Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Claus Holm

Schauspieler

* 4. August 1918 in Bochum-Werne; † 21. September 1996 in Berlin

Biografie

Filmstill zu "Sein großer Sieg"

Claus Holm

bei den Dreharbeiten zu SEIN GROSSER SIEG (R: Franz Barrenstein, 1952) Fotograf: Hermann Gehlen

Claus Holm gehört zu den wenigen Schauspielern, die in den Anfangsjahren das Bild der DEFA entscheidend prägen und das obwohl er nur in neun Filmen mitspielte. Holm ist ein Sympathieträger und Publikumsmagnet. Seine Rollen bei der DEFA sind sehr unterschiedlich und ermöglichen es ihm, seine Vielseitigkeit zu beweisen. Dass seine Entwicklung zum Star in der ersten Reihe der DEFA 1953 plötzlich endet, liegt an der Bindung Holms an die Westberliner Städtischen Bühnen und an einem Mangel an guten Filmstoffen bei der DEFA. Im Kino der BRD sucht Holm die Zusammenarbeit mit Regisseuren, die er aus Babelsberg kennt und mit Re-Emigranten wie Fritz Lang oder Robert Siodmak. In seiner letzten Schaffensphase arbeitet er unter anderem mit Rainer Werner Fassbinder, der ihn in der Serie BERLIN ALEXANDERPLATZ als Kneipenwirt engagiert.

Unter den deutschen Filmschaffenden gibt es nicht allzu viele Persönlichkeiten, die ihre Karriere in verschiedenen gesellschaftlichen Verhältnissen versuchten. Claus Holm (eigentlich Helmut Gerhard Ozygus) lebt und arbeitet sogar in drei Gesellschaftssystemen. Der in Bochum Geborene sucht seinen Weg zunächst nicht nicht beim Film, sondern im Bergbau des Ruhrgebiets. Er hätte auch einen ganz anderen Weg einschlagen können: Als Boxer bringt er es zum rheinisch-westfälischen Meister im Jugend-Mittelgewicht. Holm will jedoch das machen, was der Vater vorgelebt hat und wird Bergmann. Nach dem Besuch einer Bergakademie geht er unter Tage und arbeitet als Steiger. Eine kleine Rolle in einer Filmproduktion weckt sein Interesse an der Filmarbeit. Der Nachwuchsvertrag der Tobis-Filmgesellschaft führt zu einer beruflichen Neuorientierung und zwei kleinen Komödienrollen. Der Ausbruch des Krieges beendet die Karriere des jungen Eleven so schnell wie sie begann. Seine Rollen in den beiden Volksstücken DAS BAD AUF DER TENNE von Volker von Collande und FLOH IM OHR von Paul Heidemann sowie sein Mitwirken in Herbert Selpins Film TITANIC bleiben die einzigen, sehr bescheidenen Beiträge des jungen Schauspielers zum NS-Film.

Nach dem Krieg wird Holm als Intendant der Altmärkischen Landesbühnen in Salzwedel eingesetzt. Die heute noch als „Theater der Altmark“ (TdA) in Stendal existierende Bühne galt in jener Zeit als einziges Privattheater der DDR. Der berühmte Kritiker, Brecht-Förderer und zeitweise ebenfalls als Intendant tätige Herbert Jhering soll ihn dort entdeckt und nach Berlin eingeladen haben. Als Schauspieler. Sowohl im Film als auch am Theater.

Filmstill zu "Ehe im Schatten"

Claus Holm und Ilse Steppat in EHE IM SCHATTEN (R: Kurt Maetzig, 1947) Fotograf: Kurt Wunsch

Filmstill zu "Razzia"

Hans Leibelt und Claus Holm in RAZZIA (R: Werner Klingler, 1947) Fotograf: Kurt Wunsch

Nach der Ankunft in Berlin beginnt Holms filmische Laufbahn bei der DEFA 1947 mit der Rolle des Verlegers Dr. Herbert Blohm in  Kurt Maetzigs EHE IM SCHATTEN. Blohm ist ein großzügiger, den schönen Dingen des Lebens zugeneigter Mann, der sich in der Gesellschaft gebildeter Schöngeister wie ein Fisch im Wasser fühlt. Wie ein Schock wirkt es für die Zuschauer wie für seine Freunde auf der Leinwand, als er plötzlich zum brutalen Nationalsozialisten mutiert. Holm kann bereits hier seine starke Wirksamkeit im Kino unter Beweis stellen. Ihm gelingt es überzeugend und genau die vielschichtige Rolle zu spielen als verfüge er schon über die Erfahrungen jahrzehntelanger Filmarbeit. Ein vielversprechendes Debüt.

