Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Bertolt Brecht

Autor, Lyriker, Theaterregisseur

* 10. Februar 1898 in Augsburg; † 14. August 1956 in Berlin

Biografie

Filmstill zu "Bertolt Brecht - Nachdenken über die Wurzel der Übel"

Bertolt Brecht

in dem Dokumentarfilm NACHDENKEN ÜBER DIE WURZEL DER ÜBEL (R: Peter Petersen, 1985)

Bertolt Brecht ist einer der wichtigsten Bühnenautoren und Theaterregisseure des 20. Jahrhunderts. Dabei hat er sein künstlerisches Schaffen bewusst mit der politischen Situation verbunden. Er entwickelt das epische Theater, welches mittels Verfremdungs-Effekte die Illusion zerstören und die analytische Intelligenz des Publikums schärfen soll. Mehrfach kommt Bertolt Brecht auch mit dem Film in Kontakt und ist bemüht, seine Ideen auf das bewegte Medium zu übertragen. Dabei gibt es zahlreiche Konflikte mit Regisseuren und Produzenten, Projekte bleiben unvollendet oder werden von dem Autor nicht akzeptiert.

Bertolt Brecht wird am 10. Februar 1898 als Eugen Berthold Friedrich Brecht in Augsburg geboren. Sein Vater ist kaufmännischer Angestellter, seine Mutter Hausfrau. Er absolviert seine Schulausbildung am Bayrischen Realgymnasium „Blaue Kappe“ in Augsburg. Hier veröffentlicht er erste Aufsätze, Gedichte und Erzählungen in der Schülerzeitung „Die Ernte“ unter dem Namen Berthold Eugen. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges schreibt er für Zeitungen der Stadt patriotische Beiträge. 1917 macht er sein Notabitur und lässt sich danach an der Universität München immatrikulieren, um Medizin und Naturwissenschaften zu studieren. Dabei interessiert er sich weniger für sein Studium, ist mehr literarisch tätig. Kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges wird Bertolt Brecht am 1. Oktober 1918 als Lazarettsoldat eingezogen. Einen Monat später wird er Mitglied des Augsburger Arbeiter- und Soldatenrates.

Sein erstes Theaterstück „Baal“ entsteht 1918, wird weder gespielt noch gedruckt. In der Zeitschrift „Volkswillen“ erscheint 1919 seine erste Theaterkritik. Am 29. September 1922 wird sein Stück „Trommeln in der Nacht“ in München aufgeführt. Bei der Uraufführung des Stückes in Berlin lernt er die Schauspielerin Helene Weigel kennen. Im selben Jahr erscheint auch sein erstes Drama „Baal“ als Buchausgabe. 1924 siedelt der Künstler nach Berlin. Hier arbeitet er neben Carl Zuckmayer als Dramaturg am Deutschen Theater, lernt seine spätere ständige Mitarbeiterin Elisabeth Hauptmann kennen. Er entwickelt das epische Theater, welches mittels Verfremdungs-Effekte die Illusion zerstören und die analytische Intelligenz des Publikums schärfen soll. Seine Stücke - „Die Dreigroschenoper“, „Furcht und Elend des Dritten Reiches“, „Mutter Courage und ihre Kinder“, „Das Leben des Galilei“, „Der gute Mensch von Sezuan“ - zählen zu den wichtigsten des 20. Jahrhunderts. Er bringt Kapitalismuskritik auf die Theaterbühne. Nach der Rückkehr aus dem Exil wird Bertolt Brecht 1949 Leiter des „Berliner Ensembles“ und verblüfft mit mehreren Modell-Inszenierungen das Publikum.

Filmstill zu "Bertolt Brecht - Nachdenken über die Wurzel der Übel"

Bertholt Brecht in NACHDENKEN ÜBER DIE WURZEL DER ÜBEL (R: Peter Petersen, 1985)

Filmstill zu "Bertolt Brecht - Nachdenken über die Wurzel der Übel"

Bertholt Brecht in NACHDENKEN ÜBER DIE WURZEL DER ÜBEL (R: Peter Petersen, 1985)

Bereits 1923 kommt Bertolt Brecht mit dem Film in Kontakt. Gemeinsam mit dem Regisseur  Erich Engel, mit dem er später auf der Theaterbühne wieder zusammenarbeiten wird und dem Komiker Karl Valentin, dreht er auf einem Speicher in München den experimentellen Streifen MYSTERIEN EINES FRISEURSALONS (1923). Der Film, der die absurden Verhältnisse in einem ganz und gar nicht alltäglichen Frisiersalon beschreibt, wehrt sich gegen eine Einordnung, ist surrealistisch und komödiantisch, die Handlung schlägt sonderbare Haken, bewegt sich von einem Gag zum nächsten. Für einige Filmkritiker zeugt dieses Experiment von Subversivität, da es das genaue Gegenteil aller deutschen Tyrannenfilme ist, die Siegfried Kracauer in seiner Filmgeschichte beschreibt.

