Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Gottfried Kolditz

Regisseur

* 14. Dezember 1922 in Altenbach bei Wurzen; † 15. Juni 1982 in Dubrovnik, Kroatien

Biografie

Filmstill zu "Signale - Ein Weltraumabenteuer"

Gottfried Kolditz

bei den Dreharbeiten zu SIGNALE - EIN WELTRAUMABENTEUER (R: Gottfried Kolditz, 1970) Fotografen: Manfred Damm, Heinz Wenzel

Gottfried Kolditz erreichte mit seinen DEFA-Unterhaltungsfilmen oft die Zuschauermillion: Von der Filmoperette DIE SCHÖNE LURETTE (2,8 Millionen) über das Märchen SCHNEEWITTCHEN (2,5 Millionen), das Gegenwartslustspiel GELIEBTE WEISSE MAUS (1,5 Millionen), den Indianerfilm SPUR DES FALKEN (3,2 Millionen) bis zur utopischen Parabel IM STAUB DER STERNE (1,3 Millionen) hatte er kaum einen Ausreißer. Es gab fast kein Genre, das er nicht bediente. Oft spielerisch, farbenfroh und in Maßen didaktisch versuchte er in seinen Filmen Kunst und Unterhaltung zu verbinden. Als er nur 59jährig starb, hob DDR-Filmminister Horst Pehnert in einem Brief an die Witwe seine „starke Vitalität“ hervor: „Wie unfassbar die Ungerechtigkeit eines Schicksals, das diesen Künstler an der Schwelle zu einem neuen, lange vorbereiteten Abschnitt seiner Filmarbeit niederschlägt.“

Am 14. Dezember 1922 wird Gottfried Kolditz als Sohn eines Gerichtsschreibers und Justizassistenten und einer Näherin in Altenbach bei Wurzen geboren. Nach der Grundschule besucht er von 1933 bis März 1941 ein Reformrealgymnasium in Leipzig und wird dann in den Krieg eingezogen. Eingesetzt in Frankreich und an der Ostfront, erleidet er eine schwere Kopfverletzung, die auch später noch zu Gleichgewichts- und Sehstörungen führt. Noch vor Ende des Zweiten Weltkrieges, im April 1945, wird er für das Sommersemester an der Germanistischen Fakultät der Universität Leipzig immatrikuliert; aber erst im Juli 1946 kann er sein Studium beginnen. Neben der germanistischen Ausbildung belegt er das Fach Schauspiel-Regie an der Staatlichen Hochschule für Musik Leipzig. Zu seinen Kommilitonen gehören der spätere Schriftsteller und Filmautor  Günther Rücker sowie die Schauspielerin Carola Braunbock und die Schauspieler Albert Garbe und Manfred Zetzsche.

Im März 1949 reicht Kolditz seine philologisch-historische Dissertation „Syntaktische Untersuchung der Indefinita ,sum‘, ,ein‘, ,einig‘ im Germanischen“ ein und verteidigt sie im Dezember 1950. Doch das bereits im Juni 1949 an ihn gerichtete Angebot, als Mitarbeiter der Deutschen Akademie der Wissenschaften am „Deutschen Wörterbuch“ mitzuwirken, lehnt er ab; er sieht seine Zukunft jenseits der akademischen Germanistik. Kolditz hat sich seit einiger Zeit beim Kollektiv junger Schauspieler Leipzig, einer semiprofessionellen Theatergruppe, engagiert, als Sprecher beim Mitteldeutschen Rundfunk mitgewirkt und will nun hauptberuflich zum Theater oder zum Film. Er bewirbt sich sowohl beim Stadttheater Stendal als auch beim Theater Leipzig, streckt seine Fühler aber auch in Richtung DEFA aus. Allerdings teilt ihm Produktionsdirektor Albert Wilkening im November 1949 mit, er sähe keine Möglichkeit, ihn „mit oder ohne Bezahlung bei uns einzusetzen“.

