Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Hanus Burger

Regisseur

* 4. Juni 1909 in Prag; † 13. November 1990 in München

Biografie

Filmstill zu "...nichts als Sünde"

Hanus Burger

bei den Dreharbeiten zu ... NICHTS ALS SÜNDE (R: Hanus Burger, 1965) Fotograf: Herbert Kroiss

Hanus Burger, Co-Regisseur der legendären antifaschistischen Dokumentarfilme CRISIS (1938/39) und DIE TODESMÜHLEN (1945), arbeitete nur einmal für die DEFA: 1964/65 inszenierte er das Filmmusical ... NICHTS ALS SÜNDE nach Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“. Doch seine Verbindungen zum Babelsberger Filmstudio lagen schon länger zurück: Bereits 1956/57 hatte er vor, mit dem Projekt „Der letzte Kriegspfad“ den ersten DEFA-Indianerfilm zu drehen. Und 1966 sollte bei der DEFA ein auf Tatsachen beruhender Agentenfilm nach seinem Buch „1212 sendet“ entstehen. Neben seinen Stippvisiten in der DDR lebte und wirkte der in Prag geborene Theater-, Film- und Fernsehmacher in Österreich, der Tschechoslowakei, den USA und nach der Niederschlagung des Prager Frühlings auch in der Bundesrepublik.

Hanus (auch: Hanuš) Burger wird als Hans Herbert Burger am 4. Juni 1909 in Prag geboren. Sein Vater ist Lederwarenhändler, seine Mutter Hausfrau und Tochter eines Uhrmachers. Hanus wächst zweisprachig – deutsch und tschechisch – auf; als nach dem Ende des Ersten Weltkrieges die unabhängige Tschechoslowakische Republik ausgerufen wird, siedelt der Vater 1920 mit seiner Familie nach Deutschland um. Sein Abitur legt Hanus Burger 1928 in Frankfurt am Main ab, lernt nebenher Singen, Klavierspielen und Zeichnen und knüpft Kontakte zum Neuen Theater. Auf Wunsch des Vaters soll er ins Ledergeschäft einsteigen, hat dafür aber kein Interesse. Auch die Schuhmacherlehre in Prag, zu der der Vater ihn verpflichten will, bricht er nach einem Monat ab – und spricht stattdessen beim Direktor des Prager Deutschen Theaters vor, von dem er sich eine Anstellung als Bühnenbildner erhofft. Auf dessen Empfehlung hin bewirbt er sich für eine Ausbildung an der Bühnenbildklasse von Emil Preetorius in München. Nach einem Jahr wird er Regieassistent am Schauspielhaus Bremen; 1931/32 arbeitet er als Regieassistent, Dramaturg und Bühnenbildner am Thalia-Theater Hamburg, tritt in die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition ein und engagiert sich im linksgerichteten Kollektiv der Hamburger Schauspieler: „Wir trafen uns allnächtlich in irgendeinem verrauchten Hinterzimmer einer Gastwirtschaft und schrieben und probten unser erstes Stück.“ (Burger zu Arndt, 1956). Seine Inszenierung des Stückes „Unser Schaden am Bein“ wird von Protesten der SA begleitet. Auch der Direktor des Thalia-Theaters nennt es verfassungsfeindlich und verwarnt ihn.

Als Burger im Sommer 1932 ein Angebot aus Prag erhält, kehrt er in die Tschechoslowakei zurück. Bis 1936 wirkt er als Regisseur, Dramaturg und Bühnenbildner am Prager Neuen Deutschen Theater. Seine erste Inszenierung, Jean Cocteaus „Geliebte Stimme“, kommt im Spätherbst 1932 heraus. 1934 arbeitet er gemeinsam mit Walter Taub und Václav Wasserman am Drehbuch zur Filmkomödie DER ADJUTANT SEINER HOHEIT (R: Martin Frič). Und gemeinsam mit dem exilierten deutschen Autor Stefan Heym schreibt er das Jugendstück „Tom Sawyers großes Abenteuer“, das im Februar 1937 seine tschechische Uraufführung erlebt. In seinen Memoiren „Nachruf“ erinnert sich Heym, Burger sei „stets rasch begeistert für Pläne und Projekte“ gewesen; ihm sei es auch zu danken, dass eine Kopie des gemeinsamen Werks über die Jahre gerettet worden sei.

