Helmut Schreiber
Schauspieler, Regisseur, Autor
* 16. November 1925 in Mühlhausen/Thüringen; † 10. Februar 1995 in Bad Reichenhall
Biografie
Helmut Schreiber
am Filmset von DEFA DISKO 77 (R: Heinz Thiel, Werner Wolfgang Wallroth, 1977) Fotograf: Jörg Erkens
Die ganz große Hauptrolle spielt Helmut Schreiber bei der DEFA nie, gilt aber als einer ihren markantesten Nebendarsteller. Von 1963 bis 1988 ist er festes Mitglied im Schauspiel-Ensemble des Spielfilmstudios. In den 1960er- und 1970er-Jahren zählt er zu den produktivsten Schauspielern der DDR. Häufig mimt er Bösewichter und zwielichtige Gestalten, ihn reizen insbesondere clevere und vielschichtige Charaktere. Sein komödiantisches Talent beweist der vielseitige Künstler beim Kabarett. Zudem betätigt er sich mit Erfolg als Regisseur und Autor.
Helmut Schreiber wird 1925 im thüringischen Mühlhausen geboren. In seinem sechsten Lebensjahr wird er Leipziger. Die Stadt wird seine Heimat. Laut eigener Aussage ist er zu Schulzeiten stets der Pausenclown seiner Klasse. 1943 legt er das Notabitur ab. Anschließend muss er zum Arbeitsdienst nach Lidice, ein kleines Dorf unweit von Prag, das ein Jahr zuvor als Vergeltungsmaßnahme von den Nationalsozialisten vollständig zerstört wurde. Aus Krankheitsgründen wird Schreiber aus dem Armeedienst entlassen und beginnt 1944 für kurze Zeit ein Studium der Germanistik und Kunstgeschichte in Prag, interessiert sich jedoch mehr für den Schauspiel- und Regieunterricht an der Theaterhochschule. In den Nachkriegswirren gelangt er 1945 über Leipzig und Eisenach nach Heringen an der Werra und arbeitet dort in einem Sägewerk.
Als das Staatstheater Kassel aufgrund seiner zerstörten Spielstätte den Betrieb im 60 Kilometer entfernten Bad Hersfeld wieder aufnimmt, wird Schreiber als Regie-Assistent, Inspizient und Darsteller angestellt. Da es an Männern mangelt, übernimmt er in Stücken zum Teil mehrere Rollen. In einer Inszenierung von Goethes „Faust“ mimt Schreiber einen Erzengel, einen Schüler, einen Handwerksburschen sowie Gretchens Bruder Valentin und ist zugleich Regieassistent. Nachdem die Bühne geschlossen wird, zieht es ihn in die neugegründete DDR und er nimmt ein Theater-Engagement in Chemnitz an. Für drei Spielzeiten ist er dort tätig und spielt unter anderem den Bantelhannes in einer Inszenierung von Friedrich Wolfs „Der arme Konrad“ und den Grasso in „Tanker Nebraska“. In der Spielzeit 1953/54 wirkt er in einer Inszenierung von Schillers „Kabale und Liebe“ des späteren DEFA-Regisseurs Gottfried Kolditz mit, der ihn zukünftig mehrfach beim Film besetzen wird.
Die erste DEFA-Filmrolle in STÄRKER ALS DIE NACHT (R: Slatan Dudow, 1954) Fotografen: Manfred Klawikowski, Gerhard Kowalewski
Wehrpropaganda. Helmut Schreiber im Visier der Staatsicherheit in SCHRITT FÜR SCHRITT (R: János Veiczi, 1960) Fotograf: Kurt Schütt
Erste Bemühungen Schreibers im Filmgeschäft Fuß zu fassen, lassen sich auf das Jahr 1953 zurückführen. Überliefert ist ein von ihm ausgefüllter Fragebogen des DEFA-Besetzungsbüros. In dem Dokument vermerkt der zu dieser Zeit auf dem Chemnitzer Kaßberg lebende Schauspieler auf die Frage nach seinen bisherigen Filmtätigkeiten: „Leider noch nicht entdeckt, da versäumt rechtzeitig Fragebogen abzuschicken.“ Bei ‚Gesang’ gibt er „nicht anzuhören“ an. Unter ‚Sportarten’ schreibt er „Anfänger im Skat“. Seine Sprachkenntnisse stuft Schreiber als „Latein mangelhaft, englisch etwas besser, italienisch kaum noch“ ein. Bei ‚Dialekt‘ notiert er „auf besonderen Wunsch sächsisch“. Trotz dieser humorvollen Antworten wird Schreiber zunächst nicht für das heitere Rollenfach beim Film entdeckt. 1954 debütiert er bei der DEFA in Slatan Dudows STÄRKER ALS DIE NACHT als SS-Standartenführer.
