Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Winfried Glatzeder

Schauspieler

* 26. April 1945 in Zoppot (heute Sopot, Polen)

Biografie

Filmstill zu "Der Mann, der nach der Oma kam"

Winfried Glatzeder

in DER MANN, DER NACH DER OMA KAM (Roland Oehme, 1971) Fotograf: Rudolf Meister

Winfried Glatzeder ist der charmant schlaksige Paul in DIE LEGENDE VON PAUL UND PAULA (1972). Mit dieser Rolle wird der Schauspieler bis heute in Verbindung gebracht, der Film hat Kultstatus. Aber auch in anderen Rollen, etwa als Doktorand Erwin Graffunda und als Till Eulenspiegel macht sich der Darsteller bei der DEFA einen Namen und wird Mitte der 1970er Jahre zum Publikumsliebling. In rund 20 DEFA-Kino- und -Fernsehfilmen steht er vor der Kamera. 1982 verlässt er mit seiner Familie die DDR.

Winfried Glatzeder wird am 26. April 1945 in Zoppot (heute Sopot, Polen) geboren. Sein Vater ist Arzt, der in der sowjetischen Kriegsgefangenschaft stirbt. Seine Mutter ist Kunstweberin, arbeitet später als Pflegerin. 1945 wandert die Familie in einem Flüchtlingstreck nach Berlin. Hier wächst Winfried Glatzeder bei seiner Mutter und seinen Großeltern auf. Schon in seiner Schulzeit betätigt er sich künstlerisch: spielt Puppentheater, tritt in Theatergruppen und Kabaretts auf. Nach dem Abitur beginnt er eine Facharbeiterausbildung als Maschinenbauer im VEB Kühlautomat Berlin-Johannisthal. Hier ist er ebenso begeistert vom Schauspiel, wird Initiator eines Berufschul-Kabaretts.

Mit Erfolg bewirbt sich Winfried Glatzeder 1965 für ein Schauspielstudium an der Hochschule für Filmkunst Potsdam-Babelsberg. Er studiert unter anderem bei Fritz Marquardt und B. K. Tragelehn. Nach vier Jahren beendet er das Studium mit dem Diplom und wird am Hans-Otto-Theater in Potsdam engagiert. Er erarbeitet sich ein umfassendes Repertoire, spielt Klassiker von Molière, Maxim Gorki und William Shakespeare. Von 1971 bis 1982 findet er an der Berliner Volksbühne eine Heimstätte. Winfried Glatzeder ist unter anderem in Stücken von Bertolt Brecht und Heiner Müller zu sehen.

Filmstill zu "Der Mann, der nach der Oma kam"

Marita Böhme, Winfried Glatzeder, Rolf Kuhlbach und Carmen-Maja Antoni in DER MANN, DER NACH DER OMA KAM (R: Roland Oehme, 1971) Fotograf: Rudolf Meister

Filmstill zu "Zeit der Störche"

Winfried Glatzeder ind ZEIT DER STÖRCHE (R: Siegfried Kühn, 1970) Fotografen: Eckhart Hartkopf, Norbert Kuhröber

1967 debütiert der Schauspieler bei der DEFA in einer kleinen Rolle in EIN LORD AM ALEXANDERPLATZ (1967) von  Günter Reisch. Danach ist er in mehreren Filmen zu sehen, bis er mit ZEIT DER STÖRCHE (1970) unter der Regie von  Siegfried Kühn als Ölbohrer Christian Smolny auffällt. Während eines kurzen Ferienaufenthalts lernt ihn die Lehrerin Susanne Krug kennen. Beide verlieben sich ineinander und ändern ihr Leben. Winfried Glatzeder überzeugt neben  Heidemarie Wenzel durch seine unbeschwerte Jugendlichkeit, er gibt den anziehenden Tausendsassa, der die Herzen der Zuschauerinnen im Sturm erobert. Genau diesem Typ wird er in seinen nächsten Filmen gerecht. In DER MANN, DER NACH DER OMA KAM (1971) von  Roland Oehme spielt er den jungen, attraktiven Erwin Graffunda, der sich auf eine Anzeige hin als Haushilfe in einer Künstlerfamilie bewirbt. Er kämpft erfolgreich gegen das Chaos im Haushalt an. Der Film spielt gekonnt mit traditionellen Rollenzuweisungen, ist originell und komisch. Er wird der erfolgreichste DEFA-Film des Jahres 1972.