Filmstill zu "...nichts als Sünde"

Hanus Burger und Helga Čočková während der Dreharbeiten zu ... NICHTS ALS SÜNDE (R: Hanus Burger, 1965) Fotograf: Herbert Kroiss

Filmstill zu "...nichts als Sünde"

Herwart Grosse im Gespräch mit Hanus Burger bei den Dreharbeiten zu ... NICHTS ALS SÜNDE (R: Hanus Burger, 1965) Fotograf: Herbert Kroiss

Nach der Machtübernahme Hitlers in Deutschland nähert sich Burger immer mehr den Aktivitäten der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei an. Neben seiner hauptberuflichen Arbeit engagiert er sich für das Experimentelle Theater „Studio 1934“, das unter Leitung der deutschen Emigranten Fritz Erpenbeck und Hedda Zinner gegründet worden ist. Er wird Mitbegründer des „Klubs tschechisch-deutscher Bühnenangehöriger“, in dem  Wolfgang Langhoff und  Erwin Geschonneck mitarbeiten, und des „Bert-Brecht-Klubs“, der Szenen aus Brechts „Heiliger Johanna der Schlachthöfe“ und „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ vorstellt. Im Auftrag des kommunistischen Arbeiterlaientheaterbunds inszeniert er 1936 Clifford Odets Streikdrama „Waiting for Lefty“ mit Paul Lewitt, Charlotte Küter und  Erich Freund. Ebenfalls mit deutschen Emigranten bringt er das von Johannes Wüsten verfasste antifaschistische Stück „Bessie Bosch“ auf die Bühne. Über seine Erfahrungen schreibt er in der deutschsprachigen Prager Zeitung „Rote Fahne“ die Artikelreihe „Neue Wege des Arbeitertheaters“, wird Redakteur der „Volksillustrierten“ und lässt sich unter dem Decknamen Petr Hradec als Kurier nach Berlin einsetzen.

1938 lernt Hanus Burger den US-amerikanischen Journalisten Herbert Kline kennen, mit dem er gemeinsam in die deutschsprachigen Grenzgebiete der Tschechoslowakei reist und dort, unterstützt von Kameramann Alexander Hackenschmied, Aufmärsche und Reden der sudetendeutschen Partei sowie Widerstandsaktivitäten gegen die profaschistische Bewegung filmt. Nach dem „Anschluss“ des Sudentenlandes ans Deutsche Reich im Oktober 1938 schmuggeln sie die Filmteile, getarnt unter dem Titel „Böhmens Haine und Seen“, außer Landes. Der daraus montierte Film CRISIS, der Anfang 1939 in New York fertiggestellt werden kann, wird als authentischer antifaschistischer Report gewertet und durch den National Board of Review zum besten Film des Jahres erklärt.

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Annekathrin Bürger in ... NICHTS ALS SÜNDE (R: Hanus Burger, 1965) Fotograf: Herbert Kroiss

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Helga Čočková in ... NICHTS ALS SÜNDE (R: Hanus Burger, 1965) Fotograf: Herbert Kroiss

Im Dezember 1938 zur Flucht gezwungen, kommt Burger über Frankreich in die USA. Kurzzeitig lehrt er Theatergeschichte an der von Lee Strasberg geleiteten New Yorker Theaterakademie, interessiert sich für die Entwicklung des neuen Mediums Fernsehen und dreht weitere Dokumentarfilme, u. a. PORTRAIT OF A LIBRARY (1940), BOOGIE-WOOGIE DREAM (1941), einen Jazzfilm mit Lena Horne, Teddy Wilson und Albert Ammons, und EDUCATION FOR TOMORROW (1942). 1943 entsteht der Spielfilm SEEDS OF FREEDOM, in dem Henry Hull einen Überlebenden der Aufständischen des „Panzerkreuzer Potemkin“ spielt, der nun eine Gruppe von Widerstandskämpfern in Odessa gegen die Deutschen anführt. Sergej Eisenstein, um seine Einwilligung befragt, gibt die Erlaubnis für die Benutzung von Originalausschnitten aus seinem Revolutionsklassiker.