Es bleibt vorerst bei dieser DEFA-Stippvisite. Schreibers Fokus liegt auf der Arbeit am Theater: Von 1955 bis 1957 wirkt er am Staatstheater Dresden, 1957/58 ist er kurzzeitig als freischaffender Schauspieler in Berlin tätig, bevor er von 1958 bis 1963 an den Städtischen Bühnen Leipzig spielt. In seiner Dresdner Zeit schreibt er ein Libretto für Hans Christian Andersens „Die Nachtigall“, das Tom Schilling unter der musikalischen Leitung von Wilhelm Schleuning inszeniert. In Leipzig leitet Schreiber mehrere Jahre eine Laien-Schauspielgruppe des VEB Bodenbearbeitungsgeräte.
Ab den späten 1950er-Jahren verstetigen sich Schreibers Aufgaben beim Film. Er spielt u.a. unter der Regie von János Veiczi in SCHRITT FÜR SCHRITT (1960) oder bei Joachim Hasler in DER TOD HAT EIN GESICHT (1961). Hasler besetzt ihn erneut für den in Großbritannien spielenden Kriminalfilm NEBEL (1962). Schreiber spielt darin den deutschen U-Boot-Kommandanten Wedel, der im Zweiten Weltkrieg das Schiff „Princess of India“ versenkt. Viele Passagiere, die meisten davon Kinder, finden den Tod. 20 Jahre später wird Wedel, inzwischen ein erfolgreicher Geschäftsmann in Westdeutschland, dafür gerichtet – Doch wer ist der Mörder? „Ich habe mich bemüht, diesen Mann, dessen Vergangenheit ans Tageslicht kommt, ohne jedes überspitzende Beiwerk zu gestalten. Die Gefährlichkeit dieser Leute besteht doch darin, dass ihnen ihre Rolle, ihre Gesinnung und ihr Charakter nicht auf dem Gesicht geschrieben stehen“, berichtete Schreiber der Zeitschrift Filmspiegel über seine Figurengestaltung.
Skrupellos: Helmut Schreiber als U-Boot-Kommandant in NEBEL (R: Joachim Hasler, 1962) Fotograf: Heinz Wenzel
MID-Major Ted Collins (Helmut Schreiber) - lässig mit Sonnenbrille in FOR EYES ONLY (R: János Veiczi, 1963)
Zum 1. August 1963 wird Schreiber festes Mitglied im Schauspielensemble der DEFA. Aus dem gleichen Jahr datiert eine seiner bekanntesten Arbeiten am Babelsberger Filmstudio: Im Spionage-Thriller FOR EYES ONLY – STRENG GEHEIM von János Veiczi spielt er Ted Collins, einen Major der US-amerikanischen Nachrichtendienstes „Military Intelligence Division“ (kurz: MID). Schreiber schätzt die Vielgestaltigkeit der Rolle, die zwar „eine negative Gestalt, aber kein abgestempelter Schurke ist“ und ihm an der Seite seines Gegenspielers Alfred Müller noch breitere Gestaltungsmöglichkeiten bietet (Filmspiegel). Der Film geht auf authentische Ereignisse um den DDR-Spion Horst Hesse zurück, der 1955 in die MID-Zentrale in Würzburg eingeschleust wurde. Mit 1,3 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern avanciert FOR EYES ONLY zur erfolgreichsten DEFA-Produktion des Jahrgangs. Der Film, der das Publikum von der Überlegenheit der DDR gegenüber den USA und der BRD überzeugen soll, wird auch in den folgenden Jahren vielfach gezeigt. Bis 1976 erhöht sich die Zuschauerzahl auf mehr als 2,5 Millionen. FOR EYES ONLY etabliert sich als Kultfilm und gilt auch heute noch als Antwort der DDR auf den 1953 von Ian Fleming erfundenen britischen Agenten James Bond.
