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Essay über ein Fischweib oder Min Herzing

Regie: Uwe Belz, 15 Min., Farbe, Dokumentarfilm
Deutsche Demokratische Republik (DDR)
1974

Film-/Videoformat
35 mm
Länge in m
409
Sonstiger Titel
Min Herzing
Englischer Titel
Min Herzing or Essay on a Fishwoman
Anlaufdatum

Kurzinhalt (Deutsch)

Dieser sehenswerte Farb-Dokumentarfilm berichtet über den letzten Arbeitstag der 72-jährigen Warnemünder Fischverkäuferin Hedwig Anke. Lebensfroh, dynamisch und schlagfertig erzählt sie mit einfachen Worten ganz offen, so wie es die Symbolfigur "Min Herzing" auch machen würde, über ihre Erlebnisse eines langen Lebens als, wie sich selbst nannte, "Fischweib". Für die Einheimischen war Hedwig Anke immer eine „Min Herzing“, sie konnte sich unter den gesellschaftlichen Verhältnissen der DDR erlauben, kritischer und direkter zu sein als andere Menschen. Mit beeindruckenden Bildern werden die Erzählungen von Hedwig Anke unterlegt, Privatfotos ergänzen die Jahrzehnte und zeigen das Leben der Fischer und "Fischweiber" in Warnemünde und Rostock. Mit 72 Jahren muss sie aus gesundheitlichen Gründen ihren geliebten Beruf aufgeben, das letzte Fischweib geht und hinterlässt eine große Lücke im norddeutschen Raum.

Filmstill zu "Essay über ein Fischweib oder Min Herzing"

(R: Uwe Belz, 1974) Fotograf: Georg Kilian

Filmstill zu "Essay über ein Fischweib oder Min Herzing"

(R: Uwe Belz, 1974)

Filmstab

Regie
  • Uwe Belz
Drehbuch
  • Uwe Belz
  • Georg Kilian
Kamera
  • Georg Kilian
Schnitt
  • Bärbel Hoffmann
Dramaturgie
  • Uwe Belz
Ton
  • Gerhard Gartenbach
Produktionsleitung
  • Franz B. Romanowski
Gestaltung
  • Jürgen Bahr (Trick)
Person, primär
  • Hedwig Anke
Person, sekundär
  • Margot Thielk

Kurzinhalt (Englisch)

The last day of work for a 72-year-old fisherwoman and fish seller from Warnemünde. Amid congratulatory gestures and toastes, she tells her life story.

 

(Quelle: Tell me the story of your life. East German Film Biographies)

Langinhalt

0:00:00

Blick (aus der Froschperspektive) auf einfahrenden Schiffe auf der Ostsee (halbtotal). Umschnitt auf den Strandbereich von Warnemünde mit dem Interhotel "Neptun" (halbtotal). Umschnitt auf den Hafen von Warnemünde (halbtotal). Leuchtturm und "Teepott" in Warnemünde (halbtotal). Fahraufnahme an Fischkuttern im Warnemünder Hafen vorbei (halbtotal). Umschnitt auf Likör trinkende Frauen (halbnah) (O-Ton) "Prost, auf den letzten Tag". Titeleinblendung "Essay über ein Fischweib, oder MIN HERZING". Ein Film des DEFA-Studios für Kurzfilme DDR © 1974. Umschnitt

