Filmstill zu "Ein Polterabend"

Ein Polterabend

Am 4. Dezember feiert die digital restaurierte Fassung von EIN POLTERABEND (1955), Curt Bois’ einzige DEFA-Regiearbeit, im Berliner Kino Toni Premiere. Zu Gast ist Filmforscher Frank-Burkhard Habel, dessen Buch „Curt Bois – Schauspieler in zehn Jahrzehnten“ im Frühjahr dieses Jahres in der Reihe „Jüdische Miniaturen“ im Verlag Hentrich & Hentrich erschien.

Kurzinhalt

Filmplakat zu "Ein Polterabend"

EIN POLTERABEND

(R: Curt Bois, 1955) Grafiker: Paul Rosie

Berlin 1849. Der Demokrat Adolf Glasbrenner, genannt Brennglas (gespielt von Rolf Moebius), gibt mit geringen finanziellen Mitteln das politische Satire-Magazin „Phosphor“ heraus. Er plant seine Geliebte, die Schauspielerin Adele Peroni (Hella Ferstl), zu heiraten. Doch das Vorhaben gerät ins Stocken, als Adele am reaktionären königlich-preußischen Schauspielhaus gastieren soll. Ein demokratischer Journalist heiratet eine Hofschauspielerin? Eine Unmöglichkeit! Zusammen mit seinem Freund Pulecke (Johannes Maus) versucht Brennglas einen Auftritt Adeles mit einem Polterabend zu stören. Doch Adele gerät zwischen die Fronten…

 Hier finden Sie die vollständigen Filmdaten.

Produktionsnotizen

Curt Bois‘ EIN POLTERABEND wurde in der zweiten Jahreshälfte 1954 auf Nitrofilmmaterial als einer der frühen Farbfilme der DEFA in Agfacolor und in Tradition des Weimarer Unterhaltungskinos realisiert – prominent besetzt u.a. mit Rolf Moebius, Willy A. Kleinau, Werner Peters, Herbert Köfer, Gerhard Bienert, Eva Brumby, Marianne Wünscher, Brecht-Tochter Barbara Berg und vielen anderen. Der Film geht auf eine 1951 von Werner Bernhardy (1918–2002) verfasste, gleichnamige Posse zurück. Am 19. August 1955 startete die Produktion in mehreren Berliner Filmtheatern zeitgleich im Kino. Am selben Abend lief EIN POLTERABEND bereits im offiziellen Versuchsprogramm des DDR-Fernsehens.

 

 

 

 

Filmstill zu "Ein Polterabend"

Herbert Köfer in EIN POLTERABEND (R: Curt Bois, 1955) Fotograf: Gerhard Kowalewski

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Gerhard Bienert in EIN POLTERABEND (R: Curt Bois, 1955) Fotograf: Gerhard Kowalewski

Adolf Glaßbrenner – ein historisches Vorbild

„Das Volk will ich zu voller Würde bringen. Den Prunk von aller Hohlheit niederreißen.“ – Eine Art Leitspruch des Journalisten, Satirikers und gebürtigen Berliners Adolf Glaßbrenner (1810–1876), der – oft unter dem Pseudonym „Brennglas“ – mit viel Humor und spitzer Zunge das politische Zeitgeschehen kommentierte. Mit Leichtigkeit erkannte er Eigenheiten seiner Mitmenschen und brachte sie pointiert und meist in Berliner Mundart in einer Vielzahl von Publikationen zu Papier. Zu seinen bekanntesten Werken zählt die Schriftenreihe „Berlin wie es ist und – trinkt“. In besonderem Maße machte sich ‚Brennglas‘ um den Berliner Volkswitz verdient und gilt mitunter als „Vater des Berliner Humors“ (vgl. Berliner Zeitung, 21. Juni 1967, S. 11). Einfache Figuren aus dem Volk – Eckensteher, Guckkästner, Fuhrleute und viele mehr – bekamen bei ‚Brennglas‘ eine große Bühne. Adolf Glaßbrenner starb 1876 überraschend in seiner Heimatstadt und wurde unter großer Anteilnahme der Berlinerinnen und Berliner beerdigt. Seine Ruhestätte ist bis heute Ehrengrab des Landes Berlin.