Zehn Jahre braucht es, bis sich Bertolt Brecht wieder intensiver mit dem Film beschäftig, allerdings auf juristischer Ebene. Gemeinsam mit dem Komponisten Kurt Weill inszeniert er 1928 „Die Dreigroschenoper“, die am Theater am Schiffbauerdamm in Berlin mit großem Erfolg uraufgeführt wird. Es ist das erste Stück seines epischen Theaters, welches die kritische Distanz des Zuschauers zu den Helden des Stückes einfordern will. Gut zwei Jahre später dreht Georg Wilhelm Pabst seine Filmversion DIE DREIGROSCHENOPER (1931), um die es juristische Auseinandersetzungen mit dem Autor gibt. Es kommt bereits im Vorfeld zu zahlreichen Streitereien, Anklagen und Zerwürfnissen zwischen der Produktionsfirma Nero-Film AG, dem Regisseur und Bertolt Brecht, die darin gipfeln, dass die Produktionsfirma im August 1930 jede weitere Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht ablehnt. Er hatte uneingeschränkte Mitsprache an dem Projekt beansprucht, läßt aber Drehtermine platzen und wünscht immer neue Änderungen bzw. Regisseure. Nach Beginn der Dreharbeiten klagt der Autor, gefolgt von Kurt Weill, gegen den Film, da er in beträchtlichen Teilen von der Bühnenfassung abweicht. Bertolt Brecht verliert den Prozess, schließt aber danach einen Vergleich mit der Nero-Film AG. Nach bereits zwei Jahren fallen die Filmrechte auf ihn zurück. Der Film feiert im Februar 1931 seine Berliner Uraufführung. Die Arbeit - wunderbar fotografiert - wird von vielen Kritikern als eigenständig eingeschätzt, ist bis heute eine der besten Verfilmungen des Stoffes.

Ein Jahr später arbeitet Bertolt Brecht wieder an einem Film mit: KUHLE WAMPE ODER WEM GEHÖRT DIE WELT? (1932) von Slatan Dudow. Gedreht an Originalschauplätzen wie zum Beispiel auf dem Zeltplatz Kuhle Wampe in Berlin am Müggelsee und mit Arbeitslosen, wird der Film zu einem bedrückenden Dokument der ausweglosen Massenarbeitslosigkeit und der Solidarität unter den Arbeitern. An dem Drehbuch zum Film arbeitet auch Bertolt Brecht mit, die Musik komponiert Hanns Eisler, es singt Ernst Busch. Der Film wurde wegen seiner sozial-kritischen Haltung zunächst verboten und erst nach zahlreichen Umschnitten und den Protesten von Künstlern und Intellektuellen freigegeben.

Filmstill zu "Mutter Courage und ihre Kinder"

Wladimir Marfiak und Helene Weigel in MUTTER COURAGE UND IHRE KINDER (R: Peter Palitzsch, Manfred Wekwerth, 1960) Fotograf: Hannes Schneider

Filmstill zu "Mutter Courage und ihre Kinder"

Simone Signoret in MUTTER COURAGE UND IHRE KINDER (R: Wolfgang Staudte, 1955) Fotograf: Eduard Neufeld

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 muss Bertolt Brecht Deutschland verlassen. Über Prag, Wien, die Schweiz und schließlich Dänemark, Schweden und Finnland siedelt er 1940 mit seiner Familie in die USA. In der Emigration beschäftigt sich der Autor verstärkt mit dem Film, um sich die Mittel für seine Lebensexistenz zu sichern. Wie andere seiner Kollegen, etwa Heinrich Mann, bemüht er sich, in Hollywood Geld zu verdienen. Im Mai 1942 bietet er dem Regisseur Fritz Lang einen Stoff zum gerade stattgefundenen Attentat auf Reinhard Heydrich in Prag an. Unter dem Titel AUCH HENKER STERBEN (1942) nimmt die United Artists die Produktion auf. Auch hier treten im Vorfeld der Dreharbeiten zahlreiche Meinungsverschiedenheiten auf, die die Ausrichtung und die Erzählweise des Films betreffen. Wenigstens teilweise kann Bertolt Brecht seine eigene Vorstellung in das Manuskript einbringen, allerdings wird vieles bei späteren Drehbuchfassungen wieder entfernt. Verbittert reagiert der Künstler, kann sich aber gegen das Hollywood-System nicht durchsetzen. Heute zählt AUCH HENKER STERBEN (1942) neben den Werken SEIN ODER NICHTSEIN (1942) von Ernst Lubitsch und DAS SIEBENTE KREUZ (1944) von Fred Zinnemann zu den wichtigsten antifaschistischen Filmen Hollywoods.

Nachdem Bertolt Brecht wie viele andere Künstler in den USA eine Vorladung vor das Komitee für unamerikanische Tätigkeit in Washington erhält, verlässt er das Land in Richtung Europa. 1949 kehrt er aus dem Exil nach Ostdeutschland zurück. Seit dieser Zeit soll das Filmprojekt MUTTER COURAGE bei der ostdeutschen Filmproduktionsfirma DEFA verfilmt werden. Bertolt Brecht arbeitet mit Emil Burri gemeinsam am Drehbuch.

