Filmstill zu "Mir nach, Canaillen!"

Mir nach, Canaillen!

Die DEFA-Abenteuerfilme mit Manfred Krug waren in der DDR echte Publikumsmagneten. Der MDR zeigt die Produktion MIR NACH, CANAILLEN! (1964) von Ralf Kirsten am Sonntag, 15. Januar 2023, um 10:15 Uhr. Anschließend ist der Film in der ARD-Mediathek verfügbar.

Kurzinhalt

Filmplakat zu "Mir nach, Canaillen!"

MIR NACH, CANAILLEN!

(R: Ralf Kirsten, 1964) Grafiker: Werner Klemke

Preußen 1730. Der Leutnant von Übbenau (gespielt von Fred Düren) macht sich auf ins Hannoversche, um Rekruten für seinen König zu rauben. Der Bauernjunge Alexander (Manfred Krug) scheint ihm geeignet, doch dieser dreht den Spieß einfach um und setzt den Leutnant fest. Übbenau droht der Galgen, denn nach dem Gesetz des Landes Hannover steht auf Misshandlung der Bürger der Tod – Es sei denn es handelt sich um den eigenen Sohn. Um sich zu retten, wird der Leutnant gegen teures Handgeld zum Vater Alexanders und der Gerichtsprozess verkommt zur Posse. Auf Übbenaus Landsitz verliebt sich Alexander in sein neues „Schwesterchen“ Ulrike (Monika Woytowicz), die ihn mit ihrem Gesang verzaubert…

 Hier finden Sie die vollständigen Filmdaten.

Produktionsnotizen

Nach Motiven des Romans „Eine Sommerabenddreistigkeit“ von Joachim Kupsch drehte die DEFA zwischen dem 25. Juli 1963 und dem 28. Januar 1964 den Abenteuerfilm MIR NACH, CANAILLEN! Markanter Drehort für den Landsitz des Grafen Übbenau war das Schloss Kromsdorf unweit von Weimar.

Filmstill zu "Mir nach, Canaillen!"

Vergnügliche Stunden für Alexander: Lilo Grahn und Manfred Krug in MIR NACH, CANAILLEN! (R: Ralf Kirsten, 1964) Fotograf: Horst Blümel

Filmstill zu "Mir nach, Canaillen!"

Übbenau hat Alexander erspäht: Fred Düren in MIR NACH, CANAILLEN! (R: Ralf Kirsten, 1964) Fotograf: Horst Blümel

Premiere zu den Sommerfilmtagen

 

MIR NACH, CANAILLEN! eröffnete Ende Juli 1964 vor 5.000 Zuschauerinnen und Zuschauern an der Regattastrecke in Berlin-Grünau die dritte Ausgabe der DDR-Sommerfilmtage. Die Totalvision-Leinwand wurde in der Dahme verankert und sorgte für ein atemberaubendes Kinoerlebnis. Die Zeitschrift „Filmspiegel“ schwärmte in ihrer 16. Ausgabe des Jahres 1964: „Wer vor einigen Jahren auf die Idee gekommen ist, die weltberühmte Rennstrecke der Kanuten, Achter und Outborder in Berlin-Grünau als Sommerfilmtheater zu benutzen, müsste heute noch nachträglich den ‚Großen Preis für Filmwerbung‘ erhalten.“ In einem knapp zweistündigen Eröffnungsprogramm unmittelbar vor der Filmvorführung traten unter anderem die Schauspieler Werner Lierck, Gerhard Rachold und Gerry Wolff sowie das DEFA-Tanzorchester und die Jazz-Optimisten mit Manfred Krug auf.

Inspiriert vom „Filmfestival der Werktätigen“ in der CSSR wurden die DDR-Sommerfilmtage 1962 ins Leben gerufen, um das „Kino-Sommerloch“ zu überbrücken. Programme an zwei verschiedenen Freilichtbühnen des Landes zogen im ersten Jahr rund 37.000 Besucherinnen und Besucher an. Im Folgejahr wurden die Filmtage ausgebaut und es kamen 237.000 Menschen. An den dritten Sommerfilmtagen beteiligten sich bereits acht DDR-Bezirke mit insgesamt 32 Freilichtbühnen – von der Freilichtbühne am Platz der Jugend in Rostock bis zur Freilichtbühne im sächsischen Küchwald.