Filmstill zu "Revue um Mitternacht"

Gottfried Kolditz mit Nicole Felix und Erich Gusko bei den Dreharbeiten zu REVUE UM MITTERNACHT (R: Gottfried Kolditz, 1962) Fotograf: Horst Blümel

Filmstill zu "Ulzana"

Gottfried Kolditz mit Rolf Hoppe und Renate Blume bei den Dreharbeiten zu ULZANA (R: Gottfried Kolditz, 1973) Fotograf: Eberhard Daßdorf

In der Spielzeit 1949/50 ist Kolditz Regieassistent am Theater Leipzig, von April 1950 bis April 1951 Komparserieinspektor und Regieassistent am Staatstheater Dresden. 1951/52 legt er am Rostocker Theater seine ersten Inszenierungen vor, darunter „Florian Geyer“ von Gerhart Hauptmann und „Optimistische Tragödie“ von Wsewolod Wischnewski. Vom 1. August 1952 bis 30. April 1956 wirkt er als Oberspielleiter Schauspiel am Theater in Chemnitz/Karl-Marx-Stadt und führt hier Regie bei rund vierzig klassischen Werken und Gegenwartsstücken. Er inszeniert Shakespeare, Schiller und Gorki; zu seinen bevorzugten Schauspielern gehören Helmut Schreiber und  Günter Naumann. Seine Frau Erika Koch wirkt an vielen seiner Inszenierungen, so bei „Hamlet“, „Romeo und Julia“, „Don Carlos“, „Viel Lärm um nichts“, „Wallenstein“ und der satirischen Komödie „Die Jungen von Mons“ von Friedrich Wolf, als Kostümbildnerin mit. Neben seinen Schauspielaufführungen beschäftigt er sich intensiv mit Fragen der Dramaturgie und Regie im Musiktheater.

Nachdem Kolditz zu Ostern 1956 mit Schillers „Maria Stuart“ seine letzte Inszenierung in Karl-Marx-Stadt vorgestellt hat, resümiert die Zeitung „Volksstimme“: „Die Ausstrahlung seiner Wirksamkeit auf die Leistung des Schauspiels war für den aufmerksamen Betrachter über die ganze Zeit hinweg deutlich spürbar. Sein Einfluss auf den Spielplan brachte erfreulich unkonventionelle Akzente, (...) seine künstlerisch und wissenschaftlich fundierten Inszenierungen gaben in jedem Falle Anregung zu nachdenklichen oder auch heißen Gesprächen, waren Impulse im geistigen Leben unserer Stadt. Das ist mehr, als von vielen anderen Theatern gesagt werden kann, und darum sehen wir ihn mit Bedauern scheiden.“ (Herbert Weißhuhn).

Original-Kinotrailer zu REVUE UM MITTERNACHT (R: Gottfried Kolditz, 1962)

Schon im Oktober 1955 hat Gottfried Kolditz einen Vertrag geschlossen, der seinem Berufsleben eine neue Richtung geben wird. Die DEFA engagiert ihn als musikalischen Berater für die unter der Regie von  Hans Müller geplante Opernverfilmung ZAR UND ZIMMERMANN. Das Spielfilmstudio zahlt ihm dafür 1.000 Mark monatliche Gage; seine Funktion als Oberspielleiter in Karl-Marx-Stadt lässt er für die Dauer der Dreharbeiten ruhen. An Hans Müllers nächstem Musikfilm MAZURKA DER LIEBE nach der Operette „Der Bettelstudent“ arbeitet Kolditz als Regieassistent mit. Von nun an lässt ihn das Kino nicht mehr los. Um sich auf einen eigenen abendfüllenden Spielfilm vorzubereiten, nimmt er das Angebot an, in schneller Folge satirische Kurzspielfilme der Reihe DAS STACHELTIER zu inszenieren. Da für jeden Film nur drei, vier Tage Drehzeit veranschlagt sind, kommt es auf straffe Organisation und gründliche Vorbereitung an. Jede einzelne Einstellung muss so metriert sein, dass der Rhythmus funktioniert und zielgerichtet zur Pointe führt; die Kamera hat durch prägnante Perspektivwechsel an der satirischen Aussage mitzuwirken. Während der Arbeit an den insgesamt mehr als zwanzig STACHELTIEREN, darunter drei einminütigen AGITATIONSSTREIFEN, arbeitet Kolditz zum ersten Mal mit dem Kameramann  Otto Hanisch zusammen, mit dem er später seine abendfüllenden Filme SPUR DES FALKEN und SIGNALE – EIN WELTRAUMABENTEUER drehen wird.

