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Im Durchgang - Protokoll für das Gedächtnis

Regie: Kurt Tetzlaff, 90 Min., Farbe/Schwarz-Weiß, Dokumentarfilm
Deutsche Demokratische Republik (DDR)
1990

Film-/Videoformat
35 mm
Länge in m
2466
Sonstiger Titel
Durchgang
Englischer Titel
In Transit: Report for Posterity
Premierendatum

Kurzinhalt (Deutsch)

Kurt Tetzlaffs Film "Im Durchgang" zeigt den Potsdamer Abiturienten Alexander, der schon im Frühjahr 1989 zur alternativen Szene gehörte. Alexander (19), Pfarrersohn und wacher Bürger, befindet sich im "Durchgang". Fünf Monate aus dem Leben eines Jugendlichen in diesem Land. Hoffnungsvoll, aktiv und diskutierend sieht man ihn im Herbst '89 wie er versucht, das Neue mitzugestalten. Im Frühjahr '90, nach den Wahlen im März, sind seine Hoffnungen in Resignation umgeschlagen.

 

Filmstill zu "Im Durchgang - Protokoll für das Gedächtnis"

(R: Kurt Tetzlaff, 1990)

Filmstill zu "Im Durchgang - Protokoll für das Gedächtnis"

(R: Kurt Tetzlaff, 1990)

Filmstab

Regie
  • Kurt Tetzlaff
Drehbuch
  • Kurt Tetzlaff
  • Hans-Dieter Rutsch
Kamera
  • Achim Sommer
  • Jürgen Voigt
  • Werner Bergmann
Schnitt
  • Monika Schäfer
Dramaturgie
  • Eckhard Mieder
Ton
  • Lutz Laschet
  • Hartmut Haase
  • Ernst-Dieter Falkenthal
  • Rainer Pape
Produktionsleitung
  • Joachim (auch: Achim) Sigmund
Person, primär
  • Alexander Schulz
  • Anja Kling
Person, sekundär
  • Erich Honecker
  • André Marty
  • Wladimir Iljitsch Lenin
  • Willi Stoph
  • Horst Sindermann
  • Michail Gorbatschow
  • Jens-Paul Wollenberg
  • Egon Krenz
  • Michail Schatrow
  • Josef W. Stalin
  • Gotthold Ephraim Lessing
  • Karl Marx
  • Margot Honecker (geb. Feist)
  • Eberhard Aurich
  • Otto Funke

Kurzinhalt (Englisch)

Revolution and resignation within the changes at the end of the GDR

Langinhalt

0:00:00

Schrifteinblendungen auf schwarzem Grund: Im März 1989 haben wir diesen Film als Skizze über einen 18-jährigen Abiturienten begonnen. Noch war nichts sichtbar von den Herbstereignissen des Jahres. Wir haben gemeinsam den Oktober und November erlebt. Umschnitt auf eine leuchtende Glühbirne in einem dunklen Treppenhaus (halbnah). Kameraschwenk von der Glühbirne über den nach unten gehenden Alexander im Treppenhaus (halbnah). Rückwärtszoom von Alexander im Hof des Wohnhauses (halbtotal) mit eingeblendetem Filmtitel "Im Durchgang - Protokoll für das Gedächtnis". Abblendung.

0:01:00

Blick auf den singenden Alexander bei einer Probe des Kirchenchors mit Einblendung "18. März 1989" (halbnah) (O-Ton). Rückwärtszoom von Alexander auf den Kirchenchor (halbtotal) (O-Ton). Kameraschwenk über die Gewölbedecke der Kirche bis zum großen Chor im Altarraum (halbtotal) (O-Ton). Umschnitt auf den Dirigenten und Chorleiter (halbnah) (O-Ton). Kameraschwenk vom Chor auf die Gewölbedecke der Kirche (halbtotal). Gegenschnitt mit einem Kameraschwenk von der Kirchenorgel auf den zuhörenden Alexander neben dem Chorleiter bei der Abspielung einer Tonbandaufnahme zwischen den Bankreihen (halbtotal) (O-Ton). Umschnitt. Zoom auf das nachdenkliche Gesicht von Alexander beim Gesang eines Solisten (nah) (O-Ton) "...Du sagst ich bin ein König, ich bin dazu geboren in die Welt zu kommen, das ich die Wahrheit bezeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, ihr höret meine Stimme. Spricht Pilatus zu mir, was ist Wahrheit...". Kameraschwenk über den Tontechniker mit dem laufenden Bandgerät (halbnah). Umschnitt auf Alexander (halbnah) (O-Ton) "Ja, grade wenn es um die Wahrheit geht, also die Zeile heißt: Ich bin in die Welt gekommen das ich die Wahrheit zeugen soll, wer aus der Wahrheit ist der höre meine Stimme. Die Wahrheit zeugen, ja das ist, ich denke wer eine Wahrheit gefunden hat muß diese auch zeugen und kundtun, weil es nicht mehr geht das Wahrheiten verschwiegen werden damit ist nichts mehr zu helfen...(Aus dem Off: Auch wenn es persönliche Nachteile sind?)...Ich denke mit dem, die persönlichen Nachteile muß man auch aushalten. Ich glaube dass in der Welt und in dem Land genug gelogen wird, und dass wir das nur ändern können wenn wir schonungslos mit der Wahrheit umgehen, und da wir nicht aus Bequemlichkeit oder Angst vor persönlichen Nachteilen das lassen. Wir können nicht immer sagen, es ist alles gut, aber es ist nichts gut, und...". Umschnitt

0:05:10

Farbmaterial: Animiertes Logo der "Aktuellen Kamera" im DDR-TV (nah) (O-Ton). Umschnitt auf eine Wahl-Berichterstatterin "Wahl `89" (halbnah) (O-Ton) "Hier ist das Wahlstudio, guten Abend meine Damen und Herren. Der Vorsitzende der Wahlkommission der Republik, Egon Krenz, Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der SED, gibt nun das vorläufige Endergebnis der heutigen Kommunalwahlen bekannt". Umschnitt auf Egon Krenz am 7. Mai 1989 (halbnah) (O-Ton) "Liebe Mitbürgerinnen und Bürger der DDR. Liebe Freunde und Genossen. Die Kommunalwahlen im 40. Jahr unseres Arbeiter- und Bauernstaates wurden zu einem eindrucksvollen Votum für die Kandidaten der Nationalen Front der DDR. Das vorläufige, zusammengefasste Gesamtergebnis der Wahlen zu den Stadtbezirksversammlungen von Berlin, zu den Kreistagen und den Stadtverordnetenversammlungen der Stadtkreise widerspiegelt das Bekenntnis der Wählerinnen und Wähler zu den Zielen des gemeinsamen Wahlprogramms für das weitere Gedeihen unserer Städte und Gemeinden für einen starken Sozialismus und einen sicheren Frieden". Umschnitt

0:06:40

Kameraschwenk über die Probe eine Bühnenstückes (halbtotal). Blick auf die Laiendarsteller auf der Bühne (halbtotal) im Off dazu der Regisseur: "Laßt uns mal den Sprechchor machen, wie endet det denn Lars?" Blick auf Alexander auf der Bühne (nah) (O-Ton) "Wir heizen nicht, wir machen Dunst, wir bauen nicht, wir verwalten. Der Gipfel von Verwaltungskunst heißt: Schneckentempo halten. Blüht auf indem ihr baut und sät und Phantasie entfaltet. Verwaltung blüht nicht, sondern bläht. Was brennt wird kalt verwaltet, wir sagen was, wo, wann und wie. Wir Sagens, ihr dürft schindern, denn etwas tun, das tun wir nie. Verwalten heißt verhindern". Umschnitt. Kameraschwenk über ein Transparent "Sage nichts, woran du nicht glaubst. Sage nichts, was du nicht denkst" auf dem Bühnenboden (halbnah). Umschnitt auf das Aufhängen der Transparente an der Bühnenrückwand (halbtotal) dazu Alexander im Off: "Ich glaube was für mich besonders wichtig war, waren eben die Sachen dass historische Wahrheiten nicht verschwiegen wurden im Stück und die Verarbeitung dieser Dinge, und das eben obwohl manche Dinge die in der Geschichte vorgefallen sind den Sozialismus stark belasten und anklagen...(Kameraschwenk über das Verteilen der Transparente im Raum)...damit der Sozialismus noch nicht endgültig verurteilt ist, und darauf kam es uns an zu zeigen dass die Idee Sozialismus schon Möglichkeiten birgt die durchaus positiv sind...(Kameraschwenk über Alexander mit einem Hammer in der Hand)...Ich spiele zwei besonders negative Rollen, einmal den André Marty, der im spanischen Bürgerkrieg eine ganz üble Rolle gespielt hat, das war so ein Machtbesessener Stalinist der ein Menschenschlächter ohnegleichen war, und die andere Rolle, das ist der Lulatsch...(Blick auf das Gesicht von Alexander)...das ist so einer ohne den der Stalin eben nie hätte so herrschen können wie er geherrscht hat, ein Speichellecker und, also er ist davon besessen regiert zu werden, ein Untertanen-Typ". Umschnitt auf den erzählenden Alex auf der Bühne (halbnah) (O-Ton) "Eigentlich werden genau diese Typen wie der Lulatsch erzogen worden ist, die auf alles hören was von oben kommt. Was oben ist bleibt geheim, dafür ist es ja oben, und solche Sachen läßt er hier los. Ich hab das Gefühl, grad in der Schule wird das gewollt". Umschnitt

0:09:15

Blick auf den vortragenden Alexander auf der "Gerichtsbühne" mit Kameramann und Tontechniker (halbtotal) (O-Ton) "Also ich bin ein disziplinierter Mensch, wenn eine Macht da ist ordne ich mich ihr unter, darum bin ich auch für die Sowjetmacht. Sie hat gesiegt, also hat sie die Kraft...(Umschnitt auf das Gesicht von Alexander)...aber was soll jetzt los gehen? Eine Demokratie, wie allein schon dieses Wort klingt, Demokratie soll errichtet werden. Das Volk wollen sie machen lassen was es will, Versammlungen, Konferenzen, Kongresse, Veranstaltungen. Staatswichtige Fragen, das muß man sich vorstellen, will dieser Lenin mit Habenichtsen lösen, wozu und warum? Wer erlaubt so was? Was da oben ist, ist geheim, dazu ist es doch oben. Bürger, Genossen, was können Habenichtse entscheiden? Nein, nein, der Staat braucht Ordnung...(Blick auf die zusehenden Jugendlichen)...eine starke feste Hand, der alles mit Macht zusammenhält. Geht einer falsch kriegt er was, macht er da was falsch kriegt er was, laut denkt einer falsch kriegt er erst recht was...(Blick auf die Zuschauer)...mir geht es gut dabei. Du mußt das Gesochs so fest in der Faust haben...(Blick auf die Gerichtsszene mit Alexander)...keiner darf mehr "pieps" sagen, atmen können. Dann läßt du etwas locker sodass sie grade mal Luft holen dürfen...(Blick auf das Gesicht von Alexander)...trotzdem werden sie dich dann nachher ihren Wohltäter nennen, führen jeden Befehl aus und küssen dir die Füße". Umschnitt

