Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Werner Klingler

Regisseur

* 23. Oktober 1903 in Stuttgart; † 23. Juni 1972 in Berlin

Biografie

Werner Klingler

Pressefoto zu ARCHE NORA (1948), Bildquelle: DFF - Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, Frankfurt

Mit seinem erfolgreichen, von über acht Millionen Zuschauern gesehenen Kriminalfilm RAZZIA gehörte Werner Klingler 1947 zu den frühen Regisseuren der DEFA. Als Routinier drehte er vorher und danach eine Reihe von Heimat-, Abenteuer- und Kriegsfilmen, die sich oft als Kolportage erwiesen. Auch einige NS-Propagandafilme gehen auf sein Konto. Zur DEFA kehrte er nach RAZZIA nicht mehr zurück.

Karl Adolf Kurt Werner Klingler wird am 23. Oktober 1903 in Stuttgart geboren und erhält seine Schauspielausbildung am dortigen Stadttheater. Seine künstlerische Laufbahn beginnt er als Kleindarsteller an verschiedenen Theatern, darunter 1925 am deutschsprachigen Theater in Milwaukee/Wisconsin. Während seines Aufenthalts in den USA gerät er um 1927 auch nach Hollywood und wird für kleine Rollen in Filmen wie THE CASE OF LENA SMITH (Josef von Sternberg, 1929), CITY GIRL (Friedrich Wilhelm Murnau, 1930), ALL QUIET ON THE WESTERN FRONT (Lewis Milestone, 1930), HELL’S ANGELS (Howard Hughes, 1930) und in der deutsch-amerikanischen Co-Produktion DER TANZ GEHT WEITER (Wilhelm Dieterle, 1930) verpflichtet. 1931 engagiert ihn die Universal als Berater für ihre deutschen Belange. Dabei lernt er den Bergfilmer Luis Trenker kennen, als dieser eine US-amerikanische Version von BERGE IN FLAMMEN (1931) vorbereitet und lässt sich von ihm überzeugen, nach Deutschland zurückzukehren.

Trenker nimmt ihn unter seine Fittiche und verpflichtet ihn zunächst als seinen Assistenten für DER REBELL (1932). Anschließend übernimmt Klingler die Regieassistenz und die Tonregie für Arnold Fancks S.O.S. EISBERG (1933) und leitet die dafür erforderliche Filmexpedition nach Grönland. Die Regieassistenz für DER VERLORENE SOHN (Luis Trenker, 1934) bringt ihn zeitweilig zurück in die USA. Klinglers erster Versuch, eine eigenständige Regiearbeit vorzulegen, scheitert nach dem Rückzug der Produktionsfirma aus Angst vor der NS-Zensur: So bleibt sein „avantgardistisch-experimenteller Film“ (Kay Wegener) DIE SÜNDFLUT (1934) unvollendet. Stattdessen debütiert Klingler mit dem im März 1936 uraufgeführten Ufa-Abenteuerfilm DIE LETZTEN VIER VON SANTA CRUZ. Danach kehrt er ins Genre des Bergfilms zurück und adaptiert mit STANDSCHÜTZE BRUGGLER (1936) eine Erste-Weltkriegs-Saga aus Tirol, in der ein junger Theologiestudent zum tapferen Soldaten avanciert. Der Film, der als patriotisches Wehrertüchtigungsdrama angelegt ist, gilt als Anpassungsversuch Klinglers an die neuen Machthaber, die ihn zuvor mit einem kurzen Berufsverbot wegen proamerikanischer Äußerungen belegt hatten. 1945 wird STANDSCHÜTZE BRUGGLER von der Alliierten Militärkontrolle verboten.

Filmstill zu "Razzia"

Anfangsszene vor dem Reichstag in RAZZIA (R: Werner Klingler, 1947) Fotograf: Kurt Wunsch

Filmstill zu "Razzia"

Friedhelm von Petersson vor dem Brandeburger Tor in RAZZIA (R: Werner Klingler, 1947) Fotograf: Kurt Wunsch

