEFA, ihre Träume und Gedanken, Hoffnungen und Ideale. Ralf Schenk

Teil II

Für Regisseure, die ihre Karriere in Babelsberg in den 50er oder 60er Jahren starteten, war die DEFA tatsächlich oft die künstlerische Heimat. Viele von ihnen konnten, wenn es gut ging, alle zwei, drei Jahre einen Film machen; sie hatten sich in die Strukturen des Studios - die Künstlerischen Arbeitsgruppen, den Künstlerischen Rat, die Gewerkschafts- oder Parteiorganisation - integriert; bezogen ihr monatliches Gehalt, rieben sich mehr oder weniger an den Entscheidungen der Direktion, der Kulturpolitik und der Stimmung im Lande allgemein. Jeder hatte Freunde - und Leute, denen man lieber aus dem Wege ging. Um mit dem Titel eines alten DEFA-Films zu reden: Sie kannten sich alle.

Als Ende der 7 Der Jahre eine neue Regiegeneration in die DEFA einzuziehen begann, stieß sie auf ein festgefügtes Gebilde, das im Prinzip keine Lust hatte, sich auch nur im Detail verformen zu lassen. Die Jungen, die von der Babelsberger Filmhochschule oder, wie Dietmar Hochmuth, vom Moskauer WGIK kamen, wurden so nur in Maßen willkommen geheißen. Die Älteren betrachteten sie skeptisch, weil man den jährlich festgelegten DEFA-Kuchen von 16 abendfüllenden Spielfilmen nun mit ihnen teilen mußte. Zudem galten den Altvorderen viele der Stoffe, die die Jüngeren anschleppten, als ziemlich suspekt.

Keine geistige Heimat

Wie erfuhr der "Nachwuchs" das Studio? "Für mich", resümiert Peter Kahane heute, "war die DEFA nie die geistige Heimat. Babelsberg war der Ort, wo ich hinfuhr und meine Arbeit gemacht habe, mein praktisches Handwerk erlernte. Aber auch ein Ort, wo es ein ganz miefiges Klima gab: sehr klein, sehr eng, sehr bürokratisch. Die Ideen meiner Filme sind eigentlich alle in Berlin entstanden, gemeinsam mit befreundeten Autoren und Kameramännern." "Unsere Stoffe, Projekte und Erzählweisen wurden systematisch blockiert", sagt Jörg Foth, "und dennoch habe ich die DEFA zu keinem Zeitpunkt gehaßt. Es war eine Zeit der Hoffnung und Illusion. Man hat darauf gesetzt, daß man jung genug war, daß man Atem hat und Humor." "Natürlich war die jüngste Generation der Fußabtreter für alles", ergänzt Dietmar Hochmuth. "Sie mußte die Filme machen, die wirklich keiner mehr machen wollte. Mit ausgelutschten Büchern, die fünf, sechs Jahre lagen und die erst mal ungefährlich schienen."

Das Resümee fällt ambivalent aus, mit der Tendenz zur Bitterkeit: Die letzte Generation der DEFA durfte, bis auf wenige Ausnahmen, ihre ureigenen Filme nicht drehen. Selbst aufmerksame Beobachter der Kinoproduktion der DDR bekamen erst durch Analysen, die nach 1990 veröffentlicht wurden, einen Einblick in die Fülle gescheiterter Stoffe (vgl. auch Hinweise im Kasten auf S. 15). Die DEFA-Direktion, die in ihnen entweder politische Gefahr witterte oder nicht an das künstlerische Vermögen der jungen Regisseure glaubte, machte von ihrem Vetorecht schamlos Gebrauch. Als sich die beiden deutschen Staaten vereinigten, kannte deshalb kaum jemand die Namen des damals im Schnitt schon 40jährigen DEFA-"Nachwuchses". Das galt für den Osten und erst recht für den Westen.