0:10:30

Blick auf Alexander inmitten von Schulprüflingen die auf ihren Aufruf warten (halbnah) (O-Ton). Im Off: "Alexander das ist jetzt Dein Thema, kommen Sie bitte". Alexander steht auf und geht zum Prüfungsraum (halbtotal). Umschnitt. Kameraschwenk von der Prüferin auf den schreibenden Alexander an seinem Tisch (halbtotal). Umschnitt. Kameraschwenk vom Prüfungsbogen auf dem Tisch von Alexander auf die Lehrerin (halbnah). Umschnitt auf das Gesicht von Alexander (nah). Umschnitt auf die Lehrerin vor den Transparenten auf der Bühne (halbtotal) im Off ein Mädchen: "Kapierst du es nicht, Sie sind gezwungen für zwei Leben zu denken, für das Leben in der Schule und für das Leben außerhalb der Schule...(ab hier ist die vortragende Schülerin zu sehen)...und hier schauen wir immer nur nach Osten und nach Westen. Spielregeln, die alle kennen und einhalten müssen, unsere Lehrer, unser altes Zuhause und wir. Meinst du die alte Zicke interessiert sich dafür was ich denke? Ha..". Kameraschwenk zur angesprochenen und unterbrechenden Lehrerin (halbnah) (O-Ton) "Halt, hier mische ich mich ein. Die alte Zicke ist geschenkt, und ich will auch kein Verständnis für mich als Lehrer erheischen...(Kameraschwenk über die Jungen und Mädchen auf der Bühne)...ich denke über das Verhältnis der Alten zu den Jungen nach". Umschnitt

0:12:40

Blick auf den Prüfling Alexander an seinem Tisch (halbnah) im Off dazu die Prüferin: "Kommen Sie dann bitte". Alexander nimmt seine Prüfungsblätter, steht auf und geht damit in einen gesonderten Raum (halbnah). Blick auf die geschlossene Tür (halbnah). Gegenschnitt auf ein Schild "Bitte Ruhe" Prüfung" an einem Heizkörper im Schulflur (halbnah). Kameraschwenk von der Heizung in das Treppenhaus (halbtotal) im Off dazu Alexander: "Ich glaub schon das man mehr deformiert wird als geformt, geformt wird man woanders. Der Schulleiter erreicht das die Leute wissen wie sie sich zu verhalten haben hier, das sie wissen was sie wie, wo zu sagen haben...(Blick in den Vorraum der Schule mit einer Skulptur von Helmholtz)...und was sie wo nicht zu sagen haben, was sie wo tun können und was sie wo nicht tun können. Also das ist auch das, denke ich, das wird nicht nur in der Schule vorgelebt...(Kameragang über das Schultreppenhaus)...sondern es wird überall vorgelebt, das kann nicht täglich der Sinn von Leben in diesem Lande hier sein, also das man sich so anpasst das man überall irgendwie durchrutscht. Ja, und mit dieser Doppelzüngigkeit, ich denke das liegt an diesem Widerspruch,...(Kameragang über das Treppenhaus endet in der letzten Etage)...zwischen Elternhaus und Schule...(Blick auf eine Tür mit Schildern "Sekretariat" und "Bitte Sprechzeiten einhalten und einzeln eintreten"...na das eben in zwei Sprachen geredet wird, ja, in der Schule die eine und Zuhause die andere Sprache...(Blick auf einen Hinweis- und Organisationsplan der "Helmholtz"-Schule)...Das wird eben überwunden weil solchen Typen wie dem Englischlehrer, weil da jeder merkt, zu dem kann man Vertrauen haben, der haut einen nicht in die Pfanne. Aber in Staatsbürgerkunde war das, da hat man eben dann das gesagt was der Lehrer hören wollte...(Kameragang über das Dachlager der Schule mit Stühlen und Bänken)...und wenn man mal in einer Arbeit ne vier oder fünf geschrieben hat, Stabi war stolz drauf...(Kameragang über den Theaterraum der Schule)...weil es eben ablesbar war das es nicht die richtige Meinung war, die "Richtige" in Anführungsstrichen, für die Meinung die er vertreten hat. Es wird immer von unserer Weltanschauung gesprochen im Staatsbürgerkunde-Unterricht, es wird also vorausgesetzt das es schon unsere Weltanschauung ist, weil man gerade als junger Mensch erst mal die Welt anschauen muß um eine Weltanschauung zu bekommen (Kameragang über Flure und Räume der Schule)...nicht einfach das übernehmen will was einem vorgesetzt wird, das wird nicht akzeptiert...(Blick auf eine Tabelle mit Schulsportrekorden)...Man hat es zu übernehmen, also das man da vielleicht selbst ein paar Erfahrungen machen will, so etwas wird nicht gestattet...(Kameragang über das Treppenhaus)...Das ist so ein Problem dass die meisten Lehrer das Interesse an den Schülern...(Blick aus einem Dachfenster der Schule auf die Kirche "St. Peter und St. Paul")...und das Interesse aus den Schülern Menschen zu machen verloren haben. Ich denke schon das viele Lehrer...(Kameraschwenk über die Skulptur von Helmholtz im Vorraum der Schule)...das auch nicht wollen, so wie sie ihren Unterricht gestalten, das es auch nicht für sie das Wahre ist, weil sie einfach nicht die Kraft haben dagegen anzustehen, das ist, denke ich, schon eine Frage des Bildungssystems". Umschnitt

0:15:35

Blick auf die sich öffnende Prüfungstür aus der Alexander lächelnd kommt (halbnah) (O-Ton) "Ich hab ne eins, ja…(Im Off: Gratulation)…Ja, danke. Ich freu mich auch". Umschnitt auf Alexander in seiner Wohnung (halbtotal) im Off die Frage: "Wie hieß das Thema mit dem Du dran warst in Deutsch?" Umschnitt auf den erzählenden Alexander (halbnah) (O-Ton) "Nathan der Weise" von Lessing, es gab ein Zitat über Wahrheit: "Ich weiß nicht ob es Licht ist sein Leben der Wahrheit aufzuopfern, aber eines weiß ich, es ist Pflicht wenn man die Wahrheit lehren will sie ganz zu lehren oder gar nicht". Und damit sollte man sich auseinandersetzen...(Umschnitt auf Alexanders Gesicht)...Ja, ich sollte auch Bezüge zu heute herstellen, ich bin dann aber vor allen Dingen darauf eingegangen das eben, so wie im Lessing, das Verhältnis der Religion dargestellt wird, so wie es sein sollte, das es heute mit den heute herrschenden Ideen, also in unserem Land vor allen Dingen, Marxismus und Christentum, genauso laufen müßte. Das die also um der Menschen Willen an einem Strang ziehen...(Blick auf Alexander mit dem DEFA-Redakteur)...Der Inhalt der Idee, die ein Mensch als seine Wahrheit begreift, zunächst unwichtig ist so lange es einem Ziel dient die Menschen menschlicher zu machen....(Blick auf ein Familienfoto neben einem Lenin- und Marxfoto an der Wand)...Also ich mach mir jetzt mit der Wahrheit immer ein Bild klar, also die Körper, wenn man die Wahrheit ran läßt, reißt es Wunden auf, aber dadurch das die Wunden von außen sind hat man ne Chance sie zu sehen und zu heilen. Wenn man die Wahrheit verschweigt fault der Körper in sich und man kriegt das erst mit wenn es zu spät ist, denke ich. Das geht für jeden persönlich aber auch für eine ganze Gesellschaft, na, wenn so Wahrheiten verschwiegen werden, fault die Gesellschaft so lange vor sich hin bis es zu spät ist und die Gesellschaft zurück läßt". Umschnitt

0:17:45

Farbmaterial: Blick auf eine Nachrichtensendung des DDR-Fernsehens vom 12. Mai 1989 "FDJ - Vor der Eröffnung" (halbnah) (O-Ton) "In Berlin sind im Verlauf des Tages Jugendkollektive auf einer Festveranstaltung für ihre Leistung zur Stärkung der Republik geehrt worden". Umschnitt auf die AK-Reportage mit Originalkommentar: "Typisch für die DDR ist das Bild, Mitglieder der Freien Deutschen Jugend (Kameraschwenk über FDJ-Mitglieder) werden für ihre Leistungen die sie für dieses Land erbracht haben im Amtssitz des Staatsrats (Kameraschwenk über den Eingangsbereich) ausgezeichnet. Der Vorsitzende des Ministerrats, Willi Stoph (Einblendung Stoph am Rednerpult) überbringt zuerst Dank und Anerkennung (Blick in den gefüllten Saal) Erich Honeckers und der gesamten Partei- und Staatsführung. Die Jugendlichen (Blick auf junge FDJ-Frauen) hätten durch gute Arbeit, kluge Ideen und feste Klassenpositionen dem, was Generationen vor ihnen geschaffen haben, weiteres hinzugefügt. (Blick auf die applaudierenden FDJ-Mitglieder im Saal). Umschnitt. (Blick in einen Saal voller FDJ-Delegierter) "Was die FDJ an Arbeit leistet, was sie für das voran kommen der sozialistischen Gesellschaft der DDR einbringt, das legte der 1. Sekretär des FDJ-Zentralrates, Eberhard Aurich, dar. (Blick auf Aurich neben Honecker und Krenz). Aurich (O-Ton) "Jawohl, wir haben das gestern schon zum Ausdruck gebracht, wir möchten es hier noch einmal bekräftigen. (Blick auf FDJ-Delegierte) Die Arbeiter- und Bauernmacht, der Sozialismus in der DDR können auf die Jugend rechnen, sie wird und sie will den Sozialismus allseitig stärken und stützen und so auf ihre Weise zu dem von Dir, lieber Genosse Honecker, gesprochenem Gelöbnis der Deutschen Jugend vom Oktober 1949 in diesen Zeiten treu bleiben". Blick auf Gesichter von FDJ-Mitgliedern (halbnah). Umschnitt