1964 arbeitet Schreiber für die Produktion ALS MARTIN VIERZEHN WAR, die während des Kapp-Putsches in einem mecklenburgischen Dorf angesiedelt ist, erstmals mit dem Regisseur Walter Beck zusammen. Zugleich darf Schreiber in der Rolle des Vater Mertens zum ersten Mal eine positive Figur bei der DEFA darstellen. Mertens stielt ein Gewehr und wird dafür von Söldnern getötet. „Ich wollte einen Menschen gestalten, der standhaft in den Tod geht, aber dem das Sterben nicht leichtfällt, der am Leben hängt (...) Er hat seine schwere Stunde, wenn er Abschied von seiner Frau nimmt und von seiner Tochter. Um so größer ist die Kraft, mit der er die Bitterkeit dann überwindet“, teilte Schreiber den Mitteldeutschen Neuesten Nachrichten mit. Bis 1985 wird Regisseur Walter Beck, der sich auf Märchenverfilmungen und historische Stoffe für ein junges Publikum spezialisiert hat, Schreiber in acht DEFA-Produktionen besetzen. In seinen Erinnerungen „Mär und mehr“ zählt Beck den Schauspieler zu seinem ‚imaginären Ensemble’. 1965 spielt Schreiber in KÖNIG DROSSELBART einen der von der Prinzessin verschmähten Adelsmänner; 1967 gibt er den Zirkusdirektor Peitschenknall in der DEFA-Version des Pinocchio TURLIS ABENTEUER; 1970 schlüpft er in die Rolle des Vaters von DORNRÖSCHEN. In der während der mexikanischen Revolution spielenden Ludwig-Renn-Verfilmung TRINI (1976) ist Schreiber als böser Gutsbesitzer Torres zu sehen; einen Bettler mimt er im Bauernkriegsfilm DES HENKERS BRUDER (1978). Auch mit anderen auf dem Gebiet des Kinderfilms erprobten Regisseuren wie Rolf Losansky (u.a. MORITZ IN DER LITFASSSÄULE) oder Hans Kratzert (u.a. EIN SONNTAGSKIND, DAS MANCHMAL SPINNT) arbeitet er mehrfach zusammen. Stoffe für Kinder und Jugendliche liegen Helmut Schreiber stets am Herzen. 1964 bringt er zusammen mit dem Satiriker Edgar „Eddi“ Külow unter dem Titel „Der Schelm von Schilda“ sogar ein Kinderbuch heraus. 1978 tritt Schreiber im DDR-Kinderfernsehen die Nachfolge von Professor Flimmrich alias Walter E. Fuß an und moderiert bis Mitte der 1980er-Jahre die beliebte Kindersendung „Flimmerstunde“.
König Heinz Eduard (Helmut Schreiber) wirbt vergeblich um die Gunst von Prinzessin Roswitha (Karin Ugowski) in KÖNIG DROSSELBART (R: Walter Beck, 1965) Fotografen: Ekkehard Hardtkopf, Max Teschner
Sorgenvolles Königspaar: Helmut Schreiber und Evamaria Heyse in DORNRÖSCHEN (R: Walter Beck, 1970) Fotograf: Frank Bredow
Helmut Schreiber pflegt ein gutes Verhältnis zur DDR-Presse. Nicht nur einmal präsentiert er Medienvertretern sein zu Hause. Er zeigt sich mit seiner Frau, der polnischen Schauspielerin, Malerin und Grafikerin Zofia Słaboszowska (1933–2004), die er bei Dreharbeiten kennen lernt und 1965 heiratet, sowie den beiden Kindern Richard (genannt Teddy) und Margot im heimischen Wohnzimmer oder beim Pflanzen eines Baumes im Garten. In den Artikeln erfahren die Leserinnen und Leser viel über den Privatmenschen Helmut Schreiber, der gerne Weltliteratur liest, seinen Boxerhund „Kognac“ liebt, Freude an der Arbeit im heimischen Garten hat und aufgrund seiner beruflichen Reisen zu Drehorten im Urlaub ungern wegfährt. Angedeutet werden auch die Schattenseiten des Schauspielberufs: Schreibers Kinder klagen, dass ihr ‚Vati’ zu selten zu Hause ist, um mit ihnen zu spielen.
