Mieterbund in der DDR
33:21 Min., Farbe
Deutschland
Cintec Film- und Fernsehproduktionsgesellschaft mbH, 1990
- Film-/Videoformat
- U-Matic
Kurzinhalt (Deutsch)
Dieses Material zeigt Aufnahmen von einer Versammlung im Haus der Demokratie, bei der sich eine Plattform zur Gründung des Mieterbundes konstituiert hat. Es werden Aufnahmen von Ansprachen und Interviews zum Thema Mieterbund gezeigt sowie Statements von DDR-Bürgern, die von ihren Unsicherheiten bezüglich der Überführung der Wohnungswirtschaft in die Marktwirtschaft der DDR berichten.
Filmstab
- Kamera
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- Helga Behr-Schurter
- Ton
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- C. Finkbeiner
- Redaktion
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- André Zalbertus
- Person, primär
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- Arne Fellien
- Heinz Schlich
Langinhalt
C1/0754:
Haus der Demokratie, innen (am Anfang ohne Ton):
Leute sitzen an Tischen; Mann nah; Mann legt kleine Informationsbroschüren auf einen Stapel, rückt den Stapel zurecht; Männer unterhalten sich; Zoom auf Informationsbroschüren und Aufkleber "DMB", die auf dem Tisch liegen; Aufzieher auf Männer im Gespräch;
Leute sitzen an Tischen; Mann macht Notizen; Frau beobachtet Mann beim Schreiben;
Hände halten Informationsbroschüre zum Mieterbund nah, Schriftzug auf Rückseite "Ja, ich möchte gerne";
Aufzieher auf Männer im Gespräch (am Tisch sitzend);
ab hier mit Ton:
Männer sitzen am Tisch, lesen sich Broschüre durch;
Hände halten Informationsbroschüre nah; Schriftzug "Nicht warten bis es zu spät ist!";
Männer OH betrachten Informationsheft; Zoom auf Informationsheft des "DMB"; Hände nah
Mann nah; Aufzieher auf Männer am Tisch;
Interview mit Dr. Arne Fellien;
Fellien OT zur Frage, ob man in der DDR jetzt Ärger mit den Wohnungen habe/ Mieterschutzbund: "Höchstens, wenn man sie rekonstruieren möchte/ sanieren/ mehr Ärger gibt es im Moment noch nicht/ Mieterschutzbund, wenn man so will, heute wäre er noch verfrüht, aber wir können ja die Zeichen der Zeit absehen/ wir führen die Marktwirtschaft ein und wir wollen sehen, ob sie sozial ist/ wollen hoffen, dass sie sozial abgefedert wird/ Mieterbund wäre sozusagen eine Kraft, die die Möglichkeit hätte, auf die Gesetzgebung, aber auch auf die Ausarbeitung der zukünftigen Verfassung Einfluss zu nehmen/ zukünftige Verfassung des gemeinsamen deutschen Staates/ eine solche gemeinsame Verfassung müsste natürlich auch Rechte enthalten, die in der DDR schon gegeben sind/ in der Bundesrepublik so nicht gegeben sind/ ob sich das so ohne Weiteres machen lässt kann man im Moment nicht beurteilen/ bin kein Jurist, bin auch kein Staatswissenschaftler, bin Informatiker.";
Fellien OT zu Unsicherheiten bei DDR-Bürger/ Westberliner wollen alte Grundstücke zurück: "Es gibt schon lange in der DDR Privateigentum an Häusern, wenn wir die Gesetze beibehalten, die wir im Moment haben, dann hätten die Mieter nach wie vor keine Probleme, auch dann, wenn die Häuser wieder in Besitz derer übergehen, die drüben schon dafür teilweise entschädigt worden sind/ auf der anderen Seite ist es so, wir gehen nicht davon aus, dass diese alten Gesetze so bestehen bleiben/ wir haben gesehen, wie die Innenstädte verfallen sind, wie die Altstädte verfallen sind und das darf so nicht weitergehen/ ich kann mir vorstellen- ich kann ja nicht für den Mieterbund sprechen, der noch nicht existiert- ich persönlich kann mir vorstellen, dass wir zu kostendeckenden Mieten übergehen/ Mieten, die die Kosten decken, die laufend entstehen und nicht die Erstellungskosten.";
Fellien OT zur Frage, ob die Mieten in Ostberlin bald so hoch sein werden, wie in Westberlin: "Kann ich nicht beurteilen/ hoffe nicht.";