Burgers Antrag, innerhalb der tschechoslowakischen Exilarmee aktiv gegen die Nazis zu kämpfen, wird wegen seiner kommunistischen Vorgeschichte abgelehnt; auch die US-Army nimmt ihn nicht als Freiwilligen auf; er gilt als „vorzeitiger Antifaschist“, eine euphemistische Umschreibung für Kommunist. Nachdem er im Sommer 1942 zum regulären Armeedienst eingezogen worden ist, wird er Mitglied einer Abteilung innerhalb der Stabsgruppe für Propaganda und Psychologische Kriegsführung (P&PW Detachement) der 12. Armeegruppe. Zu deren Aufgaben gehören die „Erforschung der psychischen Widerstandskraft des Gegners und ihre Lähmung“ (Burger). Im „Camp Richie“, seinem Trainingsort nordwestlich von Washington, übernimmt Burger auch das Ausbildungstheater und dreht 1944 den fünfteiligen Ausbildungsfilm KILL OR BE KILLED. Er lernt Klaus Mann, Peter Beauvais und Hans Habe kennen, die ebenfalls zu Ausbildungszwecken nach „Camp Richie“ beordert worden sind. Und er trifft Stefan Heym wieder.

Zum aktiven Fronteinsatz darf Burger allerdings erst, als eine mobile Sendekompanie aufgestellt wird. 1944 betritt er nach der Landung der Alliierten in der Normandie wieder europäischen Boden, verhört Gefangene und fordert über Lautsprecher gegnerische Soldaten zum Niederlegen der Waffen auf. Ende 1944 wird Burger dann vom Office of Strategic Services (OSS), einem Vorläufer der CIA, zum Team des US-amerikanischen Propagandasenders „1212“ beordert, der bis April 1945 von Luxemburg aus unter dem Deckmantel, von deutschen Patrioten geführt zu sein, zur Verunsicherung und Kampfaufgabe der deutschen Armee und Bevölkerung beitragen soll. Die Meldungen bestehen aus Fakten und Vermutungen, auch aus gezielten Desinformationen. Später wird Burger die damit verbundenen Erlebnisse in dem Tatsachenroman „1212 sendet“ verarbeiten.

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Brigitte Krause in ... NICHTS ALS SÜNDE (R: Hanus Burger, 1965) Fotograf: Herbert Kroiss

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Hans Lucke in ... NICHTS ALS SÜNDE (R: Hanus Burger, 1965) Fotograf: Herbert Kroiss

Sofort nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird Hanus Burger vom Office of Military Government for Germany United States (OMGUS) damit betraut, den Dokumentarfilm DIE TODESMÜHLEN über deutsche Konzentrationslager zu montieren, so wie sie von den Alliierten unmittelbar nach der Befreiung vorgefunden wurden. Dieser Film soll „im Sinne der Reeducation zur Konfrontation der deutschen Bevölkerung mit den unter ihren Augen begangenen Verbrechen dienen“ (Albrecht). Doch Burger kann seine ursprüngliche Konzeption, authentisches Material von Kriegskameramännern mit einer knappen Spielhandlung zu verbinden, nur partiell verwirklichen. Die schließlich unter Aufsicht von Billy Wilder hergestellte, von einer Stunde auf zwanzig Minuten verkürzte Fassung wird zunächst kaum gezeigt – die Amerikaner scheuen davor zurück, die Deutschen mit den von ihnen begangenen Grausamkeiten zu konfrontieren. Heute gilt DIE TODESMÜHLEN als wichtigster US-Dokumentarfilm über den deutschen KZ-Staat. – In die USA zurückgekehrt, arbeitet Burger als Leiter der Filmabteilung beim Fernsehsender CBS, dreht Reportagen und Zeichentrickfilme. Dann holt ihn die visuelle Informationsabteilung der UNO als Programmchef zu den Vereinten Nationen. Hier dreht er u.a. den Kurzfilm FIRST STEPS, der 1948 den Oscar als bester Dokumentar-Kurzfilm erhält und in dem Burger zeigt, wie ein Kind laufen lernt.