0:19:15

Kameragang durch ein Potsdamer Café mit spielender Band (halbtotal) (O-Ton) im Off dazu Alexander: "Das "Heider" ist ein zentraler Platz, es doch so der Treffpunkt...(Blick auf Alexander mit Freunden an einem Tisch)...Wenn man sich sucht guckt man erst einmal im "Heider" nach, weil im "Heider" eben die Atmosphäre ganz anders ist als in Cafés sonst weil eben oft, Dinge die sonst eine große Rolle spielen, Aussehen, Benehmen, diese Geschichten, Disziplin, darauf nicht geachtet wir...(Freunde begrüßen sich am Tisch)...Man kann mal selbst sein, kann sich selbst ausleben, es stört keinen wie man aussieht...(Blick auf Schachspieler)...selbst wenn die Leute tanzen, obwohl die Räume eigentlich dazu geeignet sind, oder wenn sich zu fortgeschrittener Stunde jemand ans Klavier setzt und da irgendwelche Sachen spielt...(Kameraschwenk über das voll besetzte Café)...Gehört zur Stimmung, das ist im "Heider" normal als anderswo. Hier ist man sehr viel lockerer, man trifft sich, trinkt zusammen Wein oder man trinkt nichts. Keiner achtet drauf wie man sich benimmt, die große Freiheit "Heider", ja". Umschnitt auf Alexander mit dem DEFA-Redakteur in einem fahrenden Personenzug (halbnah) (O-Ton) "Ist schon Dein Zuhause in Brielow, ne, nicht in Potsdam...(Blick auf eine Frau im anderen Abteil)...Wobei ich in Potsdam meine Freunde habe, genauso wichtig...(Umschnitt auf das Gesicht des erzählenden Alexander)...und es war eigentlich ganz günstig glaube ich, so nach der 10. Klasse aus dem Elternhaus raus zu sein, Stück weit auf den eigenen Füßen zu stehen. Ich war dann auch ziemlich selbständig, ich hatte einen eigenen Eingang in Potsdam, konnte kommen und gehen wann ich wollte, konnte machen was ich wollte. Ich glaub das war ganz wichtig das ich nach der 10. Klasse nicht mehr bei meinen Eltern gewohnt habe...(Blick auf die Schienen während der Fahrt)...Na ja, ich glaube es ist wichtig das man sich in dem Alter schon ein bisschen Selbständig macht und eigene Wege geht...(Kameraschwenk vom Fenster zu Alexander im Abteil)...Eigentlich war es eine schöne Kindheit, das was man so aus Pfarrerfamilien eigentlich kennt, das Kinder von klein auf diesem Weg der Kirche gesetzt werden, war bei uns eigentlich nicht so. Wir sind also als Kinder nie mit in den Gottesdienst gegangen, sondern nur zu Weihnachten, das war das einzige Mal im Jahr, und da wahres es dann so dass wir uns darauf gefreut haben, das es nie Routine war, oder so". Umschnitt

0:22:10

Blick von unten auf den Kirchturm in Brielow (halbtotal). Kameraschwenk vom Kirchturm auf die im Garten essende Familie von Alexander (halbtotal) dazu im Off das Tischgebet: "Ein jeder braucht sein Brot, sein Wein, ein Frieden ohne Furcht soll sein. Gesegnete Mahlzeit". Blick auf die Eltern und Familienmitglieder von Alexander am Gartentisch (halbtotal) (O-Ton). Umschnitt auf einzelne Gesichter am Tisch (nah) (O-Ton). Umschnitt. Blick über den Garten neben der Kirche auf die Familie am Tisch (halbtotal). Umschnitt. Zoom auf das Gesicht von Alexander (halbnah) dazu er im Off: "Ansonsten wurden nie bewusst christliche Werte vermittelt, sondern es geschah eben so, aber wie darüber geredet wurde, das war einfach drin. Das ist dann irgendwie, stimmt es überein das ein guter Christ muß eben auch ein guter Mensch sein, anders gehts nicht und darauf hin zielt die Erziehung ab, denke ich, das man ehrlich miteinander umgeht und das man über Probleme redet und denen nicht aus dem Weg geht...(Blick auf den Kirchturm)...und nicht mehr miteinander redet, oder so. Also dass Doppelzüngigkeit...(Blick auf Alexander im Zugabteil)...keine Möglichkeit sein kann im Umgang miteinander, das wurde uns immer auch schon bewusst gemacht, und das wir ehrlich zu sein haben. Also das ging bei ganz banalen Sachen los, so als Kind das man seine Eltern bei irgend welchen Dingen angelogen hat, da war dann das schlechte Gewissen da". Blick aus dem Abteilfenster auf einen schlafenden man auf dem Bahnsteig bei einem Stopp des Zuges (halbtotal). Umschnitt. Alexander verlässt das Abteil, schließt die Tür und geht auf den Bahnsteig vom Brandenburger Hauptbahnhof (halbtotal). Blick aus dem Zugabteil auf Alexander beim Gang zur Bahnsteigtreppe (halbtotal). Umschnitt

0:24:30

Blick auf Alexander vor einem Rundfenster (halbnah). Frage aus dem Off: "Du bist nicht in der FDJ, Alexander, hängt das mit Deinem christlichen Glauben zusammen, oder warum ist das so? Alexander (halbnah) (O-Ton) "Das hat mit dem christlichen Glauben nischt zu tun, also das denke ich widerspricht sich nicht automatisch, FDJ und Christ sein, aber ich denke die meisten treten in die FDJ ein weil eben alle eintreten, und dieser Grund hat mir nicht gereicht und hab gemerkt dass...von da ausging...(Blick aus dem Rundfenster auf die St. Peter und St. Paul-Kirche)...und ich hatte dann auch keine Lust mich da so einzubringen, und deshalb war das nicht mein Ding da. Das lief alles so geregelt ab, das war nicht meins, es war einfach, ich weiß nicht, langweilig". Umschnitt

0:25:25

Farbaufnahmen: Blick auf einen Bericht über eine Friedensdemonstration am Alexanderplatz aus dem DDR-Fernsehen (halbnah) mit Originalkommentar: "...die sich hier am sonnigen Pfingstsonntag eingefunden haben, die Jugend begrüßt Eberhard Aurich (Blick auf Aurich im FDJ-Hemd neben Honecker und Krenz) Umschnitt. (Kameraschwenk über die komplette Politprominenz der DDR) "Ein Garantieschein auch für junge Ehepaare (Blick auf Ehepaare unter einem Bunten Stoffkranz) das Ja-Wort Zuhause, feiern in Berlin. (Ein Mann überreicht Honecker Blumen) "Die ihr Pfingstprogramm so geplant haben (Blick auf Gruppen aus Magdeburg) kamen zum Treffen der FDJ nicht nur aus Magdeburg. Bildung von der Kinderkrippe bis zum Studium an der TU (Blick auf den winkenden Krenz und Margot Honecker) Keine Lebensfragen um die sich frisch gebackene Ehepaare dort und anderswo ernsthaft sorgen müssen. (Blick auf einen Mottowagen der Winzer) Umschnitt (Transparent: "Hamburgs Werften machen dicht-doch bei uns da rollt die Schicht") "Über viele Stunden haben Tausende gezeigt wie sie in diesem Staat denken (Transparent: "Westliche Freiheit - Nein danke") was sie in ihrem Land wollen. Der Kurs ist klar, Pfingsten `89 hat ihn bekräftigt" (Schwenk über die winkende SED-Prominenz) Ton- Ausblendung...

0:26:50

Blick auf den sprechenden Alexander in der Rolle des Marty auf der Schulbühne (halbnah) (O-Ton) "Befreien wir uns von der Propagandahülle der Worte mit der wir uns angewöhnt haben das Wesen eines Problems zuzudecken, und sagen es offen, nicht die Massen, nicht die Klasse, sondern die Partei. Genauer ihre Leiter, das ist die Verkörperung der revolutionären Idee in der Geschichte. Ehre des Gewissens, Verstand des Individuums, wen hat das jeh interessiert". Alexander in schwarzer Lederkleidung, setzt sich hin (halbnah). Die anderen Schüler erheben sich und sprechen ihren Part bei diesem Bühnenstück (halbtotal) (O-Ton). Zoom auf das verkniffene Gesicht vom zuhörenden Alexander (nah). Gegenschnitt auf die zuhörenden Schüler und Schülerinnen neben der Bühne (halbtotal). Ein "Aussenstehender" betritt die Bühne (halbnah) (O-Ton) "Herr Marty, Herr Marty, ich habe ein paar Fragen an Sie. Sie bezeichnen sich als Marxist, ist Ihnen aber klar dass Ihre Auffassungen Antimarxistisch sind?" Alexander (halbnah) (O-Ton) "Mag sein, in einzelnen Formulierungen gibt es tatsächlich Abweichungen, da gebe ich Ihnen recht, aber das spielt keine Rolle, denn wenn wir den Sozialismus erst einmal errichtet haben rufen wir Wissenschaftler, die rücken alles an seinen Platz". Aussenstehender "Sie errichten den Sozialismus?" Marty "Wir errichten ihn". Aussenstehender "Und Ihnen graut nicht bei dem Gedanken dass Ihr Sozialismus...von Kopf bis Fuß aus allen Poren Blut und Dreck schwitzen wird?" Marty "Wir waschen uns danach. Hauptsache errichten". Blick auf die Zuschauer (halbtotal). Aussenstehender "Dem einen mag es passen, dem anderen imponieren. Die Geschichte wird klarstellen wo die Verdienste aufhören und Fehler beginnen, wo Fehler aufhören und die Verbrechen beginnen". Umschnitt auf Alexander (halbnah) (O-Ton) "Wir, die Klasse 12 zwei, sehen in diesem Umgang mit Geschichte eine Chance diese konstruktiv zu verarbeiten. Nur auf diesem Wege werden wir verhindern dass uns die Geschichte einholt, oder schlimmer noch, überholt. Das ist es was wir zu sagen hatten". Rückwärtszoom von Alexander auf die Theatergruppe (halbtotal). Beifall ertönt im Rund der Bühne (halbtotal) (O-Ton). Umschnitt

0:29:50

Blick in den Vorraum der Helmholtz-Schule mit langsamen Kameraschwenk (halbtotal) dazu er im Off: "In "Diktatur des Gewissens" behandelt Schatrow nicht den Verbrecher Stalin und was dieser der sozialistischen System angetan hat, er versucht vielmehr das Problem zu beleuchten, auch Stalin hätte niemals so herrschen können wenn es nicht Leute gegeben hätte die beherrscht sein wollten. Schatrow macht deutlich das wir die Entwicklung des Sozialismus nicht dem Selbstlauf überlassen dürfen, der Sozialismus, die sozialistischen Werte sind nicht ein für allemal gegen den Untergang gefeit, sie müssen täglich neu errungen werden. Das dabei vieles falsch gemacht wird ist normal...(Blick auf den vorlesenden Alexander auf der Flurtreppe der Schule)...Doch mit einem Zaren in jedem Kopf, mit einer lebendigen schöpferischen Masse kann jeder Fehler aufgedeckt und beseitigt, bzw. schon vorher verhindert werden. Mit dieser Aussicht entlässt uns Schatrow, es ist an uns den Sozialismus durchzusetzen um höchste Menschlichkeit zu erlangen". Zoom auf Alexander der seine Mappe zuklappt (nah) (O-Ton) "Das ist ein Stück aus meinem Abituraufsatz den ich Anfang Mai geschrieben habe, es ging dabei um Werte des Sozialismus in der Gegenwartsliteratur, ja, das bot sich nur an dieses Stück zu wählen weil ich denke das darin, ja, in dem der Sozialismus infrage gestellt wird, besonders über Werte des Sozialismus nachgedacht wird. Darum habe ich darüber geschrieben".