Vielfach dreht Helmut Schreiber im Ausland. 1964 steht er an der Seite von Christine Laszar, Annekathrin Bürger und Doris Abeßer in MÖRDER AUF URLAUB, einer Co-Produktion mit Bosna-Film vor der Kamera, die zu den Sommerfilmtagen 1965 in der DDR Premiere feiert. Schreiber erzählt später gern von den feuchtfröhlichen Abenden abseits der Kamera. Etwa wie er auf der Adria-Insel Sveti Stefan – unwissend wen er vor sich hat – die Herzogin von Segovia zum Tanz auffordert und ihm bei zunehmendem Tanztempo die Hose rutscht, ehe der Gemahl der Herzogin, Jaime de Borbón, für den Rest des Tanzes hinter ihm tanzend die Hose oben hält. 1965 geht es für Schreiber erneut ins damalige Jugoslawien: Szenen zum ersten „DEFA-Indianerfilm“ DIE SÖHNE DER GROSSEN BÄRIN spielen in einer Hochebene bei Trebinje (Bosnien). Für die Zeitschrift Filmspiegel schreibt er einen mehrseitigen Bericht über die Dreharbeiten: „Dann galoppiere ich über die Ebene. Jungenträume werden wieder lebendig. Der Wind braust in den Ohren und unter mir spüre ich den Leib des Pferdes. Es ist herrlich ein Cowboy zu sein.“ Schreibers Liebe zum historischen Abenteuerfilm ist geweckt. In sechs weiteren „DDR-Indianerfilmen“ übernimmt er bis 1982 kleinere und größere Parts, darunter den Einsiedler Tom Hutter in der James-Fenimore-Cooper-Verfilmung CHINGACHGOOK - DIE GROSSE SCHLANGE (1967). Die Aufnahmen von Kameramann Otto Hanisch auf dem Štrbské pleso in der Hohen Tatra zählen zu den malerischsten des Genres. In TECUMSEH (1972) gibt Schreiber dem britischen Offizier Henry Procter ein Gesicht, der den Titelhelden des Films im amerikanisch-britischen Krieg im Stich lässt und damit indirekt seinen Tod herbeiführt. Hervorzuheben sind seine Darstellungen in SPUR DES FALKEN und der Fortsetzung WEISSE WÖLFE (beide 1968). Die von ihm mitkonzipierte, vielschichtige Figur des Samuel „Sam“ Blake, die sich vom ehrlichen Händler zum erpressbaren Geschäftsmann wandelt, bleibt dem Publikum in Erinnerung.
Vom Pech verfolgt: Ben (Helmut Schreiber) und Jenny (Brigitte Krause) in DIE SÖHNE DER GROSSEN BÄRIN (R: Josef Mach, 1965) Fotografin: Waltraut Pathenheimer
In Gefangenschaft der Huronen: Tom Hutter (Helmut Schreiber) und Fallensteller Harry (Jürgen Frohriep) in CHINGACHGOOK - DIE GROSSE SCHLANGE (R: Richard Groschopp, 1967) Fotografin: Waltraut Pathenheimer
Im Laufe seiner Karriere sucht Helmut Schreiber immer nach neuen Herausforderungen. Ein Stunt-Double kommt für den ehrgeizigen Schauspieler kaum in Frage. Bei den Dreharbeiten zu DIE SÖHNE DER GROSSEN BÄRIN protestiert er, als der tschechische Regisseur Josef Mach (Spitzname Pepi) ein Double einsetzen will, als Schreiber in einer Szene nach einem Streifschuss vom Pferd fallen soll. Der Schauspieler setzt sich durch und dreht die wagemutige Szene mehrfach selbst. Im Filmspiegel erinnert er sich später: „Ich bin stolz darauf, ohne jeglichen Kratzer und ohne Prellung davongekommen zu sein. Die jugoslawischen Kaskadeure begrüßen mich seitdem als einen Kollegen und ich muss am Abend aus Anlass der Aufnahme in die Gilde einige Liter bijelo vino springen lassen.“ Mehrere Zeitungsartikel bescheinigen Schreiber noch Jahrzehnte später eine Ehrenmitgliedschaft bei den jugoslawischen Kaskadeuren. Für den Mantel-und-Degen-Film MIR NACH, CANAILLEN! (1964) trainiert er vier Wochen das Fechten mit Manfred Krug und in SCHWARZE PANTHER (1966) wagt sich Schreiber allein mit echten Wildkatzen in eine Zirkusmanege. Bei so viel Wagemut bleiben Blessuren nicht aus. Bei den Dreharbeiten zum historischen Abenteuerfilm DIE BÖSSEWICHTER MÜSSEN DRAN (1975) unter der Regie von Thomas Kuschel stürzt Schreiber schwer. Der Regisseur erinnert sich: „Bei einer Verfolgungsjagd zu Pferd konnte der Schauspieler seine fahrige Stute nicht mehr kontrollieren, als sie vor einer Hecke blockierte und nicht hinübersprang. Schreiber hob es aus dem Sattel, er stürzte vornüber und musste sofort ins Krankenhaus. Er hatte sich einen Wirbel angebrochen.“ (Leuchtkraft-Journal 3/2020) Helmut Schreiber fällt monatelang aus. Seine Rolle wird umbesetzt.