Im Zuge des Kalten Krieges gerät Burger als Linker ins Visier des „Ausschusses zur Bekämpfung unamerikanischer Umtriebe“, von dem er politisch überprüft werden soll. Noch vor der entsprechenden Befragung kehrt er im Frühjahr 1950 nach Prag zurück. Nachdem er 1944 Bürger der USA geworden war, erhält er im selben Jahr wieder die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft. Doch auch hier wird er, diesmal als West-Emigrant und ehemaliger Mitarbeiter eines US-Geheimdienstes, beargwöhnt und kann den stalinistischen Säuberungen nur knapp entgehen. Er findet eine Anstellung beim Prager Fernsehen, zunächst in der Nachrichtenabteilung, später beim Jugendfernsehen, dessen Chefregisseur er 1961 wird. Nach mehreren Dokumentar- und fiktionalen Filmen dreht er ebenfalls 1961 den Kinderkinofilm DAS EISMEER RUFT nach der gleichnamigen Erzählung von Alex Wedding (der nicht ins Programm der DDR-Kinos übernommen wird). Nebenbei übersetzt er tschechische und slowakische Lyrik ins Deutsche und erschließt mit seinen Nachdichtungen von „Das starrsinnige Weib“ und „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“ die Dramen des tschechischen Nationaldichters Joseph Kajetán Tyl fürs DDR-Publikum. In diesem Zusammenhang gelingt es ihm, Kontakte zur Ost-Berliner Theaterszene zu knüpfen, in der er viele alte Bekannte hat. Zu seinem größten Erfolg wird das sowohl 1954 als auch 1962 am Theater der Freundschaft inszenierte Stück „Tom Sawyers großes Abenteuer“, bei dessen zweiter Aufführung er auch Regie führt. Zwischen 1963 und 1966 inszeniert er am Theater der Freundschaft auch Shakespeares „Was ihr wollt“ als Musical (Co-Regie: Heiner Möbius), Molières „Die Gaunerstreiche des Scapin“ und Heinz Kahlaus „Das Märchen von der alten Straßenbahn Therese“.

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Helga Čočková in ... NICHTS ALS SÜNDE (R: Hanus Burger, 1965) Fotograf: Herbert Kroiss

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Annekathrin Bürger in ... NICHTS ALS SÜNDE (R: Hanus Burger, 1965) Fotograf: Herbert Kroiss

Bereits 1956 nimmt er Verbindung zur DEFA auf. Er schlägt dem Spielfilmstudio vor, einen Stoff nach dem Roman „Die letzte Grenze“ von Howard Fast als Kinder- und Jugendfilm zu inszenieren. Eine Legende über die Cheyenne, die 1878 ihre trostlose Reservation in Oklahoma verlassen, um in ihre angestammte Heimat zurückzukehren. Burger hat den Roman geschickt verwandelt: Er erzählt aus der Perspektive eines 14-jährigen weißen Jungen, der mit einem gleichaltrigen Cheyenne befreundet ist und sich als Dolmetscher eines Reporters anheuern lässt, um hautnah die Tapferkeit des kleinen Stammes gegen die Übermacht der Armee zu erleben: 12.000 Soldaten gegen nur achtzig kampffähige Männer. Am Ende dürfen die Cheyenne nicht einmal mehr in ihr Reservat zurück, weil dort inzwischen Öl gefunden wurde. Die Dramaturgin Eleonore Schmidt-Schwarze lobt, Burgers Entwurf befriedige „nicht nur das Bedürfnis der Kinder nach einem abenteuerlichen romantischen Indianerfilm. Er spricht auch ihr Gerechtigkeitsgefühl an, indem sie den Kampf eines kleinen Volksstammes gegen die Übermacht des Unterdrückerstaates miterleben.“

Doch die DEFA ist unschlüssig, ob sie den Stoff weiterbearbeiten soll. Die Frage kommt auf, warum sie sich mit amerikanischer Historie befassen müsse, wo es in der deutschen Geschichte doch noch genug zu entdecken gäbe. Als die Zweite Filmkonferenz der SED im Juli 1958 andere Akzente fürs Kinderkino setzt – dargestellt werden soll nun vor allem das Leben der Jungen Pioniere –, wird Burgers Entwurf endgültig ad acta gelegt. Zudem hat der Autor der literarischen Vorlage, Howard Fast, nach den Enthüllungen über die Stalinzeit und der Niederschlagung des ungarischen Aufstands die Kommunistische Partei der USA verlassen und gilt nunmehr als Renegat.

