Filmstill zu "Fräulein Schmetterling"

Fräulein Schmetterling

Der im Zuge des 11. Plenums des Zentralkomitees der SED verbotene DEFA-Spielfilm FRÄULEIN SCHMETTERLING (R: Kurt Barthel) liegt nach einer Rekonstruktion 2019/20 nun erstmals als endmontierter Film vor. Eine DVD erscheint am 30. April 2021 bei ICESTORM.

Kurzinhalt

Filmstill zu "Fräulein Schmetterling"

Melania Jakubisková

in FRÄULEIN SCHMETTERLING (R: Kurt Barthel, 1965/1966 - 2020) Fotografen: Rolf-Eckhardt Rambow, Eckhardt Hartkopf

Helene Raupe (gespielt von Melania Jakubisková) und ihre jüngere Schwester Asta (Christina Heiser) sind nach dem Tod ihres Vaters Vollwaisen. Der Tabakladen des Vaters wird geschlossen. Eine Tante aus Potsdam (Carola Braunbock) soll sich um die Mädchen kümmern. Diese lässt die Mädchen jedoch in Berlin, da ihre Wohnung zu klein ist und will aus der Ferne auf sie achtgeben. Helene träumt davon, Stewardess oder Mannequin zu werden. Zunächst arbeitet sie jedoch an einem Fischstand. Sie verliert den Job ebenso wie ihre Folgetätigkeit im Exquisitgeschäft. Die Jugendfürsorgerin (Lissy Tempelhof) kontrolliert die Mädchen und beanstandet, dass Asta nicht bei der Tante lebt...

 Hier finden Sie die kompletten Filmdaten.

Verbotsgeschichte

Während des 11. Plenums des Zentralkomitees der SED, das vom 15. bis zum 18. Dezember 1965 tagte, bescheinigten führende Politiker, darunter Erich Honecker und Walter Ulbricht, den beiden DEFA-Produktionen DAS KANINCHEN BIN ICH (R: Kurt Maetzig) und DENK BLOSS NICHT, ICH HEULE (R: Frank Vogel) republikfeindliche Züge. Daraufhin wurden alle DEFA-Projekte noch einmal unter die Lupe genommen. Darunter auch die noch nicht uraufgeführten Filme. Hochrangige Kulturpolitiker resümierten nach Ansicht einer Rohschnittfassung von FRÄULEIN SCHMETTERLING, der Film »erziele eine Wirkung, die sich gegen unsere Republik richte und im Wesen unserer Republik feindlich sei. Der Film entstelle die Wirklichkeit unserer Republik und bringe eine Philosophie zum Ausdruck, die mit unserer Philosophie nicht das geringste zu tun habe. Es sei eine geistige Haltung, eine Ideologie, die objektiv eine feindliche Wirkung habe.« Am 4. Februar 1966 beantragte die Studioleitung, die Arbeiten an FRÄULEIN SCHMETTERLING endgültig abzubrechen. Innerhalb der folgenden drei Monate sollten, wie ein Protokoll festhielt, die »prinzipiellen und künstlerisch-praktischen Fehler« des Films und seiner Schöpfer untersucht und »produktive Schlussfolgerungen für Veränderungen« vorgelegt werden. Wenig später verschwanden alle Materialien des Films im Tresor.

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Milan Sladek und Melania Jakubisková in FRÄULEIN SCHMETTERLING (R: Kurt Barthel, 1965/1966 - 2020) Fotografen: Rolf-Eckhardt Rambow, Eckhardt Hartkopf

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Christina Heiser in FRÄULEIN SCHMETTERLING (R: Kurt Barthel, 1965/1966 - 2020) Fotografen: Rolf-Eckhardt Rambow, Eckhardt Hartkopf