Und heute? Im Prinzip hat sich daran nichts geändert. Um ein paar Regisseure ist es, zumindest in der Filmszene, still geworden. Karl-Heinz Heymann etwa, der unter anderem das Kleinstadtporträt "Schwierig sich zu verloben" (1983) gedreht hatte, engagierte sich nach der Wende in der Bürgerbewegung und bei der alternativen Zeitung "die andere" und führt heute, nachdem dieses Blatt das Zeitliche gesegnet hat, eine Kneipe im Prenzlauer Berg. Michael Kann, dessen DEFA-Filme "Stielke, Heinz, fünfzehn..." (1987) und "Die Entfernung zwischen dir und mir und ihr" (1988) durch inhaltliche Doppelbödigkeit und außergewöhnliche stilistische Eigenheiten auffielen, kümmert sich innerhalb eines ABM-Projekts um Medien- und Videoarbeit mit Jugendlichen. Auch Evelyn Schmidt, die mit "Das Fahrrad" (1982) einen beklemmend ehrlichen Gegenwartsfilm vorgelegt hatte, arbeitet mit jungen Leuten - und hat sich, um die Weihnachtszeit herum, auch schon im Berliner Kaufhaus des Westen als Buchverkäuferin anstellen lassen. Ihr noch zu Zeiten der DDR entwickelter Plan, einen Film nach dem Roman "Elisabeth, das Hitlermädchen" von Maria Leitner zu drehen, scheint angesichts der Themen, die heute von der deutschen Filmförderung bevorzugt werden, chancenlos.

(K)ein Fuß ins westliche Filmgeschäft

Ulrich Weiß, der zwar nicht unbedingt zur letzten DEFA-Generation gehörte, aber auf Grund seiner kompromißlosen Arbeiten (u.a. "Dein unbekannter Bruder", 1982) zum Vorbild und Vertrauten einiger jüngerer Regisseure wurde, hat seit "Miraculi" (1992) an der Babelsberger Filmhochschule unterrichtet; allerdings läuft seine Professur jetzt aus. Jörg Foth, einst sein Regieassistent bei dem existentialistischen Indianerfilm "Blauvogel" (1979) und später unter anderem Regisseur der cineastischen Kabarettrevue "Letztes aus der DaDaeR" (1990), dreht Dokumentarfilme, jüngst über deutsche Auswanderer in Irland ("Tir nA nOg", 1995). Dietmar Hochmuth arbeitet hin und wieder fürs Fernsehen, zum Beispiel für den Sender 3sat, für den er 1995 einige Mitwirkende seines bisher letzten Spielfilms "Motivsuche" (1990) nach ihren Wende-Erfahrungen befragte. Maxim Dessau schließlich, dessen Debüt "Schnauzer" (1984) aus politischen Gründen abgebrochen werden mußte und der 1990 in strengem Schwarzweiß eine Erzählung von Brigitte Reimann adaptierte ("Erster Verlust"), inszeniert an Opernhäusern. Ihnen allen gelang es seit Jahren nicht, zu ihrer vermutlich noch immer großen Leidenschaft, dem Kinospielfilm, zurückzukehren.

Peter Kahane schien es damit zunächst glücklicher getroffen zu haben. Er war der erste, der nach seiner Entlassung von der DEFA einen Fuß ins westliche Filmgeschäft setzen konnte. In der DDR hatte er zunächst durch eine Komödie ("Ete und Ali", 1985) auf sich aufmerksam gemacht, dann das sozial genaue Porträt von Jugendlichen einer Kleinstadt gezeichnet ("Vorspiel", 1987). Mit "Die Architekten" (1990) war es ihm gelungen, das Verhältnis seiner Generation zur DDR filmisch zu beleuchten: eine Studie der Entfremdung und Enttäuschung, einer der stärksten Filme am Ende der DEFA.