0:31:20

Frage aus dem Off: "Alexander, Du bist christlisch erzogen und hast Du wirklich reinen Glaubens geschrieben, es liegt an uns den Sozialismus durchzusetzen um höchste Menschlichkeit zu erlangen. Ist das Deine echte Überzeugung, oder hast Du es nur geschrieben um eine gute Note zu kriegen?" Blick auf das Gesicht von Alexander (nah) (O-Ton) "Ich hab das nicht geschrieben um eine gute Note zu kriegen, eigentlich habe ich noch immer die Hoffnung, oder glaube das der Sozialismus wirklich die menschliche Alternative zum Kapitalismus, oder zur Welt des Kapitals ist, das es eben nur ne Frage dessen ist wie man mit dieser Alternative umgeht, dass das gegen den Baum gehen kann, aber das eben wirklich, wenn man öffentlich über Probleme redet, das erreicht werden kann das der Sozialismus eine wirklich menschliche Gesellschaft ist, worauf es ankommt". Frage aus dem Off: "Und auf die gegenwärtige Situation, die ja nicht sehr rosig aussieht, läßt Dich da hoffen, oder?" Zoom auf das Gesicht von Alexander (nah) (O-Ton) "Die gegenwärtige Situation gibt natürlich Hoffnung, aber ich glaube das bestimmte Dinge einfach nicht mehr unterdrückt werden können, die sich eben damit beschäftigen den Sozialismus menschlicher zu machen". Umschnitt. Rückwärtszoom von der Reinigungskraft auf dem oberen Treppenabschnitt auf die Vorhalle der Helmholtz-Schule mit Skulptur (halbtotal). Umschnitt

0:33:05

Farbmaterial: Blick auf eine TV-Übertragung vom IX. Pädagogischer Kongress der Deutschen Demokratischen Republik" vom 13. Juni 1989 mit Originalkommentar (halbnah) (Rückwärtszoom von Erich Honecker auf den gefüllten Saal (halbtotal) "Ein Kongress beginnt seine Arbeit der mit größter Aufmerksamkeit der gesamten Gesellschaft verfolgt wird, geht es doch darum einen neuen Abschnitt im Volksbildungswesen einzuleiten (Blick auf Willi Stoph) so wie es der Entwicklung nach vier Jahrzehnten DDR und der Vorbereitung auf den 12. Parteitag der SED entspricht (Kameraschwenk über die Partei- und Regierungsmitglieder auf der Bühne) "Die Saat die die Pädagogen unseres Landes ausbrachten (Blick auf die Rednerin Margot Honecker) und täglich neu ausbringen, sie ist aufgegangen. Erstmalig auf deutschem Boden wurde das große Ideal einer wirklichen demokratischen, humanistischen Bildung verwirklicht, wurde eine Schule, ein Bildungswesen geschaffen das allen Kindern des Volkes das Recht auf eine hohe, wissenschaftlich fundierte Bildung garantiert (Blick auf den zuhörenden Erich Honecker) jedem jungen Menschen gleiche Bildungschancen sichert. Es wuchs in unserer Republik eine gesunde Jugend heran (Kameraschwenk über die prominenten Zuhörer auf der Bühne) weil unsere sozialistische Gesellschaft, in der sie aufwächst, gesund ist (Blick auf die Rednerin Margot Honecker) denn die reale sozialistische Gesellschaft ist eine moderne, humanistische, demokratische Gesellschaft". (Blick auf die applaudieren Zuhörer im Saal)...Umschnitt

0:34:35

Blick auf den vorlesenden Alexander mit seinen Freunden im Café Heider (halbnah) (O-Ton) "Alexander hat durch sein fröhliches, aufgeschlossenes, kameradschaftliches Auftreten das Vertrauen seiner Mitschüler erworben. In seinem Wesen ruhig und ausgeglichen, folgte er konzentriert und diszipliniert dem Unterricht". Blick auf den lachenden Alexander (nah). Umschnitt auf den Tisch mit Alexander und seinen Freunden (halbtotal). Blick auf den Ober beim öffnen einer Sektflasche (halbtotal). Alexander liest weiter seine Beurteilung vor (halbnah) (O-Ton) "Mit größerer Anstrengungsbereitschaft hätte er bei seinen Anlagen in allen Fächern sehr gute Leistungen erreichen können. Im aktuell-politischen Gespräch und politischen Diskussionen und Problemen unserer Zeit äußerte er offen, ehrlich und kritisch seine Meinung und seinen Standpunkt der von einer humanistischen Position gekennzeichnet ist. Im Kollektiv bereitwillig übernommene Aufgaben hätte er etwas pflichtbewusster wahrnehmen sollen...". Alexander lacht (halbnah). Umschnitt auf die Freunde am Tisch (halbnah). Frage aus dem Off: Und was haben sie euch mit auf den Weg gegeben?" Umschnitt auf Alexander (halbnah) (O-Ton) "Das Übliche...die Rede die schon seit 20 Jahren gehalten wird". Umschnitt auf die spielenden Musiker im "Herder" (halbtotal) (O-Ton). Kameraschwenk über die Gäste im Café (halbtotal) dazu im Off die Rede des Schuldirektors: "Wenn ich Sie heute als Direktor unserer erweiterten Oberschule "Hermann von Helmholtz" zur feierlichen Übergabe der Reifezeugnisse begrüße, dann tu ich das auch in dem Bewusstsein dass dieser Tag als eine dialektische Einheit von allgemeinem und im besonderem zu sehen (Blick auf den zuprostenden Alexander am Cafétisch) Aber auch für Ihre Lehrer, besonders für Ihre Klassenleiter ist der heutige Tag ein besonderer, sind doch gerade Sie es gewesen die versucht haben das Besondere in jedem von Ihnen (Einblendung des Haupteinganges mit Schriftzug "Helmholtzschule") zu entdecken, die Stärken jedes einzelnen zu erkennen, für die Persönlichkeit zur Kollektiventwicklung zu nutzen (Blick auf eine Rose am Tor auf dem Schulhof) bei der Überwindung von...". (Ton des Direktors wird ausgeblendet). Umschnitt auf die Ziegelsteinmauer der Schule mit eingeritzten und gemalten Namen von Schülern (halbnah). Umschnitt

0:36:50

Blick auf Alexander mit Bettzeug in der Hand in seiner Wohnung (halbnah). Umschnitt. Alexander geht mit dem Bettzeug in der Hand über eine Treppe aus dem Haus (halbtotal). Umschnitt. Alexander verzurrt das Bettzeug in seinem kleinen Fahrradanhänger auf dem Hof (halbnah). Kameragang um das Fahrrad mit Anhänger (halbtotal). Umschnitt auf Alexander beim abschließen seiner Wohnungstür (halbnah) dazu er im Off: "Das war von vornherein so angelegt dass ich nach Beendigung des Abiturs hier ausziehe...(Alexander hängt das Bild eines Elches an der Tür ab)...Eigentlich wollte ich dann zu meinen Eltern ziehen wieder, aber inzwischen möchte ich dann doch gerne in Potsdam bleiben...(Kameraschwenk über Möbel und gerahmte Bilder im Flurbereich von Alexanders Wohnhaus)...und jetzt hat sich die Möglichkeit ergeben zu Andreas zu gehen, deshalb ziehe ich zu Andreas, der hat ne Wohnung eigentlich mit seinem Vater zusammen, aber sein Vater ist ausgezogen...(Blick auf Alexander bei der Abfahrt mit seinem Fahrrad und Anhänger)...so ist Andreas alleine in der relativ großen Wohnung, also für uns zwei reicht es. Ja, wie gesagt, ein guter Freund mit dem ich schon viel Mist gemacht habe...Ne Kommune ist nichts, das wäre dann doch ein bisschen zu viel...(Kameraschwenk über eine diskutierende und Bier trinkende Gruppe Jugendlicher in der Wohnung von Andreas)...Es war zwar das die Wohnung oft voll war mit den Leuten die da übernachtet haben, aber das soll eigentlich nicht der normale Gang sein". Umschnitt auf Alexander inmitten der Jugendlichen bei der Einweihungsparty (halbnah) (O-Ton) "Danke Kameraden, Einweihung". Zwischenschnitte der jungen Menschen bei Kerzenlicht (halbnah) (O-Ton). Kameragang auf dem am Boden diskutierenden Alexander neben Bierflaschen (halbnah) (O-Ton). Kameraschwenk über diskutierende, schlafende und trinkende Jugendliche (halbnah) (O-Ton). Umschnitt

0:39:20

Kameragang neben Alexander her mit Blick auf die Karre mit Taschen voller Zeitungen (halbnah). Kameragang um Alexander mit Karre herum beim Verteilen der Zeitungen an Häusern und Briefkästen (halbnah) dazu Alexander im Off: "Ich bin mir völlig im unklaren was werden soll nach der Armee, bis Mai 1991 ist das Leben vorprogrammiert, aber haben andere programmiert, und danach, ik hab mein Theologiestudium, aber ich bin mir im Moment nicht ganz sicher ob ich das aufnehmen soll, oder ob ich Theologie studieren soll oder nicht...(Blick auf das einwerfen von Zeitungen)...Ich bin im Moment noch immer ein bisschen auf der Suche nach andern Möglichkeiten, also da ist nichts vorprogrammiert, oder so. Schule, Armee, Studium, heiraten, arbeiten bis zur Rente dann. Also der Gedanke zu wissen was ich bis zur Rente mache erschreckt mich...(ab hier ist Alexander neben dem DEFA-Redakteur zu sehen)...Ja, man ist von Anfang an die Hand genommen, ja, das geht im Kindergarten los, durch die 12 Jahre Schule, und eigentlich wird die Hand nicht losgelassen (Zoom auf Alexanders Gesicht) man wird so auf die Bahn gesetzt das es da schwierig ist auch auszubrechen, ja". Aus dem Off: "Das ist dann ein Problem der Gesellschaft". Alexander "Ja diese, ja, das ist eine Art von Bevormundung denke ich, das eigene Entscheidungen nicht zugelassen werden, oder nur bedingt zugelassen werden, und das an die Hand nehmen, man wird durch das Leben geführt. Fehler darf man nicht machen, wer Fehler macht...". Umschnitt

