Filmstill zu "Zum Beispiel Josef"

Zum Beispiel Josef

Seit kurzem ist der im Rostocker Schiffbauer-Milieu spielende DEFA-Film ZUM BEISPIEL JOSEF (R: Erwin Stranka, 1974) mit Jürgen Heinrich in der Titelrolle im Programm des offiziellen YouTube-Kanals „DEFA-Filmwelt“ verfügbar. Der Film erzählt vom schwierigen Prozess des Hineinwachsens eines extremen Außenseiters in die DDR-Gesellschaft.

Kurzinhalt

Filmplakat zu "Zum Beispiel Josef"

ZUM BEISPIEL JOSEF

(R: Erwin Stranka, 1974) Grafiker: Harry Pflaum

Der etwa 30-jährige Josef Neumann (gespielt von Jürgen Heinrich) hat bereits viel erlebt und die halbe Welt gesehen. Findelkind, Zögling, Artist, Legionär, Seemann, Schiffbauer lauten die Stationen seines Lebens. Menschliche Fürsorge oder ein Zuhause? Solche Dinge kennt Josef nicht. Er ist ein Sonderling und bisher „von allen Zügen abgesprungen, ehe sie in den Bahnhof einfuhren.“ Nun verschlägt es ihn in die DDR. Dort kommt es sowohl bei der Arbeit auf der Werft als auch im Privaten zu Problemen. Die unterschiedlichen Lebenseinstellungen zwischen ihm und den Menschen in seinem Umfeld scheinen sich nicht vereinbaren zu lassen.

 Hier finden Sie die vollständigen Filmdaten.

Produktionsnotizen

ZUM BEISPIEL JOSEF entstand als Beitrag der DEFA zum 25. Gründungstag der DDR. Gedreht wurde in Rostock auf der Warnow- und der Neptunwerft sowie am Ostseestrand unweit des Neptun Hotels. Bulgarien diente als Schauplatz für den in Rückblenden gezeigten Algerienkrieg. Uraufführung feierte die Produktion am 20. September 1974 als Eröffnungsbeitrag der II. Tage des sozialistischen Films in den Cottbusser Kammerlichtspielen.

Ab 1986 durfte ZUM BEISPIEL JOSEF nach Ausreisen der Schauspielenden Jürgen Heinrich, Monika Woytowicz und Eva-Maria Hagen sowie des Komponisten Uve Schikora nicht mehr in der DDR gezeigt werden.

Original-Kinotrailer mit Herbert Otto für ZUM BEISPIEL JOSEF (R: Erwin Stranka, 1974)

Ein Antiheld für junge Leute

„Schon das Plakat zieht: Der Zornige im Zottelpelz verspricht Unterhaltung, assoziiert Außerordentliches, besonderen Charakter: er sieht, das ist wichtig, nicht aus wie ein Braver,“ schrieb Jutta Voigt am 27. Oktober 1974 im „Sonntag“. Bereits anhand der vom Filmverleih PROGRESS erstellten Werbemittel wird deutlich: Mit der Inszenierung des unangepassten Antihelden Josef – möglicherweise der Hauptfigur der DEFA-Filmgeschichte mit der außergewöhnlichsten Biografie – sollte ein junges Publikum für den Kinobesuch begeistert werden. Eine stattliche Anzahl von 33 Kopien wurde dafür bereitgestellt. Uve Schikora, der zwei Jahre zuvor mit seiner Band und dem Rockalbum „Das Gewitter“ für Furore sorgte, sollte mit eigens komponierter Filmmusik für zusätzliche Zugkraft sorgen.

In der Leipziger Abendzeitung vom 18. Oktober 1974 ist eine Meinungsumfrage junger Zuschauerinnen und Zuschauer um die 20 nach dem Kinobesuch dokumentiert. Die zu Wort kommenden Jugendlichen stellen eine große Bandbreite an erinnerungswürdigen Aspekten des Films heraus. Christine M. fiel besonders „die Einheit zwischen Filmmusik mit dem Geschehen auf der Leinwand“ auf. Ihre Namensvetterin Christine W. blieben die Liebesszenen in Erinnerung: „Josef hat eine ganz schöne Wandlung in seiner Haltung gegenüber Frauen durchgemacht – vom Draufgänger zum verständnisvollen Partner. Überhaupt zeigt der Film, wie wichtig die Partnerwahl im Leben eines Menschen ist.“ Für Helmut B. war die wichtigste Erkenntnis, „dass man sich mehr um jeden einzelnen kümmern muss.“

 

 

 

 

Filmstill zu "Zum Beispiel Josef"

Josef im Krieg. Die seelischen Narben bleiben bis in die Gegenwart. Fotograf: Hans-Joachim Zillmer

Filmstill zu "Zum Beispiel Josef"