Fellien OT zur Frage, ob in Zukunft die DDR-Bürger auch mit Ärger zu rechnen haben/ vorher keine Probleme mit Wohnungen: "Stimmt nicht ganz/ hatten andere Art von Ärger/ Ärger mit der KWV (Kommunale Wohnungsverwaltung) als Verwalter/ KWV hatte nicht die Mittel um das zu tun in den Häuser und Wohnungen, was notwendig war, um einen Mindeststandard zu erreichen/ betrifft nicht so sehr die Neubauten/ ansonsten hatten sie natürlich weniger Ärger als drüben/ nur denke ich, dass der Ärger sich dann demnächst einstellt, wenn Leute versuchen, Mieten unverhältnismäßig hoch zu treiben/ gehen davon aus, dass die Mietfrage eine zentrale Frage ist....";
Fellien OT zu den Reaktionen aus der Bevölkerung: "Wir kriegen leider ungeheuer viele Anrufe/ grenzt schon an Terror/ im Moment haben wir keine Möglichkeit jemanden unmittelbar zu helfen/ haben keine Büros, keine Juristen, keine Ökonomen...haben heute noch nicht mal Räume/ hoffe, dass ich im Laufe der Veranstaltung noch einen Raum in der Tschaikowskistraße kriege, wo auch ein Telefon steht....";
Korb auf Tisch; Schwenk auf Mann OH; Männer OH;
Mann OT zur Frage, warum er die Veranstaltung besucht: "Um unsere Rechte durchzusetzen/ müssen in letzter Zeit verstärkt feststellen, dass westliche Bürger unsere Grundstücke betreten/ ungefragt/ wollen ihr Eigentum, das sie früher mal besessen haben wieder sichern/ aus diesem Grunde bin ich hier, um das zu verhindern/ wir haben 40 Jahre, ich habe in den letzten 17 Jahren gebaut, habe ein solches Grundstück übernommen, mit ca. 100 000 Mark ausgebaut und neulich ist aus Westberlin eine Erbin angetreten, die ist ohne zu fragen über unser Grundstück gegangen/ hat es von allen Seiten fotografiert/ hat festgestellt, dass es ihr sehr gut gefällt/ anschließend bin ich zum Liegenschaftsdienst gefahren, weil ich viele solcher Leute in meiner Nachbarschaft erlebt habe und musste feststellen, dass diese Bürgerin bereits Erbansprüche beim Liegenschaftsdienst in Potsdam angemeldet hat/ meine Frage dazu: Wie sicher bin ich?/ solange die DDR existiert bin ich sicher/ wissen ja, wir gehen mit Riesenschritten - nageln wir zusammen- wir wachsen ja nicht zusammen/ müssen erst mal komplett unsere Rechte verteidigen/ wir nicht die neuen Vertriebenen werden...";
Mann OT zur Frage, ob er ein Gefühl der Angst habe: "Angst habe ich keine/ was kann mir passieren?/ man kann es mir wegnehmen, aber da muss erst mal einer kommen, der es kriegt/ habe seit 1953 ein Pachtgrundstück, habe das bewohnt...und ich werde alle Mittel einsetzen, egal wer da kommt, dass er es nicht bekommt.";
Mann OT: "Es gibt Angst/ meine Frau heult seit einer Woche/ gibt sogar welche, die sich mit Selbstmordgedanken tragen/ ihr ganzes Lebenswerk/ manch einer hat ja jahrelang keinen Urlaub gemacht/ haben ihr Leben da rein gesteckt/ ist für manche an der Stelle jetzt das Leben zu Ende.";
Mann OH; Mann nickt zustimmend; Mann nickend (nachgestellt);
Frau liest sich Zettel durch;
Frau OT zur Frage, warum sie zur Veranstaltung gekommen ist: "Möchte mich informieren/ viel Unsicherheit in der Bevölkerung/ habe noch keine Vorstellung, was sich hier tun wird.";
Mann OT zur Frage, warum er zur Veranstaltung gekommen ist: "Möchte vor allem erst einmal Informationen sammeln über die recht unklare Rechtssituation auf diesem Gebiet/ ich wohne in einem Altbau/ Straße mit überwiegend Altbauten/ große Verunsicherung hinsichtlich anstehender Mieterhöhung/ hinsichtlich anstehender eventueller Erbansprüche von Bürgern aus Westberlin/ sehr wichtig ersten Anfang zu machen/ Rechtslage zu klären/ Solidargefühl zu entwickeln/ organisatorische Basis zu finden.";