0:41:35

Kameraschwenk über einen vorbei fahrenden Personenzug am 1. September 1989 (halbtotal) (O-Ton). Umschnitt auf Alexander im Zugabteil (halbnah) (O-Ton). Frage aus dem Off: "Sag mal, Du wirst Spatensoldat, ja, warum?" Alexander (O-Ton) "Warum? Ja, weil ich Armeen in Mitteleuropa für sinnlos halte, weil, wenn es zum Ernstfall kommt das sowieso keine Rolle mehr spielt ob jemand bei der Armee ist oder nicht. Außerdem lehne ich es ab mich an der Waffe ausbilden zu lassen, nur weil die Möglichkeit besteht Menschen umzubringen. Begründet ist es eigentlich wenig mit christlichen Idealen, oder so. Darüber komm ich nicht ran an das ablehnen von Gewalt mit Waffenmitteln". Aus dem Off: "Na ja, so gesehen hättest Du verweigern müssen". Alexander dazu (halbnah) "Na ja, da besteht immer die Möglichkeit das man in den Knast geht, obwohl es in den letzten 3 Jahren nicht passiert ist, aber man muß damit rechnen. Außerdem habe ich ja immer vor hier zu studieren in diesem Land, wäre damit hinfällig weil man so eine Erklärung unterschreiben muß das man seinem Vaterland dient...(Blick auf ein älteres Ehepaar im Zugabteil)...Na ja, und dann gibt es ja auch keine Alternativen zum Bausoldat weil ja nicht ohne Waffe dienen will, gibt es eben nur noch die Möglichkeit eben ganz zu verweigern, was ich wie gesagt nicht wollte, als Bausoldat den zivilen Ersatzdienst, was wirklich ne Alternative wäre, aber so etwas gibt es nicht bei uns, das wäre, denke ich, eine vernünftige Sache das die Leute eben für 2 Jahre im Krankenhaus oder im Altersheim, oder im Gesundheitswesen einzusetzen, wo Leute fehlen, wo es einfach gebraucht wird". Kameraschwenk vom Alexander auf das Abteilfenster und die Geleise (halbtotal). Umschnitt

0:43:55

Blick von unten auf den Vater von Alexander als Pastor während seiner Predigt (halbtotal) (O-Ton) "Und der Friede, das ist nun nicht mehr die Zeit des Atem holens, des wirtschaftlichen Neuaufbaues, der Wiederaufrüstung...(Kameraschwenk zum Altarraum)...für einen neuen Krieg. Der Friede von dem wir heute reden, um den wir heute bitten, ist das noch nie dagewesene, etwas was jetzt nur in unseren Träumen vorkommt (Kameraschwenk auf die Gläubigen) Und sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden, und sie werden hinfort nicht mehr lernen Krieg zu führen (Blick auf eine betende ältere Frau) Ein Traum, und ihr Lieben, es wird ein Traum bleiben. Wenn wir uns nicht erinnern (Blick auf zuhörende Gläubige) wenn wir uns dieser bitter nötigen schweren Erinnerungsarbeit (Blick auf den zuhörenden Alexander auf der Kirchenbank) heute nicht stellen, und es ist fraglich ob wir das wirklich können, es spricht so vieles dagegen. Der erste Mensch der einen Bruder hatte schlug ihn tot (Umschnitt auf den Kirchenleuchter unter der Decke) ist der Kain in uns wirklich belehrbar?" Kameragang zum Kirchenalter (halbtotal). Umschnitt auf Alexander am Lesepult neben dem Altar (halbtotal) (O-Ton) "Eine Armee ist nur sinnvoll wenn sie Feinde hat (Kameragang auf Alexander zu) Wie ist es möglich das im Namen des Gottes, den wir den Gott der Liebe nennen, gemordet werden durfte? Sind der Gott, den wir meinen, und der Gott der auf dem Koppel gemeint ist identisch? Hoffentlich nicht, denn ist nicht im Sinne unseres Gottes seine Feinde mit Waffen zu schlagen (Halbnah Einstellung von Alexander) Mit Waffen lassen sich nur Menschen besiegen, Menschen aber sind niemals Feinde. Feinde sind Strukturen in denen sich Menschen befinden und an denen Menschen zerbrechen, bzw. zerbrochen werden. Solche Strukturen müssen wir erkennen und als Feinde der Menschen bekämpfen. Ich möchte selbst erkennen was Feind ist und mir nicht von einem Offizier vorschreiben lassen. In der Gewissheit, dass Waffen unsere Feinde niemals schwächen sondern stärken, lehne ich es ab mich an Waffen ausbilden zu lassen und werde als Bausoldat meinen Armeedienst leisten". Umschnitt

0:46:25

Kameraschwenk über ein Fernsehbild von einem Wehrmachts-Koppel mit Prägung "Gott mit uns" über einem Reichsadler mit Hakenkreuz (nah). Umschnitt auf Alexander im Personenzug (halbnah) (O-Ton) "Es ging los mit der Musterung. Ich hab mich da auf Diskussionen eingestellt darüber, und der hat mich also nur gefragt ob es religiöse Gründe sind. Das sagte ich, auch, und damit war das gestorben, es war keine Diskussion mehr...(Umschnitt auf das Gesicht von Alexander)...Ja, und das ist dann bei Leuten die nicht aus dem Pfarrhaus kommen, oder nichts mit der Kirche zu tun haben, schwierig, weil andere Begründungen praktisch erst einmal nicht anerkannt werden, ja, wenn man das aus humanistischen Gründen versucht zu erklären. Da ja das Wort Glauben oder Religion nicht fällt wird`s schwierig. Na, ein Freund von mir versucht es, und ich weiß auch von anderen Leuten dass sie dann lange agitiert wurden. Blick aus den fahrenden Zug auf die Häuser und Gärten neben der Bahnstrecke (halbtotal). Umschnitt

0:47:40

Farbmaterial: Ausschnitt aus einem DDR-Fernsehbeitrag vom 10. September 1989 mit Originalkommentar: "200.000 Berliner an traditionsreicher Stätte. 200.000 bekennen sich zum sozialistischen Staat, zur Politik der Arbeiterklasse (Blick auf den eintreffenden Willi Stoph und Horst Sindermann) Herzlicher Beifall für Willi Stoph, Horst Sindermann und weitere Mitglieder der Partei- und Staatsführung und den Gästen aus 23 Ländern (Blick auf eine Mutter mit Kind auf dem Arm) Otto Funke, der Vorsitzende des Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer (Blick auf die Ehrentribüne mit Parole "40 Jahre DDR im Kampf für Sozialismus und Frieden, gegen Faschismus und Krieg erfüllen wir das antifaschistische Vermächtnis") begrüßt die Teilnehmer auf dem Bebelplatz (Blick auf die Menschenmassen auf dem Platz) Umschnitt auf den Redner (halbnah) "Mit unserer Kundgebung, die ihren Ursprung in der 1. großen antifaschistischen Manifestation im September 1945 (Blick auf Willi Stoph) im von der Roten Armee befreiten Berlin gehalten hat, und die wir seitdem alljährlich im ganzen Lande durchführen (Kameraschwenk über die Spitze von Partei und Staat) ehren wir die ungezählten Opfer des schweren Kampfes gegen die braune Pest und die faschistischen Aggressoren (Blick auf die applaudierenden Zuhörer)...". Umschnitt

0:48:50

Blick auf Freund und Freundin neben Alexander beim Frühstück (halbtotal) (O-Ton). Umschnitt auf Alexander bei der Reparatur seines Fahrrades im Wohnzimmer (halbtotal). Kameragang zu Alexander am Fahrrad (halbnah) (O-Ton) "200.000 Leute in Berlin, das ist doch wieder typisch...wir waren etwa 20 Leute von der Antifa-Gruppe, hier in Potsdam auf dieser Kundgebung, und wollten eigentlich, also wollten überhaupt nichts eigenes machen, auch keine Gegendemo wie uns später vorgeworfen wurde, sondern wir wollten an dieser Kundgebung teilnehmen, das dachte ich vorher das es die einzige Großkundgebung ist an der man ruhigen Gewissens teilnehmen kann, weil das ein wichtiger Anlass ist, und wir wollten eben aus diesem Anlass...eigene Transparente zeigen. Da stand drauf "Warnung, Neofaschismus auch in der DDR", auf dem anderen stand "Nie wieder Krieg, wehret den Anfängen", und gegen Nazis, das waren so die Dinge die auf den Transparenten standen, und als wir die zeigen sollten fiel also die Staatssicherheit über uns her, wurden dann ziemlich verprügelt und abgeführt. Wir saßen dann 12 Stunden bei der Kripo rum, wurden verhört und, eigentlich war das Schlimmste an der ganzen Geschichte dass was dann danach kam, das uns in den Schulen vorgeworfen wurde wir seinen vom Westen bezahlte Terroristen und wir wollten ja nur Randale machen und hätten überhaupt kein ehrliches Anliegen dabei gehabt, und wenn auf einem Transparent steht "Neofaschismus auch in der DDR" dann würden wir unterstellen es gäbe geduldeten Neofaschismus, und das könne ja nun nicht sein und da müßte uns ein Riegel vorgeschoben werden". Blick auf den reparierenden Alexander mit seinem helfenden Freund Andreas (halbnah) (O-Ton). Umschnitt auf einen laufenden Plattenspieler auf dem Boden (halbnah) (O-Ton). Gegenschnitt auf die beiden Freunde bei der Fahrradreparatur (halbnah) (O-Ton) "Da hat auch keiner mit gerechnet das die so massiv über uns herfallen. Wir hatten schon gedacht dass es Diskussionen geben würde, aber das es in der Form passiert, das wir geschlagen und vom Platz getrieben werden. Was auch noch sehr erschreckend war, war die Reaktion der Leute drum rum, die haben völlig Missverstanden was wir wollten, haben geschimpft und (Andreas: Man weiß auch nicht ob die nicht vom selben Verein waren) ich hatte nicht den Eindruck das die auch nur hingeschickt wurden zu der Kundgebung". Andreas (halbnah) "Also von einem habe ich sehr viel Solidarität erhalten, der hat versucht mich frei zu machen von den Sicherheitskräften, und das war gut fand ik. Aber den haben sie dann gleich zu viert beiseite gedrängt". Alexander weiter "Die meisten Leute haben gleich eine Gasse gebildet und uns dann beschimpft und getreten, von da aus war das sehr übel". Umschnitt