Gemeinsam mit Luis Trenker dreht Klingler als Co-Regisseur den Historienfilm CONDOTTIERI (1937) und die in den Alpen spielende Komödie LIEBESBRIEFE AUS DEM ENGADIN (1938). Dieses heiter-musikalische Ski- und Liebesabenteuer gefällt dem Präsidenten des US-amerikanischen Skiverbandes so gut, dass er ihn für alle Schulen und Sportverbände der USA ankaufen lassen will; das scheitert daran, dass der Film in New York mit einem leinwandgroßen Hakenkreuz beworben wird: „Der künstlerische und finanzielle Erfolg meiner ,Liebesbriefe‘ war damit beim Teufel!“ (Luis Trenker). Danach inszeniert Klingler das Melodram DIE BARMHERZIGE LÜGE (1939), den Boxerfilm DIE LETZTE RUNDE (1940) und das politisch aufgeladene Heimatdrama WETTERLEUCHTEN UM BARBARA (1941), das den Anschluss Österreichs ans „Dritte Reich“ als Befreiungsakt für die Tiroler Bergbauern interpretiert. Im Presseheft heißt es dazu: „Die mit der kargen Scholle fest verwurzelten Bauern setzen sich hier zäh gegen Elemente zur Wehr, die mit den verwerflichsten Mitteln der Bespitzlung, Denunzierung und gewaltsamen Entrechtung deutschbewusste Menschen um Haus und Hof zu bringen trachten, um selber nach Möglichkeit Nutznießer der zwangsversteigerten Besitztümer zu werden.“ Der Film endet mit Glockenläuten, aufgezogenen Hakenkreuzfahnen und dem Rücktritt der österreichischen Regierung.

Als sich Anfang August 1942 der Regisseur Herbert Selpin, der wegen antimilitaristischer Äußerungen in Haft gekommen war, in seiner Zelle erhängt, verpflichtet die Tobis auf Geheiß des Propagandaministeriums Werner Klingler, der dessen Filmprojekt TITANIC zu Ende zu bringen hat: Die groß angelegte Reminiszenz an den Untergang des Luxusdampfers wird im Zweiten Weltkrieg zur antibritischen Propaganda dringend benötigt. Bis Mitte September 1942 absolviert Klingler die noch fehlenden Atelieraufnahmen sowie einige Außenaufnahmen in München. Der Name Selpin wird als Regisseur nicht mehr genannt.

1943 leitet Klingler die Schauspiel- und Regieabteilung der Tobis. Mit der Tobis-Produktion DIE DEGENHARDTS (1944) legt er einen Durchhaltefilm zur Kriegsertüchtigung der Zuschauer vor und predigt damit die Bereitschaft zu Unterordnung und Pflichterfüllung: Heinrich George spielt einen unfreiwillig in Rente geschickten Stadtobersekretär und Patriarchen, der seine Familie und die Umgebung im Bombenhagel alliierter Flugzeuge zu verstärkter Wiederaufbauleistung animiert. Der Film, der mit 150 Kopien gestartet wird, erhält das Prädikat „staatspolitisch und künstlerisch wertvoll“; vom Publikum wird er ambivalent aufgenommen, nach 1945 wird er von den Alliierten verboten. Zu den Mitwirkenden gehören auch die später von der DEFA beschäftigten Schauspielerinnen und Schauspieler Ilse Petri, Wolfgang Lukschy, Gunnar Möller, Herwart Grosse, Ernst Legal, Werner Pledath und Robert Forsch sowie die Schnittmeisterin Ella Ensink.

Filmstill zu "Razzia"

Paul Bildt und Harry Frank in RAZZIA (R: Werner Klingler, 1947) Fotograf: Kurt Wunsch

Filmstill zu "Razzia"

Arno Paulsen in RAZZIA (R: Werner Klingler, 1947) Fotograf: Kurt Wunsch

Anschließend dreht Klingler, ebenfalls mit George, den Gerichtsfilm DER VERTEIDIGER HAT DAS WORT (1944) und, mit Anneliese Uhlig, Will Quadflieg und Eugen Klöpfer, das Künstlerdrama SOLISTIN ANNA ALT (1945). Bis Februar 1945 steht er dem Sensationsdarsteller Harry Piel als Co-Regisseur für dessen Drama DER MANN IM SATTEL zur Seite, das bei Kriegsende unvollendet bleibt und erst 1999/2000 endgefertigt werden kann. Klinglers letzter in der NS-Zeit begonnener Film DR. PHIL. DÖDERLEIN, mit Heinrich George in der Titelrolle, ist am Ende des Zweiten Weltkrieges zu 25 Prozent abgedreht und wird nach 1945 nicht weitergeführt.