Auf ein bestimmtes Filmgenre oder einen Rollentyp möchte Schreiber zu keinem Zeitpunkt seiner Karriere festgelegt sein. Sein Credo lautet: „Filmarbeit heißt für mich nicht ‚vorstellen‘, sondern aufdecken, sich der Umwelt offenbaren. Deshalb habe ich Freude an dieser scheinbaren Verwandlung, die auch Gegensätze ermöglicht, ohne die Eigenart des Schauspielers aufzuheben oder auszulöschen. Ich will immer neu, vor jeder Aufgabe wieder Anfänger sein können“ (Der neue Weg, 11. Juni 1973). Die Rolle des Gaston, ein französischer Raumschiff-Chefnavigator, der die Frauen verehrt, in der aufwendigen 70mm-Koproduktion SIGNALE – EIN WELTRAUMABENTEUER (1970) kann zu den Rollen gezählt werden, die man zuvor nicht von Schreiber erwartet hätte. Der Schauspieler übernimmt auch kleine Parts in künstlerisch anspruchsvollen DEFA-Filmen wie bspw. Egon Günthers ABSCHIED (1968) oder Siegfried Kühns DAS ZWEITE LEBEN DES FRIEDRICH WILHELM GEORG PLATOW (1973).
Fechtduell: Helmut Schreiber mit Manfred Krug in MIR NACH, CANAILLEN! (R: Ralf Kirsten, 1964) Fotograf: Horst Blümel
Lust auf einen Drink? Helmut Schreiber wiedervereint mit Alfred Müller in SIGNALE - EIN WELTRAUMABENTEUER (R: Gottfried Kolditz, 1970) Fotografen: Manfred Damm, Heinz Wenzel
Nicht nur auf der Kinoleinwand auch in Produktionen des DDR-Fernsehens ist Helmut Schreiber regelmäßig zu sehen. Unter anderem spielt er in sechs der sieben Folgen der STÜLPNER-LEGENDE (1973) einen Wirt – erneut unter der Regie von Walter Beck. Auch Rollen in populären Serien wie ZUR SEE (1974-76), ARCHIV DES TODES (1978-80) oder FRONT OHNE GNADE (1981-83) sowie der Lustspielreihe FAMILIE INTAKT (1984) tragen zur weiteren Popularität des Schauspielers bei. Eine kleine Rolle in DER GEISTERSEHER (1988), eine Verfilmung eines gleichnamigen Romanfragments von Friedrich Schiller unter der Regie von Rainer Bär, wird sein letzter filmischer Auftritt.
Allein die Schauspielerei füllt den rastlosen Helmut Schreiber jedoch nicht aus. „Vielseitigkeit ist nie ein Fehler“ wird er bereits 1963 im Filmspiegel zitiert. Am Dresdner Trickfilmstudio ist er für 25 Episoden der beliebten Serie „Mit Jan und Tini auf Reisen“ als Regisseur und Autor tätig. Die erfolgreiche Reihe ist ein echter Exportschlager für den DEFA-Außenhandel und wird u.a. nach Ungarn, Polen, Tschechien, Kuba, Ägypten, Bulgarien und in die Sowjetunion verkauft. Am Fernsehtheater in der Hallenser Moritzburg tritt er ebenfalls mehrfach als Regisseur in Erscheinung und adaptiert Stücke von Lessing, Katajew, Hans Sachs und Rudi Strahl für das DDR-Fernsehen. Besonders am Herzen liegt Schreiber sein Dokumentarfilm-Projekt LEIPZIG – NICHT NUR EINE MESSE WERT (1972/73). Der halbstündige Cinemascope-Film entsteht bei der DEFA unter seiner Regie und Autorenschaft im Auftrag des Rats der Stadt und spiegelt Schreibers innige Verbundenheit zu Leipzig wider. „Mir ging es bei diesem Film vor allem um poetische Impressionen, um den Pulsschlag Leipzigs, unserer zutiefst lebendigen Stadt, spürbar zu machen“ wird Schreiber in der Leipziger Volkszeitung zitiert. Die im Sächsischen Staatsarchiv überlieferten Sprachfassungen – neben deutsch auch englisch, französisch, polnisch, ungarisch, bulgarisch, serbokroatisch und italienisch – zeugen davon, dass der Film zu Werbe- und Informationszwecken für ein internationales Publikum bestimmt war.