0:00:40

Blick auf die lachende Hedwig Anke in ihrem Wohnzimmer (halbnah) (O-Ton) "Fischfrau, viele sagen Fischweiber". Stabeinblendungen: Gestaltet von Uwe Belz; Georg Kilian; Franz Romanowski; Gerhardt Gartenbach; Bärbel Hoffmann; Jürgen Bahr; Jochem Härtel". Umschnitt auf die Fischverkäuferin Hedwig Anke auf dem Markt von Warnemünde (halbnah) (O-Ton). Hedwig im Wohnzimmer erzählt aus ihrem Leben (halbnah) (O-Ton) "Wie ich 15 war da wurde ich konfirmiert, an zwei Tagen konnte ich spazieren gehen mit den Jungs aus der Konditorei...(Fotoeinblendung der jungen Hedwig)...und dann hieß es du mußt arbeiten, komm mit nach den Fischen...(Zoom auf das Jugendbild von Hedwig)...dann habe ich zwei Jahre lang gefischt, von 1917 bis 1919, genau wie ein Mann. Mit einem kleinen Kutter wie sie früher waren...,so, und dann nach 2 Jahren war mein Bruder ein bisschen älter, und dann mußte der da mit raus. Dann habe ich Schneidern gelernt und so, und dann habe ich meinen Mann kennen gelernt...(Fotoeinblendung des jungen Paares)...und dann habe ich mit 19 geheiratet ganz schön, 1921 hab ich geheiratet. So, und denn habe ich meinem Vater so ein bisschen geholfen, und das wurd mir über, dann kamen die ganzen Fischer zu meinem Vater und wollten die ganzen Fische für nach Rostock haben. Da hab ich gesagt, Vati, was die können das kann ich auch, ich fahr auch nach Rostock. Und dann bin ich angefangen mit ner Trage mit zwei Körbe, Rostock in den Zug, immer morgens rein mit zwei Körben voller Fisch...und dann bin ich zu den feinen Häusern am Bahnhof gegangen und in die Villas. Das habe ich vier Wochen gemacht und dann habe ich gesagt, ne, das haut nicht hin, du mußt zum Markt. Dort kann ich doch mehr verkaufen als bloß zwei Körbe. Dann habe ich mich auf den Markt gesetzt, da war ich die allerjüngste, da mich alle ein bisschen schief angeguckt. Oh, so eine junge können wir hier nicht gebrauchen, das waren alles schon ältere. So, und dann ging es immer weiter und immer weiter". Umschnitt

0:03:15

Fischverkäuferin Hedwig Anke auf dem Markt (halbnah) (O-Ton) "Komm, wir legen da noch etwas drauf...min Herzing". Umschnitt auf Hedwig in ihrer Wohnung (halbnah) (O-Ton) "Min Herzing, das habe ich schon früher gesagt für jeden, weil ich keinen Namen kannte...und dann kam mal ein ganz schicker Herr, und zu dem sage ich auch min Herzing...und am nächsten Tag kam er zu mir in Uniform und er sagte ich brauche keine Angst zu haben, er habe sich gefreut das ich ihn min Herzing genannt habe, das sagt nicht einmal meine Frau". Umschnitt auf den Verkaufsstand von Hedwig Anke auf dem Markt von Warnemünde (halbtotal) (O-Ton). Eine Kundin bedankt sich mit einem Blumenstrauß bei Hedwig (halbnah) (O-Ton). Hedwig diskutiert mit Kundinnen über das überreichte und von ihr verlangte Geld für den Fischkauf (halbnah) (O-Ton) "Du machst mich ganz tüttelig, sie hat mir eben das Geld gegeben, du hast mir 50 Mark gegeben...". Umschnitt

0:05:00

Hedwig Anke erzählt in ihrer Wohnung weiter (halbnah) (O-Ton) "Ne, keine Zeit gehabt, immer nur gehandelt mit Fischen, ha, ha...". Umschnitt auf Hedwig auf einer Bank im Hafenbereich (halbnah) (O-Ton) "Ich hab mir so viel vorgenommen, ich wollte erst auf dem Markt stehen und dann wollte ich jeden Mittag zu Hause, weil die so viel Fische reingebracht haben in einem großen Lastkahn, jeden Tag 20 Kisten Hering genommen, aber leider durch meine Krankheit ist es nichts geworden...Nimm dir nichts vor, dann schlägt dir nichts fehl". Umschnitt auf Hedwig in ihrem Strandkorb im Garten (halbnah) (O-Ton) "Ein Erlebnis war das ich immer gesund war, und dann kam es mit einem Mal, wenn man ewig gesund ist und plötzlich krank, das ist furchtbar, dann denkt man gleich an sterben. Ich hab gedacht ich muß sterben, aber ich bin ja wieder raus gekommen". Umschnitt auf Hedwig Anke in ihrem Wohnzimmer (halbnah) (O-Ton) "Nachbarn, ja, bin ich für, aber dennoch geh ich nicht nackt hin. Ich zieh mein Bademantel über und gehe rüber, dann bade ich und komme wieder. Dort sind tausende Menschen, da geh ich lieber in den Garten, hab meinen Strandkorb im Garten. Und so geh ich jeden Tag baden mit Bademantel, Nacktkultur muß ich erst laufen. Bin auch zu alt, nackt muß man jung und schön sein". Umschnitt auf Hedwig in ihren Strandkorb (halbnah) (O-Ton) "80 oder 82 möchte ich doch werden, meine Mutter ist 90 geworden...die sterben doch alle um die 70, da muß man jeden Tag mit rechnen das man hopps geht, aber ich will noch nicht hopps gehen". Umschnitt

