Filmstill zu "Aus meiner Kindheit"

Aus meiner Kindheit

Am 7. Mai 2025 feiert die digital-restaurierte Fassung des überwiegend in Schwerin und Stralsund gedrehten DEFA-Spielfilms AUS MEINER KINDHEIT (1974) im Rahmen des Filmkunstfests Mecklenburg-Vorpommern in Anwesenheit des Regisseurs Bernhard Stephan und des Hauptdarstellers Michael Hundrieser Premiere.

Kurzinhalt

Filmplakat zu "Aus meiner Kindheit"

AUS MEINER KINDHEIT

(R: Bernhard Stephan, 1974) Grafiker: Harry Pflaum

Hamburg um 1900. Ernst ist Schüler und führt ein Leben wie viele andere Jugendliche. In der Freizeit durchstreift er mit seinem Kumpel Karl die bunte Metropole. Nach der Schule hilft er seinem Vater, dessen Geschäfte er einmal erben soll. Ernst hat viele Fragen an die Welt und das Leben, doch befriedigende Antworten zu finden, ist schwierig… Niemand ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass er einmal als Arbeiterführer Ernst Thälmann in die Geschichtsbücher eingehen wird.

 Hier finden Sie die vollständigen Filmdaten.

Produktionsnotizen

AUS MEINER KINDHEIT entstand als Schwerpunktprojekt der DEFA zum 25. Gründungstag der DDR und dem 30. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus. Die Dreharbeiten erfolgten zwischen dem 16. April und dem 30. Juli 1974. Premiere feierte der Film am 15. Februar 1975 anlässlich der Eröffnung der 6. Ausgabe der alle zwei Jahre stattfindenden Kinder- und Jugendfilmwoche der DDR im Filmpalast Neubrandenburg. Die Premiere im Bezirk Schwerin, wo ein Großteil des Films gedreht wurde, folgte am Nachmittag des 19. Februar im Kino Capitol in Anwesenheit des Regisseurs Bernhard Stephan und des Hauptdarstellers Michael Hundrieser vor 500 Schweriner Jugendlichen, die kurz vor ihrer Jugendweihe standen.

Filmstill zu "Aus meiner Kindheit"

Karl (gespielt von Torsten Borawski) muss bereits vor der Schule arbeiten. Fotograf: Heinz Wenzel

Filmstill zu "Aus meiner Kindheit"

Der junge Ernst Thälmann (gespielt von Michael Hundrieser). Fotograf: Heinz Wenzel

Drehorte: Aus Schwerin wurde Hamburg

Da den DEFA-Filmschaffenden untersagt wurde, mit den beiden Filmkindern in Hamburg zu drehen, suchte man nach einer Stadt, die mit ihrer Architektur dem Bild der Hansestadt um das Jahr 1900 am nächsten kam und fand diesen Ort in Schwerin. Auf dem Schweriner Marktplatz entstand eine Nachbildung des Vierländerin-Brunnens. Die sogenannten „Engen Straßen“ in der Schweriner Altstadt wurden zum Hamburger Gängeviertel und der Pfaffenteich fungierte als Pendant zur Alster. Auch in der Schweriner Friedensschule, im Theater und im Haus der Offiziere im Stadtzentrum wurde gedreht. Die Szenen am Hafen entstanden in Stralsund. Für die Aufnahmen auf dem Rummel diente Werder an der Havel als Kulisse. Aus Hamburg fanden lediglich einige Schnittbilder ohne Schauspielende Eingang in den Film. 

 

 

 

 

Filmstill zu "Aus meiner Kindheit"

Der Schweriner Marktplatz mit dem für den Film gebauten Brunnen. Fotograf: Heinz Wenzel

Filmstill zu "Aus meiner Kindheit"

Dreharbeiten in den Engen Straßen der Schweriner Altstadt. Fotograf: Heinz Wenzel

Thälmann-Kult in der DDR

Der von den Nationalsozialisten nach mehr als 10-jähriger Inhaftierung ermordete, frühere Vorsitzende der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) Ernst Thälmann (1886–1944) genoss in der DDR eine Art Kultstatus. Straßen, Schulen, Parks, ganze Wohngebiete, Gemälde, Statuen, Denkmäler erinnerten und erinnern zum Teil bis heute an den Politiker. Eine Reihe von Büchern und Filmen widmeten sich dem Leben Thälmanns. Fast alle Kinder wurden in der DDR in der ersten Klasse Mitglied in der nach Thälmann benannten Pionierorganisation und ab der 4. Klasse zu „Thälmann-Pionieren“. So erhielten sie früh einen engen Bezug an die vorgeschriebene Heldengestalt der DDR-Führung.