Mann OT zur Frage, ob DDR-Bürger Angst um ihre Wohnungen haben: "Kann ich so nicht sagen/ auf jeden Fall große Verunsicherung/ vor allem bei den älteren DDR-Bürgern, die die Zustände vor 1949 noch erlebt und einschlägige Erfahrungen haben/ gibt schon Angst/ mehr Verunsicherung...";
Frau in Gespräch vertieft; Männer OH am Tisch;
Mann OT zur Frage, warum er zur Veranstaltung gekommen ist: "Wir haben einen riesigen Handlungsbedarf würde ich mal sagen/ beweist hier das Umfeld/ man kann die Probleme gar nicht so schnell fassen/ betrifft ja nicht bloß die Datsche-Besitzer/ betrifft vor allen Dingen die älteren Bürger/ selbst wenn sie in KWV-Wohnungen wohnen, auch dort werden sich in absehbarer Zeit die Probleme häufen/ brauchen Schutz/ müssen uns verbünden/ müssen sehr schnell handlungsfähig werden/ organisationsfähig werden/ Einfluss auf die Politik nehmen/ Parteien müssen sich bekennen zu diesen Problemen/ vor der Wahl.";
Mann OT zu seinem Problem: "In meiner Wohnung habe ich noch gar kein Problem/ habe eine Datsche/ berührt mich eigentlich auch nicht/ war vielleicht der Aufhänger mich zu engagieren/ wir müssen was tun/ das ist eigentlich mein Problem/ wenn wir nichts tun, dann sehe ich das, dass wir ganz schnell sozial abrutschen.";
Mann OT zur Frage, ob DDR-Bürger Angst haben, dass Westberliner Grundstücke zurück haben wollen: "Angst sicherlich/ gibt aber auch Hoffnung sich dagegen zu wehren oder vernünftig zu einigen/ ist letzten Endes eine politische Frage/ ist nicht nur eine Frage, die den einzelnen Bürger betrifft/ sieht nicht sehr optimistisch aus...";
Männer OH sitzen am Tisch; Raum ist voll besetzt; viele Leute müssen stehen; Schwenk über vollbesetzten Raum, verschiedene Einstellungen;
Plakat an Wand mit Schriftzug "Initiative Mieterbund...";
Mann nah; Aufzieher auf Teilnehmer; verschiedene Aufnahmen von den Veranstaltungsteilnehmern; Broschüren werden durchgegeben;
zuhörende Teilnehmer;
Schwenk auf Rednerpult; Fellien am Rednerpult WA;
Ansprache Fellien; Fellien OT: "...in gewisser Weise fälschlich die Gründung des Mieterbundes genannt wird/ Gründung kann erst stattfinden/ heute konstituiert sich erst eine Plattform zur Gründung des Mieterbundes/ Gründungshandlungen sind erst noch zu vollziehen/ mein Name ist Arne Fellien/ bin Vorsitzender des Sprecherrates der Bürgerinitiative für Stadterneuerung von Berlin/ sind 8-9 Initiativen/ wurde von verschiedenen Seiten geradezu gedrängt, eine Veranstaltung zu organisieren, die als konstituierende Veranstaltung für einen Mieterbund der DDR...";
Plakat an Wand mit Schriftzug "Initiative Mieterbund der DDR- Berlin, 14. Februar 1990";
Fellien (NiB) begrüßt diverse Personen; Ausschnitt Plakat mit Schriftzug "Initiative Mieterbund der DDR- Berlin, 14. Februar 1990" GA;
Schwenk über Plakat;
Frau am Rednerpult; Frau OT zu Unterschriftensammlung
C1/0755:
Haus der Demokratie, innen: Fortsetzung der Versammlung der Initiative Mieterbund der DDR;
Frau am Rednerpult; Frau OT zu den Forderungen: "...die Probleme des Mieterschutzes, vor allem die Frage der Wiederinbesitznahme von Mietshäusern durch Eigentümer aus der BRD, von der Regierung zu berücksichtigen und in ihrem Entscheidungsprozess einzubeziehen/ verstärkte Einbeziehung der betroffenen Bürger in das Gesetzgebungsverfahren während der Amtszeit der geschäftsführenden Regierung und nach dem 18.03.1990/ gilt insbesondere für Abkommen mit der BRD, Gesetze sowie Verordnungen zu dieser Thematik, die Auswirkungen über die Amtszeit der amtierenden Regierung hinaus haben/ öffentliche Stellungnahme der Regierung zu dieser Problematik/ da es uns alle betrifft würde ich vorschlagen, dass sie eventuell noch ihre Unterschrift darunter setzen...";