0:06:45

Kunden, Freunde und Stadtbedienstete singen dem Fischweib Hedwig Anke ein Ständchen zum Abschied auf dem Marktplatz (halbtotal) (O-Ton) "Hoch soll sie leben, hoch soll sie leben, dreimal hoch". Schwenk über Hedwig Anke Inmitten der singenden Menschen (halbtotal). Reporter fragt Hedwig im Off "Wie viel Jahre verkaufen Sie schon Fisch"? Hedwig (halbnah) (O-Ton) 52 Jahre, aber nicht immer hier, davon 22 Jahre in Rostock, immer hin und her mit der Bahn gejuckelt. Ich bin 72, siehst du, ne, 74, ne, 72 und 52 Jahre Fischverkäuferin, du machst mich ganz hibbelig". Fotoeinblendung der Eltern von Hedwig Anke mit ihrem Bruder in einem Strandkorb (nah). Zoom auf die Gesichter auf dem Foto (nah). Hedwig im Off: "Das war meine Mutter mit meinem Vater, früher die Strandkörbe schon, nech. So gingen die früher spazieren wenn die an den Strand gingen. Und hier ist noch der olle "Teepott"...(Fotoeinblendung)...mit dem Leuchtturm und das ist mein Mann...(Fotoeinblendung)...den ich geheiratet habe damals, meinen Freund, so habe ich ihn kennen gelernt, und da sind wir verlobt...(Fotoeinblendung)...und da sind wir verheiratet...(Fotoeinblendung des Brautpaares)...das Hochzeitsbild, und da sind wir spazieren gegangen...(Fotoeinblendung)...und das sind 3 Fischer mit denen ich konfirmiert bin...(Fotoeinblendung mit Zoom auf die Gesichter)...alle drei sind ertrunken. Gucken sie mal hier, hier ist das Rathaus...(Fotoeinblendung mit der Fischverkäuferin)...hier haben die 10 Tage gesessen, dann haben wir...(Fotoeinblendung)...10 Tage hier gesessen. Hier hatte ich Geburtstag vor dem Rathaus...(Fotoeinblendung)...und da kriegte ich immer so viel Blumen...". Weitere historische Fotos aus den 30er Jahren werden eingeblendet von der Fischverkäuferin und ihren Kolleginnen (nah). Im Off dazu: "Da war ich noch jung und schön, da hatten wir alle die Kiepen noch auf, und das ist der 1. Mai...(Gruppenbild-Einblendung)...und hier sind alle unsere alten Fischer zu sehen (Zoom) die sind alle tot...(Schwenk über die Personen auf dem Gruppenfoto)...auch die Frauen alle mit den Fischerhüten sind zu sehen, und da bin ich...das ist das Bild, ist das nicht schön? Das ist eine schöne Erinnerung...". Umschnitt

0:09:15

Fahraufnahme vom Meer aus am Strand von Warnemünde vorbei mit Blick auf den Leuchtturm mit Teepott (halbtotal). Schwenk über den Strandbereich bis zum Hochhaus des Interhotels "Neptun". Hedwig Anke im Off dazu: "Warnemünde war ja ein kleines Fischerdorf, ein ganz kleines Fischerdorf, der 1. Badegast ist gekommen 1890, das war ein Förster aus Mecklenburg...(Filmeinblendung der spazierenden Hedwig am Strand)...und das wurd nachher immer mehr, immer mehr und immer größer. Immer mehr Gäste kamen, und dann kam nachher der 1. Teepott, dann der andere...(Filmeinblendung)...Teepott, dann kam das Hotel Neptun...(Filmeinblendung der Fassade)...die wunderbare Promenade, ein Gedicht, alles ganz einmalig...(Filmeinblendung der Warnemünder Promenade)...dann die große Schwimmhalle mit dem Neptun. Also das ist überhaupt kein Vergleich, kann man gar nicht erzählen wie sich das raus gemacht hat, das war direkt gigantisch". Umschnitt. Hedwig Anke unterhält sich mit Frauen auf einer Bank im Hafenbereich (halbnah). Blick (von der Ostsee) auf den Hafenbereich (halbtotal). Blick auf die Warnowwerft (halbtotal). Fahraufnahme durch den Hafenbereich (halbtotal). Umschnitt