Regie: Kurt Barthel

Regisseur Kurt Barthel (1931–2014) kam nach Beendigung seines Studiums an der Babelsberger Filmhochschule 1961 zur DEFA. 1963/64 war er dort als Assistent Konrad Wolfs tätig und war am Drehbuch von DER GETEILTE HIMMEL beteiligt. Im Zuge dieser Arbeit lernte Barthel auch Christa Wolf kennen. Zusammen mit ihr und ihrem Mann Gerhard verfasste er das Drehbuch zu FRÄULEIN SCHMETTERLING. Nachdem der Film verboten wurde, hatte es Barthel schwer weitere Stoffe bei der DEFA umzusetzen. 1968 drehte er noch den Kinderfilm DIE NACHT IM GRENZWALD nach einer Erzählung von Peter Kast. Da er nicht wieder als Assistent arbeiten wollte, wechselte Barthel zum Kurzfilm und inszenierte bis zum Ende der DEFA eine Reihe von Dokumentar- und populärwissenschaftlichen Filmen. Auf eine Rekonstruktion von FRÄULEIN SCHMETTERLING verzichtet er 1990: „Ich glaube nicht, dass es in dieser Zeit eines gewaltigen Umbruchs von Interesse ist, was wir damals versucht haben und aus welchen Quellen wir unsere ästhetischen Bausteine, unsere Hoffnungen auf eine Erneuerung der DDR-Filmkunst bezogen...“

Filmstill zu "Fräulein Schmetterling"

Kurt Barthel im Gespräch mit Melania Jakubisková bei den Dreharbeiten zu FRÄULEIN SCHMETTERLING (R: Kurt Barthel, 1965/1966 - 2020) Fotografen: Rolf-Eckhardt Rambow, Eckhardt Hartkopf

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Kurt Barthel gibt Regieanweisungen am Set von FRÄULEIN SCHMETTERLING (R: Kurt Barthel, 1965/1966 - 2020) Fotografen: Rolf-Eckhardt Rambow, Eckhardt Hartkopf

Christa Wolf und die DEFA

Auf der Spurensuche nach Berührungen zwischen der Dichterin Christa Wolf (1929–2011) und dem Kino fällt natürlich zuallererst DER GETEILTE HIMMEL ein. Wenig bekannt ist, dass es um den Geteilten Himmel herum eine Reihe weiterer Versuche der Autorin gab, als Szenaristin für die DEFA zu arbeiten. Es gab unter anderem Ideen für eine Verfilmung ihrer frühen Erzählung »Moskauer Novelle«. Das Projekt »Ein Mann kehrt heim« (auch »Heimkehr«), das Christa und Gerhard Wolf sowie den Regisseur Konrad Wolf beschäftigte, konnte nicht realisiert werden. Gleiches gilt für eine Biografie des Physikers Klaus Fuchs. Das am weitesten fortgeschrittene Projekt FRÄULEIN SCHMETTERLING kam 1966 nicht zur Uraufführung. Trotz aller Enttäuschungen blieb die Autorin mit der DEFA in Kontakt: Gemeinsam mit Gerhard Wolf legte sie 1967 eine Konzeption zur Verfilmung des Günter-Weisenborn-Buches »Der Verfolger« vor. Die DEFA-Direktion zeigte jedoch kein Interesse. So kam die über einen Zeitraum von fünf, sechs Jahren recht intensive Zusammenarbeit zwischen Christa Wolf und der DEFA zum Ende: Sie schloss mit einer Drehbuch-Beteiligung an der Adaption des Anna-Seghers-Romans DIE TOTEN BLEIBEN JUNG (1968) und mit dem Versuch, in einem zweiteiligen Panorama die Geschichte des TILL EULENSPIEGEL (1973) am Vorabend des Bauernkrieges neu zu erzählen. Das Projekt wurde in Regie von Rainer Simon als einteiliger Spielfilm mit Winfried Glatzeder in der Titelrolle realisiert.

Zu den Verbindungslinien Christa Wolfs mit dem Kino zählt auch Roland Steiners Dokumentarfilm UNSERE KINDER (1988), in dem Neonazis, Punks, Grufties und andere »Außenseiter« zu Wort kommen. Der Film zeigt Christa Wolf im Dialog mit Skinheads. Es braucht bis 1990/91, ehe Christa Wolf, der die DDR-Führung ihre selbstbewusst kritische Haltung in der Biermann-Affäre nie verzieh, endlich ein langes DEFA-Porträt gewidmet werden konnte: Karlheinz Munds ZEITSCHLEIFEN – IM DIALOG MIT CHRISTA WOLF.

