Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Franz Barrenstein

Regisseur, Regieassistent

* 27. März 1914 in Düsseldorf; † 19. Oktober 2003 in Köln

Biografie

Filmstill zu "Sein großer Sieg"

Franz Barrenstein

bei den Dreharbeiten zu SEIN GROSSER SIEG (R: Franz Barrenstein, 1952) Fotograf: Hermann Gehlen

Als Regieassistent trat Franz Barrenstein ab Januar 1949 in die Dienste der DEFA. Nach mehreren Assistenzen, unter anderem bei Slatan Dudow und Paul Verhoeven, wurde ihm 1951 mit dem Rennfahrerfilm SEIN GROSSER SIEG eine erste eigenständige Regieaufgabe übertragen. Ihr folgte 1955 das Lustspiel SOMMERLIEBE, das in der DDR mit 4,5 Millionen Besuchern zum Publikumsliebling avancierte. Später arbeitete Barrenstein vor allem fürs westdeutsche Fernsehen – und erinnerte sich bis zum Lebensende gern an die Pionierjahre in Babelsberg zurück.

Franz Barrenstein wird am 27. März 1914 in Düsseldorf als Sohn eines Apothekers geboren. Weil seine Eltern relativ früh sterben, kümmert er sich schon jung um die Betreuung seiner beiden kleineren Geschwister. Ende der 1930er-Jahre kommt er an die Deutsche Filmakademie nach Babelsberg, um Regisseur zu werden. Einer seiner Lehrmeister ist Wolfgang Liebeneiner; außerdem hört er Literaturvorlesungen bei Artur Kutscher. Doch Barrenstein erhält zu Beginn des Zweiten Weltkrieges seinen Einberufungsbefehl. Die Leitung der Akademie bittet Propagandaminister Goebbels, eine Reihe von männlichen Studenten, die als „außergewöhnlich begabt“ bezeichnet werden, vom Kriegsdienst zurückzustellen. So wird im Januar 1940 beschlossen, diesen Studenten, darunter auch Franz Barrenstein, eine weitere Ausbildung bis 1941 zu ermöglichen. Anschließend doch noch an die Front beordert, wird Franz Barrenstein durch einen Granatsplitter, der inoperabel im Kopf festsitzt, schwer verletzt. Darüber hinaus muss er als Rittmeister der Kavallerie eine Gehirnblutung und ein 14tägiges Koma überstehen. Trotz seines Leidens hält er am Wunsch fest, Filmregisseur zu werden.

Filmstill zu "Das kalte Herz"

Lutz Moik, Hanna Rucker und Franz Barrenstein bei den Dreharbeiten zu DAS KALTE HERZ (R: Paul Verhoeven, 1950) Fotograf: Erich Kilian

Filmstill zu "Die letzte Heuer"

Franz Barrenstein (links) zusammen mit Hermann Stövesand, Ralf Siebert und Peter Marx bei den Dreharbeiten zu DIE LETZTE HEUER (R: E.W. Fiedler, 1951) Fotograf: Eduard Neufeld

Im August 1945 tritt er in einen privaten Textilhandel ein. Nachdem die DEFA als erste große deutsche Filmproduktionsgesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg zu arbeiten begonnen hat, sucht er deren Nähe, wird am 2. Juni 1948 als Volontär verpflichtet und nimmt an den Dreharbeiten zu  Hans Deppes DIE KUCKUCKS teil. Ab 1. Januar 1949 ist er Regie-Assistent-Anwärter, dann Regieassistent. Nach seiner Mitarbeit im Drehstab von  Slatan Dudows UNSER TÄGLICH BROT holt ihn Produktionsleiter Fritz Klotzsch für den farbigen Märchenfilm DAS KALTE HERZ (Regie: Paul Verhoeven). Barrenstein wird auf die Suche nach Drehorten in den Thüringer Wald entsandt. Als sein Gesellenstück bezeichnet er später die von ihm wesentlich vorbereitete Kamerafahrt zu Beginn des Films, bei der alle handelnden Personen in einer einzigen Einstellung vorgestellt werden und die in ihrer Struktur an die Kutschfahrt ins Erik Charells Film DER KONGRESS TANZT (1931) erinnert. Die Szene wird im Freigelände des Babelsberger Studios aufgenommen. Danach wird Barrenstein von dem Schauspieler Hans Klering gebeten, als künstlerischer „Beobachter“ bei den Dreharbeiten des Films DIE LETZTE HEUER, dem ersten Regieversuch des Kameramannes  E.W. Fiedler, mitzuwirken. Barrenstein lehnt dies ab und bittet stattdessen darum, erneut als regulärer Regieassistent eingesetzt zu werden.