„Ich bin in der Lage alles zu besorgen.“: Der zwielichtige Geschäftsmann und Zuhälter Kunik (Helmut Schreiber) mit Fanny (Heidemarie Wenzel) in ABSCHIED (R: Egon Günther, 1968) Fotografen: Peter Dietrich, Wolfgang Ebert
Langweilig werden darf es nie: Helmut Schreiber beim Wasserski in MÖRDER AUF URLAUB (R: Bosko Boskovic, 1965) Fotograf: Wolfgang Reinke
Neben Film und Fernsehen bleibt Schreiber der Theaterarbeit treu. Einen großen künstlerischen Erfolg feiert er anlässlich des Welttheatertags 1965 mit der Uraufführung des Balletts „Thyil Uilenspiegel“ über den flandrischen Volkshelden am Leipziger Opernhaus. Das Libretto kommt aus seiner Feder; die Komposition liegt in den Händen des 27-jährigen Leipziger Komponisten Uwe Ködderitzsch. Die Inszenierung ist ein großer Erfolg und gehört zwei Jahre zum Repertoire des Theaters. Dabei war der Weg zur Premiere lang. „Bereits vor zwei Jahren standen die Proben [...] nahe ihrem Abschluss. Sie wurden abgebrochen, weil der Komponist erkannte, dass er mit seiner damals ausgesprochen intellektualistischen Kompositionstechnik den Forderungen des von Helmut Schreiber verfassten Librettos nach emotionalen und folkloristischen Werten nicht gerecht geworden war.“ (Neue Zeit, 9. April 1965). Eine weitere große Leidenschaft Schreibers ist das Kabarett. Während er im Film meist auf ernste Rollen festgelegt ist und oft den Bösewicht gibt, kann er hier seine heitere Seite zeigen. Viele Jahre engagiert er sich in der sächsischen Kabarettszene, spielt und inszeniert in der Leipziger „Pfeffermühle“ und später auch in der Dresdner „Herkuleskeule“.
Ende der 1980er-Jahre zieht sich Helmut Schreiber aus der Öffentlichkeit zurück. Über seine letzten Lebensjahre ist wenig bekannt. Er verlässt die DDR und lässt sich in Bayern nieder. Seine Ehe mit Zofia Słaboszowska ist inzwischen zerbrochen. Im Februar 1995 stirbt der Schauspieler im Alter von 69 Jahren in Bad Reichenhall und wird in Freilassing beigesetzt.
Verfasst von Philip Zengel. (Stand: November 2025)
Der Autor dankt Barbara Barlet für ihre Recherche und der Pressedokumentation der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF für die Einblicke in die Sammlung.
Literatur
- Go., R.: Im Starkasten, Der neue Weg Halle, 11. Juni 1973.
- Höber, J.: Helmut Schreiber, Filmspiegel, 10/1978.
- Klingbeil, Klaus: Helmut Schreiber, Berliner Zeitung, 10. Juni 1978.
- Kronenthal, Walter: Filmspiegel interviewt Helmut Schreiber, Filmspiegel, 9. August 1963.
- Kuschel, Thomas: „Terra Incognita“: Thomas Kuschel über die vergessenen Kinderspielfilme aus dem DEFA-Studio für Dokumentarfilme. In: Leuchtkraft. Das Journal der DEFA-Stiftung. 3. Ausgabe, 2020.
- Muth, R.: Aus dem Tagebuch des „Majors a.D. Collins“, Freies Wort Suhl, 5. Dezember 1964.
- P-M: Nicht mehr „Schurke vom Dienst“. Seit fast fünf Jahren im DEFA-Festvertrag: Schauspieler Helmut Schreiber, Nationalzeitung, 20. Januar 1968.
- Schreiber, Helmut: Bleib oben Cowboy. Helmut Schreiber berichtet für Filmspiegel über die Aufnahmen zu „Die Söhne der großen Bärin“, Filmspiegel, 16/1965.
- Stiehler, Ingeborg: Ein Tag an der Seite von: Helmut Schreiber, Nationalzeitung, 13. März 1973.
- Stiehler, Ingeborg: Blick in die Werkstatt von Helmut Schreiber, Leipziger Volkszeitung, 17. Mai 1973.
- Theißen, Jo: Zu Gast bei Helmut Schreiber Schauspieler und Regisseur, Mitteldeutsche Neueste Nachrichten, 14. November 1975.
- Tok, Hans-Dieter: „Rollen, wo man zupacken kann.“ LVZ sprach mit dem Leipziger Schauspieler Helmut Schreiber, Leipziger Volkszeitung, 19. Oktober 1961.
- Tok, Hans-Dieter: Schauspieler, Autor, Regisseur. Ein ungewöhnliches Interview mit Umsiedler Kaluweit alias Helmut Schreiber, Leipziger Volkszeitung, 4. Dezember 1962.