0:52:50

Alexander dreht das Fahrrad um und prüft seinen Kofferanbau auf der Vorderachse (halbnah) (O-Ton) "Mal sehen ob dat hält, das ist ja nich wackelig". Blick auf die eintreffende Freundin Turle (halbtotal) (O-Ton) "Meinst Du denn das hält?" Frage aus dem Off an Alexander vom DEFA-Redakteur "Na, wie fühlt man sich denn so danach?" Kameragang auf Alexander zu (halbnah) (O-Ton) "Wie fühlt man sich? Also was mir aufgefallen ist und was mich besonders bedrückt dass man das Vertrauen verliert, ja, also Vertrauen in irgendwelche staatlichen Entscheidungen oder Institutionen sowieso und dann auch das Vertrauen im Umgang mit Leuten. Also wenn irgend jemand besonders interessiert fragt nach der Geschichte, ist sofort Misstrauen da, oder man sieht sofort den Denunzianten gegenüber wenn jemand so interessiert ist, das bedrückt mich ziemlich, ne...(Zoom auf Alexanders Gesicht) weil ich vorher eigentlich das immer versucht hab zu unterdrücken, dieses Misstrauen, aber das ist jetzt so stark gegenüber vielen Leuten, das es sich nicht unterdrücken lässt...(Hast Du Angst?)...Weiß ich nicht ob ich Angst haben soll, ich empfinde sie nicht so richtig, aber die Situation an sich ist beängstigend, ja, weil wirklich alles was darauf abzielt konstruktiv hier mitzuwirken, wird kaputt gemacht und kriminalisiert, das ist schon beängstigend". Umschnitt auf die zuhörende Freundin im Liegestuhl (halbnah). Gegenschnitt auf Alexanders Freund (halbnah). Umschnitt auf Alexanders Gesicht (nah) (O-Ton) "Also...". Umschnitt

0:54:25

Farbmaterial: Blick auf einen TV-Bericht mit Originalkommentar über einen FDJ-Aufmarsch in Potsdam vom 6. Oktober 1989 (halbnah). "In Ruhe und Geborgenheit aufgewachsen sind sie es die schon sehr früh über den Erfolg dieses ersten sozialistischen Modells auf deutschem Boden mitentscheiden (Blick auf den mächtigen Aufmarsch von Tausenden FDJ-Mitgliedern im Abendlicht) Ihre Ansichten, Gedanken, Wünsche und auch ihre Forderungen sind gefragt, sie sind im Gebrauch, heute mehr denn jeh, denn nie ist der Aufbau des Sozialismus (Blick auf Gesichter von weiblichen FDJ-Mitgliedern) etwas abgeschlossenes. Ständig hält das Leben neue Fragen bereit die beantwortet werden wollen (Blick auf FDJ-Fackelträger) und sie sind dazu aufgerufen (Blick auf den winkenden Gorbatschow neben Honecker auf der Ehrentribüne) dabei mitzutun (Kameragang mit den musizierenden FDJ-Gruppen) (Kameraschwenk von den marschierenden Gruppen auf die hell Erleichtete Ehrentribüne mit dem DDR-Symbol) (Umschnitt auf den winkenden Honecker)... Umschnitt

0:55:45

Blick auf Alexander mit seiner Freundin Turle auf dem Fußboden im Zimmer (halbnah) im Off der Fernsehton: "Wir, die Teilnehmer des Treffens der Berliner Theaterschaffenden, verurteilen aufs Schärfste das Gesetzeswidrige und Menschenunwürdige Vorgehen der Polizei...(Kameraschwenk über die TV-Seher im Zimmer)...gegenüber Hunderten von zugeführten Bürgern am siebten, achten und neunten Oktober". Umschnitt über das Fernsehgerät auf Alex mit Freundin und Freund Andreas (halbtotal) TV-Ton "Die zugeführten Bürger und Bürgerinnen wurden gezwungen stundenlang, zum Teil unbekleidet, bewegungslos mit dem Gesicht zur Wand zu stehen. Ihnen wurde unter Androhung von Gewalt der Schlaf entzogen, sie wurden auf beleidigende Weise beschimpft...(Blick auf die Fernsehbilder)...einige trugen Verletzungen davon. Dieses Vorgehen widerspricht völlig den Normen sozialistischer Rechtsstaatlichkeit, es steht auch in keinem Verhältnis...(Kameraschwenk vom Fernsehbild auf die drei Zuschauer)...zur mutmaßlichen Ursache der Zuführung wie in fast allen Fällen mit einer Ordnungsstrafe, bzw. straffreier Entlassung endete. Wir fordern eine öffentliche Untersuchung dieser Vorgänge, wir fordern eine Stellungnahme des Ministers des Innern und des Ministers für Staatssicherheit, sowie die Bestrafung der Verantwortlichen". Beifall ist zu hören. Blick auf die Alexander mit seiner Freundin (halbnah). TV-Ton im Off einer singenden Künstlerin. Kameraschwenk über Alexander mit Freundin und seinen Freund Andreas vor dem Fernsehgerät (halbnah) (O-Ton). Umschnitt auf die singende Künstlerin auf den TV-Schirm im ZDF-Programm (halbnah) (O-Ton) "...steig hinab Mann und sie dir sie an, misch dich unter dein Volk dann und wann, frag warum so viele sich dem Nichts verschreiben (Blick auf Alexanders Gesicht) statt auf dich zu hören, und mach das sie bleiben". Wechsel im TV-Programm, es spricht Jens-Paul Wollenberg "Das Grau hat längst das Rot verdrängt, Lila hat sich aufgehängt. Gelb und Blau im Kerker sitzen, Grau kriecht bis in feinste Ritzen...(Kameraschwenk über die Zimmereinrichtung)...Das Weiß sich nur in Träumen zeigt, Schwarz, das frisst sich dumm und schweigt". Kameraschwenk von oben über die am Boden sitzenden Freunde (halbnah) (O-Ton). Schwenk zum Fernsehgerät auf Jens-Paul Wollenberg (halbnah) O-Ton) "Mit der Palette, ungelogen, stahl man uns den Regenbogen. Sinkt das Grau wie ein Grabtuch auf Dich nieder – wirf nicht den Pinsel weg – die Farben kommen wieder". Umschnitt auf Alexander (halbnah) (O-Ton) "Ich meine, das ist natürlich traurig das alles im Moment nur über die Westmedien läuft, aber da kriegen wir im Moment Informationen her und sie übernehmen im Moment die Rolle die eigentlich die DDR-Medien spielen müßten...(Umschnitt auf das Gesicht von Alexanders Freund Andreas)...Ich verstehe auch nicht warum sie Angst davor haben ihre eigenen Leute zu informieren über die Dinge die laufen in diesem Land. Diese Angst die da ist...". Umschnitt auf Alexander mit Freundin (halbnah) (O-Ton). Kameraschwenk auf das TV-Programm mit singenden und musizierenden Jugendgruppen (halbnah) (O-Ton). Umschnitt auf den TV-Abspann vom ZDF: "Rock gegen Gewalt-Beobachtungen in Ostberlin". (halbnah). Umschnitt

0:1:00:45

Blick auf Alexander und Freundin (halbnah) (O-Ton) "...ob die sich alle trauen sich zu äußern?" Freundin Turle (O-Ton) "Ich bin da sehr skeptisch muß ich sagen. Ja, die ganzen Leute die letztens noch geschrieben haben, ich weiß nicht, es sind so 200 bis 300 Menschen auf der Straße gewesen, Raudies und Provokateure und so, die können nicht plötzlich alle schreiben das es friedliche Demonstranten waren, oder so. Randalierer in Berlin, das war totaler Quatsch was in der Zeitung stand". Alexander "Zusammenrottung ist ein furchbares Wort. Wenn die Leute sich auf die Straße stellen und entweder garnischt sagen oder irgendwelche Dinge die wichtig sind und mehr Demokratie und freie Wahlen fordern, und dann von Zusammenrottung reden, das Wort ist schon so diskriminierend...Es wird in den Medien so kriminalisiert...(Schwenk von den Händen über das Gesicht der Freundin auf Alexander)...diese Geschichten jetzt, alles Raudies und Randalierer, und Vorbestrafte und Assies, es ist einfach nur Blödsinn, ja. Ik finde das auch so schlimm das die Leute alle in einen Topf geschmissen werden mit den Leuten die am Dresdner Hauptbahnhof versucht haben einen Zug aus Prag aufzuspringen um raus zu kommen, ja. Die Leute die sonst auf die Straße gehen sind Leute die hier bleiben wollen und für die es eine ganz bewusste Entscheidung ist und die hier mitarbeiten wollen. Ich würd die auch nicht unbedingt als Oppositionelle bezeichnen, das sind Leute die versuchen in diesem Land was zu verändern (Frage aus dem Off: In welche Richtung?) Ja, in die Richtung dass einfach mehr Mitspracherecht da ist, das Entscheidungen nicht von oben nach unten gehen sondern von unten nach oben, und das von der Idee Sozialismus mehr zu spüren ist. Also ich war schockiert als wir...zusammengeschlagen wurden". Umschnitt auf den Freund Andreas (halbnah) (O-Ton) "Das Schlimme war ja das die Leute so ziemlich in unserem Alter waren, also die haben den selben Mist wie wir mitgemacht, sozusagen, und die schlagen auf einen ein, und so, und zerren dich da raus. Das kann man einfach nicht begreifen irgendwie, ich verstehe bis heute noch nicht". Umschnitt auf Alexanders Freundin (nah) (O-Ton) "24 Stunden war ich in Baumstraße. Neun Stunden habe ich in der Garage gesessen und eine Stunde verhört und den Rest in so einem Aufenthaltsraum". Alexander im Off dazu: "Ich bin aus Berlin zurück gekommen, hab das Bett leer vorgefunden und hab mir erst mal nen Kopf gemacht. Hab gehofft dass sie woanders gepennt hat und wir sind Sonntag dann rumgerannt um hab versucht raus zu kriegen wo sie ist. Bis ich dann mit der Schwester in die Baumstraße gegangen bin...(Schwenk zu Alexander)...weil Angehörigen mitgeteilt wird ob jemand in der Baumstraße sitzt oder nicht. Der Schwester wurde also gesagt das Turle da ist und dann habe ich gewartet zwei Stunden lang. Hab da eine Zigarette nach der anderen geraucht und mir ne Birne gemacht...(Schwenk zu Turle)...und sie dann in Empfang genommen. Diese Situation war, ich weiß es auch nicht, eigenartig, weil genau vier Wochen vorher war es umgekehrt...(Blick auf die drei Erzählenden mit Tonmeister und Redakteur)...das Turle vor vier Wochen auf mich gewartet hat in der Baumstraße, das ich raus komme und ich da gesessen habe". Umschnitt