In dieser ersten Etappe seiner Filmlaufbahn werden ihm besonders jene musikbetonten STACHELTIERE wichtig, in denen er Sängerinnen wie Mona Baptiste oder dem Chansonier und Schauspieler  Gerry Wolff ein Podium gibt. Zu diesen Arbeiten gehört auch der Kurzfilm TANZ IN DER GALERIE (Arbeitstitel: „Vom Menuett zum Rock’n’Roll“), in dem das populäre Westberliner Tanzpaar Liselotte Köster und Jockel Stahl im „Kunstkabinett“ eines fiktiven Museums Tänze aus verschiedenen Jahrhunderten vorführt. Der Komponist  Gerd Natschinski, den er später auch für REVUE UM MITTERNACHT verpflichtet, schreibt die Musik. Bei seinem ersten abendfüllenden Film, der ebenfalls in der Arbeitsgruppe DAS STACHELTIER gedreht wird, entscheidet sich Kolditz für das Genre der Tanzpantomime: DER JUNGE ENGLÄNDER frei nach der Erzählung von Wilhelm Hauff verknüpft die Zeit des Biedermeier mit satirischen Anspielungen auf die Bundesrepublik. Die Kritik zielt auf die unreflektierte Nachahmung anglo-amerikanischer Moden durch Jugendliche, städtische Geschäftsleute und Honoratioren. Neben dem französischen Pantomimen Jean Soubeyran in der Titelrolle, einem als Mensch verkleideten Affen, besetzt Kolditz vorwiegend Schülerinnen und Schüler der Palucca-Schule Dresden und der Staatlichen Ballettschule Berlin. Als Gage erhält der freischaffende Regisseur 30.000 Mark. Erst nach seinem fünften langen Spielfilm DIE GOLDENE JURTE im Oktober 1961 wird er als Regisseur fest angestellt. – Auch die Verbindung zu seinem früheren Meister Hans Müller lässt er nicht abreißen und liefert ihm die Idee für dessen Heinz-Ehrhardt-Posse DRILLINGE AN BORD (1959), die in der Bundesrepublik für Besucherrekorde sorgt.

Filmstill zu "Das Stacheltier - Der junge Engländer"

Jean Soubeyran in DER JUNGE ENGLÄNDER (R: Gottfried Kolditz, 1958) Fotograf: Herbert Kroiss

Filmstill zu "Simplon - Tunnel"

Horst Weinheimer und Otto Mellies in SIMPLON - TUNNEL (R: Gottfried Kolditz, 1959) Fotograf: Herbert Kroiss

Bei der DEFA gilt Kolditz von Anfang an als Garant für professionelle, zuverlässige, zügige Arbeit, die noch dazu meist im Rahmen der vorgegebenen Budgets bleibt. Hinzu kommt, dass er sich nicht lange bitten lässt, wenn das Studio in Produktionsschwierigkeiten steckt. So übernimmt er im Sommer 1958 das Projekt SIMPLON-TUNNEL über internationale Solidarität zwischen deutschen und italienischen Arbeitern beim Bau des Eisenbahntunnels durch das Walliser Alpenmassiv 1898-1904, das eigentlich von dem italienischen Regisseur Carlo Lizzani gedreht werden soll. Als italienische und französische Co-Produktions-Partner ausfallen und die DEFA die hohen Gagenforderungen westeuropäischer Gäste nicht erbringen kann, springt Kolditz in die Bresche. Zum ersten Mal erweist er sich hier auch als Regisseur, der vor schwierigsten Bedingungen an Außendrehorten nicht zurückschreckt. Während SIMPLON-TUNNEL in der Hohen Tatra gedreht wird, arbeitet er später auch unter physisch harten Bedingungen in der Mongolei, im Kaukasus oder in Usbekistan und erweist sich dabei als „ein Mann mit schneller Entschlusskraft, hoher Improvisationsgabe und vornehm-ruhiger Verbindlichkeit im Umgang etwa mit dem Team“ (Dieter Wolf).