1951 erhält Barrenstein das Angebot, mit SEIN GROSSER SIEG (Arbeitstitel: „Sein großer Start“) den ersten eigenen Film zu drehen. Es ist die Geschichte eines DDR-Radrennfahrers, der im Amateursport Erfolge feiert, sich aber überreden lässt, als Profi in den Westen zu gehen, und sich dort nach schlechten Erfahrungen, Intrigen und Betrügereien zu einer Rückkehr in den Osten entscheidet. Eine ursprüngliche Handlungslinie, in der US-amerikanische Spionageaktionen eine Rolle spielen, kann von Barrenstein erfolgreich aus dem Drehbuch herausverhandelt werden. Für Szenen des Sechs-Tage-Rennens lässt er eine Längsbahn und eine Kurve im Atelier in Babelsberg aufbauen. Doch die DEFA-Kommission verlangt, diese Szene zu schneiden, aus Sorge, dass die Zuschauer angeregt werden, das originale Sechs-Tage-Rennen in Westberlin zu besuchen. Barrenstein, der die Sequenz als dramaturgisch notwendig ansieht, setzt sich letztlich durch. – Die Schlussszene, ein Fahrradrennen mit rund 22.000 Statisten, entsteht in Chemnitz; der Hauptdarsteller Claus Holm, der von einem erfolgreichen Radrenntrainer dafür vorbereitet wird, muss nicht gedoubelt werden. Obwohl der Film nach Besichtigung durch die DEFA-Kommission noch umgeschnitten werden muss, avanciert er schließlich mit mehr als 2,8 Millionen Zuschauern zum Publikumserfolg; allerdings urteilt die Westberliner Zeitung „Telegraf“: „Die Tendenz ist mit der Maurerkelle aufgetragen, und wenn tatsächlich Sportberater hinzugezogen worden sind, so müssen es solche gewesen sein, die vor lauter Parteieifer ihre sportlichen Kenntnisse vergessen haben.“ (29.8.1952)

Filmstill zu "Sein großer Sieg"

Claus Holm im Gespräch mit Franz Barrenstein bei den Dreharbeiten zu SEIN GROSSER SIEG (R: Franz Barrenstein, 1952) Fotograf: Hermann Gehlen

Filmstill zu "Sein großer Sieg"

Bahnrad-Atmosphäre in SEIN GROSSER SIEG (R: Franz Barrenstein, 1952) Fotograf: Hermann Gehlen

Über seine Erfahrungen mit der Zensur berichtet Barrenstein in einem freimütigen Gespräch, das DEFA-Regisseure am 7. Mai 1952 mit Mitgliedern der Studiodirektion und der DEFA-Kommission führen. Das Protokoll vermerkt Barrensteins Äußerung, dass es „in der Dramaturgie und im ganzen Hause scharfe Akzente gegen mich (gegeben habe), ich wohne in Westberlin, es wurde gesagt, ein bürgerlicher Regisseur usw. Ich war nahe daran, die DEFA zu verlassen, weil ich nicht arbeiten kann, wenn man mir kein Vertrauen entgegenbringt.“ Barrenstein bittet die Kommission eindringlich, „zu den Regisseuren Vertrauen zu haben“.

Sein zweiter Film SOMMERLIEBE, dessen Dreharbeiten im Sommer 1954 beginnen und der im April 1955 in die Kinos kommt, findet trotz moralistisch-didaktischer Szenen Anklang beim Publikum und erreicht rund 4,5 Millionen Zuschauer. Allerdings leiden die Dreharbeiten über Wochen hinweg unter schlechtem Wetter; geplante Außenaufnahmen werden ins Atelier verlegt und dringend nötige Strandszenen, unter anderem im Ostseebad Sellin auf Rügen, müssen im Oktober absolviert werden. DEFA-Direktor Hans Rodenberg, der die Dreharbeiten besucht, schlägt Barrenstein vor, aufgrund seiner Erfahrungen als Regisseur am Ostberliner Theater der Freundschaft einige Szenen mit Kindern selbst zu inszenieren. Barrenstein dankt ihm für die angebotene Hilfe, lehnt aber ab. Zu Diskussionen mit der DEFA-Leitung kommt es, als Barrenstein für eine der Hauptrollen die Westberlinerin Maria Buschhoff, die Tochter des Regisseurs Veit Harlan und der Schauspielerin Hilde Körber, verpflichtet. Er kann dieses Engagement durchsetzen; neben ihr sind unter anderem Lothar Blumhagen, Gisela May, Werner Peters und Otto Mellies zu sehen. Der Titelschlager „Sommer, See und Sonnenschein“ wird in der DDR zum Hit. 

