Filmstill zu "Treffen in Travers"

Treffen in Travers

Der Revolutionär Georg Forster in Michael Gwisdeks Spielfilm-Debüt TREFFEN IN TRAVERS ist eine der wichtigsten Kinorollen des Schauspielers Hermann Beyer. Am 29. September würdigt die DEFA-Stiftung Beyer für sein filmkünstlerisches Schaffen mit einem Lebenswerk-Preis. TREFFEN IN TRAVERS steht bei mehreren Streaming-Anbietern als Video-on-Demand zur Verfügung, u.a. auf dem Vimeo-Kanal von absolut MEDIEN.

Kurzinhalt

Filmplakat zu "Treffen in Travers"

TREFFEN IN TRAVERS

(R: Michael Gwisdek, 1988) Grafiker: Hans-Eberhard Ernst

1793. Im Schatten der Französischen Revolution wird der neutrale Schweizer Ort Travers zum Schauplatz privater Veränderungen. Der Revolutionär Georg Forster (gespielt von Hermann Beyer) trifft seine Noch-Ehefrau Therese (Corinna Harfouch), um die Scheidung zu besprechen. Therese reist in Begleitung ihrer beiden Töchter und ihrem neuen Geliebten, dem sächsischem Dichter Ferdinand Huber (Uwe Kockisch) an. Forster ist physisch und psychisch von den Ereignissen der Revolution in Paris stark mitgenommen. Die Scheidung scheint eine besiegelte Angelegenheit zu sein, entpuppt sich jedoch als Verhandlungssache. Die folgenden drei Tage entwickeln sich zu einem wilden Ritt durch die psychischen Höhen und Tiefen der Drei… 

 Hier finden Sie die vollständigen Filmdaten.

Historische Person: Georg Forster

Der heute wenig bekannte Naturforscher und Revolutionär Georg Forster (1754–1794) begründete 1777 mit seinem Buch „A Voyage Round the World“, in dem er seine Eindrücke von der Weltumsegelung mit dem britischen Seefahrer James Cook schilderte, die moderne Reiseliteratur. Das vielbeachtete Werk war der Startschuss für Forsters wissenschaftliche Karriere. Im Zuge seiner Forschungs- und Lehrtätigkeiten kam er mit den Ideen der Aufklärung in Berührung. Gespannt verfolgte Forster die politischen Geschehnisse in Frankreich. Als französische Truppen 1792 Mainz einnahmen, trat er dem Mainzer Jakobinerclub bei und wurde zu einer wichtigen Person in der kurzlebigen Mainzer Republik von 1793. Er setzte sich für eine republikanische Verfassung, erste Ideen einer Volkssouveränität und Wahlen ein. Als die preußischen Truppen Mainz zurückeroberten, emigrierte Forster nach Frankreich und wurde im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zur Persona non grata. In den letzten Monaten seines Lebens erlebte er in Paris die Phase der Terrorherrschaft der Französischen Revolution. Forster starb vereinsamt im Alter von nur 39 Jahren.

 

 

 

 

Original-Kinotrailer zu TREFFEN IN TRAVERS (R: Michael Gwisdek, 1989)

Der Weg zum Film

TREFFEN IN TRAVERS entstand nach einer gleichnamigen Erzählung des Schriftstellers Fritz Hofmann, die erstmals 1977 in dem Geschichtsband „Himmelfahrt nach Hohenstein“ im Aufbau-Verlag erschien. Das Filmszenarium verfasste Thomas Knauf, der zunächst Probleme hatte, einen passenden Regisseur zu finden. Der Film sollte unbedingt zum 200. Jahrestag der Französischen Revolution im Mai 1989 in die DDR-Kinos kommen und schließlich landete der Stoff beim Schauspieler Michael Gwisdek, der damit sein Debüt als Regisseur gab. Mit Hermann Beyer und Uwe Kockisch besetzte Gwisdek zwei befreundete Schauspielkollegen. Für die Rolle der Therese engagierte er seine Ehefrau Corinna Harfouch. Gedreht wurde zwischen dem 14. Juni und 29. August 1988 überwiegend in der Mittelhalle auf dem DEFA-Studiogelände in Potsdam-Babelsberg. Außenaufnahmen erfolgten u.a. in der Schweiz. Premiere feierte TREFFEN IN TRAVERS am 27. April 1989 im Berliner Kino International.