Kolditz probiert sich in verschiedensten Genres aus. Nach der als Kammerspiel angelegten, in der Bundesrepublik angesiedelten Anti-Atomkriegs-Parabel WEISSES BLUT dreht er den Operettenfilm DIE SCHÖNE LURETTE nach Jacques Offenbach und das exotische Märchen DIE GOLDENE JURTE als erste Co-Produktion zwischen der DEFA und dem mongolischen Filmstudio. Danach wird er von der DEFA-Direktion gebeten, den von einem anderen Regisseur, dem Leipziger Theatermann Hans-Dieter Schmidt begonnenen, zwischenzeitlich aber aus künstlerischen Gründen abgebrochenen Märchenfilm SCHNEEWITTCHEN zu „retten“. Er besetzt den Film neu, muss aber auf vorhandene Kulissen zurückgreifen und kann seine Intention, ein Märchen ganz als nicht-naturalistische Studioproduktion zu inszenieren, nur partiell verwirklichen. Erst mit seinem nächsten Märchenfilm FRAU HOLLE gelingt es ihm, die beabsichtigte strenge Stilisierung und präzise farbliche Abstimmung von Szenenbild, Kostüm und Maske zu formvollendeter Schönheit zu verdichten. Zudem werden in beiden Märchenfilmen musikalische Leitmotive zur Charakterisierung der Figuren eingesetzt; beide Filme verfügen über Elemente einer musikalischen Komödie.

Filmstill zu "Schneewittchen"

Marianne Christina Schilling und Doris Weikow in SCHNEEWITTCHEN (R: Gottfried Kolditz, 1961) Fotografin: Karin Blasig

Filmstill zu "Frau Holle"

Mathilde Danegger und Karin Ugowski in FRAU HOLLE (R: Gottfried Kolditz, 1963) Fotograf: Horst Blümel

Mit REVUE UM MITTERNACHT dreht Kolditz einen groß angelegten Revuefilm und orientiert sich dabei sichtlich an US-amerikanischen Musicals. In einer prominent besetzten Rahmenhandlung werden Schwierigkeiten, denen Autoren, Dramaturgen und Regisseure beim Drehen eines unterhaltsamen DEFA-Musikfilms ausgesetzt sind, auf heitere Weise reflektiert. Dazwischen zeigen farbenprächtige Tableaus Ballett- und Schlagerszenen, für die namhafte Orchester und Unterhaltungskünstler der DDR engagiert werden. Kolditz befasst sich auch theoretisch mit den Genres des Musikfilms: In der Fachzeitschrift „film – Wissenschaftliche Mitteilungen“ veröffentlicht er „erste Erfahrungen mit dem Revuefilm“; in der „Kleinen Enzyklopädie Film“ schreibt er das Kapitel zur „Verfilmung musikalischer Werke“. Fast parallel zu diesem Aufsatz montiert er für die DEFA die Kompilation MUSIKALISCHES RENDEZVOUS, in der er Szenen aus den vier Opern- und Operettenfilmen FIGAROS HOCHZEIT, DIE LUSTIGEN WEIBER VON WINDSOR, ZAR UND ZIMMERMANN und MAZURKA DER LIEBE verknüpft. Für das Studio fungiert dieser Film als „Planerfüller“.

Die musikalische Komödie GELIEBTE WEISSE MAUS mit Rolf Herricht und Karin Schröder markiert, abgesehen von Fernsehsendungen wie BRIEFE UND LIEDER AUS DEM GHETTO (1966) und GISELA MAY SINGT BRECHT (1967) Kolditz‘ Abschied von musikalischen Genres. Höhepunkt des Films ist der Flug des verliebten Paares, eines Verkehrspolizisten und einer Serviererin, mit einem Sonnenschirm über Dresden. Die Jury des Filmfestivals Edinburgh, auf dem GELIEBTE WEISSE MAUS ausgezeichnet wird, weist darauf hin, dass der Film ein „überraschend anderes Bild vom Leben hinter dem Eisernen Vorhang“ zeichne, als es üblicherweise im Westen vorherrsche.