Mit der Rolle des Paul in  Heiner Carows Liebesfilm DIE LEGENDE VON PAUL UND PAULA (1972) wird der Schauspieler auch heute noch in Verbindung gebracht. Als aufsteigender Mitarbeiter eines Außenhandels, dessen Leben mit Karriere, Ehe und Kampfgruppe vorprogrammiert scheint, entscheidet er sich nach einigen Wirrungen für seine Liebe Paula. Winfried Glatzeder gibt seinen Paul schlaksig-charmant, er und  Angelica Domröse als Paula sind die Idealbesetzung für den Film, der zum größten Publikumserfolg der DEFA wird. Die komisch-tragische Geschichte entspricht dem Lebensgefühl der Zuschauer und trifft mit seiner poetisch-verfremdeten Inszenierung den Nerv der Zeit.

In seinem nächsten Film spielt Winfried Glatzeder die Titelrolle des TILL EULENSPIEGEL (1974) unter der Regie von  Rainer Simon nach der Filmerzählung von Gerhard und Christa Wolf. Vor dem Hintergrund des Bauernkrieges wird die Geschichte des Bauernsohns Till Eulenspiegel erzählt, der durch seine Streiche und Possen die Mächtigen der Zeit in Schwierigkeiten bringt. Zur Vorbereitung der Rolle nimmt Winfried Glatzder Unterricht an der Berliner Artistenschule. Der Schauspieler wird wegen seiner starken, ausgereiften und ausgeprägt-körperlichen Darstellung gelobt. Sein Eulenspiegel strotzt vor Kraft, Vitalität und List, ist subversiv gegen die herrschende Ordnung und bleibt trotz aller Widerstände und Rückschläge seinen Träumen treu.

Filmstill zu "Till Eulenspiegel"

Winfried Glatzeder in TILL EULENSPIEGEL (Rainer Simon, 1974) Foto: Klaus Goldmann

Filmstill zu "Die Legende von Paul und Paula"

Winfried Glatzeder in DIE LEGENDE VON PAUL UND PAULA (Heiner Carow, 1972) Foto: Manfred Damm, Herbert Kroiss

Auch in seinem nächsten Film arbeitet Winfried Glatzeder mit Rainer Simon zusammen. Es entsteht die Komödie ZÜND AN, ES KOMMT DIE FEUERWEHR (1978). Hier agiert Winfried Glatzeder als Feuerwehrhauptmann Franz Kaden neben den Schauspielern  Kurt Böwe,  Rolf Ludwig und Jürgen Gosch. Das brillante Schauspieler-Team gibt in der satirischen Posse eine Freiwillige Feuerwehr, die aus Mangel an Feuerlösch-Gelegenheiten ein Gasthaus anzündet. In DAS ZWEITE LEBEN DES FRIEDRICH WILHELM GEORG PLATOW (1973) überzeugt der Darsteller in einer kleinen Rolle als Clown. Bis Anfang der 1980er Jahre ist Winfried Glatzeder in einigen DEFA-Filmen zu sehen, er wird unter anderem für Kinderfilme engagiert.

Bereits seit Ende der 1960er Jahre arbeitet der Darsteller auch für das Fernsehen der DDR. Wie viele seiner Kollegen ist er in den TV-Serien POLIZEIRUF 110 zu sehen. Unter anderem arbeitet er mit  Egon Günther an dessen TV-Film JUNGE FRAU VON 1914 (1970) mit. In dem erfolgreichen Vierteiler DIE SIEBEN AFFÄREN DER DONNA JUANITA (1973) von  Frank Beyer, der bis in die kleinste Nebenrolle hochgradig besetzt ist, spielt Winfried Glatzeder den selbstbewussten Physikstudenten Georg, der Anita fröhlich-hartnäckig nachstellt.