Für einen westdeutschen Produzenten drehte Kahane dann "Cosimas Lexikon" (1992) - die Geschichte eines Mietshauses, seiner Bewohner und seines Alteigentümers, eines "Wessis", der sich als obdachloser Alkoholiker entpuppt und der von den Ostlern zu einem "vernünftigen" Menschen umgekrempelt werden soll. Leider scheiterte Kahane an dem Anspruch, Berliner Nachwende-Realität künstlerisch zu überhöhen. Seitdem pausiert er als Regisseur und verfaßt Szenarien für Krimis und Lustspiele, die von Fernseh-Kollegen umgesetzt werden. Kahane ist auf diese Weise zwar gut "im Geschäft", aber dennoch wäre es wünschenswert, daß er eine seiner lakonischen, pointierten Storys wieder einmal selbst - und fürs Kino - aufarbeitet.

Eigene Erfahrungen brachte Andreas Höntsch, der sich halbherzigen Angeboten bei der DEFA konsequent versperrte und in vielen Jahren nur ein Projekt ("Der Strass" (1991) realisieren konnte, in seinen zweiten Spielfilm "Die Vergebung" (1995) ein. In den Anfangsszenen fliegt die Kamera über einen Braunkohlentagebau, symbolisches Motiv für Ödnis in den Landschaften und in den Herzen. Eine Mädchenstimme teilt dem Zuschauer aus dem Off mit, es sei nachts um zwei: "Morgen um diese Zeit werde ich tot sein." Dann nimmt ein antikes Weihespiel seinen Lauf: Eine Familie trifft sich bei einer opulenten Hochzeitstafel, doch zwischen den Menschen steht eine Mauer aus Verzweiflung, Haß und Mißtrauen. Der Vater des Mädchens hatte auf den Braunkohlehalden Bäume gesetzt und war von der Stasi verfolgt worden. Dessen Schwager aber arbeitet bei der "Firma"... Am Ende des Films pflanzt sich die Schuld der Eltern auf die nächste Generation fort: der kleine Sohn des Stasi-Mannes erschlägt die Tochter des Umweltschützers.

"Vor wem haben Sie Angst?"

Im Gegensatz zu diesem symbolisch überfrachteten, mystischem Versuch der Vergangenheitsbewältigung, der bisher noch keinen Verleih gefunden hat, gelang es Peter Welz mit "Burning Life" (1994), sich von bedeutungsschwangerer deutscher Grübelei weit zu entfernen: sein Road-Movie ist sattes, pralles Kino, Tragödie und Komödie, Kunst und Kommerz. Herwig Kipping war bei der DEFA eine Person non grata. "Sie wissen", schrieb er im März 1987 an den Generaldirektor des Spielfilmstudios, "daß ich einer der Begabtesten bin, der diese Schule dort in ihrer Nähe verlassen hat. Sie wissen, daß ich selbst bei der DEFA außergewöhnlich gute Filme machen könnte. Wieso geben Sie mir keine Chance? Wieso haben Sie Angst? Vor wem und vor was haben Sie Angst?" Der Regisseur war wegen Aufmüpfigkeit vom Fernsehen der DDR fristlos entlassen worden und hatte sich bemüht, einen seiner Stoffe im Studio unterzubringen. Aber erst als die DDR am Verlöschen war, wurde ihm sein Kinodebüt erlaubt, "Das Land hinter dem Regenbogen" (1992), ein zorniger, fratzenhafter Abschied vom Stalinismus.

Das grelle Opus brachte Kipping einen Bundesfilmpreis, dessen Prämie er in die Produktion von "Novalis - Die blaue Blume" (1993) einfließen ließ, einen rauschhaften, ungezügelten Film, der um zwei Themen kreist: den Zusammenprall zwischen Macht und Muse und die Kraft der Liebe. "Zu seiner Filmsprache findet man in Deutschland derzeit keine Entsprechung", stand im Presseheft. Dennoch reagierte die Kritik reserviert, und das Publikum verweigerte sich nahezu komplett. Zur Zeit arbeitet Kipping an den Buchfassungen für drei Projekte: mit "Bettina von Arnim" will er wiederum in die deutsche Romantik hinabtauchen; ein weiterer Stoff nähert sich Friedrich Nietzsche (für den sich, unter völlig anderen Vorzeichen, auch Egon Günther interessiert). Neben diesen aufwendigen Filmvorhaben plant Kipping eine vergleichsweise kleine Gegenwartsgeschichte über junge Leute, die der Droge Ecstasy verfallen: Für den Regisseur ein Experiment, das partiell mit Videotechnik entstehen soll.