Filmstill zu "Geliebte weiße Maus"

Rolf Herricht und Karin Schröder in GELIEBTE WEISSE MAUS (R: Gottfried Kolditz, 1964) Fotograf: Herbert Kroiss

Filmstill zu "Spur des Falken"

Gojko Mitić und Hannjo Hasse in SPUR DES FALKEN (R: Gottfried Kolditz, 1968) Fotografin: Waltraut Pathenheimer

Mitte der 1960er-Jahre befindet sich Gottfried Kolditz in einer neuen künstlerischen Findungsphase. Er möchte sich nicht auf seinen Publikumserfolgen ausruhen, sondern sich neue Horizonte erschließen. Die Möglichkeit, für die DEFA sowohl Science-Fiction-Filme als auch Western zu drehen, reizt ihn sehr. Aber die Realisierung entsprechender Pläne zieht sich hin; so scheitert das utopische Projekt „Einer zuviel im Lunakurier“ nach dem gleichnamigen Jugendbuch von Klaus Beuchler schon in der Phase der szenaristischen Arbeit. Kolditz überbrückt die Wartezeit 1965 mit einer Inszenierung von Slatan Dudows Satire „Der Feigling“ am Berliner Maxim Gorki Theater. Nach dem eher missratenen Partisanenfilm DAS TAL DER SIEBEN MONDE, der an einem deutlich zu knappen Budget und einer ungenügenden dramaturgischen Verdichtung der Fabel leidet, gelingt ihm mit dem dritten „Indianerfilm“ SPUR DES FALKEN endlich wieder eine publikumswirksame Arbeit. Wolfgang Gersch lobt in „Prisma. Kino- und Fernseh-Almanach 1“: „Die Regie gewann eine erstaunliche Perfektion. Hart geschnitten steigern sich die präzisen Aktionen in einem historisch konkreten Milieu. Auf seinem Gebiet erreichte der Film internationales Niveau.“

Um sich und sein Team auf sein nächstes Vorhaben, den im 70mm-Format gedrehten utopischen Spielfilm SIGNALE – EIN WELTRAUMABENTEUER vorzubereiten, lässt Kolditz Kopien von Stanley Kubricks 2001 : A SPACE ODYSSEE und Roger Vadims BARBARELLA ins DEFA-Studio für Spielfilme holen und entsprechende Fachaufsätze aus US-amerikanischen Zeitschriften übersetzen. Doch während der Vorbereitung auf das 4,9 Millionen Mark teure Projekt erkrankt er schwer an einem Lungeninfarkt und einer Beinvenen-Thrombose. Sein junger Kollege  Roland Oehme wird von der Studioleitung beauftragt, bei einem Ausfall des Regisseurs einzuspringen. Aber Kolditz kann SIGNALE unter strenger medizinischer Überwachung drehen und meistert mit seinem Team zahlreiche technische Schwierigkeiten, die nicht zuletzt durch mangelhafte Co-Produktionsvorbereitungen der polnischen Partner auftreten. SIGNALE nach dem Roman „Asteroidenjäger“ von Carlos Rasch leidet zwar an einer nur rudimentär vorhandenen Fabel und entsprechend fehlenden Spannungsbögen, gewinnt beim UNIATEC-Kongress der Filmtechniker in Paris 1970 aber den Preis für die beste technische Gestaltung.

Original-Kinotrailer zu SIGNALE - EIN WELTRAUMABENTEUER (R: Gottfried Kolditz, 1970)

Im Umfeld von SPUR DES FALKEN und SIGNALE – EIN WELTRAUMABENTEUER äußert sich Kolditz zu seinem „persönlichen Programm“. Der Wechsel der Genres gehört für ihn ebenso dazu wie die Kontinuität: Ein Künstler solle „einem Genre eine Zeit treu bleiben. Erst dann kann er dessen Probleme tiefer erfassen und dessen handwerkliche Besonderheiten beherrschen lernen. Erst die Erfahrung, die aus der Kontinuität kommt, vermag Qualität aufzubauen.“ Dabei wolle er stets Kunst mit Unterhaltung verbinden. Aus diesem Grunde suche er nach Szenarien, in denen die Trennung von Kunst und Unterhaltung aufgehoben wird: „Dann wäre es gleich, ob ich einen Musikfilm, einen utopischen Streifen oder was auch immer drehe.“ (Kolditz zu Reichow, 1971). Ob es der DEFA überhaupt möglich ist, mit maximal zwölf Spielfilmen für Erwachsene pro Jahr ein solches Übungsfeld für Genreregisseure zu gewährleisten, thematisiert Kolditz nicht.