 

 

Filmstill zu "Treffen in Travers"

Ménage-à-trois? Uwe Kockisch, Hermann Beyer und Corinna Harfouch in TREFFEN IN TRAVERS (R: Michael Gwisdek, 1988) Fotograf: Klaus Goldmann

Filmstill zu "Treffen in Travers"

Gezeichnet von der Revolution: Hermann Beyer als Georg Forster in TREFFEN IN TRAVERS (R: Michael Gwisdek, 1988) Fotograf: Klaus Goldmann

Michael Gwisdek vom Schauspieler zum Regisseur

Bevor Michael Gwisdek TREFFEN IN TRAVERS als Regisseur verantwortete, war er bereits mehr als 20 Jahre erfolgreicher Schauspieler in der Berliner Theaterszene und auf der Kinoleinwand. Mit Hauptrollen in den Ulrich-Weiß-Filmen DEIN UNBEKANNTER BRUDER (1981) und OLLE HENRY (1982) etablierte er sich als gefragter Filmschauspieler. Dass Gwisdek, der schon länger mit einem eigenen Filmprojekt liebäugelte, 1988 ohne vorheriges Filmregie-Studium und jahrelange Assistenz-Tätigkeiten die Regie für ein DEFA-Spielfilmprojekt anvertraut bekam, war ein Novum in der letzten DEFA-Dekade. Einen großen Fürsprecher hatte er in DEFA-Generaldirektor Hans Dieter Mäde gefunden. Sein Regiedebüt ging Gwisdek überaus ambitioniert an: „Ich wollte nicht meine Freunde Rainer Simon und Roland Gräf erreichen, sondern meine Vorbilder waren John Cassavetes und Woody Allen.“ (Gwisdek in „Spur der Filme“, S. 448) An der Person des Georg Forster war Gwisdek nur wenig interessiert: Er wollte keinen Film über die Französische Revolution machen, sondern einen Liebesfilm mit Dreiecksgeschichte inszenieren. Auf die Unterschiede zwischen dem Schauspieler und dem Regisseur Michael Gwisdek befragt, antwortete er 1989: „Der Schauspieler G. ist am Drehort immer einer der lustigsten und will durch Witzeleien gute Laune erzeugen. Der Regisseur G. ist der humorloseste Mensch, der überhaupt kein Verständnis hat für witzelnde Schauspieler.“ (Filmspiegel, 9/1989, S. 6) Die Rolle des Regisseurs übernahm Giwsdek nach seinem erfolgreichen Debüt noch zwei weitere Male. In den 1990er-Jahren entstanden ABSCHIED VON AGNES (1994) und DAS MAMBOSPIEL (1999). Seine Haupttätigkeit blieb die Schauspielerei.

Filmstill zu "Treffen in Travers"

Regieanweisungen an die Kleinsten. Michael Gwisdek bei den Dreharbeiten zu TREFFEN IN TRAVERS (R: Michael Gwisdek, 1988) Fotograf: Klaus Goldmann

Filmstill zu "Treffen in Travers"

Hermann Beyer und Michael Gwidek bei den Dreharbeiten zu TREFFEN IN TRAVERS (R: Michael Gwisdek, 1988) Fotograf: Klaus Goldmann

Geschichte als Folie für die Gegenwart

Michael Gwisdek und Thomas Knauf war früh klar, dass die Geschichte Georg Forsters Parallelen zum Zeitgeschehen in der DDR aufwies. In seinem Buch „Babelsberg-Storys“ schreibt Knauf, dass „die Geschichte der Vertreibung deutscher Dichter und Denker von 1793 den Exodus von DDR-Künstlern seit 1976 deutlich machen muss.“ (S. 152) Die historische Vorlage diente dem Film als Folie für die Ergründung des sich anbahnenden Scheiterns des DDR-Sozialismus. Anhand der Dreieckskonstellation der Hauptfiguren befasst sich TREFFEN IN TRAVERS in Form eines Kammerspiels mit revolutionären Zeiten, in dem das Alte in Frage gestellt wird, die Aushandlung des Neuen jedoch zwischen Euphorie und Ernüchterung pendelt. Für Knauf ist das Private als subversiver Raum zu deuten: Auch in der DDR diskutierten Intellektuelle gesellschaftliche Phänomene insbesondere im Privaten und befassten sich mit der Frage, inwiefern der Sozialismus in der DDR verändert werden könne. Knauf erinnert sich an Publikumsgespräche, in denen die Intention des Films genau verstanden und auf aktuelle Schicksale übertragen wurde: „Und dann redeten die Leute von Ausreise und dass sie ihre Ex-Frau und ihre Kinder nur in Prag oder Budapest treffen.“ (Poss & Warnecke (Hg.), Spur der Filme, S. 450-451). 