Gemeinsam mit seinem Drehbuchautor Harald G. Petersson (1904-1977), der für ihn bereits WETTERLEUCHTEN UM BARBARA, DER VERTEIDIGER HAT DAS WORT, SOLISTIN ANNA ALT und DR. PHIL. DÖDERLEIN geschrieben hatte, bringt Klingler 1946/47 seinen ersten Nachkriegsstoff ins DEFA-Programm ein. Trotz seiner NS-Filme erteilt ihm die Leitung der DEFA mit Genehmigung der sowjetischen Besatzungsbehörden den Auftrag, das Projekt zu realisieren. Allerdings müssen die Arbeiten an RAZZIA ohne gründliche Vorbereitung und ohne fertiges Drehbuch gestartet werden; Grund dafür ist, dass RAZZIA als Ersatz für den plötzlich abgebrochenen Zirkusfilm ALLEZ HOPP (Hans Fritz Köllner) und aufgrund freier Atelierkapazitäten dringend in Produktion gehen muss. Der Film feiert am 2. Mai 1947 seine Premiere in der Deutschen Staatsoper Berlin und gehört mit über acht Millionen Zuschauern zu den erfolgreichsten DEFA-Produktionen der frühen Jahre. Das Hamburger Nachrichtenmagazin Der Spiegel nennt ihn einen „fleißig geschriebenen, mit viel entrüsteter Deklamation gegen den Schwarzen Markt und mit Familienglück und -sorge durchsetzten“ Film mit „versöhnender Pointe“. Kritiker vergleichen seine atmosphärische Dichte mit neuen französischen Arbeiten; andere werfen ihm Gartenlauben-Niveau vor. Die angeprangerten kriminellen Verstrickungen vieler Zeitgenossen brechen direkt in die Realität des Films ein: „Während der Dreharbeiten hatte man Claus Holm, der den wachsamen Kriminalassistenten spielte, den Anzug gestohlen, und vor dem Premierentheater bot ein Schwarzhändler dem Publikum Schokolade an. Nach Beendigung der Dreharbeiten musste ein Requisiteur entlassen werden, der Zigaretten und Benzin für den Film auf dem schwarzen Markt beschafft hatte.“ (Christiane Mückenberger).

Filmstill zu "Razzia"

Nina Konsta in RAZZIA (R: Werner Klingler, 1947) Fotograf: Kurt Wunsch

Filmstill zu "Razzia"

Friedhelm von Petersson in RAZZIA (R: Werner Klingler, 1947) Fotograf: Kurt Wunsch

Nach RAZZIA dreht Klingler, ebenfalls nach einem Drehbuch von Harald G. Petersson, für die Hamburger Real-Film ARCHE NORA, einen heiteren „Trümmerfilm“ über zwei Kriegsheimkehrer und eine junge schwangere Frau, die sie vor dem Selbstmord retten. Danach versucht Klingler erneut sein Glück in den USA, tritt dort in Kleinstrollen in einigen wenigen Filmen von George Sherman (TARGET UNKNOWN, 1951) oder Robert Parrish (ASSIGNMENT – PARIS!, 1952) auf und kehrt Mitte der 1950er-Jahre in die Bundesrepublik zurück. Der West-Berliner Produzent Kurt Ulrich vertraut ihm die Regie des Agentenfilms SPION FÜR DEUTSCHLAND (1956) an: Hier geht es um einen Meisterspion (Martin Held), der von den Nazis beauftragt wird herauszufinden, wie weit die US-Amerikaner mit dem Bau der Atombombe sind und der vom FBI verfolgt, verhaftet, zum Tode verurteilt und schließlich von Präsident Truman begnadigt wird. Der Film gibt sich betont unpolitisch und stilisiert seinen Helden zum edlen Agenten, der seinem Vaterland dient. Kritische politische Debatten über den NS-Staat werden ausgeklammert; Drehbuchautor Herbert Reinecker strebt eher eine „allgemeinmenschliche“ Warnung vor dem Einsatz der Atombombe an. Für die USA-Szenen verpflichtet Klingler den Kameramann Heinz von Jaworsky, der kurz nach 1945 zahlreiche Dokumentarfilme und Wochenschauen der DEFA fotografiert hat und den er noch aus Berlin kennt. Die Zeitschrift Filmkritik urteilt verhalten positiv: „Ein ganz auf Spannung angelegter Kriminalfilm, nicht frei von Unwahrscheinlichkeiten. Nationales Pathos wird in geringerem Maße mobilisiert, als man dem Titel nach vermuten durfte. Ein glatt routinierter Film, ohne wesentliche Entgleisungen, bei dem man sich guten Gewissens unterhalten sieht.“