In den 1970er-Jahren wechselt Kolditz zwischen Indianerfilm und utopischem Film. Er inszeniert APACHEN und ULZANA, deren Szenarien er gemeinsam mit dem Hauptdarsteller  Gojko Mitić schreibt. Um Authentizität bemüht, verwendet er für seine Quellenstudien auch Literatur, die er sich per Fernausleihe aus der Library of Congress in Washington kommen lässt. – IM STAUB DER STERNE, ein weiteres Science-Fiction-Projekt, verwirklicht er dann innerhalb der von  Joachim Hellwig neu gegründeten DEFA-Gruppe „futurum“, die sich speziell der Gestaltung von Filmen widmen will, die eine Ahnung von der künftigen Entwicklung der Menschheit vermitteln und beim Publikum eine „Stimulierung von Zukunftsverantwortung“ erreichen will. Leider bleibt die künstlerische Ernte für Kolditz eher mager: Weder die bei „futurum“ entstandenen zukunftsphilosophischen Essays WERKSTATT ZUKUNFT, für die er die Drehbücher schreibt, noch die utopische Komödie DAS DING IM SCHLOSS finden Anklang bei Publikum und Kritik. Mit DAS DING IM SCHLOSS landet der Regisseur, dessen Filme sonst oft Publikumsmillionäre sind, bei einer Zuschauerzahl von nur 50.000 – eine herbe Enttäuschung. Zwischen 1972 und 1982 verfasst er zudem utopische Erzählungen wie „Havarie“, „Roboterfrüstück“ und „Der unbekannte Bazillus“. 1977 schließt er mit dem DDR-Fernsehen einen Vertrag über Beratung und literarische Mitwirkung an der Serie JOCKEY MONIKA, legt die Arbeit aber schon nach drei Folgen nieder.

Filmstill zu "Ulzana"

Gojko Mitić und Renate Blume in ULZANA (R: Gottfried Kolditz, 1973) Fotograf: Eberhard Daßdorf

Filmstill zu "Im Staub der Sterne"

Ekkehard Schall in IM STAUB DER STERNE (R: Gottfried Kolditz, 1976) Fotograf: Heinz Pufahl

Ab 1979 arbeitet Kolditz am Szenarium zum Indianerfilm DER SCOUT, den er, wie schon DIE GOLDENE JURTE, als Co-Produktion mit der Mongolei drehen will. Die Aufnahmen sollen im Sommer 1982 stattfinden. Zeitgleich steckt er in intensiven Vorarbeiten zum Projekt „Zimtpiraten“, einem Piratenfilm aus dem 18. Jahrhundert, für den er als Darsteller eines stummen Kochs den Weltstar Gert Fröbe begeistern kann. Außerdem denkt er über eine Adaption der Erzählung „John Barleycorn“ von Jack London nach, die er unter dem Titel „König Alkohol“ auf die Leinwand bringen möchte. Auf seiner weiteren Wunschliste stehen ein Gegenwartslustspiel, eine Offenbach-Operette, ein Märchenfilm und eine Verfilmung der „Argonautensaga“ von Anna Seghers. Dass er sich Anfang 1982 überzeugen lässt, den Vorsitz der Sektion Spielfilm im Verband der Film- und Fernsehschaffenden der DDR zu übernehmen, begründet er mit seinem Wunsch, zu einer Demokratisierung des Verbandes, einer Entbürokratisierung von Vorstand und Präsidium beizutragen.