 

 

Fast eine deutsch-deutsche Koproduktion

Filmstill zu "Ein Polterabend"

Eva Brumby

in EIN POLTERABEND (R: Curt Bois, 1955) Fotograf: Gerhard Kowalewski

Im Herbst 1954 begannen Planungen EIN POLTERABEND in Koproduktion zwischen der DEFA und dem westdeutschen Filmproduzenten Erich Mehl (1918–2010) und seiner in Schweden angesiedelten Produktionsfirma „Pandora“ zu realisieren. Erich Mehl gilt als eine der „großen ‚Hintergrundfiguren‘ des deutschen Films“ der 1950er- bis 1970er-Jahre (vgl. Gabriele Ott in Blickpunkt:Film, 23. August 2010). Verdient machte er sich in einer ersten Hochphase des Kalten Krieges um die deutsch-deutschen Filmbeziehungen. Über Jahre kämpfte Mehl darum, die DEFA-Verfilmung von DER UNTERTAN (Wolfgang Staudte, 1951) nach Heinrich Mann in der Bundesrepublik zeigen zu dürfen. Dieser Einsatz schaffte das notwendige Vertrauen in Babelsberg, sodass Mehls „Pandora“-Film u.a. bei Wolfgang Staudtes LEUCHTFEUER (1954), Eugen Yorks DAS FRÄULEIN VON SCUDERI (1955) und Artur Pohls SPIELBANK-AFFÄRE (1957) als Koproduzent in Erscheinung trat. Ein solches Engagement war auch für den POLTERABEND geplant. Die Szenen mit dem Guckkastenmann sollten außerhalb der DDR und mit einem renommierten westdeutschen Schauspieler gedreht werden. Im Gespräch waren Theo Lingen, Georg Thomalla und Paul Westermeier. Abstimmungsschwierigkeiten mit Regisseur Curt Bois verhinderten jedoch die Umsetzung des Vorhabens, sodass die DEFA-Leitung in Absprache mit Mehl beschloss, die Mittel für andere gemeinsame Filmprojekte einzusetzen. Die Rolle des Guckkastenmannes übernahm Willy A. Kleinau.

Für mehr Hintergrundinformationen zu internationalen Koproduktionen der DEFA und die Zusammenarbeit mit Erich Mehl ist die englischsprachige Publikation „Cinema of Collaboration“ von Mariana Ivanova zu empfehlen.

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Johannes Maus in EIN POLTERABEND (R: Curt Bois, 1955) Fotograf: Gerhard Kowalewski

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Marianne Wünscher und Herbert Köfer in EIN POLTERABEND (R: Curt Bois, 1955) Fotograf: Gerhard Kowalewski

Ein talentierter Komödiant: Curt Bois

Curt Bois (1901–1991) eroberte bereits in jungen Jahren die Berliner Bühnen: Er war ein gefeierter Kinderstar und glänzte in zahlreichen komödiantischen Rollen. Erich Kästner schrieb über ihn: „Nur einen gibt’s unter den jungen Schauspielern, bei dem man zuverlässig weiß: Der wird es schaffen (...) und dieser Mann heißt Curt Bois.“ (zitiert nach Habel, 2023, S. 19). In der Weimarer Republik zählte Bois zu den gefragtesten Schauspielern; 1932 realisierte er mit dem kurzen Lustspiel SCHERBEN BRINGEN GLÜCK eine erste von insgesamt zwei Regiearbeiten für das Kino. Die Machtergreifung Hitlers zwang ihn 1933 ins US-amerikanische Exil. In den folgenden 17 Jahren übernahm Bois vor allem kleine Rollen in diversen Hollywood-Produktionen, u.a. war er als Taschendieb in CASABLANCA (Michael Curtiz, 1942) an der Seite von Humphrey Bogart zu sehen. 1950 kehrte er nach Deutschland zurück und wirkte zunächst in „Der Revisor“ nach Nikolai Gogol unter der Regie von Wolfgang Langhoff am Deutschen Theater mit – es war die gleiche Rolle, die Bois unmittelbar vor seiner Flucht aus Deutschland zuletzt spielte. Am gleichen Haus inszenierte Bois 1952 Werner Bernhardys „Ein Polterabend“. Auch Bertolt Brecht und Fritz Kortner vergewisserten sich in den 1950er-Jahren Bois’ darstellerischem Können auf der Bühne. Bis 1978 war er in Berlin (Ost und West), Wien, Hamburg und München engagiert. Besetzt wurde er auch in einer Vielzahl von Fernsehproduktionen und gelegentlich im Kino. Einen letzten Höhepunkt seiner Schauspielkarriere erlebte Curt Bois als er für seine Darstellung des Homer in Wim Wenders‘ HIMMEL ÜBER BERLIN (1987) mit dem Europäischen Filmpreis für die beste Nebenrolle ausgezeichnet wurde.