Ebenso gespannt wie auf Kippings weiteren Weg darf man auf neue Arbeiten von Helke Misselwitz sein, deren Dokumentarfilm "Winter ade" (1988) inzwischen bereits zum "goldenen Fonds" der DEFA zählt. Nach 1990 gründete die Regisseurin gemeinsam mit dem Produzenten Thomas Wilkening eine eigene Firma, in der sie 1992 ihren Spielfilmerstling "Herzsprung" drehte. Ihr jüngstes Werk (fürs ZDF) trägt den Titel "Engelchen": über eine junge Berlinerin, die in einer Kosmetikfabrik arbeitet und in einem Proletarierviertel wohnt. Die Frau (Susanne Lothar), deren Mutter (Eva-Maria Hagen) Trinkerin war, sehnt sich nach Liebe und endet tragisch: sie stiehlt das Baby einer anderen, um nach einer Fehlgeburt den Vater des Kindes an sich zu binden.

"Engelchen" ist thematisch sowohl mit berühmten Filmklassikern verwandt - "Berlin Alexanderplatz", "Deutschland im Jahre Null" -, als auch mit neueren Werken, die sich einer gleichsam verlorenen Jugend in einer von existentiellen Ängsten und emotionalen Unsicherheiten geprägten Umbruchsphase angenommen haben: Michael Kliers herbpoetisches "Ostkreuz" oder Zoran Salomouns "Weltmeister". Sozialstudien über Sehnsüchte und enttäuschte Hoffnungen, die Wärme des Herzens und die Kälte der Zeit. Mag sein, daß gerade "Engelchen" ein Film ist, in dem noch einmal eine der Tugenden der DEFA lebendig wird: Kunst, die auf Menschenwürde und soziale Gerechtigkeit pocht und die "Kraft der Schwachen" (Anna Seghers) beschwört. Kino als Lebenshilfe. Ralf Schenk

Teil III

Im April 1990, zu "Noch-DDR-Zeiten", wurde auf einer Fachtagung zum europäischen Kinderfilm in Duisburg ein Arbeitskreis gebildet, der sich mit der Frage "Wie ist der deutsche Kinderfilm zu retten?" befasste und anschließend dem Minister für Kultur der DDR einen Brief übersandte. Darin wurde er aufgefordert, "gesetzgeberische Maßnahmen zu schaffen, die neben der künftigen Kulturhoheit der Länder eine zentrale Subventionierung ermöglichen, und - gemäß dem Anteil der Kinder an der Gesamtbevölkerung - bei jeder Form der Filmförderung etwa 20 Prozent für den Kinderfilm bereitzustellen". Dieser Brief ist, wie viele andere, im Zuge der Vereinigung unbeantwortet geblieben. Hoffnungen der Filmemacher in Ost und West, eine gesetzlich festgelegte Förderung für den Kinderfilm durchzusetzen, wie es sie in der DDR gab, aber auch in Dänemark seit Jahren gibt, erfüllten sich nicht. Heute, sechs Jahre danach, scheint jeder wieder für sich allein zu kämpfen, von Teilförderung zu Teilförderung, ohne allerdings den Traum von besseren Chancen für den Kinderfilm ausgeträumt zu haben.