Nach den Arbeiten an SOMMERLIEBE wird Barrenstein aufgefordert, aus Berlin-Nikolassee nach Babelsberg oder Ostberlin umzuziehen. Der Regisseur lehnt ab; sein DEFA-Vertrag läuft in beiderseitigem Einvernehmen am 30. Juni 1955 aus. Der ursprünglich von ihm gemeinsam mit Werner Peters entwickelte Stoff der Komödie STAR MIT FREMDEN FEDERN ist bereits von dem Münchner  Harald Mannl übernommen worden.

Filmstill zu "Sommerliebe"

Lothar Blumhagen und Maria Buschhoff in SOMMERLIEBE (R: Franz Barrenstein, 1954) Fotograf: Rudolf Meister

Filmstill zu "Sommerliebe"

Franz Barrenstein (rechts) bei den Dreharbeiten zu SOMMERLIEBE (R: Franz Barrenstein, 1954) Fotograf: Rudolf Meister

In der Bundesrepublik findet Barrenstein schnell Anschluss als Regieassistent. In Artur Brauners Filmfirma CCC steht er bei MEIN VATER, DER SCHAUSPIELER (1956) an der Seite des Remigranten Robert Siodmak. Bei der Deutschen Film Hansa in Hamburg assistiert er den Regisseuren Géza von Cziffra und Erich Engels während der Arbeit an den Heinz-Erhardt-Lustspielen DER MÜDE THEODOR (1957) und WITWER MIT 5 TÖCHTERN (1957). Er ist Regieassistent für die Berolina-Film, die Melodie-Film und andere Firmen; dabei ist er an erfolgreichen Produktionen wie NACHTSCHWESTER INGEBORG (1958), WENN DIE CONNY MIT DEM PETER... (1958) und BOBBY TODD GREIFT EIN (1959) beteiligt. Noch einmal findet er Kontakt zur DEFA, als er in einem Preisausschreiben um den besten Lustspielfilm für seinen Stoff „Vergessene Briefe“ einen Preis gewinnt. Thema ist „die Arbeitsüberlastung einer im Wirtschafts- und Parteileben hochqualifizierten Frau, die zum Grund für manche Zerwürfnisse ihrer Ehe wird. Peter, der kleine Sohn, wirbelt durch einen Dummen-Jungen-Streich eine ganze Stadt durcheinander. Unbeabsichtigt stellt er dabei die gute alte Gemeinsamkeit der Eltern wieder her“ (Barrenstein). Er erhält dafür eine Prämie, für die er sich eine Schreibmaschine kauft. Der Film wird allerdings nicht gedreht.

1960 zieht Franz Barrenstein mit seiner Familie – seiner Frau Ingeborg, mit der er seit 1948 verheiratet ist, und den beiden Kindern Peter und Petra – nach Köln, wo er seit Juli 1959 für den WDR arbeitet. Er erhält Aufträge von der Bavaria und vom ZDF, lernt dabei Marlene Dietrich, Nana Mouskouri und andere Prominente der Film- und Musikbranche kennen, dreht Musikaufnahmen für die Reihe „Papas Kino“ sowie weitere Musik- und Ballettfilme. Bei Helma Sanders-Brahms‘ frühem Fernsehfilm DER ANGESTELLTE (1972) ist er Regieassistent, ebenso bei Michael Verhoevens „Tatort“ KRESSIN UND DER MANN MIT DEM GELBEN KOFFER (1972). Außerdem ist er Assistent bei Rudi Carrells Spielshow „Am laufenden Band“ und dreht für „Spiel ohne Grenzen“ die dazu gehörigen Städteporträts. Bis zu seiner Pensionierung ist er fest beim WDR angestellt.

Franz Barrenstein stirbt am 19. Oktober 2003 in Köln.

Verfasst von Ralf Schenk. (Stand: Januar 2021)

Quellen:

  • Interview mit Franz Barrenstein, geführt von Ralf Schenk, Köln 1994. Archiv des Filmmuseums Potsdam.
  • Mailwechsel mit Peter Barrenstein (Sohn), Dezember 2020.

Literatur

  • K. H. Busch: Sein großer Start. In: Neue Film-Welt, Berlin/DDR, Heft 12/1951, S. 2–3.
  • Amo: Claus Holm hinter Motoren. In: Neue Film-Welt, Berlin/DDR, Heft 1/1952, S. 25.
  • Alexander Lösche: Sein großer Sieg. In: Neue Film-Welt, Berlin/DDR, Heft 7/1952, S. 16–17.
  • Paul Thyret: Sehr geehrter Herr Barrenstein! In: Filmspiegel, Berlin/DDR, Heft 15/1954, S. 2.

DEFA-Filmografie

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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