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Werner Peters und Barbara Berg in EIN POLTERABEND (R: Curt Bois, 1955) Fotograf: Gerhard Kowalewski

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Willy A. Kleinau in EIN POLTERABEND (R: Curt Bois, 1955) Fotograf: Gerhard Kowalewski

Curt Bois und die DEFA

Ein knappes Jahr nach seiner Rückkehr aus den USA stattete die DEFA Curt Bois im April 1951 mit einem zweieinhalbjährigen Vertrag aus. Zwei Filme mit ihm in der Hauptrolle sollten entstehen. Als erstes Projekt war eine Verfilmung von „Der Revisor“ unter der Regie von Wolfgang Langhoff geplant. Doch der sowjetische DEFA-Berater Igor Tschekin meldete Bedenken an, da er – um Langhoffs Theaterinszenierung des Stoffes aus dem Vorjahr wissend – eine „primitive und formalistische Lösung für den Klassiker“ fürchtete, wie der Filmhistoriker Ralf Schenk in der Berliner Zeitung vom 14. Januar 2021 berichtete. Auch eine geplante Verfilmung von „Jules“ nach Friedrich Wolf scheiterte und so verstrich Bois’ hochdotierter Schauspiel-Vertrag, ohne dass er je auf der Kinoleinwand zu sehen war. In seiner Autobiografie „Zu wahr, um schön zu sein“ schrieb er über diese Zeit: „Ich kam in die DDR, um nach vielen spielfreien Jahren endlich wieder zu spielen. Statt dessen (sic!) ging mein alter amerikanischer Traum in Erfüllung: Geld und keine Arbeit.“ (S. 90) Erst nach Ende der Vertragslaufzeit bekam Bois von der DEFA die Möglichkeit mit EIN POLTERABEND – seine Regie-Arbeit für das Deutsche Theater zwei Jahre zuvor – für das Kino zu inszenieren. Eine eigene Rolle übernahm er nicht. Für die Arbeit an Buch und Regie erhielt er stattliche 120.000 Mark Gage – „Ein Schmerzensgeld?“ fragte Ralf Schenk berechtigterweise. Nach ernüchternden Kritiken und einer kommunikativ nicht durchweg zufriedenstellenden Zusammenarbeit folgte nach EIN POLTERABEND kein weiteres gemeinsames Projekt zwischen Curt Bois und der DEFA.

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Harry Gillmann und Gerhard Bienert in EIN POLTERABEND (R: Curt Bois, 1955) Fotograf: Gerhard Kowalewski

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Eckart Stelter und Johannes Maus in EIN POLTERABEND (R: Curt Bois, 1955) Fotograf: Gerhard Kowalewski

Echo

Die Filmkritik war von Bois’ DEFA-Erstling wenig begeistert. Bemängelt wurde insbesondere, dass die Inszenierung erstaunlich wenig Altberliner-Volkswitz versprühe und vor allem auf Klamauk setze (vgl. u.a. Neue Zeit, 25. August 1955, S. 4). Gewürdigt wurde hingegen die Arbeit der Gewerke: „Rühmenswert (...) sind die von Schulze-Mittendorf entworfenen Kostüme und die Bauten von Rochus Gliese.“ (Heino Brandes, nd, 21. August 1955, S. 4). Mit fast 1,5 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern rangierte EIN POLTERABEND bei den Besucherzahlen am unteren Ende des DEFA-Jahrgangs 1955. Doch finden sich in der zeitgenössischen Presse auch würdigende Leserbriefe: „Einzelne Szenen des Films wurden so belacht, dass selbst der Bildwerfer im DEFA-Filmtheater Kastanienallee einen Augenblick aussetzte.“ (H. Heindorff, BZ am Abend, 1. September 1955). Als Curt Bois‘ Tod Anfang Januar 1992 bekannt wurde, richtete das Berliner Kino Babylon eine Curt-Bois-Retrospektive aus, in deren Rahmen EIN POLTERABEND am 25. Februar 1992 eine Wiederaufführung auf großer Kinoleinwand feierte. Ähnliches soll sich nun wiederholen.

Verfasst von Philip Zengel. (November 2023)

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