"Der deutsche Kinderfilm ist tot"

Bei der DEFA wurden - neben Dokumentar- und Animationsfilmen für Kinder - in der Regel vier Kinderspielfilme pro Jahr realisiert. Eine verläßliche Größe für Regisseure und Drehbuchautoren. Mit dieser Selbstverständlichkeit nicht selbstverständlich umzugehen, mahnte Regisseur Walter Beck 1987 in seiner Eröffnungsrede auf dem nationalen Kinderfilmfestival "Goldener Spatz" in Gera. Damals wird er von seinen Kollegen nur ein müdes Lächeln geerntet haben, und auch er hat sicher nicht im entferntesten daran gedacht, daß die Kontinuität seiner Arbeit jemals abgebrochen wird. Walter Beck gehört zur alten Garde der DEFA-Kinderfilmregisseure. Mit wenigen Ausnahmen hat er sein Schaffen voll und ganz dem Film für Kinder gewidmet, und das immer mit einem hohen erzieherischen Anspruch - egal ob bei zeitgenössischen (z.B. "Claudia", 1959, "Das Raubtier", 1978, und "Biberspur", 1984) oder historischen Stoffen ("Des Henkers Bruder", 1979) oder auch bei seinen vielen Märchenadaptionen wie etwa "König Drosselbart" mit Manfred Krug (1965), "Dornröschen" (1971), "Froschkönig" (1988) und "Der Streit um des Esels Schatten", der noch 1990 in die Kinos kam. Seitdem hat er keinen Film mehr machen können. Für Walter Beck ist der deutsche Kinderfilm tot, die Filmförderung gerade in diesem Bereich "allenfalls eine kleine bedingte Beihilfe. Notwendig ist eine staatliche Kulturpolitik, die dem Film für Kinder auf all seinen Ebenen, von der Produktion bis zum Kino, Bedingungen schafft, die seine Existenz sichern. Billiger ist es nicht zu haben!"

Ähnliches fordert auch Helmut Dziuba, dessen Film "Als Unku Edes Freundin war" (1981) gerade wieder im Rahmen der Kinderfilmwoche zum 50. DEFA-Jubiläum zu sehen ist. 1992 hat er seinen vorerst letzten Film "Jana und Jan", eine Co-Produktion mit dem ZDF, gedreht. Seitdem war er in vielen Gremien, in denen über Kinder- und Jugendfilm gesprochen wird, aktiv. "Ich habe versucht, plausibel zu machen, daß Filme zur Menschwerdung beitragen können, daß Filme Kindern und Jugendlichen Kraft geben müssen und können, wenn dort ihre Konflikte, ihre Probleme stimmig dargestellt werden und die Welt als veränderbar begriffen wird. Dafür ist es notwendig, daß die Kräfte und die Finanzen gebündelt werden, daß ein Film vom Buch bis zur Leinwand gefördert wird." Helmut Dziuba, der gerade in seinen Jugendfilmen oft heiße Eisen angefaßt hat und trotz vieler Auseinandersetzungen an seinen Themen drangeblieben ist, will auch jetzt nicht von seinem Anspruch abgehen. "Ich will das machen, was mich erregt und aufregt und den Zuschauer auch bewegt", sagt er. Er sitzt an einem Stoff für Jugendliche. Daran will er arbeiten, sich aber ansonsten zurückziehen: "Weil man ja nur gegen Windmühlen kämpft und nichts bewegen kann". Nach wie vor reist er aber mit seinen Filmen - z.B. "Sabine Kleist, 7 Jahre" (1982), der auf mehreren internationalen Kinderfilmfestivals ausgezeichnet wurde - durch die Lande und arbeitet in der Auswahlkommission des Berliner KinderFilmFestes.