Parallel zu Maetzigs Film entstehen drei weitere DEFA-Produktionen mit Claus Holm in Hauptrollen, die in ihrer Gesamtheit seine vielfältigen Möglichkeiten deutlich machen. In  Werner Klinglers Kriminalfilm RAZZIA ist er ein ehrgeiziger junger Kriminalist, der in mühseliger Kleinarbeit und im steten Kampf gegen die routinierten Aufklärungen der Kollegen versucht, kriminelle Strukturen im wenig geordneten Nachkriegs-Berlin aufzudecken. In  Wolfgang Schleifs und  Erich Freunds historischem Bergarbeiterfilm GRUBE MORGENROT spielt der ehemalige Bergarbeiter Claus Holm einen jungen Kohlekumpel, der während der Weltwirtschaftskrise ganz persönlich den Niedergang der Kohleindustrie miterlebt. In  Gerhard Lamprechts Gegenwartskomödie QUARTETT ZU FÜNFT ist er ein Heimkehrer, der in der Gesellschaft von drei weiblichen Untermieterinnen neuen Lebensmut findet. Drei sehr unterschiedliche DEFA-Filme, die versuchen das Unterhaltungsbedürfnis des Kinopublikums in Nachkriegs-Deutschland zu befriedigen. In allen drei Filmen ist der Schauspieler ein Sympathieträger, verfügt über Qualitäten, die den herausgehobenen Charakter eines Stars ausmachen. Claus Holm ist durchaus in der Lage, das Bild der DEFA in ihren Anfangsjahren zu bestimmen. Die ästhetischen Diskussionen über die Rolle des Positiven Helden im DDR-Kino wirken sich noch genauso wenig auf die praktische Filmarbeit aus wie die immer wieder gestellte Frage „Braucht der progressive neue deutsche Film Stars?“. Claus Holm ist in den frühen DEFA-Jahren ein Star, eigentlich der einzige – auch wenn er selbst dies wohl nie wahrhaben will. Und offenbar auch die Filmgesellschaft nicht. Denn bei der DEFA fehlt es an einer Grundbedingung für den Aufbau eines kräftigen Filmstars: Es mangelt vor allem an ausreichend tragfähigen Stoffen und Drehbüchern. Deutlicher Ausdruck dieses Mangels ist die Besetzung des Schauspielers durch  Georg Wildhagen in seinem Opernfilm DIE LUSTIGEN WEIBER VON WINDSOR. Holm ist hier Mister Fluth, der etwas farblose Ehemann der lustigen Frau Fluth – eine wohl aus der Not fehlender Rollen geborene Fehlbesetzung.

Filmstill zu "Grube Morgenrot"

Claus Holm in GRUBE MORGENROT (R: Erich Freund, Wolfgang Schleif, 1948) Fotograf: Heinz Czerwonski

Filmstill zu "Das Beil von Wandsbek"

Harry Riebauer, Claus Holm und Erwin Geschonneck in DAS BEIL VON WANDSBEK (R: Falk Harnack, 1950) Fotograf: Erich Kilian

Bis 1952 folgen für Holm noch drei weitere DEFA-Filme. In Falk Harnacks nach Arnold Zweigs Vorlage inszeniertem DAS BEIL VON WANDSBEK ist Holm ein brutaler SS-Sturmbannführer, in Erich Freunds Kriminalfilm ZUGVERKEHR UNREGELMÄSSIG gibt er einen Beamten der Berliner S-Bahn, der in die Wirrnisse des geteilten Berlins gerät und in  Franz Barrensteins Sportfilm SEIN GROSSER SIEG verkörpert er einen erfolgreichen Radsportler, der sich gegen den rein kommerziellen Profisport des Westens entscheiden muss.

Holms Wirken am Theater ist weit weniger bekannt als seine filmischen Leistungen. Im Theater am Schiffbauerdamm, wo erst später das Berliner Ensemble Gastrecht genoss, konnte man Holm 1949 in Arthur Millers „Alle meine Söhne“ und 1952 in der Wisten-Inszenierung von Gorkis „Feinden“ sehen. Es dauert nicht lange bis ihn Boleslav Barlog in das Ensemble der West-Berliner Städtischen Bühnen holt. Der Schauspieler teilt seine Aktivitäten hinfort zwischen den Theatern im Westen Berlins und dem DEFA-Spielfilmstudio in Potsdam-Babelsberg. Sein eigener Wohnort ist Babelsberg, ganz in der Nähe des späteren S-Bahnhofs Griebnitzsee. Im Theater kann er neben den Großen der deutschen Bühne, zum Beispiel mit Bernhard Minetti spielen. Als 1953 der Gastregisseur Fritz Kortner im Berliner Schillertheater Sean O’Caseys „Der Preispokal“ inszeniert, holt er Holm für die Rolle des Teddy. Neben Ernst Deutsch steht er als Sultan Saladin in Lessings „Nathan der Weise“ auf der Bühne des Schillertheaters – aus seiner Sicht die wichtigste Theaterarbeit. Er gehört dem Ensemble des Schiller-Theaters bis zum Ende seiner beruflichen Laufbahn an.