Im Zusammenhang mit seiner Theaterarbeit in Ost-Berlin kommt die DEFA 1964 erneut auf Burger zu. Nachdem er die von Günther Deicke und Klaus Fehmel geschaffene Musicalversion der Shakespeare-Komödie „Was ihr wollt“ erfolgreich am Theater der Freundschaft inszeniert hat, soll er die Geschichte der an einer fremden Mittelmeer-Insel gestrandeten Geschwister nun in Farbe und Totalvision unter dem Titel NICHTS ALS SÜNDE verfilmen. In ihrem Drehreport „Auf dem Wege nach Prag“ porträtiert ihn Yvonne Merin als spielerischen Regisseur, der den Schauspielerinnen und Schauspielern gute Laune und Sicherheit vermittelt: „Er ist sanft und kann überraschend hart werden, wenn er sich ärgert. Über Gedankenlosigkeit, Bürokratismus und unmenschliche Verhaltensweisen. Er gibt sich nicht kompliziert. Er kann zuhören und steckt voll von Anekdoten und Erlebnissen aus allen Ländern. Alle nennen ihn Hanusch.“

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Helga Čočková und Arno Wyzniewski in ... NICHTS ALS SÜNDE (R: Hanus Burger, 1965) Fotograf: Herbert Kroiss

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„Die vier Beatles“: Joachim Siebenschuh, Dieter Schaarschmidt, Werner Möhring und Joachim Fuchs in ... NICHTS ALS SÜNDE (R: Hanus Burger, 1965) Fotograf: Herbert Kroiss

Burger schreibt das Drehbuch in enger Zusammenarbeit mit dem Kameramann Helmut Grewald, dessen Lichtführung die Grenzen des Ateliers vergessen lässt und die Farben zum Leuchten bringt, und dem Szenenbildner  Alfred Hirschmeier. Hirschmeier baut ihm eine stilisierte, farbenprächtige Szenerie ins Atelier, die von der Kritik als Glanzstück des Films hervorgehoben wird: „Mitunter ein Traum in Rot und Weiß, anmutig antinaturalistisch und poetisch verspielt“ (Christoph Funke, Der Morgen, 23.10.1965). Der Film arbeitet mit ironischen Anspielungen auf die Gegenwart: Die Tageszeitung des Phantasiestädtchens heißt „Neues Illyrien“ und sieht im Schriftbild wie das „Neue Deutschland“ aus; das Volk bewegt sich mit „Yeah, yeah, yeah“-Gesang zu den Klängen einer alt gewordenen Beatles-Band; der junge Graf blickt durch ein Fernrohr wie auf einen Fernsehmonitor, mit entsprechenden technischen Störungen; und in einem Chanson heißt es: „William Shakespeare mit Musik: Wartet nur auf die Kritik!“ Trotz solcher selbstironischen Vorausahnungen der Autoren fallen die Rezensionen eher freundlich aus. Gisela Herrmann nennt NICHTS ALS SÜNDE einen „prachtvollen Augen- und Ohrenschmaus mit Spaß am großen Spiel“ (BZ am Abend, 16.10.1965), Manfred Heidicke einen „lohnenden Versuch“ (Berliner Zeitung, 20.10.1965), der allerdings noch sehr dem Theatermäßigen verhaftet bleibe. Und Hans Ulrich Eylau lobt: „Hanus Burger, der zugleich das geschickt arrangierte Szenarium schrieb, ist ein so feinfühliger Regisseur, dass seinen vortrefflichen Ensemble fast über Erwarten viel an guter Laune zuflog“. (Schweriner Volkszeitung, 18.19.1965). In den Hauptrollen spielen  Annekathrin Bürger, Brigitte Krause,  Hans Lucke,  Herwart Grosse,  Rolf Römer,  Arno Wyzniewski und die tschechische Aktrice Helga Čočková, die zuvor in Filmen von Zbyněk Brynych und Věra Chytilová aufgetreten war; als Playback-Sänger engagiert die DEFA u.a.  Manfred Krug und  Jutta Hoffmann, die bereits in der Theateraufführung die Hauptrolle der Viola gespielt hatte.