Auch Gunter Friedrich, der eigentlich für das Fernsehen der DDR arbeitete, aber auch bei der DEFA als Gast eine Reihe beachtenswerter Kinderfilme wie "Unternehmen Geigenkasten", "Hasenherz" und "Die Sprungdeckeluhr" inszenierte, hat schon seit längerer Zeit einen Stoff für einen neuen Kinderfilm liegen. Gleich nachdem er Ende 1991 arbeitslos wurde, hat er 1 1/2 Jahre um eine Förderung gekämpft, bei der Hamburger Filmförderung oder der in Brandenburg. Fernsehsender winkten ab mit der Begründung, für "lange" Kinderfilme gäbe es kaum Sendeplätze, der neugegründete ORB bzw. MDR wollte nicht sofort wieder nur mit "Ostregisseuren" arbeiten. Aufgegeben hat Gunter Friedrich sein Projekt nicht, in dem es übrigens um ein l0jähriges Mädchen gehen soll, das immer so sein will wie andere und sich nicht zu sich selbst bekennen kann. Zur Zeit kommt er nur nicht dazu, sich um sein Vorhaben zu kümmern. Seit Frühjahr 1993 dreht er eine Serie nach der anderen. Nachdem er vier Folgen für die Kinderserie des MDR "Gespenster von Flatterfels" realisiert hatte, bekam er ein Angebot von der Bavaria, fünf Folgen für den "Marienhof" zu machen. 1994 folgten wieder fünf Teile für die "Gespenster von Flatterfels", zwei Folgen für die ZDF-Serie "Wie Pech und Schwefel", eine für "Ein Biest aus gutem Hause" vom Süddeutschen Rundfunk. 1995 ging es weiter mit der Krankenschwesternserie "Für alle Fälle Stefanie" und der Krimiserie "Mona M. Mit den Waffen einer Frau". Gunter Friedrich, der bei allem Streß auch immer noch als Vorsitzender des Berliner Film- und Fernsehverbandes tätig ist, ist zufrieden, daß er arbeiten kann, "weil sonst das Handwerk rostet. Es sind zwar nicht die Stoffe, die ich mir als Lebensziel gesetzt habe, aber gute Unterhaltung, wenn nicht billig produziert, ist auch eine machbare Aufgabe". Und wie gesagt, sein Kinderfilmprojekt hat er nicht aufgegeben.

"... sehr, sehr viel umsonst gemacht"

Hannelore Unterberg hat in den letzten Jahren erfahren müssen, wie schwer es ist, "in die Branche reinzukommen, wenn man nur wenig persönliche Kontakte hat". Ihren ersten Kinderfilm "Konzert für Bratpfanne und Orchester" drehte sie 1976 bei der DEFA. An diese Zeit erinnert sie sich heute noch gern: "Es war der schwierigste Film für mich, den ich aber unter den besten Bedingungen machen konnte." Schon bald wurde ihr das Arbeiten erschwert, Projekte wurden abgelehnt oder anderen Regisseuren übergeben, vor allem nach der Fertigstellung des Kinderfilms "lsabel auf der Treppe". Hier befaßte sich Hannelore Unterberg mit den Problemen eines chilenischen Mädchens, das zusammen mit seiner Mutter in die DDR emigriert und sich dort sehr einsam fühlt - eine Sichtweise, hinter der man Kritik an der offiziellen Auffassung von Solidarität witterte. Nach einigen Schnittauflagen kam der Film 1984 in die Kinos, doch danach stand fest, daß Hannelore Unterberg ähnliche Projekte nicht mehr realisieren darf. 1990/91 drehte sie als Auftragsproduktion für den Fernsehfunk den Film "Der letzte Winter" und bemühte sich dann zunächst nach ihrer Entlassung von der DEFA um verschiedene Filmförderungen. Vergeblich, bis sie 1993 ein Angebot vom ZDF erhielt, einen halbstündigen Film für die Reihe "Karfunkel" zu machen. Es entstand "Das Mädchen aus Tschernobyl", eine Mischung aus Spielfilm- und Dokumentarelementen. Im selben Jahr drehte sie für die Kinderfilmreihe "Achterbahn" vom ZDF "Hut mit B.Deutung", 1994 noch einmal zwei 30minütige Kinderfilme für das ZDF. "Ansonsten habe ich sehr, sehr viel umsonst gemacht", resümiert sie die letzten Jahre. Immer wieder hat sie Stoffe angeboten, sich um Förderungen bemüht, doch umsonst. "Wir sind wirklich unbekannt und haben keine Lobby", meint sie. Aufgeben will Hannelore Unterberg nicht: "Dafür mache ich meinen Beruf viel zu gern, habe ich viel zu sehr darum gekämpft!"