 

 

 

Nächtlicher Besuch beim Schwesterchen: Filmausschnitt aus dem DEFA-Spielfilm MIR NACH, CANAILLEN! (R: Ralf Kirsten, 1964)

Regie: Ralf Kirsten

Filmstill zu "Mir nach, Canaillen!"

Manfred Krug und Ralf Kirsten

bei den Dreharbeiten für MIR NACH, CANAILLEN! (R: Ralf Kirsten, 1964) Fotograf: Horst Blümel

Der an der renommierten Prager Filmhochschule ausgebildete Regisseur  Ralf Kirsten (1930-1998) hinterließ der DEFA ein facettenreiches Œuvre. Als erste Fingerübungen schuf er Kinderfilme wie BÄRENBURGER SCHNURRE (1956) und SKIMEISTER VON MORGEN (1957). Mit STEINZEITBALLADE (1960) folgte ein künstlerisch-anspruchsvoller Film über die Trümmerfrauen im Nachkriegs-Berlin, den Kirsten selbst als seinen „ersten ernsthaften Filmversuch“ bezeichnete. Die folgende Produktion AUF DER SONNENSEITE (1961) wurde zum Kassenschlager und war zudem Auftakt für eine jahrelange enge Arbeitsgemeinschaft mit dem Schauspieler Manfred Krug. Mit dem Publikumsliebling Krug als Zugpferd realisierte Kirsten in den Folgejahren BESCHREIBUNG EINES SOMMERS (1962), MIR NACH, CANAILLEN! (1964) und FRAU VENUS UND IHR TEUFEL (1967).

In Folge des 11. Plenums des ZK des SED wurde Kirstens DER VERLORENE ENGEL (1966/71) über den Güstrower Künstler Ernst Barlach verboten. Erst fünf Jahre später durfte das Werk gezeigt werden. In den 1970er-Jahren verfilmte Kirsten sowohl Historien- als auch Gegenwartsstoffe. Es entstanden u.a. DIE ELIXIERE DES TEUFELS (1972) nach E.T.A. Hoffmann, UNTERM BIRNBAUM (1973) nach Theodor Fontane und der Arbeiterfilm LACHTAUBEN WEINEN NICHT (1979) nach einer Vorlage des Schriftstellers Helmut Baierl. In der Spätphase seiner Karriere legte Kirsten mit WO ANDERE SCHWEIGEN (1984) über Clara Zetkin und KÄTHE KOLLWITZ – BILDER EINES LEBENS (1986) zwei vielbeachtete Künstlerinnenporträts vor. Nach der Abwicklung der DEFA konnte Kirsten keinen weiteren Film als Regisseur realisieren. Er arbeitete u.a. als Dozent an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg bevor er 1998 im Alter von 67 Jahren starb.

 

Musik: André Asriel

Die erinnerungswürdige Filmmusik in MIR NACH, CANAILLEN! gestaltete der renommierte Komponist André Asriel (1922–2019), der allein bei der DEFA für acht (!) Filme von Ralf Kirsten die Musik verantwortete. Asriel ging für MIR NACH, CANAILLEN! das Wagnis ein, die Musik aus der Zeit der Filmhandlung herauszulösen: „nur an wenigen Stellen [benutzte ich] Rokokomusik, eben nur an den Stellen, die unbedingt Zeitkolorit verlangten.“ Die anachronistischen Melodien, die genauso gut in einem Mittelalter-Film oder sogar in einem Western Verwendung finden könnten, vermögen es bis heute, Komik und Pointen des Drehbuchs zu unterstreichen.

 

 

Filmstill zu "Mir nach, Canaillen!"

Norbert Christian als bestochener Richter in MIR NACH, CANAILLEN! (R: Ralf Kirsten, 1964) Fotograf: Horst Blümel

Filmstill zu "Mir nach, Canaillen!"

Alexander lernt seine neue Familie kennen: Carola Braunbock, Helga Göring, Monika Woytowicz und Manfred Krug in MIR NACH, CANAILLEN! (R: Ralf Kirsten, 1964) Fotograf: Horst Blümel

Mantel-und-Degen-Abenteuer der DEFA

Filmstill zu "Mir nach, Canaillen!"