Ab durch die Mitte: Wenn Josef nicht mehr weiß, wählt er den Sprung durch die Glasscheibe. Fotograf: Hans-Joachim Zillmer

Frei nach einem Roman von Herbert Otto

Mehrfach wurden Stoffe von Herbert Otto (1925–2003) bei der DEFA verfilmt. Anfang der 1960er-Jahre schrieb der Schriftsteller für SEPTEMBERLIEBE (R: Kurt Maetzig, 1960) das Drehbuch. Zwei Mal – ZEIT DER STÖRCHE (1970) und DER TRAUM VOM ELCH (1986) – verfilmte Siegfried Kühn Romane Ottos. Die Adaption von ZUM BEISPIEL JOSEF erreichte 1974 mit mehr als 600.000 Besucherinnen und Besuchern das größte Publikum. Bereits Ottos gleichnamiger Roman avancierte vier Jahre zuvor zum Bestseller. Die Bearbeitung der Vorlage für den Film erfolgte durch Günter Karl, der zuvor insbesondere durch seine Beteiligung an fünf „DEFA-Indianerfilmen“ auffiel, in Zusammenarbeit mit Regisseur Erwin Stranka. Für den Film wurde der Haupthandlungsort des Films aus Mangel eines geeigneten Drehorts mit hohem Schauwert von einer Schornstein-Großbaustelle auf ein Werft-Gelände verlegt. Die konzeptionelle Kernfrage der filmischen Bearbeitung war für Autor Karl jedoch: „Wie erreichen wir die richtigen Proportionen zwischen dem schwierigen Charakter des Josef und dem Wirken der Brigade?“ Im Gespräch mit Heinz Hofmann für Kino DDR betont er: „Bei unkluger und ungeschickter Interpretation des Romans könnte man eine demonstrativ-didaktische Komponente herauslesen: Außenseiter stößt auf gefestigtes Kollektiv und wird vom Kollektiv erzogen. Diese Gefahr haben wir immer vor uns gesehen.“

Filmstill zu "Zum Beispiel Josef"

Frauen im neuen Leben: Josef mit Ute (Monika Woytowicz), die ihn ohne Vorankündigung verlässt. Fotograf: Hans-Joachim Zillmer

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Frauen im neuen Leben: Gibt die verheiratete Julia (Petra Hinze) Josef Halt? Fotograf: Hans-Joachim Zillmer

Jürgen Heinrich ist Josef

Ursprünglich war Peter Reusse für die Rolle des Josef vorgesehen, berichtete Jürgen Heinrich (* 1945) im Februar 2024 während eines Filmgesprächs im Berliner Kino Toni. Doch Reusse wurde vom Deutschen Theater in Berlin für die Drehzeit nicht freigestellt und so ging der Part an Heinrich, der bis dato lediglich für die deutlich kleinere Rolle eines Schweißers vorgesehen war.

Für die körperlich anspruchsvolle Josef-Rolle war der sportliche Heinrich als früherer Leistungssportler in der Leichtathletik und Bezirksmeister im Turnen prädestiniert. Die mehrfach im Film präsenten Salto-Sprünge der Hauptfigur konnten ohne Kaskadeur gedreht werden. Auch das für die Werft-Arbeit notwendige Schweißen erlernte Heinrich schon vor dem Schauspielstudium im Zuge einer Ausbildung zum Stahlschiffbauer. Darüber hinaus war der zu dieser Zeit am Friedrich-Wolf-Theater in Neustrelitz engagierte Heinrich begeisterter Leser der Romane Herbert Ottos. Bereits bei der Verfilmung von ZEIT DER STÖRCHE hatte er auf eine Besetzung gehofft, doch die Filmemacher gaben Winfried Glatzeder den Vorzug. Umso größer war die Freude, dass es bei ZUM BEISPIEL JOSEF mit der Hauptrolle funktionierte. Ausgerechnet eine Begegnung mit dem Schriftsteller hat Heinrich „den Spaß jedoch ein bisschen versaut“, wie er heute erzählt. Otto erzählte ihm während des Treffens, dass es für Josef ein reales Vorbild gab. Eine Person, die auf Umwegen in die DDR kam, immer Saltos sprang und – anders als der Filmheld – aufgrund fehlender Integrationsfähigkeit zurück in die BRD geschickt wurde. Diese Kluft zwischen Realität und fiktionaler Handlung lässt Heinrich bis heute zwiespältig auf den Stoff blicken.