0:1:04:15

Blick auf das Gesicht von Turle (nah). Aus dem Off der Redakteur: "Man hätte ja ne Anzeige machen können weil...". Turle "Wissen Sie, irgendwie habe ich ein bisschen Schiss gehabt". Umschnitt auf Alexander "Ich glaube da hätte kaum einer den Mumm gehabt diese Anzeige zu machen obwohl diese ganze Zuführung ja ungesetzlich ist. Ein Zuführung ist nur gestattet, so steht es im Polizeigesetzt, wenn die Personalien nicht festgestellt werden können, oder wenn eine erhebliche, Betonung liegt auf erheblich, Störung der öffentlichen Ordnung vorhanden ist...und das war bei uns alle nischt der Fall, deshalb ist das mit der ganzen Zuführung ungesetzlich". Umschnitt auf Turle (halbnah) (O-Ton) "Ich fühlte mich eigentlich sehr sicher, plötzlich waren sie doch drin, drei Polizisten, und nach Erklärung eines Sachverhaltes, alle mitkommen, und wer es nicht bezahlt soll bezahlen, und alle anderen mitkommen...obwohl wir dann auf LKW`s mit Rostocker Nummer abgeführt wurden, sind in die Baumstraße gefahren, was uns natürlich vorher keiner gesagt hat, und dann mußten wir erst einmal, so eine halbe Stunde ungefähr, an der Wand stehen, mit dem Gesicht zu Wand. Dann kamen noch 2 bis 3 andere LKW`s, auch mit Leuten drin, und die wurden dann so nach und nach zu dieser Turnhalle geführt...(Schwenk auf Freund Andreas)...Als die Turnhalle voll war sollten wir wieder auf den LKW steigen und wurden einmal um den Block gefahren und mußten dann in dieser Garage sitzen...(Umschnitt auf Turle)...und es war total dreckig und kalt und ekelhaft. Ein Haufen Polizisten drin, an jeder Tür zwei, und die Türen gingen auch nicht aufzumachen". Frage aus dem Off des Redakteurs: "Na ja, ihr sagt mal, das erleben, da würde mich einfach interessieren, so viele sind abgehauen, ihr nicht, warum?" Blick auf Alexander (nah) (O-Ton) "Warum nicht? Ich hab noch immer die Hoffnung das es so nicht weiter gehen wie es im Moment läuft, das hier was passiert. Also ik find das grade in solch einer Situation wo sich alles zuspitzt, ist es wichtig hier zu bleiben, ne, und mal zu sehen was draus wird...(Blick auf Turle und Andreas)...also, wenn ich hätte weg gehen wollen, hätte ich mir die Gelegenheit verschafft, ja, denke ich, also das ist ja seit diesem Sommer irgendwo kein Problem mehr". Blick auf den Kronkorken in Alexanders Hand (nah) dazu die Frage im Off: "Was glaubt ihr warum die jungen Leute weg gehen?" Umschnitt auf die drei Freunde (halbtotal) (O-Ton Alexander) "Ja, weil sie keine Perspektive mehr sehen". Turle "Einfach enttäuscht". Alexander "Also ich glaube es sind natürlich auch materielle Gründe. Also wenn die Leute sehen ich kann 100 Kilometer weiter besser leben, warum soll ich denn hier schlechter leben? Das ist es auch, aber es sind nicht nur mehr materielle Gründe...(Blick aus dem Fenster auf die dunkle Kreuzung mit Straßenbahn)...also ich denke das viele sehen das sie einfach verarscht werden und dieses ständige Bevormundet sein, das trägt sicher dazu bei". Umschnitt

0:1:07:40

Blick auf eine Ansammlung von Menschen vor einer Kirche in den späten Abendstunden des 18. Oktober 1989 (halbtotal) (O-Ton). Beifall klingt auf dazu im Off: "Zu einem Zeitpunkt wo die Ideale seiner Regierungszeit zerbrechen…(Blick auf den Vortragenden am Mikrofon)…von welchen Idealen sprechen wir hier? Natürlich von den Idealen des Sozialismus, wenn jedoch unter Sozialismus verstanden wird was Erich Honecker uns seinen alten Gefährten in der DDR praktiziert und organisiert haben, dann sind die Ideale schon lange verloren gegangen...(Kameraschwenk über den gefüllten Kirchenraum)...Ich blicke zurück, aber frage mich was kommt? Wir wissen, Egon Krenz ist unser neuer Generalsekretär (Gemurmel im Raum)...(Zoom auf Alexander mit Turle im Kirchenraum)...wird durch ihn etwas Neues in unserem Lande eingebracht? Wir sind jedenfalls präsent...(Umschnitt auf den Vortragenden)...Wir wissen das Strukturen in unserer sozialistischen Gesellschaftsordnung sich ändern müssen, sonst war es eben nur ein Wechsel einer Person. Uns ist sehr wohl bekannt das Egon Krenz als Vorsitzender der Wahlkommission, für die Art und Weise des Umgangs mit den Wahlresultaten verantwortlich ist...(Beifall im Kirchenraum)...Wir haben auch seine Äußerungen...(Blick auf Alexander neben Turle)...zu den Vorgängen ich China aufmerksam zur Kenntnis genommen...(Bravo Rufe und Beifall)...Wir werden jedenfalls, unabhängig von ihm, unsere Perestroika bekunden, unsere Arbeit im Neuen Forum fortsetzen". Kameraschwenk über die applaudierenden im Raum (halbtotal) (O-Ton). Umschnitt

01:10:15

Kameraschwenk über einen anderen gefüllten Kirchenraum voller Zuhörer (halbtotal) dazu im Off der Redner: "Die DDR-Führung scheint immer noch nicht zu begreifen das Willenserklärungen und Lippenbekenntnisse nicht mehr reichen, sondern das praktisch erfahrbare und sichtbare Änderungen gefragt und gefordert sind..". Beifall im Raum (halbtotal) (O-Ton). Umschnitt auf eine politische Veranstaltung im Freien (halbtotal) mit Rednerton im Off: "...die Errungenschaften durch die Wirtschaft, hier in der DDR... und die sozialen Errungenschaften sind aufs schärfste gefährdet...(Beifall)...Dann zu der Frage wie viele Menschen es bewegt. Was wollen die Sozialdemokraten, sie wollen eine Wiedervereinigung, nein, wir wollen nicht das die DDR als Konkursmasse von 40 Jahren realsozialistischer, oder real dahin vegetierendem Sozialismus an die Bundesrepublik fällt...(Beifall)...sondern wir wollen das konsequentere Reformen in beiden deutschen Staaten in den vereinigten Staaten von Europa, oder in dem europäischen Haus gleichberechtigte, gute Partner für alle anderen Staaten sind...". Beifall. Kameraschwenk über die Zuhörer vor einem Transparent "Alle Macht den Reformern" (halbtotal). Umschnitt auf eine Versammlung in einer Kirche (halbtotal) im Off dazu ein Redner: "...hier drinne in der Kirche, ihr wißt ja gar nicht wie es draußen aussieht möchte ich mal sagen...(Blick auf Alexander und Turle an einer Säule im Raum)...Der gesamte Weberplatz ist voller Menschen...(Kameraschwenk auf den Redner)...(Beifall im Kirchenraum)...Kameraschwenk zum Altarbereich (halbtotal). Umschnitt. Blick von oben auf die Menschen auf dem Weberplatz (halbtotal) im Off eine Durchsage: "...ich hab ja schon vorhin gesagt, um 14 Uhr auf dem "Platz der Nationen" und der Anlass ist, das wir diese Demonstration angemeldet haben als Neues Forum...(Umschnitt auf die Menschen vor der Kirche und auf dem Platz)...das wir dafür sind das die Artikel unserer Verfassung im Artikel 27 bis 29 verwirklicht werden...(Störer mit laufenden Motorradmotoren)... Das Recht auf Meinungsfreiheit, auch Pressefreiheit, auch Demonstrations- und Versammlungsfreiheit und die Freiheit vereinnahmen zu können. Mein persönlicher Wunsch ist, dass bei dieser Demonstration eigentlich auch an uns ablesbar ist dass wir in diesem Land leben wollen. Also, lassen sie sich was einfallen, das auch äußerlich sichtbar ist, das es uns wieder anfängt Spaß zu machen in diesem Land zu leben". Kameraschwenk über die applaudierenden Menschen in der Dunkelheit auf dem Weberplatz (halbtotal) (O-Ton). Umschnitt

1:12:50

Blick auf die Menschenmassen vor dem Brandenburger Tor auf dem Luisenplatz von Potsdam am 4. November 1989 (halbtotal). Blick auf ein Transparent "Für Demokratie. Nur mit SED + Stasi nie" (halbtotal). Kameraschwenk über die versammelten Menschen (halbtotal) dazu im Off ein Redner: "...vom Neues Forum begrüße ich euch ganz herzlich zu Beginn unserer Demonstration. Wir freuen uns über alle, über die Kinder und auch über die ganz Alten, über die Christen und Atheisten, Mitglieder der Parteien, Organisationen und Potsdamer Basisgruppen. Bürger Potsdams, wacht auf ...(Blick auf den Hausbalkon von wo aus der Redner spricht)...Wir gehen einen guten Weg...(Beifall brandet auf)...(Kameraschwenk über die applaudierenden Demonstranten)...im Off stimmt der Redner mit einer Gruppe auf dem Balkon das Arbeiterlied "Brüder zur Sonne zur Freiheit..." an. Kameraschwenk zum Balkon mit Transparent "Wir fordern: Artikel 27 Pressefreiheit, 28 Versammlungsfreiheit, 29 Recht auf Vereinigung" (halbtotal) (O-Ton) "Stopp, noch einmal". Kameraschwenk von den nochmals singenden Männern auf dem Balkon zu den mitsingenden Demonstranten auf dem Platz (halbtotal) (O-Ton). Umschnitt. Blick vom Balkon auf die Menschenmassen auf dem Luisenplatz mit Transparenten und Pappschildern (halbtotal). Im Off spricht eine Frau zu den Menschen: "Liebe Freundinnen und Freunde, wir sind zu dieser Demonstration zusammengekommen, damit die Artikel 27 bis 29 unserer Verfassung in unserem Land praktiziert werden. Jeder Bürger und jede Bürgerin der DDR hat das Recht den Grundsätzen dieser Verfassung gemäß seine Meinung frei und öffentlich zu äußern...(Kameraschwenk von oben über die Demonstranten)...Dieses Recht wird durch keinen Dienst- oder Arbeitsverhältnis beschränkt. Niemand darf benachteiligt werden wenn er von diesem Recht Gebrauch macht...". (Beifall auf dem Platz)...Umschnitt auf den applaudierenden Alexander auf dem Platz (halbtotal)..."Ich meine frei und öffentlich seine Meinung zu äußern muß geübt werden...(Rückwärtszoom von Alexander auf die anderen Demonstranten)...egal in welchen Lebensbereichen...". Umschnitt