- n.n.: Wir sprachen mit Helmut Schreiber, Mitteldeutsche Neueste Nachrichten, 21. Februar 1965.
- n.n.: Wir stellen vor: Helmut Schreiber, Lausitzer Rundschau, 25. Januar 1985.
DEFA-Filmografie
- Stärker als die Nacht (1954) - Darsteller | Director: Slatan Dudow
- Der Augenzeuge 1955/27 (1955) - Redaktion
- Das Lied der Matrosen (1958) - Darsteller | Director: Kurt Maetzig, Günter Reisch
- Einer von uns (1959 - 1960) - Darsteller | Director: Helmut Spieß
- Das Stacheltier - Natojahrgang 38 (1959) - Sprecher | Director: Rudi Kurz
- Das Rabauken-Kabarett (1960) - Darsteller | Director: Werner Wolfgang Wallroth
- Schritt für Schritt (1960) - Darsteller | Director: János Veiczi
- Ein Sommertag macht keine Liebe (1960) - Darsteller | Director: Herbert Ballmann, Gerhard Klein
- ALYJE PARUSA / Das purpurrote Segel (1961) - Synchronisation (Sprecher) | Director: Alexander Ptuschko
- CELEBRUL 702 / Der berühmte 702 (1961) - Synchronisation (Sprecher) | Director: Mihai Iacob
- CZAS PRZESZLY / Vergangenheit (1961) - Synchronisation (Sprecher) | Director: Leonhard Buczkowski
- QUI ETES-VOUS, MONSIEUR SORGE?/LA SPIA DEL SECOLO/SUPAI SORGE - SHINJUWAN ZENYA / Wer sind sie, Dr. Sorge? (1961) - Synchronisation (Sprecher) | Director: Yves Ciampi
- Der Tod hat ein Gesicht (1961) - Darsteller | Director: Joachim Hasler
- JANOSIK I / Janosik, der Held der Berge, Teil 1 (1962) - Synchronisation (Sprecher) | Director: Palo Bielik
- Nebel (1962) - Darsteller | Director: Joachim Hasler
- for eyes only - streng geheim (1963) - Darsteller | Director: János Veiczi
- JANOSIK II / Janosik, der Held der Berge, Teil 2 (1963) - Synchronisation (Sprecher) | Director: Palo Bielik
- Koffer mit Dynamit; Praha nultá hodina (1963) - Darsteller | Director: Miloš Makovec
- Sonntagsfahrer (1963) - Darsteller | Director: Gerhard Klein
- Die Abenteuer des Werner Holt (1964) - Darsteller | Director: Joachim (auch: Hans-Joachim) Kunert
- Als Martin vierzehn war (1964) - Darsteller | Director: Walter Beck
- Chronik eines Mordes (1964) - Darsteller | Director: Joachim Hasler
- Das Film-Magazin Nr. 5 - Liebe braucht keine PS (1964) - Darsteller | Director: Horst Seemann
- Mir nach, Canaillen! (1964) - Darsteller | Director: Ralf Kirsten
- König Drosselbart (1965) - Darsteller | Director: Walter Beck
- Mörder auf Urlaub (1965) - Darsteller | Director: Bosko Boskovic
- Die Söhne der großen Bärin (1965) - Darsteller | Director: Josef Mach
- BOMBA U 10.10. / Bombe 10.10 Uhr (1966) - Synchronisation (Sprecher) | Director: Caslav Damjanovic
- Schwarze Panther (1966) - Darsteller | Director: Josef Mach
- Spur der Steine (1966) - Darsteller | Director: Frank Beyer
- Der Augenzeuge 1967/22 (1967) - Person, primär
- Brot und Rosen (1967) - Darsteller | Director: Heinz Thiel, Horst E. Brandt
- Chingachgook - Die große Schlange (1967) - Darsteller | Director: Richard Groschopp
- Die gefrorenen Blitze (1967) - Darsteller | Director: János Veiczi
- Der Mord, der nie verjährt (1967) - Darsteller | Director: Wolfgang Luderer
- Turlis Abenteuer (1967) - Darsteller | Director: Walter Beck
- Abschied (1968) - Darsteller | Director: Egon Günther
- Mord am Montag (1968) - Darsteller | Director: Hans Kratzert
- Schüsse unterm Galgen (1968) - Darsteller | Director: Horst Seemann
- Spur des Falken (1968) - Darsteller | Director: Gottfried Kolditz
- Weiße Wölfe (1968) - Darsteller | Director: Konrad Petzold, Bosko Boskovic
- Seine Hoheit - Genosse Prinz (1969) - Darsteller | Director: Werner Wolfgang Wallroth