Nachdem der Regisseur Erich Engel ausgeschieden ist, wird zunächst  Wolfgang Staudte für das Projekt gewonnen. Da sich der Autor eine Besetzung mit Mitgliedern des Berliner Ensembles wünscht, der Regisseur aber ein internationales Darstellerteam möchte, zerstreiten sich beide. Es wird ein Kompromiss gefunden und der Film mit französischen und deutschen Stars besetzt: Simone Signoret und Helene Weigel, Bernard Blier und Erwin Geschonneck. Wieder sind es Bertolt Brechts Einwände, die die Dreharbeiten überschatten: Er lehnt die Kostüme als zu operettenhaft ab, wendet sich gegen die geplante Sandlandschaft, möchte lieber einen Schwarzweiß- statt Farbfilm. Die künstlerischen Differenzen mit dem Regisseur führen dazu, dass dieser sich im September 1955 aus dem Projekt zurückzieht. Der Film bleibt unvollendet.

Filmstill zu "Lied der Ströme"

LIED DER STRÖME (R: Joris Ivens, 1954) Fotografen: Erich Nitzschmann u.w.

Filmstill zu "Lied der Ströme"

LIED DER STRÖME (R: Joris Ivens, 1954) Fotografen: Erich Nitzschmann u.w.

Auch im Dokumentarfilmbereich wird Bertolt Brecht tätig. Die poetische Dokumentation LIED DER STRÖME (1954) von Joris Ivens dokumentiert die politische Kraft der internationalen Gewerkschaftsbewegung und die Bedeutung des III. Kongresses des Weltgewerkschaftsbundes 1953 in Wien. Der Regisseur erhält von der DEFA freie Hand und gewinnt zahlreiche Künstler zur Mitarbeit. Bertolt Brecht schreibt das Gedicht von den Strömen.

Im Alter von 18 Jahren lernt Bertolt Brecht Paula Banholzer kennen. Im Juli 1919 wird ihr gemeinsamer Sohn Frank geboren, der 1943 als deutscher Soldat an der Ostfront stirbt. Im November 1922 heiratet er die Opernsängerin Marianne Zoff, mit der er die Tochter Hanne Hiob (geb. 1923) hat. Die Ehe scheitert und wird 1927 geschieden. Im November 1926 wird der gemeinsame Sohn Stefan von Bertolt Brecht und Helene Weigel geboren. Am 10. April 1929 heiratet er die Schauspielerin. Ein zweites gemeinsames Kind, die Tochter Barbara, kommt ein Jahr später zur Welt.

Bertolt Brecht stirbt am 14. August 1956 an den Folgen eines Herzinfarkts.

Verfasst von Ines Walk. (Stand: Mai 2006)

Auszeichnungen

  • 1922: Heinrich Kleist-Preis
  • 1951: Nationalpreis der DDR
  • 1954: Stalin-Preises für Frieden und Verständigung zwischen den Völkern

Literatur

  • Hans Winge: Brecht and the cineman, in: Sight and Sound 03/1956.
  • Bertolt Brecht: Texte für Filme, Suhrkamp 1969.
  • Wolfgang Gersch: Das Fall HANGMEN ALSO DIE - Bertolt Brechts Mitarbeit am antifaschistischen Hollywood-Film, in: Horst Knietzsch (Hrsg.): Kino- und Fernseh-Almanach: Prisma 03, Henschel Verlag Berlin 1972.
  • Wolfgang Gersch: Film bei Brecht - Bertolt Brechts praktische und theoretische Auseinandersetzung mit dem Film, Henschel Verlag Berlin 1975.
  • Ulrich Kurowski: Orgien auf einem Speicher an der Tengstraße, München. Undeutsches von Bertolt Brecht / Karl Valentin / Erich Engel aus dem Jahre 1922, in: Filmkorrespondenz 04/1975.
  • Hildegard Brenner / Michael Günther / Lothar Klawohn: Bertolt Brecht / Sergej M. Eisenstein - gegen die Metaphysik des Sichtbaren, Alternative Verlag Berlin-West 1977.
  • o. A.: Brecht und Film heute, Bern 1979.
  • Günter Agde: Getrennt marschieren - aber vereint schlagen? - Versuch über künstlerische, ästhetische und strategische Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten, Annäherungen und Differenzen bei Bertolt Brecht und Kurt Maetzig 1948 - 1956, in: Filmwissenschaftliche Beiträge, 04/80.
  • Werner Hecht: Wolfgang Staudte verfilmt Bertolt Brecht, in: Ralf Schenk / Erika Richter (Hrsg.): apropos: Film 2003 - Das Jahrbuch der DEFA-Stiftung, Bertz Verlag Berlin 2003.
  • Thomas Martin / Erdmut Wizisla (Hrsg.): Brecht plus minus Film - Filme, Bilder, Bildbetrachtungen, in: Verlag Theater der Zeit 2004.

DEFA-Filmografie

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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