Manfred Krug

in MIR NACH, CANAILLEN! (R: Ralf Kirsten, 1964) Fotograf: Horst Blümel

Unter dem Druck unterhaltsame und aktionsreiche Geschichten für das junge DDR-Kinopublikum zu realisieren, fanden sich in den Produktionsplänen des DEFA-Studios für Spielfilme der 1960er-Jahre regelmäßig Abenteuerstoffe wieder. Neben den bekannten „DEFA-Indianerfilmen“ mit Gojko Mitic, die ab 1966 Jahr für Jahr die Herzen der meist jugendlichen Zuschauerinnen und Zuschauer höherschlagen ließen, bleiben aus heutiger Sicht die Abenteuerfilme mit Manfred Krug in Erinnerung: MIR NACH, CANAILLEN! bildete 1964 den Auftakt für mehrere Mantel-und-Degen-Filme der DEFA. Die Produktion orientierte sich am auch in der DDR sehr erfolgreichen Gérard-Philipe-Film FANFAN, DER HUSAR (Christian-Jaque, 1952) und wurde zum Kassenschlager. Die Presse sprach anerkennend vom „Fanfan von Babelsberg“ (vgl. Berliner Zeitung, 26. Juli 1964). Der Film griff auf international bewährte Stilmittel des Genres zurück. Neben einem unfehlbaren Haupthelden, der seine Abenteuer mit sportlichem Elan, Charme und Witz bestreitet, durfte eine Liebesgeschichte nicht fehlen. Für die weiblichen Hauptrolle verpflichtete die DEFA mit der Leipziger-Schauspielstudentin Monika Woytowicz eine Nachwuchsschauspielerin, die erstmals auf der Kinoleinwand zu sehen war.

Nachdem MIR NACH, CANAILLEN! ein Besuchsergebnis von rund 2,5 Millionen erzielte, damit zum erfolgreichsten DEFA-Film des Kinojahres 1964 avancierte und alle Erwartungen übertraf, bemühte sich die DEFA mit dem aufwendigen 70mm-Film HAUPTMANN FLORIAN VON DER MÜHLE (1968) den Erfolg zu wiederholen. Die Regie lag diesmal in den Händen von Werner W. Wallroth. Der Film ging erneut auf eine literarische Vorlage von Joachim Kupsch zurück und setzte auf Manfred Krug als Hauptdarsteller. Mehr über die spannende aber auch problembehaftete Produktionsgeschichte dieses Films, ist im Buch  Publikumspiraten. Das Genrekino der DEFA und seine Regisseure in der Schriftenreihe der DEFA-Stiftung nachzulesen.

Filmstill zu "Mir nach, Canaillen!"

Von der Wäscherin zur feinen Neu-Mutter: Marianne Wünscher in MIR NACH, CANAILLEN! (R: Ralf Kirsten, 1964) Fotograf: Horst Blümel

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Eine Romanze: Monika Woytowicz und Manfred Krug in MIR NACH, CANAILLEN! (R: Ralf Kirsten, 1964) Fotograf: Horst Blümel

Manfred Krug im historischen Gewand

Filmstill zu "Mir nach, Canaillen!"

Manfred Krug

in MIR NACH, CANAILLEN! (R: Ralf Kirsten, 1964) Fotograf: Horst Blümel

Für Manfred Krug, der das Reiten, Fechten, Springen, Klettern und Kämpfen vor der Kamera nicht scheute, ergab sich mit den Abenteuerfilmen ein neues, schauspielerisches Geschäftsfeld. Der historische Film wurde in der DDR zu einer Art Steckenpferd des Darstellers. Bei der DEFA folgten bis in die 1970er-Jahre u.a. Produktionen wie FRAU VENUS UND IHR TEUFEL (Ralf Kirsten, 1967), HUSAREN IN BERLIN (Erwin Stranka, 1970) und DIE GESTOHLENE SCHLACHT (Erwin Stranka, 1972). Für das Fernsehen war Krug bspw. in der siebenteiligen Serie STÜLPNER-LEGENDE (Walter Beck, 1973) zu sehen, mit der er erneut ein Millionenpublikum erreichte. Auch andere Schauspieler durften sich als männliche Helden in vergleichbaren Filmstoffen probieren. So wurde der Nachwuchsschauspieler Werner Kanitz noch als Student für die Hauptrolle der Robert-Louis-Stevenson-Adaption SCHÜSSE UNTERM GALGEN (Horst Seemann, 1968) verpflichtet. An die Erfolge Manfred Krugs konnte Kanitz – trotz beachtlicher sportlicher Leistungen – jedoch nicht anknüpfen. Mit Krugs DDR-Ausreise 1977 infolge der Biermann-Affäre verschwanden auch viele Abenteuerfilme der DEFA aus dem Angebot des PROGRESS-Filmverleihs.

Verfasst von Philip Zengel. (Januar 2023)

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