Noch während NICHTS ALS SÜNDE in Arbeit ist, verabredet Burger mit der DEFA, seinen Tatsachenroman „1212 sendet“ zu adaptieren. Er freut sich auf die Arbeit: „Es dürfte einmalig sein, als Autor und Regisseur, zwanzig Jahre später, eine Situation aus dem eigenen Leben zu rekonstruieren.“ Doch nach dem 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965 ist von diesem groß angelegten Projekt über die konkreten Praktiken der psychologischen Kriegsführung nicht mehr die Rede. Erst 1982/83 entsteht unter der Regie von Rudolf Nussgruber eine Adaption GEHEIMSENDER 1212 fürs Zweite Deutsche Fernsehen. – Auch der Auftrag, eine Konzeption für eine Verfilmung von Jacques Offenbachs Operette „Die schöne Helena“ zu schreiben, führt nicht zu einem Film. DEFA-Dramaturg Dieter Wolf resümiert Jahrzehnte später, Burger sei von der nach dem Plenum neu eingesetzten DEFA-Direktion ausgebootet worden: „Mit Rücksicht auf die eigene Überkapazität wollte man sich nicht zusätzlich mit freien Mitarbeitern belasten, die noch dazu in solchen Zeiten der Polit- und Studiozwänge weniger disziplinierbar erschienen.“ (Wolf, Unsere nichtgedrehten Filme, S. 232). Schließlich soll Burger doch noch ein modernes Musical für die DEFA schreiben: „Das Drehbuch, eine Aschenbrödelstory, wurde ein Opfer des 21. August 1968: Ich sandte sogar das letzte Honorar zurück. Schweren Herzens, denn es ging um viel Geld. Aber ich wollte keins mehr von einem Staat, dessen Panzer auf unserem Gebiet standen.“ (Burger, 1977).

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Herwart Grosse in ... NICHTS ALS SÜNDE (R: Hanus Burger, 1965) Fotograf: Herbert Kroiss

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Herbert Graedtke und Annekathrin Bürger in ... NICHTS ALS SÜNDE (R: Hanus Burger, 1965) Fotograf: Herbert Kroiss

Vom Prager Frühling, der Möglichkeit eines „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“, ist Hanus Burger begeistert. In seinen Sendungen für Rundfunk und Fernsehen tritt er vehement für die Demokratisierung ein. 1968 unterzeichnet er das „Manifest der 2000 Worte“, einen der wichtigsten Texte des Prager Frühlings, in dem die weitere Aufarbeitung der stalinistischen Verbrechen und die Fortführung der Reformpolitik gefordert werden. Unmittelbar nach dem Einmarsch von Truppen des Warschauer Vertrags in die ČSSR übersetzt er im Auftrag des Senders Ostrava ausländische Rundfunkmeldungen, die es dem Sender ermöglichen, einen authentischen Überblick über die politische Lage zu geben. Doch bereits Ende August 1968 sieht er sich gezwungen, erneut seine Heimat zu verlassen. Er siedelt nach München über, fasst aber nur schwer Fuß. Das Fernsehen ermöglicht ihm gelegentlich Arbeiten, so Porträts über Heinrich Böll und Willy Brandt, die Mitarbeit an Kurzspielfilmen wie EINE ANDERE FRAU (1971) und ORDNUNG MUSS SEIN (1971), an einem TATORT (FORTUNA III, 1976) und an Serien wie LERCHENPARK – MODERNE GESCHICHTEN AUS EINER SATELLITENSTADT (1971) und UM HAUS UND HOF (1974) mit Günter Lamprecht und Iris Berben. 1977 erscheinen Burgers Memoiren „Der Frühling war es wert“ (1977). Darüber hinaus inszeniert er an kleineren Theatern.

Aufgrund einer schweren Diabetes-Erkrankung kann er sich der „samtenen Revolution“ in seiner tschechoslowakischen Heimat 1989/90 kaum mehr erfreuen. Hanus Burger stirbt am 13. November 1990 in München. Sein Nachlass wird verwahrt im P. Walter-Jacob-Archiv der Walter-A.-Berendsohn-Forschungsstelle für deutsche Exilliteratur an der Universität Hamburg.

Verfasst von Ralf Schenk. (April 2022)

Literatur

Von Hanus Burger (Auswahl):

  • Hanus Burger: 1212 sendet. Tatsachenroman. Deutscher Militärverlag Berlin/DDR 1965.
  • Hanus Burger: Unternehmen Annie. Deutscher Militärverlag Berlin 1969 (gekürzte Ausgabe von „1212 sendet“).
  • Hanus Burger: Der Frühling war es wert. Autobiografie. Bertelsmann Verlag München 1977.
  • „Aber nix, der Anschluss kam, und ich musste Wien verlassen (Interview 13.2.1989)“. In: Christian Cargnelli/Michael Omasta (Hg): Aufbruch ins Ungewisse. Österreichische Filmschaffende in der Emigration. Wien 1993, S. 189-196.

Über Hanus Burger (Auswahl):

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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