Während der Drehortsuche zu „Zimtpiraten“ in Dubrovnik erleidet Gottfried Kolditz eine Hirnblutung und stirbt, erst 59jährig, wenige Tage später, am 15. Juni 1982. DER SCOUT wird von seinem Kollegen Konrad Petzold verfilmt, „Zimtpiraten“ und „John Barleycorn“ bleiben unrealisiert. In einem Nachruf schreibt sein langjähriger dramaturgischer Begleiter bei der DEFA, Gerd Gericke: „Die Zuschauer anspruchsvoll zu unterhalten, war seine erklärte Absicht. Mit seinen Filmen hat er sich der vielleicht härtesten Konkurrenz in unseren Kinos gestellt, den Abenteuer- und Lustspielfilmen westlicher Herkunft; er hat das aus der tiefen Überzeugung getan, den DEFA-Unterhaltungsfilm zu entwickeln, und er hat nicht aufgegeben, obwohl er mehr als einmal erfahren musste, dass die Götter bei der Produktion dieser Filme nicht nur den Schweiß vor den Lohn gesetzt haben.“ (Filmspiegel, Heft 14/1982).

Gottfried Kolditz‘ 1956 geborener Sohn Stefan Kolditz schreibt seit Mitte der 1980er-Jahre Kino- und Fernsehfilme, darunter die beiden DEFA-Projekte ATKINS (1985) und DIE ENTFERNUNG ZWISCHEN DIR UND MIR UND IHR (1987). Die 1960 geborene Tochter Susanne Kolditz arbeitet als Restauratorin. – Der Nachlass von Gottfried Kolditz wird im Filmmuseum Potsdam verwahrt.

Verfasst von Ralf Schenk. (April 2022)

Literatur

  • Myriam Sello-Christian: Dr. Gottfried Kolditz. In: Filmspiegel, Berlin/DDR, Heft 5/1958.
  • Gottfried Kolditz: Erste Erfahrungen mit dem Revuefilm. In: film – Wissenschaftliche Mitteilungen, Berlin/DDR, Heft 2/1962 (zu REVUE UM MITERNACHT).
  • n.n.: Im Mittelpunkt: Der Regisseur. Dr. Gottfried Kolditz. In: Filmspiegel, Heft 4/1962.
  • Wolfgang Noa: Von neuen Ideen beflügelt. In: Freie Presse, Zwickau, 23.2.1963.
  • H.A, (= Hartmut Albrecht): Gottfried Kolditz. In: Nationalzeitung, Berlin/DDR, 8.2.1964.
  • Gottfried Kolditz: Die Entscheidung fällt im Kino. In: Filmspiegel, Heft 16/1964.
  • n.n.: Breite, Vielfalt und Kontinuität. Dr. Gottfried Kolditz im Gespräch mit Jochen Reichow. In: Kino DDR, Berlin, Heft 3/1971.
  • Gottfried Kolditz: An den Film sind Erwartungen geknüpft. In: Märkische Volksstimme, Potsdam, 7.4.1973.
  • Mathias Wedel: Auch der „Unterhaltungsfilm“ will ernst genommen sein. In: Volkswacht, Gera, 29.6.1974. (zu ULZANA).
  • n.n.: Gedenken Gottfried Kolditz. In: Sonntag, Berlin/DDR, Heft 27/1982 (Nachruf).
  • Peter Hoff: Der guten Unterhaltung hatte er sich verschrieben. In: Neues Deutschland, Berlin/DDR, 17.6.1982 (Nachruf).
  • Günter Sobe: Er sah das Publikum. In: Berliner Zeitung, Berlin/DDR, 18.6.1982 (Nachruf).
  • Gerd Gericke: Gottfried Kolditz. 14.12.1922 – 15.6.1982. In: Filmspiegel, Heft 14/1982 (Nachruf).
  • Stefan Kolditz: So waren die Indianer wirklich. Stefan Kolditz über seinen Vater Gottfried Kolditz. In: SuperIllu, Berlin, 31.10.2007.
  • Ralf Schenk: Gottfried Kolditz – Regisseur, Autor. CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, 1984ff., Lieferung 51.
  • Jochen Brunow: Vom Spiel mit der Angst. Ein Werkstattgespräch mit Stefan Kolditz. In: Scenario 7. Film- und Drehbuchalmanach. Berlin 2013, S. 14-55.
  • Ralf Schenk: Ein Mann für alle Filme. Gottfried Kolditz bei der DEFA 1955 bis 1982. In: Stefanie Mathilde Frank/Ralf Schenk (Hg.): Publikumspiraten. Das Genrekino der DEFA und seine Regisseure (1946–1990). Berlin 2022, S. 83-109.

DEFA-Filmografie

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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