Filmstill zu "Treffen in Travers"

Therese (Corinna Harfouch) ist zerissen in TREFFEN IN TRAVERS (R: Michael Gwisdek, 1988) Fotograf: Klaus Goldmann

Filmstill zu "Treffen in Travers"

Beim Scheidungsanwalt: Therese (Corinna Harfouch) und Georg (Hermann Beyer) in TREFFEN IN TRAVERS (R: Michael Gwisdek, 1988) Fotograf: Klaus Goldmann

Hauptrolle für Hermann Beyer

Auf die Frage, wie viele Filme er bisher gedreht habe, antwortete Hermann Beyer 1989 überspitzt „35, aber richtiger zu sagen wäre – zwei“ (Filmspiegel, 11/1989, S. 9). Gemeint sind seine beiden größten DEFA-Engagements als Landlehrer Pötsch in MÄRKISCHE FORSCHUNGEN (Roland Gräf, 1981) und als Revolutionär Forster in TREFFEN IN TRAVERS. Beide Werke liegen Beyer bis heute sehr am Herzen. Die Aussage Beyers zeugt zudem von der Bescheidenheit des Schauspielers, dem es gelang, in vielen Nebenrollen einen bleibenden Eindruck beim Publikum zu hinterlassen, darunter in DIE BEUNRUHIGUNG (Lothar Warneke, 1981) oder JAKOB DER LÜGNER (Frank Beyer, 1974), der ersten Zusammenarbeit mit seinem älteren Bruder. Die Darstellung des Georg Forster in TREFFEN IN TRAVERS bezeichnete Hermann Beyer als seine bis dato „intensivste Filmarbeit“. Kostüm und Maske gaben ihr Bestes, um Beyer in den entkräfteten und zermürbten Revolutionär Forster zu verwandeln, doch „eigentlich hätte ich eine noch häßlichere Maske haben müssen“ ließ Beyer die Journalistin Leonore Krenzlin wissen (Film und Fernsehen, 6/1989, S. 47). Bis heute setzt der Schauspieler seine filmkünstlerische Laufbahn unermüdlich fort und war bereits in mehr als 100 Produktionen zu sehen.

Filmstill zu "Treffen in Travers"

Streit vor Schweizer Bergpanorama: Georg Forster (Hermann Beyer) und Ferdinand Huber (Uwe Kockisch) in TREFFEN IN TRAVERS (R: Michael Gwisdek, 1988) Fotograf: Klaus Goldmann

Filmstill zu "Treffen in Travers"

Ablenkung mit den Kindern: Georg Forster (Hermann Beyer) mit seinen Töchtern (Susanne Bormann und Lucie Gebhardt) in TREFFEN IN TRAVERS (R: Michael Gwisdek, 1988) Fotograf: Klaus Goldmann

Echo: Große internationale Bühne

Die Filmkritik lobte Michael Gwisdeks Erstlingswerk für seine Struktur und Atmosphäre: Laut Klaus Wischnewski entstand ein „kluger Film, durchdacht, gegliedert, gebaut“, der das Regie-Talent des Schauspielers Gwisdek offenlege (Film und Fernsehen, 6/1989, S. 44). Der westdeutsche DEFA-Stammkritiker Heinz Kersten war im Tagesspiegel vom 30. April 1989 ebenfalls voll des Lobes: „Das ist der politischste Film, den die DEFA in letzter Zeit gedreht hat, und es ist der privateste Film, der seit langem in Babelsberg entstand.“ Vielfach gewürdigt wurden auch die schauspielerischen Leistungen. Harfouch und Beyer gewannen auf dem 6. DDR-Spielfilmfestival Darstellerpreise. Die Auszeichnung für den besten Film ging ebenfalls an TREFFEN IN TRAVERS. Im Mai 1989 war Gwisdeks Regiedebüt in der Sektion „Un Certain Regard“ in Cannes zu sehen. Nach Egon Günthers LOTTE IN WEIMAR (1975) war damit nach über 20 Jahren wieder ein DEFA-Spielfilm auf den renommierten Filmfestspielen an der Côte d’Azur vertreten. Eine Einladung für Ulrich Weiß‘ DEIN UNBEKANNTER BRUDER schlug die DDR 1982 aus.

Verfasst von Philip Zengel. Mitarbeit: Alexander Arndt. (September 2023)

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