- Dornröschen (1970) - Darsteller | Director: Walter Beck
- Husaren in Berlin (1970) - Darsteller | Director: Erwin Stranka
- Der rote Reiter (1970) - Darsteller | Director: Walter Beck
- Signale - Ein Weltraumabenteuer (1970) - Darsteller | Director: Gottfried Kolditz
- Tecumseh (1972) - Darsteller | Director: Hans Kratzert
- VALTER BRANI SARAJEVO / Einer ist Sarajevo (1972) - Darsteller | Director: Hajrudin Krvavac
- Wolz - Leben und Verklärung eines deutschen Anarchisten (1973) - Darsteller | Director: Günter Reisch
- Das zweite Leben des Friedrich Wilhelm Georg Platow (1973) - Darsteller | Director: Siegfried Kühn
- ... verdammt, ich bin erwachsen ... (1974) - Darsteller | Director: Rolf Losansky
- Hans Röckle und der Teufel (1974) - Darsteller | Director: Hans Kratzert
- Till Eulenspiegel (1974) - Darsteller | Director: Rainer Simon
- KRASNAJA SKRIPKA / Der rote Geiger (1975) - Darsteller | Director: Kalju Kiisk
- Eine Pyramide für mich (1975) - Darsteller | Director: Ralf Kirsten
- Trini (1976) - Darsteller | Director: Walter Beck
- Anton der Zauberer (1977) - Darsteller | Director: Günter Reisch
- DEFA Disko 77 (1977) - Darsteller | Director: Heinz Thiel, Werner Wolfgang Wallroth
- Professor Flimmrich, Folge 1. - 8. (1977) - Darsteller | Director: Manfred Schreyer
- Des Henkers Bruder (1978) - Darsteller | Director: Walter Beck
- Schneeweißchen und Rosenrot (1978) - Darsteller | Director: Siegfried Hartmann
- Severino (1978) - Darsteller | Director: Claus Dobberke
- Ein Sonntagskind, das manchmal spinnt (1978) - Darsteller | Director: Hans Kratzert
- Kinotips 1979, Folge 1. (1979) - Moderation | Director: Manfred Schreyer
- Kinotips 1979, Folge 2. (1979) - Moderation | Director: Manfred Schreyer
- Kinotips 1979, Folge 3. (1979) - Moderation | Director: Manfred Schreyer
- Kinotips 1979, Folge 4. (1979) - Moderation | Director: Manfred Schreyer
- Kinotips 1979, Folge 5. (1979) - Moderation | Director: Manfred Schreyer
- Kinotips 1979, Folge 6. (1979) - Moderation | Director: Manfred Schreyer
- Kinotips 1979, Folge 7. (1979) - Moderation | Director: Manfred Schreyer
- Kinotips 1979, Folge 8. (1979) - Moderation | Director: Manfred Schreyer
- Kinotips 1980, Folge 1. (1979) - Moderation | Director: Manfred Schreyer
- Kinotips 1980, Folge 2. (1979) - Moderation | Director: Manfred Schreyer
- Kinotips 1980, Folge 3. (1979) - Moderation | Director: Manfred Schreyer
- Kinotips 1980, Folge 4. (1979) - Moderation | Director: Manfred Schreyer
- Kinotips 1980, Folge 5. (1979) - Moderation | Director: Manfred Schreyer
- Kinotips 1980, Folge 6. (1979) - Moderation | Director: Manfred Schreyer
- Kinotips 1980, Folge 7. (1979) - Moderation | Director: Manfred Schreyer
- Kinotips 1980, Folge 8. (1979) - Moderation | Director: Manfred Schreyer
- Kinotips 1980, Folge 9. (1979) - Moderation | Director: Manfred Schreyer
- JUNOST PJOTERA; W NATSCHALE SLAWNYCH DEL / Peters Jugend (1981) - Darsteller | Director: Sergej Appolinarijewitsch Gerassimow
- Der Scout (1982) - Darsteller | Director: Konrad Petzold, Dshamjangijn Buntar
- Der Mann mit dem Ring im Ohr (1983) - Darsteller | Director: Joachim Hasler
- Moritz in der Litfaßsäule (1983) - Darsteller | Director: Rolf Losansky
- Nocki (1983) - Szenarium | Director: Manfred Schreyer
- Zille und ick (1983) - Darsteller | Director: Werner Wolfgang Wallroth
- Der Bärenhäuter (1985) - Darsteller | Director: Walter Beck
- Der Doppelgänger (1985) - Darsteller | Director: Werner Wolfgang Wallroth
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