Als 1974 der in der DDR mehrere Jahre lang verbotene DEFA-Film DAS BEIL VON WANDSBEK von der ARD ausgestrahlt wird, gibt der längst im Westen lebende und arbeitende Schauspieler im Boulevardblatt B.Z. eine Erklärung für seine Mitwirkung in diesem „Ostfilm“ ab: „Der Erfolg der Defa war seinerzeit, daß dort wirkliche Probleme aufgegriffen wurden. Doch dann kam der Drang, kommunistische Tendenzen zu zeigen.“ Seine „Flucht“ schildert Holm als einen leichten Spaziergang: „Kinder in den Rucksack, Frau an die Hand, Hund an die Leine und los.“

Filmstill zu "Zugverkehr unregelmässig"

Claus Holm und Inge Keller in ZUGVERKEHR UNREGELMÄSSIG (R: Erich Freund, 1951) Fotograf: Gerhard Kowalewski

Filmstill zu "Sein großer Sieg"

Claus Holm in SEIN GROSSER SIEG (R: Franz Barrenstein, 1952) Fotograf: Hermann Gehlen

Doch wie geht die Karriere des Filmschauspielers Holm ab 1953 weiter? Seine erste Rolle in einem Westfilm, ausgerechnet im Heimatfilm HEIDESCHULMEISTER KARSTEN provoziert einige hämische Kommentare: „Von EHE IM SCHATTEN zum HEIDESCHULMEISTER KARSTEN – Welch ein Weg für einen deutschen Schauspieler“. Es ist nicht zu übersehen: Der Wechsel von Ost nach West bedeutet für Holm mehr als nur den Wechsel der politischen Systeme. Er kommt zu einer Zeit in den Westen, in der das Kino dort fast ausschließlich von Unterhaltungsware bestimmt wird. Dort besetzt ihn nicht nur ein konturenloser Routinier wie  Hans Deppe, sondern auch Regisseure, die ihn durch die DEFA kennen und schätzen. Zum Beispiel dreht er mit Falk Harnack in Westberlin den historischen Film DER 20. JULI. Holm trifft im Westen immer häufiger Filmleute, die er von früher gut kennt. Gleichzeitig sucht er die Zusammenarbeit mit Re-Emigranten. Fritz Lang holt ihn zu Brauners CCC-Film und Robert Siodmak verpflichtet ihn für den oscarnominierten Kriminalfilm NACHTS, WENN DER TEUFEL KAM. Der Schauspieler wird aufgrund seiner hohen Professionalität geschätzt. So besteht er auch im BRD-Kino, das zu jener Zeit alles andere als eine Hoch-Zeit erlebt. Fast zwangsläufig führen ihn seine Eigenschaften zu dem Regisseur, der im Kino vor allem Professionalität schätzt: 1978 verpflichtet ihn erstmals Rainer Werner Fassbinder. 1980 wird die fast stumme Rolle des stets im Hintergrund präsenten Kneipenwirts in Fassbinders 13-teiliger Serie BERLIN ALEXANDERPLATZ nach Döblin, Holms letzte Filmarbeit eine bemerkenswerte Leistung. Sie beendet den dritten Karriereabschnitt von Claus Holm. Dazu arbeitet er weiter im Theater.

Als Holm am 21. September 1996 stirbt, kann er auf eine 32 Jahre währende Mitgliedschaft zum Ensemble des Schillertheaters und auf 58 Filme zurückblicken. Er wird neben seiner 1988 vestorbenen Frau Dagmar Holm (geb. Stech) auf dem Friedhof Herrstraße in Berlin beerdigt.

Verfasst von Michael Hanisch. (Stand: Mai 2023)

Literatur

  • l.h.: In München trafen ein. In: Abend-Zeitung vom 29. Mai 1958
  • Henner Bechtle: 1951: „Damals war das ganz normal“. In: BZ vom 19.April 1974
  • B.B.: Menschlich gesehen – Passionierter Schauspieler. In: Berliner Morgenpost, vom 15. März 1986
  • Rainer Heinz. In: Filmdienst., vom 8.Oktober 1996
  • n.n.: Commander Hasso. Schauspieler Claus Holm in Berlin gestorben. In: Märkische Allgemeine vom 30. September 1996
  • Ska: Gut deutsch. In: Zum Tod des Film- und Bühnenschauspielers Claus Holm. In: Stuttgarter Zeitung, vom 30. September 1996
  • DW: Heideschulmeister und andere Helden: Claus Holm ist tot. In: Die Welt, vom 30. September 1996

DEFA-Filmografie

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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