Filmstill zu "Zum Beispiel Josef"

Josefs Brigade auf dem Werftgelände. Fotograf: Hans-Joachim Zillmer

Filmstill zu "Zum Beispiel Josef"

Bruno (Hans-Peter Reinecke) setzt sich für Josef ein. Doch auch zwischen den Männern kommt es zu Konflikten. Fotograf: Hans-Joachim Zillmer

Peter Brand und Erwin Stranka – Beginn einer Arbeitsgemeinschaft

Für den zuvor für das DDR-Fernsehen tätigen Kameramann Peter Brand (1937–2023) markierte ZUM BEISPIEL JOSEF den Auftakt für eine erfolgreiche Laufbahn bei der DEFA. Der Film bildete zugleich den Startpunkt für eine langjährige Zusammenarbeit mit Regisseur Erwin Stranka (1935–2014). Es folgten DER KLEINE ZAUBERER UND DIE GROSSE FÜNF (1976), SABINE WULFF (1978) und DIE STUNDE DER TÖCHTER (1980). Die Meinung seines Kameramannes hatte bei Stranka viel Gewicht. So erzählte Brand später im Gespräch mit Peter Badel über den Regisseur: „Zu jedem Detail wollte er meine Meinung als Kameramann“ und ergänzte „es ging so weit, dass meine Frau mich fragte, ob ich mit ihr verheiratet sei oder mit Erwin.“ („Kamera läuft“, S. 98–99). Regisseur Stranka profilierte sich mit ZUM BEISPIEL JOSEF erstmals als Filmemacher für Stoffe, die in der DDR-Gegenwart spielen und primär für ein junges, erwachsenes Publikum gemacht wurden – SABINE WULFF (1978), DER HAIFISCHFÜTTERER (1985), LIANE (1987) oder ZWEI SCHRÄGE VÖGEL (1989) sind weitere Beispiele aus seiner Filmografie. Strankas Filmhelden eint ihre Unangepasstheit. „Anwalt der Jugend“ lautete daher mitunter der Spitzname des Regisseurs in der Presse. Bei der künstlerischen Umsetzung der Stoffe bewegten ihn laut eigener Aussage stets zwei Fragen: (1) „Wie macht man die Filme unterhaltsam?“ und (2) „Wie hütet man sich davor, sie mit Problemen zu überfrachten?“ (vgl. Freie Presse, 15. April 1982)

Filmstill zu "Zum Beispiel Josef"

Regisseur Erwin Stranka (rechts in Lederjacke) im Austausch mit dem Kamerateam. Ganz links: Peter Brand. Fotograf: Hans-Joachim Zillmer

Filmstill zu "Zum Beispiel Josef"

Regisseur Erwin Stranka im Austausch mit Hans-Peter Reinecke und Jürgen Heinrich. Fotograf: Hans-Joachim Zillmer

Breites Presseecho

Filmstill zu "Zum Beispiel Josef"

Jürgen Heinrich

in ZUM BEISPIEL JOSEF (R: Erwin Stranka, 1974) Fotograf: Hans-Joachim Zillmer

Die Meinungen in der DDR-Filmkritik zu ZUM BEISPIEL JOSEF gingen sehr weit auseinander. Kritisiert wurde mitunter, dass sich DDR-Neuankömmling Josef von den vorgefundenen Begebenheiten in der DDR wenig überrascht zeigt. „Jürgen Heinrich lässt seinen Josef, der aus der Welt der Wölfe kommt, wenig staunen über unseren Staat, spielt kaum das Entdecken der sozialistischen Menschlichkeit seiner Bürger“ urteilte Hans-Dieter Schütt am 11. Oktober 1974 in der Zeitung „junge Welt“. Jörg-Heiko Bruns befand hingegen in der Magdeburger Volksstimme, dass insbesondere die „selbstverständliche Ehrlichkeit Josefs“ den „Film sympathisch“ mache (vgl. Ausgabe vom 19. Oktober 1974). Vielfach kritisiert wurden die Charakterzüge der Frauen im Film, die Renate Holland-Moritz im Eulenspiegel gar zu „heimischen Psychopatinnen“ kürte. Ganz anders war dazu die Meinung des Kritikers in der Schweriner Volkszeitung: „Zu den Besonderheiten des Films (...), gehört, dass die Partner Josefs (...) auch die Frauen Ute und Julia, interessante Menschen sind, deren Stärken und Schwächen den Zuschauer nicht weniger berühren als die des Titelhelden.“ (Ausgabe vom 13. Oktober 1974) Besonders gut kam ZUM BEISPIEL JOSEF im Bezirk Rostock, dem Handlungsort des Films an. Heide Gossing schrieb in der Ostseezeitung: „Es ist eine Geschichte, die ankommt, das Publikum geht mit. Das in einer vollbesetzten Nachmittagsvorführung zu erleben, ist nicht alltäglich. Des großen Erfolgs wegen lief der Film eine Woche länger als geplant im Rostocker Capitol.“ (Ausgabe vom 22. Oktober 1974)

Verfasst von Philip Zengel. (Juli 2025)

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