Die DEFA und Ernst Thälmann

Den meisten Menschen dürfte beim Gedanken an Filme über Ernst Thälmann zuallererst die zweiteilige Thälmann-Biografie ERNST THÄLMANN – SOHN SEINER KLASSE und ERNST THÄLMANN – FÜHRER SEINER KLASSE, die in den 1950er-Jahren unter der Regie des DEFA-Mitgründers Kurt Maetzig und mit Günther Simon in der Titelrolle entstand, einfallen. Die beiden monumentalen Produktionen wurden – nicht immer freiwillig – in der DDR von einem Millionenpublikum gesehen und brannten sich fest in das kollektive Gedächtnis der Bevölkerung ein. Anschließend dauerte es einige Zeit, bis Ernst Thälmann in den Produktionsplänen der DEFA wieder eine Rolle spielte. Mitte der 1970er-Jahre entstanden im Umfeld des 30. Todestags Thälmanns gleich drei Filme: der Dokumentarfilm TEDDY (1973) unter der Regie von Volker Koepp, der Animationsfilm DREI GESCHICHTEN UM TEDDY (1974) von Jörg d’Bomba und Bernhard Stephans Jugendfilm AUS MEINER KINDHEIT (1974). 1984/85 produzierte die DEFA im Auftrag des DDR-Fernsehen den zweiteiligen Fernsehfilm ERNST THÄLMANN (R: Ursula Bonhoff & Georg Schiemann). Es blieb die letzte filmische Betrachtung Thälmanns in der DDR.

Kein Heldenepos

Filmstill zu "Aus meiner Kindheit"

Michael Hundrieser

als Ernst Thälmann in AUS MEINER KINDHEIT (R: Bernhard Stephan, 1974) Fotograf: Heinz Wenzel

Die Handlung der ersten filmischen Auseinandersetzung mit Ernst Thälmann von Kurt Maetzig klammert dessen Kindheit und Jugend aus und setzt erst bei der Novemberrevolution 1918 ein. Bernhard Stephans AUS MEINER KINDHEIT bedient somit eine inhaltliche Leerstelle der Vorgängerfilme. Doch auch stilistisch setzt sich Stephans Film deutlich von Maetzigs berühmten Filmen ab. Streng genommen handle es sich „nicht um einen Film mit und über Thälmann“ stellte etwa Wolfram Schroedel in der „Wochenpost“ fest. Die Zuschauerinnen und Zuschauer erfahren erst sehr spät im Filmverlauf, wer der Jugendliche auf der Kinoleinwand ist und was aus ihm wird. „Der 14 bis 16-jährige Ernst Thälmann, dem man jetzt auf der Leinwand begegnet, ist nun schon ganz und gar ein Junge wie jeder andere, kein Knabe mit dem frühen Charisma des späteren proletarischen Volkstribuns“ befand der westdeutsche Filmkritiker Heinz Kersten in seinem Kommentar zu AUS MEINER KINDHEIT. 

Die Herangehensweise historische Filmhelden für ein junges Publikum vom Dogmatismus und einem imaginären Denkmalsockel zu befreien, hatte die DEFA bereits 1968 mit Karl Marx und der Literaturverfilmung MOHR UND DIE RABEN VON LONDON (R: Helmut Dziuba) erstmals erfolgreich erprobt. Im Zuge der Vorbereitungen auf die Dreharbeiten zu AUS MEINER KINDHEIT bestellte sich das Filmteam zudem den schwedischen Coming-of-Age-Film HIER HAST DU DEIN LEBEN (OT: Här har du ditt liv; R: Jan Troell, 1966) nach Babelsberg. Darin verlässt ein 14-jährige Junge sein Elternhaus, um ein eigenes Leben aufzubauen. Auf seiner Reise kommt er in Kontakt mit der schwedischen Arbeiterbewegung...

Buch: Wera & Claus Küchenmeister sowie Volker Koepp

Die Filmideen von Wera und Claus Küchenmeister waren seit dem ersten erfolgreich realisierten Filmstoff SIE NANNTEN IHN AMIGO (R: Heiner Carow, 1958) überaus gefragt. Bei der DEFA entstanden u.a. DER TAPFERE SCHULSCHWÄNZER (R: Winfried Junge, 1967) oder das 70-mm-Epos KLK AN PTX – DIE ROTE KAPELLE (R: Horst E. Brandt, 1970). Bei der Recherche für den letztgenannten Film stieß das Autorenpaar auf bisher unveröffentlichte Aufzeichnungen Thälmanns, die vermutlich während seiner Inhaftierung Mitte der 1930er-Jahre im Untersuchungsgefängnis in Berlin-Moabit entstanden. Anhand der Dokumente erarbeiteten die Küchenmeisters Anfang der 1970er-Jahre gemeinsam mit Regisseur Volker Koepp den Dokumentarfilm TEDDY über Ernst Thälmanns Kindheit und Jugend. Im Zuge der Auswertung des Films führten sie viele Filmgespräche mit den jungen Zuschauerinnen und Zuschauern: „Wir fragten sie, was sie gern in einem Spielfilm über Thälmanns Kindheit sehen möchten“, erinnerte sich Wera Küchenmeister später (zitiert nach „Freie Erde“, 18. Februar 1975). Auf Basis dieser Anregungen aus dem Publikum, folgte das Spielfilmprojekt AUS MEINER KINDHEIT. 