1:15:20

Blick auf Alexander auf dem Platz (halbnah) (O-Ton) "Ich denke die Straße ist immer der Platz wo wir am meisten Druck ausüben können und ich meine das der Druck im Moment nicht nachlassen darf, damit die Wende, die eingesetzt hat, die Eigendynamik die sie inzwischen entwickelt hat, wirklich beibehält und wir können es nicht ein paar Leuten überlassen das jetzt fortzuführen, sondern daran müssen sich alle beteiligen. Ich denke da ist die Straße der richtige Ort dazu da seinen Willen zu bekunden und daran mitzuarbeiten (Umschnitt) Ich denke es ist, Befriedigung ist das Schlimmste was uns jetzt passieren kann, wir dürfen uns nicht damit zufrieden geben was uns bis jetzt zum Fraß vorgeworfen wurde, ein paar Brocken, sondern wir müssen da dranbleiben und mehr fordern. (Frage: Was?) Was? Ja, zum Beispiel das diese Verfassungsartikel, um die es hier heute geht, wirklich durchgesetzt werden, das keiner behindert wird in seiner Versammlungsfreiheit, oder in der Freiheit sich zu vereinigen, das es theoretische gegeben ist das muß wirklich durchgesetzt werden. Für ganz wichtig halte ich das freie Wahlen durchgeführt werden, so schnell wie möglich, denn wir können nicht bis 1991 warten damit, denn wenn sich die neue Führung Vertrauen erwerben will muß sie das mit freien Wahlen machen. Denn so lange die nicht passiert sind kann das Vertrauen nicht hergestellt werden". Umschnitt. Kameraschwenk vom Rednerbalkon über die große Demonstration (halbtotal) dazu im Off ein Redner: "Wir, das Volk der DDR haben uns nun das Verfassungsmäßige Recht auf Demonstration unter schwierigen Bedingungen, Anfeindungen und Kriminalisierungen erkämpft...(Umschnitt auf den Redner am Mikrofon auf dem Balkon)...Verbote stören uns nicht mehr, demonstrieren heißt...(Blick von unten auf den Redner auf dem Balkon)...einen Weg beschreiten, wir wollen ihn hier, in der DDR, gehen...(Kameraschwenk zu einem Balkon am Nebenhaus mit einem Transparent "Wir fordern: Ein neues Wahlgesetz - demokratische Wahlen")...nicht in der Bundesrepublik...(Beifall)...Das Misstrauen gegenüber unserer Führung teile ich, doch die grundlegende Änderung in diesem Land ist nicht der Wechsel von Honecker zu Krenz, sondern das wir unsere Veränderung, unser Mut, vertrauen wir auf unsere Kraft...". Beifall erklingt (O-Ton). Umschnitt auf den applaudierenden Alexander auf dem Platz (nah). Umschnitt. Kameraschwenk vom Balkon des Redners über die Menschenmenge (halbtotal). Umschnitt

01:18:25

Blick auf die Beine von Alexander bei einem Spaziergang im Park am 9. November 1989 ( halbtotal). Alexander kommt auf die Kamera zu (halbnah). Umschnitt auf das Eingangstor einer Kaserne der NVA (halbtotal). Ein Soldat schließt das große Stahltor (halbtotal). Umschnitt auf ein Schild an der Hauswand "Wehrkreis-Kommando Brandenburg" (halbnah). Blick über den Stacheldrahtzaun auf vergitterte Fenster an einem Kasernengebäude (halbtotal). Umschnitt auf Alexander vor der Kaserne (halbnah) (O-Ton) "Ich hab den Einberufungsbefehl abgegeben und ich bin also zurückgestellt vom Wehrdienst jetzt. Der Mensch hat mir gesagt das er am Montag mit einer Regelung rechnet, hat allerdings gemeint das der jetzige, also Leute die einberufen werden davon nicht mehr betroffen sein werden, und das es bei mir Probleme geben wird mit dem Studienanfang, aber das ist ja nicht das was mich im Moment schockt. Aber ansonsten ging es ohne Probleme". Frage aus dem Off: "Du willst dann in den zivilen Dienst gehen, oder?" Alexander "Ich will in den Zivildienst gehen, ich werd jetzt so schnell wie möglich wahrscheinlich in einem Behindertenheim anfangen zu arbeiten und das, sobald es eine gesetzliche Regelung gibt, mir als Zivildienst bestätigen lassen, also, mal sehen was draus wird. Also ich muß erst mal nicht zur Armee". Kameraschwenk vom Gesicht Alexanders auf das Eingangstor der Kaserne (halbtotal). Umschnitt. Kameragang an Kasernenmauern mit Stacheldraht vorbei (halbtotal). Umschnitt auf den zurück gehenden Alexander auf einem Feldweg neben der Kaserne (halbtotal). Umschnitt

1:20:55

Farbmaterial: DDR-TV-Sendung der "Aktuellen Kamera" vom 10. November 1989 mit Originalkommentar: Blick auf einen Grenzübergang der DDR (halbtotal) "Einen schönen guten Abend verehrte Zuschauer (Blick auf den Reporter Götz Förster) Ich bin am Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße, hier herrscht Gegenverkehr. Man geht nach wie vor nach Westberlin und man kommt aus Westberlin zurück (Blick auf ankommende PKW`s) Größeres Gepäck haben ich nirgendwo erkennen können, allenfalls bei denen die auf dem Weg nach Hause sind, die üblichen Einkaufsbeutel mit ein paar Kleinigkeiten die man in Kreuzberg oder Tiergarten, den beiden benachbarten Stadtbezirken Westberlins, erstanden hat. Diese neue, so völlig unbürokratische Reiseregelung, so überraschend sie gestern gekommen ist, so selbstverständlich wird sie heute bereits praktiziert (Blick auf Grenzbeamte bei den Fahrzeugkontrollen) Unter all denen die ich hier auf dem Rückweg sehe, ich kann nichts erkennen von Wehmut oder Trauer, allenfalls erhobene Häupter, aufrechter Gang, mündige Bürger die sich entschieden haben zurückzukehren. Heute Vormittag, am Grenzübergang Sonnenallee, war meine Kollegin Anett Wundrak". Umschnitt im Bericht. Kameragang an Hunderten von Trabbis auf der Straße vorbei (halbtotal) "Und das ist die Realität, hier die Grenzübergansstelle Sonnenallee im Stadtbezirk Treptow. Tausende sind direkt von den Meldestellen der Volkspolizei zur Grenzübergangsstelle gekommen, andere haben noch nicht einmal ein Visum im Personalausweis. (Blick auf die Regelung des Verkehrs an der Grenzstelle) Die hier freundlich und vor allem zügig abfertigen sind seit zwei Uhr Nachts auf den Beinen (Blick auf die Überprüfung der Papiere) Viele zusätzliche Kräfte sind im Einsatz um auch den starken Fußgängerverkehr (Einblendung) zu bewältigen. (Reporterin fragt Grenzgänger) "Darf ich mal stören? Das sieht ja hier aus wie ein Kollektivausflug?" Grenzgänger (halbnah) "Ja, war es auch...um halb sechs heute früh sind wir rüber und zwar vor der Schicht"... Umschnitt

1:22:55

Blick auf Alexander (ohne Schnauzbart) in seinem Zimmer am 17. März 1990 (halbnah) (O-Ton) "Ja, das Jahr war sehr bewegt, mit vielen Ängsten zunächst, Hoffnungslosigkeit, das ging eigentlich mit der Wahl im letzten Jahr los, wo auch nicht klar war, bleibe ich oder gehe ich, und dann, ja es war so, wenn ich morgens mit der Straßenbahn zur Schule gefahren bin und hab mir die Leute angesehen, da wurde diese Hoffnungslosigkeit noch verstärkt, weil ich gesehen habe mit diesen Leuten ist nichts zu machen, da wird sich nie was ändern. Und dann, als diese Hoffnungslosigkeit eigentlich ins Extreme gestiegen war, kam der Umbruch, Oktober, die große Hoffnung. Ich hab gesehen, ich hab mich geirrt, mit den Leuten ist doch was zu machen. Dieser Ruf "Wir sind das Volk", alle waren stolz, mit einem mal dachte man, ja, hier läßt sich was auf die Beine stellen, hier kann man was schaffen in diesem Land. Aber nachdem das jetzt alles so umgekippt ist, nachdem diese friedliche Revolution enteignet wird von Leuten die nicht daran Teil hatten, merke ich dass ich mit dem Gefühl, mit den Leuten ist nichts zu machen, recht hatte. Wenn sie "Freiheit" rufen meinen sie "D-Mark und Marlboro" und das was eigentlich zu Anfang dahinter stand, das man wirklich versuchen wollte eine Alternative zu schaffen, sowohl zu dem was wir 40 Jahre lang hier hatten als auch zu dem was zu dem westlichen System, darum geht es überhaupt nicht mehr. Die Leute die zu Anfang auf die Straße gegangen sind, sind inzwischen nicht mehr zu sehen, haben sich wieder verkrochen oder müssen sich wieder verkriechen, weil sie genau so wieder die Dummen sind wie sie es vorher waren, sie sing genau so wieder in der Opposition und aus dem Ruf "Wir sind das Volk", der so stolz klang, ist der Ruf "Wir sind ein Volk" geworden und, ja, die Ziele sind ganz andere geworden, leider. Diese Vision eines deutschen Vaterlandes, eines Gesamtdeutschen, erschreckt mich eigentlich, weil die Freiheit die wir gewonnen hatten geben wir damit sofort wieder auf, wir verkaufen uns jetzt wegen D-Mark und Mallorca, Marlboro und Golf. Eigentlich traurig dass man inzwischen nicht mehr stolz sein kann ein DDR-Bürger zu sein, was man eine Zeitlang konnte. Abblendung.

1:26:05

Nachspann: Ein Defa-Dokumentarfilm. Stabangaben mit Rolltitel: Regie Kurt Tetzlaff. Produktion Achim Sigmund. Kamera Andreas Bergmann, Achim Sommer, Jürgen Voigt. Ton Lutz Laschet, Rainer Pape, Hartmut Haase, Ernst-Dietmar Falkenthal. Dramaturgie Eckhard Mieder. Buch Kurt Tetzlaff und Hans Dieter Rutsch. 1990. Abblendung

1:26:30 ENDE

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