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Carola Braunbock, Rolf Hoppe und Lissy Tempelhof in FRÄULEIN SCHMETTERLING (R: Kurt Barthel, 1965/1966 - 2020) Fotografen: Rolf-Eckhardt Rambow, Eckhardt Hartkopf

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Hans Hardt-Hardtloff und Melania Jakubisková in FRÄULEIN SCHMETTERLING (R: Kurt Barthel, 1965/1966 - 2020) Fotografen: Rolf-Eckhardt Rambow, Eckhardt Hartkopf

Eine erste Rekonstruktion (2002–2005)

Im Gegensatz zu anderen verbotenen DEFA-Filmen wurde FRÄULEIN SCHMETTERLING nach Absprache mit Drehbuchautorin Christa Wolf und Regisseur Kurt Barthel in der Wendezeit nicht zur Aufführung für die Berlinale zur Verfügung gestellt. Die damals gesichtete, vom Regisseur hergestellte Schnittfassung gilt seit 1990 als verschollen. Von 2002 bis 2004 erfolgte ein erster von der DEFA-Stiftung und dem Bundesarchiv initiierter Versuch einer Rekonstruktion des Films. Der Filmhistoriker Ralf Schenk und die Schnittmeisterin Ingeborg Marszalek sichteten die im Bundesarchiv eingelagerten rund 320 Büchsen Filmmaterial. Aus der Sichtung ergab sich, dass die 1965 gedrehten Aufnahmen zwar vermutlich nahezu komplett vorhanden waren, aber ein Großteil der Töne fehlte oder in der überlieferten Form nur schwierig zu gebrauchen war. So entschlossen sich die an der Rekonstruktion Beteiligten damals, den Film in Form einer Dokumentation des Materials herzustellen. Diese 2005 fertiggestellte Fassung war kein kompletter Film, sondern eine Montage der überlieferten Einstellungen nach dem Originaldrehbuch.

Filmstill zu "Fräulein Schmetterling"

Herwart Grosse und Melania Jakubisková in FRÄULEIN SCHMETTERLING (R: Kurt Barthel, 1965/1966 - 2020) Fotografen: Rolf-Eckhardt Rambow, Eckhardt Hartkopf

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Carola Braunbock in FRÄULEIN SCHMETTERLING (R: Kurt Barthel, 1965/1966 - 2020) Fotografen: Rolf-Eckhardt Rambow, Eckhardt Hartkopf

Eine zweite Rekonstruktion (2019/20)

2019/20 hat sich die DEFA-Stiftung mithilfe des Förderprogramms Filmerbe, finanziert durch BKM, Länder und FFA, erneut der Aufgabe einer Rekonstruktion gewidmet. Die Zielsetzung der digitalen Bearbeitung war es aus der 2004 zusammengestellten Materialsammlung ein filmkünstlerisch anspruchsvolles Werk zu vollenden, welches die Intention des Regisseurs Kurt Barthel widerspiegelt. Gemeinsam mit dem Komponisten Peter Rabenalt, der 1965 für die Musik zum Film verantwortlich zeichnete, haben die Schnittmeisterinnen Ingeborg Marszalek und Emma Gräf entlang des Original-Drehbuchs und der vorhandenen Musikmotive die Dramaturgie nachvollzogen und eine neue Schnittfassung erstellt. Mithilfe einer aufwendigen Bearbeitung konnten die Originalstimmen der wichtigsten Darsteller erhalten bleiben, so von Carola Braunbock, Herwart Grosse, Rolf Hoppe und Lissy Tempelhof. Fehlende Dialoge weiterer Darstellerinnen und Darsteller sowie die Dialoge, die von Melania Jakubisková in slowakischer Sprache vorgetragen wurden, wurden komplett neu synchronisiert. Anschließend erfolgte die Erstellung eines neuen Sound-Designs. Auf Grundlage der neuen Tonspur wurden Bild und Ton synchron gelegt und anschließend das Bild in 2K farbkorrigiert und retuschiert. Die neue Fassung stellt einen endmontierten Film dar, der als hochauflösendes Digitalisat im Kino vorgeführt werden kann.

Texte: Ralf Schenk und Philip Zengel (April 2021)

DVD-Neuerscheinung: Fräulein Schmetterling

Bei ICESTORM erscheint FRÄULEIN SCHMETTERLING erstmals auf DVD. Als Bonusmaterial liegt der Edition der 2019 digital restaurierte DEFA-Dokumentarfilm ZEITSCHLEIFEN – IM DIALOG MIT CHRISTA WOLF (R: Karlheinz Mund, 1991) bei.

 

die DVD Edition bei jpc
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