Filmstill zu "Aus meiner Kindheit"

Ernst Thälmanns strenger Vater (gespielt von Norbert Christian). Fotograf: Heinz Wenzel

Filmstill zu "Aus meiner Kindheit"

Harte Realitität: Ernst im Obdachlosenheim. Fotograf: Heinz Wenzel

Regie: Bernhard Stephan

Filmstill zu "Aus meiner Kindheit"

Bernhard Stephan

während des Drehs von AUS MEINER KINDHEIT (1974) Fotograf: Heinz Wenzel

Für die Regie wurde der Nachwuchs-Regisseur Bernhard Stephan (* 1943) gewonnen. Nach seinem Studium an der Filmhochschule in Moskau und ersten Aufgaben beim DDR-Fernsehen feierte Stephan 1973 mit dem DEFA-Jugendfilm FÜR DIE LIEBE NOCH ZU MAGER? ein erfolgreiches Kinodebüt. Mit AUS MEINER KINDHEIT wagte sich der Filmemacher erstmals an einen historischen Stoff. Seine Regieleistung wurde in der Presse weitgehend anerkennend beurteilt. „Hier [hat] ein junger Regisseur seinen Sinn für die Wirklichkeit bewiesen, den Blick für soziales Milieu und Verhalten“, hieß es etwa in der Schweriner Volkszeitung vom 18. Februar 1975. Stephan selbst hat an die Dreharbeiten bis heute lebhafte Erinnerungen und wollte sich bewusst von den Vorgängerfilmen abheben: „Mich hat einfach interessiert, dass da ein Junge um 1900 in Hamburg ist (…) Unser Film ist das Gegenstück zu dem, was der Kollege Maetzig gemacht hat. (…) es ist ein bescheidener Film, der ein einfaches Leben erzählt.“ (zitiert aus Zeitzeugengespräch Bernhard Stephan, 2019)

Michael Hundrieser – Ein junger Hauptdarsteller

Für die Rolle des Ernst Thälmanns in AUS MEINER KINDHEIT wurde der damals 15-jährige Schweriner Schüler Michael Hundrieser besetzt. Bernhard Stephan wählte seinen jungen Hauptdarsteller unter 6.000 Jugendlichen aus. Die Aufgabe beim Film sollte für Hundrieser, der in seiner Freizeit zu dieser Zeit am liebsten dem Judosport nachging, ein einmaliges Abenteuer bleiben. „Seinem Berufsziel, als ‚Ölmaxe‘ (sprich: Schiffsmechaniker) zur See zu fahren, will er auf jeden Fall treu bleiben“, hieß es am 18. Juli 1974 in der Zeitschrift „Trommel“. In den überlieferten DDR-Filmkritiken wird seine Leistung fast ausschließlich positiv besprochen. „Er stattet (...) Thälmann mit Intelligenz und Gradlinigkeit, Herzenswärme und Lebensfreude und einem unbeugsamen Gerechtigkeitssinn aus“ urteilte die oft gefürchtete Kino-Eule Renate Holland-Moritz im Eulenspiegel. 

Filmstill zu "Aus meiner Kindheit"

Ernst mit seiner Mutter (gespielt von Barbara Adolph) auf dem Markt. Fotograf: Heinz Wenzel

Filmstill zu "Aus meiner Kindheit"

Ernst im Austausch mit Theatermann Franz (gespielt von Manfred Karge). Fotograf: Heinz Wenzel

Positives Presseecho

Filmstill zu "Aus meiner Kindheit"

Katrin Martin

als Hausmädchen Lina in AUS MEINER KINDHEIT (1974) Fotograf: Heinz Wenzel

Auch in der Gesamtheit wurde AUS MEINER KINDHEIT mit viel Lob bedacht. „Zu diesem Film kann man unserer DEFA gratulieren! Er ist abenteuerlich und unterhaltsam, bildend und besinnlich (...) auch erwachsene Kinogänger dürften ihn mit Gewinn sehen“ schrieb Hans Dieter Tok am 18. Februar 1975 in der Leipziger Volkszeitung. Herausgestellt wurde vielfach die Filmmusik von Gerhard Rosenfeld, die moderne Elemente in den historischen Film einbringt: „Die Musik ist sehr gezielt auf das junge Publikum eingerichtet und erleichtert vielleicht den Zugang. Arbeiterlied und Beat sind leitmotivisch eingesetzt und wirken in einer glücklichen Mischung und Vermischung emotional auf die Zuschauer“, hieß es u.a. in der Magdeburger Volksstimme vom 22. Februar 1975. Kritisiert wurde mitunter die episodische Erzählweise des Films: „Ich glaube, die Drehbuchautoren wären gut beraten gewesen, wenn sie Thälmanns Jugend zu einer geradlinigen, geschlossenen, dramatischen Handlung verdichtet hätten“, befand Manfred Haedler in „Der Morgen“ vom 16. Februar 1975. Andere Kritiker hoben die „bemerkenswerte Genauigkeit“ (Rolf Richter, ND, 18. Februar 1975) und das „prägnante Zeitkolorit“ (Helmut Ullrich, Neue Zeit, 14. Februar 1975) des Films hervor. 

Verfasst von Philip Zengel. (April 2025)

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