0:10:40

Historische schwarz-weiß Filmaufnahmen zum Ausbau des Warnemünder Hafens (halbtotal). Arbeiter leeren Güterzüge mit Kiesel- und Basaltsteinen (halbtotal). Hafenmole wird aufgeschüttet (halbtotal). Fahrrinne wird mit einem Bagger tiefer gelegt (halbtotal). Blick auf die gefüllten Baggerschaufeln (halbtotal). Ende des historischen Filmteils. Hedwig erzählt dazu im Off: "...Und deswegen bin ich auch so früh zum Markt gegangen, das hätte ich ja gar nicht brauchen, nur wegen den Werftarbeitern, die von der Nachtschicht kamen haben sich schon was mitgenommen um sechs, und die hingingen haben sich was mitgenommen, die Netze aus dem Fenster gehangen, dann haben sie Nachmittags wenn sie nach Hause kamen Fisch, und der Fisch muß frisch sein...". Fahraufnahme durch den Hafen mit Blick auf Fischkutter (halbtotal). Hedwig Anke trinkt einen Likör im Kreise ihrer Kunden und Freunde (halbnah) (O-Ton) "Prost...auf einem Bein können wir nicht stehen, ich möchte noch einen haben".

0:11:30

Umschnitt auf Hedwig im Wohnzimmer (halbnah) (O-Ton) "...wir hatten keine Fische und dann ging ich zum Friseur, es war Sturm, dann ging ich zu Oma essen, und da kommt mir Polizei entgegen, und da sag ich zu ihm, min Herzing was willst du denn hier, du gehörst nicht in unsere Gegend. Ja sagte er, ich such dich...komm mal mit zur Polizei, die wollen dich was fragen, dann komm mal gleich mit mir. Und da kassieren die mich gleich ein, und warum, wir hatten immer so wenig Fisch, wir kriegte immer ganz wenig, zwei- bis drei Kisten Fisch, wir waren morgens und 8 schon immer fertig. Die Leute haben gejammert und gejammert und hat uns einer angezeigt weil wir über einen anderen Fischer noch Fisch bekamen um unsere Kundschaft zu halten. So, dann waren wir 4 Monate im Knast, ich nicht mehr nach Hause gekommen, meine Oma wußte von nichts und wußte nicht wo ich war, sich mußte 4 Monate bleiben und das war ganz furchtbar für mich. Aber man muß mal alles mit durchmachen, ich hab da arbeiten müssen, hab tüchtig gearbeitet da...so, aber in den Knast hätte halb Warnemünde rein müssen, die haben alle Fische gehamstert im Jahre 1958, jeder hat sich welche vom Fischer geholt und jeder Fischer hat welche mit an Land genommen, und so haben wir das auch gemacht und uns nichts dabei gedacht. So, und ich mußte darunter leiden, mein Fisch und ich, so war das". Umschnitt

0:13:10

Stadtrat übergibt Hedwig Anke einen großen Blumenstrauß (halbnah) (O-Ton) "Im Auftrag des Oberbürgermeisters und des Rates der Stadt soll ich Ihnen heute, zum Abschluss Ihres Verkaufes die herzlichsten Glückwünsche übermitteln und Ihnen für Ihren weiteren Lebensabend alles Gute wünschen". Hedwig nimmt die Blumen und bedankt sich (halbnah) "Dankeschön Herr Stadtrat, recht herzlichen Dank...ich bin ganz traurig". Stadtrat und Hedwig Anke plaudern noch ein wenig vor dem Radioreporter mit Mikrofon (halbnah) O-Ton). Umschnitt auf Hedwig neben einem pensionierten Fischer auf der Bank im Hafenbereich (halbnah) (O-Ton) "Das war unser aller Lebensaufgabe, wir waren nur für den Fischhandel da, das muß im Blut liegen. Wir haben ja jetzt keine Fischfrauen mehr, wenn die beiden in Rostock auch noch weg sind dann ist Schluss". Rückblende: Das "Fischweib" wiegt den Fisch für die Kunden und verkauft ihn an ihrem Marktstand (halbtotal). Frage aus dem Off an Hedwig Anke: "Hättest du Dir einen anderen Beruf gewünscht mal"? Fischweib Hedwig Anke (halbnah) (O-Ton) "Niemals, niemals". Umschnitt auf das Fischweib Hedwig in ihrem Element am Fischstand (halbnah) (O-Ton). Hedwig Anke mit den Blumen im Arm zieht sie ihren rollenden Fischstand am letzten Arbeitstag voller Blumen hinter sich her und kommt auf die Kamera zu (halbtotal). Lächelnd schaut Hedwig in die Kamera (halbnah). Abblendung

0:14:30 ENDE

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