Hans Kratzert, Regisseur von Filmen wie "Wir kaufen eine Feuerwehr" (1970), "Der Wüstenkönig von Brandenburg" (1973), "Ottokar der Weltverbesserer" (1977) nach dem beliebten Kinderbuch von Ottokar Domma oder "Taubenjule" (1983), drehte 1990 seinen letzten Kinderfilm: "Der Drache Daniel". Danach fiel er erst einmal in ein großes Loch, machte Weiterbildungen mit und dreht nun bei verschiedenen kleinen Filmfirmen Dokumentar- und Videofilme, die meist von regionalen Verbänden in Auftrag gegeben werden. Seit kurzem ist er als Regisseur angestellt in der Videoabteilung des Vereins "Pro Brandenburg", der sich um die Förderung der Region Brandenburg bemüht. Dort produziert er Reportagen, z.B. "Die Länderehe Berlin-Brandenburg", ein Film über die versuchte Fusion von Berlin und Brandenburg.

Mit den Kindern rechnen

"Mit dem großen Film hatte ich das letzte Mal 1990 bis 1992 zu tun, als ich für die Filme 'Mondzirkus', 'Jonny der Glückspilz' und 'Heimatlos' von Imre Gyöngyössy und Barna Kabay die Synchronregie übernehmen konnte bzw. für Krzysztof Zanussis Film 'Ein langes Gespräch mit einem Vogel' und 'Korczak' von Andrzej Wajda." Dagegen hat es Regisseur und Kameramann Jürgen Brauer gerade geschafft, einen Kinderfilmstoff zu realisieren. Vor einem Monat hat er die Dreharbeiten zu "Lorenz im Land der Lügner" beendet. Wie auch bei seinen früheren Filmen, "Gritta von Rattenzuhausbeiuns" (1985), "Das Herz des Piraten" (1988) und "Anna Anna" (1993), führt er hier nicht nur Regie, sondern steht auch hinter der Kamera. "Lorenz im Land der Lügner" entstand nach einer Novelle von Gianni Rodari und erzählt von einem Jungen, dessen Puste Zauberkraft besitzt, und der zusammen mit dem Mädchen Luise und dem Kater Hinze ein Land von Lügnern befreien muß. Jürgen Brauer will "ein realistisches, ein modernes Märchen" erzählen, "in dem man viel entdecken kann, was man auch heute im Leben so kennt". Geplant ist, daß der Film im Oktober in die Kinos kommt.

Auch Rolf Losansky, dessen Filme (u.a. "Die Suche nach dem wunderbunten Vögelchen", 1964) bereits zu den Klassikern gehören bzw. internationale Maßstäbe setzten ("Der lange Ritt zur Schule", "Moritz in der Litfaßsäule", "Das Schulgespenst"), konnte gerade mit den Dreharbeiten zu einem neuen Kinderfilm beginnen. Hierbei handelt es sich wieder um eine fantastische Geschichte mit dem Titel "Der verzauberte Einbrecher". Das Drehbuch hat Losansky zusammen mit Christa Kozik erarbeitet, nach einer literarischen Vorlage der Autorin. Nach seinem Grundsatz: "Wer mit Kindern nicht rechnet, der verrechnet sich!" hat er auch in den vergangenen Jahren beharrlich versucht, in Kontakt mit seinem Publikum zu bleiben. So reiste er mit seinem letzten Film "Zirri, das Wolkenschaf' durch ganz Deutschland und war mit ihm auf vielen internationalen Festivals. Konnte er nicht drehen, inszenierte er "Zwerg Nase" an Theatern in Altenburg und Gera oder leitete Drehbuchseminare. Im Herbst soll nun sein neuer Film "Der verzauberte Einbrecher" Premiere haben.

Zwei Kinderfilme in der nächsten Saison - ein Grund für Rolf Losansky, optimistisch zu sein: "Vielleicht kommt der deutsche Kinderfilm nach dem Tief der letzten Jahre nun doch den Hügel hoch?" Schlecht wär's nicht.

Barbara Felsmann (filmdienst 11,12,13/1996)

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