In BANKTRESOR 713 (1957) verarbeitet Klingler eine authentische Einbrecher-Story aus den späten 1920er-Jahren und verlegt sie in die Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg: Seine Hauptfigur, der Bankräuber Herbert (Martin Held), ist ein Spätheimkehrer, der im Nachkriegsdeutschland nicht Fuß fassen kann. – Zu Klinglers weiteren Arbeiten gehören die Ärzte-Melodramen FRAUENARZT DR. BERTRAM (1957), AUS DEM TAGEBUCH EINES FRAUENARZTES (1959) und ARZT AUS LEIDENSCHAFT (1959), die Kriegskolportage BLITZMÄDELS AN DIE FRONT (1958) sowie die Kriminalparodie HOPPLA, JETZT KOMMT EDDIE (1958) mit Eddie Constantine. Gemeinsam mit dem Remigranten Max Nosseck inszeniert er 1960 GESCHMINKTE JUGEND, in dem eine Berliner Jugendclique, sämtlich Kinder aus gutem Hause, gegen eine erstarrte Umwelt aufbegehrt und ein radikal selbstbestimmtes Leben sucht. Der Film wird 1963 in gekürzter Form und unter anderem Titel (DIE NACHT AM SEE) ins Kino gebracht; erst 1988 wird die Originalfassung öffentlich aufgeführt.

Harry Frank in RAZZIA (R: Werner Klingler, 1947) Fotograf: Kurt Wunsch

Filmstill zu "Razzia"

Hans Leibelt und Claus Holm in RAZZIA (R: Werner Klingler, 1947) Fotograf: Kurt Wunsch

Anfang der 1960er-Jahre arbeitet Klingler mehrfach für den Produzenten Artur Brauner. Er dreht LEBENSBORN (1961), einen Kolportagefilm über die berüchtigte Zuchtanstalt der SS, in der junge Mädchen mit SS-Männern „arische“ Kinder erzeugen sollen. Die Werbung suggeriert den Zuschauern, sie hätten den „mutigsten deutschen Film“ zu erwarten, lockt gleichzeitig auch mit dem Slogan „SS-Striptease“ an. Tatsächlich reiht sich LEBENSBORN in die Rehabilitierungswelle des Adenauer-Kinos ein, in der die „gute“ Wehrmacht zum Gegenpol zur „bösen“ SS stilisiert wird. Die Filmkritik stellt fest, dass „hier mehr Geschäftsgeist im Spiele war als Wille zu historischer Besinnung“ und resümiert, dass das „Verständnis der Vergangenheit eher verstellt als gefördert“ werde. – DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN KOFFER (1962), ebenfalls für Brauners CCC Filmproduktion, entsteht nach einem Kriminalroman von Bryan Edgar Wallace. Mit DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE (1962) inszeniert Klingler im Auftrag Brauners ein Remake des berühmten Fritz-Lang-Films von 1932. Im selben Jahr beauftragt ihn der Norddeutsche Rundfunk mit der Abenteuer-Kriminalserie ALARM FÜR DORA X, in der ein Pilot mit seinem Hubschrauber nicht nur Menschen aus gefährlichen Situationen rettet, sondern auch Kriminelle im Grenzgebiet der Alpen jagt. In zehn Folgen von jeweils rund zwanzig Minuten Länge spielen unter anderen Adrian Hoven und Sabine Sesselmann.

Nach der internationalen Co-Produktion SPIONE UNTER SICH (1965), deren Regie sich Klingler mit dem Franzosen Christian-Jaque, dem Italiener Carlo Lizzani und dem Briten Terence Young teil, legt Klingler mit STRASSENBEKANNTSCHAFTEN AUF ST. PAULI (1968) seinen letzten Film vor: eine „Schmuddelgeschichte aus dem Hamburger Reeperbahn-Milieu“ (Kay Weniger).

Werner Klingler stirbt am 23. Juni 1972 in Berlin. Ein kleines Konvolut aus seinem Nachlass mit Schulzeugnissen sowie Zeichnungen, Skizzen, Illustrationen und Ölbildern des erst 13jährigen Schülers, darunter Bilder vom Kriegsalltag, befindet sich im Archiv des Filmmuseums Potsdam.

Verfasst von Ralf Schenk. (September 2021)

Literatur

  • Kay Wegener: Das große Personenlexikon des Films. Vierter Band: H – L. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag Berlin 2001, S. 411f.
  • Christiane Mückenberger: Razzia. In: Christiane Mückenberger/Günter Jordan: „Sie sehen selbst, Sie hören selbst...“. Die DEFA von den ihren Anfängen bis 1949. Hitzeroth Verlag Marburg 1994, S. 157ff.
  • Robert R. Shandley: Razzia: Mit und ohne Vater leben. In: Ders.: Trümmerfilme. Das deutsche Kino der Nachkriegszeit. Parthas Verlag Berlin 2010, S. 196ff.

DEFA-Filmografie

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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