Aufzieher auf Raum; Plakat an Wand mit Schriftzug "Initiative Mieterbund der DDR- Berlin, 14. Februar 1990";
Schwenk auf Rednerpult; Zoom auf nächsten Redner; Günther Hanisch OT: "...bin Bürger von Pankow-Niederschönhausen/ Invalidenrentner/ habe mich aufgrund meiner Berufstätigkeit in der Berliner Bauindustrie..Erfahrung in der Wohnungspolitik... zur Verfügung gestellt, um auch aus eigenen sozialen Interessen heraus, möchte ich sagen, dass, was unsere DDR-Bürger sich in 40 Jahren geschaffen haben, teilweise mit sehr viel Verzicht, mit sehr viel Aufwand, mit sehr viel Arbeit...auch für unsere Bürger zu erhalten...";
Aufnahmen von den Teilnehmer, verschiedene Einstellungen; Schwenk über den voll besetzen Raum; Foto an der Wand GA; Aufzieher auf Raum; Schwenk über Raum; diverse Nahaufnahmen von den Teilnehmern;
Mütze liegt auf Mappe GA; Informationsbroschüre liegt auf Mütze GA; Aufwärtsschwenk auf Mann OH; Abwärtsschwenk auf Mütze mit Informationsbroschüre;
Mann am Rednerpult;
Mann OT: "...die wir auf dem Soziologenkongress in der vorherigen Woche mit einigen der Freunde des Mieterverbandes diskutiert haben zu Problemen der Mietsreform, die unseres Erachtens in die Öffentlichkeit gehören, weil wir das Gefühl haben, viele Äußerungen führender Politiker kamen sehr lachs über die Bühne in unseren Massenmedien und zeugten zum Teil nur von partieller Sachkenntnis, deswegen mal fünf Punkte eines Kreises von Wissenschaftskollegen aus verschiedenen Soziologieinstituten...zu Problemen der Mietsreform/ Punkt Nummer eins: Wir müssen in der Öffentlichkeit klar machen, dass die Wohnungsfrage nach wie vor das erstrangige soziale Problem ist/ zwei Eckpfeiler der Lebensqualität sind für jeden Einzelnen von existenzieller Natur: Arbeit und Wohnung/ gerade in einer solchen Zeit, wo ein weitreichender Strukturwandel des gesellschaftlichen Arbeitsvermögens....";
Mann am Rednerpult; Mann OT: "..Wohnung wird zu einer Ware...";
ab hier kein Ton:
Plakat an Wand mit Schriftzug "Initiative Mieterbund der DDR- Berlin, 14. Februar 1990";
Aufzieher auf voll besetzen Raum (Blick von oben);
Zoom auf Plakat an der Wand mit Schriftzug "Initiative Mieterbund der DDR- Berlin, 14. Februar 1990";
Aufzieher auf Raum; Schwenk über den voll besetzen Raum, verschiedene Einstellungen;
Interview mit Dr. Heinz Schlich (Deutscher Mieterschutzbund Köln) zur Lage der DDR-Mieter;
Dr. Schlich OT zum ersten Eindruck: "Ich glaube die große Zahl der Anwesenden beweist, dass auch hier in der DDR erkannt wird, dass die Mieter dringend eine Lobby brauchen/ hier große Sorgen und Ängste bestehen über die künftige Entwicklung, die sich durch die Überführung der Wohnungswirtschaft in die Marktwirtschaft hier in der DDR ergeben wird.";
Dr. Schlich OT zu soziale Marktwirtschaft-Wohnungen: "Bei Wohnungen gibt es in der Tat das Problem, dass viele Menschen die Sorge haben, dass dieser Kündigungsschutz, den man hier jetzt hat, gefährdet wird/ Mieten stark steigen werden und einige Spekulanten aus der Bundesrepublik, die hier bereits antanzen und den Mietern auf das Fell rücken beweisen, dass die Sorge sicher nicht unbegründet ist.";
Dr. Schlicht OT zur Zukunft: "Ich gehe davon aus, dass die Mieten, die hier natürlich noch im Moment paradiesisch niedrig sind und zum Teil den schlechten Wohnungszustand hervorgerufen haben, angehoben werden/ geht nur darum, dass es in einem sozial-verträglichen Maße geschieht, damit in keinem Falle Menschen aus ihrer Wohnung verdrängt werden.";
Dr. Schlicht OT zu den westdeutschen Vermietern/ Inbesitznahme alter Grundstücke: "Sie sollten sich anständig benehmen und sie sollten erkennen, dass es doch hier angeblich um die Brüder und Schwestern im Osten geht, die man eigentlich nicht über den Tisch ziehen sollte."