Seit Ende der 1970er Jahre stellt Winfried Glatzeder mehrere Ausreisanträge, vergeblich. 1982 kann er nach West-Berlin reisen, wo er sein Engagement am Schiller-Theater antritt. Er verlässt mit seiner Familie Ost-Berlin und wird wenig später ausgebürgert. In Westdeutschland geht die Karriere des Schauspielers nahtlos weiter. Sein erster Kinofilm im Westteil Deutschlands wird DIDI – DER DOPPELGÄNGER (1984) mit dem Kabarettist und Komiker Dieter Hallervorden. Eine Hauptrolle erhält er in VA BANQUE (1985) unter der Regie von Diethart Küster. Die Gangsterkomödie fängt atmosphärisch dicht das Milieu der „Berliner Szene“ ein. Als Paul Levi ist der Darsteller in der sorgfältig inszenierten und gefühlsstarken Frauenbiografie ROSA LUXEMBURG (1985) von Margarethe von Trotta zu sehen.
Nach dem Zusammenbruch der DDR arbeitet der Schauspieler auch in einigen der letzten DEFA-Produktionen mit. Der  Horst Seemann-Film ZWISCHEN PANKOW UND ZEHLENDORF (1990/91) erzählt vor dem Hintergrund des geteilten Berlins 1953 die Geschichte einer Familie. Winfried Glatzeder gibt einen West-Berliner Musiklehrer. In dem rigorosen, filmischen Abschied von der DDR, den Filmen DAS LAND HINTER DEM REGENBOGEN (1990-1991) von Herwig Kipping und TANZ AUF DER KIPPE (1990/91) von  Jürgen Brauer spielt er jeweils den Vater.

Original-Kinotrtrailer zu TANZ AUF DER KIPPE (R: Jürgen Brauer, 1990/91)

Im west- und später gesamtdeutschen Fernsehen ist Winfried Glatzeder stark präsent. Im Juni 1996 wird er der Nachfolger von Günter Lamprecht als Kommissar Ernst Roiter in der TV-Serie TATORT beim Sender Freies Berlin. Bis 1998 verkörpert er den Kommissar. Daneben ist der Schauspieler in zahlreichen Serien zu sehen, spielt unter anderem mehrmals in DER ALTE, steht neben Manfred Krug in LIEBLING KREUZBERG vor der Kamera.

Seit 1987 schauspielert Winfried Glatzeder auch wieder auf der Theaterbühne. Unter anderem ist er als ständiger Gast am Schauspielhaus Düsseldorf zu sehen, wo er unter der Regie seines ehemaligen Schauspiellehrers B. K. Tragelehn in Klassikern wie Molière und Shakespeare sowie in Heiner-Müller-Stücken auftritt. Ab Mitte der 1990er Jahre spielt er an mehreren Häusern, unter anderem im Berliner Theater am Kurfürstendamm, in Hamburg an der Komödie am Winterhuder Fährhaus, in Dresden und Essen.

Winfried Glatzeder ist verheiratet und hat zwei Söhne, Robert (geb. 1972) und Philipp (geb. 1975). Sein Sohn Robert Glatzeder arbeitet mittlerweile ebenfalls erfolgreich als Schauspieler. Die Familie wohnt in Berlin.

Verfasst von Ines Walk.

Original-Kinotrailer zu DIE LEGENDE VON PAUL UND PAULA (R: Heiner Carow, 1972)

Literatur

  • Moritz Schuller: Die Zwei, in: Tagesspiegel, 14.04.2002.
  • Susanne Lost: Ein Kommissar, der das Geheimnis liebt, in: Berliner Morgenpost, 09.06.1996.
  • Daniela Pogade: Schießen kann er nicht so gut, in: Berliner Zeitung, 21.05.1996.
  • Joachim Huber: Frische Kräfte am Tatort, in: Tagesspiegel, 21.05.1996.
  • Joachim Huber: Berlin in Person, in: Tagesspiegel, 29.10.1995.
  • Andreas König: Glatzeder freut sich auf den Tatort, in: Stuttgarter Zeitung, 01.09.1995
  • Isabell Jürgens: Winfried Glatzeder ist der neue SFB-Tatort Kommissar, in: Berliner Morgenpost, 28.08.1995.
  • Marlis Linke: Zwischen Steglitz und Niederschönhausen, in: Berliner Zeitung, 08.06.1993.
  • Ursula Meves: Im Strudel Halt finden, das kostet Kraft, in: Neues Deutschland, 28.12.1990.
  • dpa: DDR-Schauspieler Glatzeder ans Schiller-Theather verpflichtet, in: Tagesspiegel, 28.08.1982.
  • dpa: DDR-Schauspieler ging nach West-Berlin, in: Die Welt, 30.08.1982.
  • dpa: Der Schauspieler Winfried Glatzeder, in: Frankfurter Allgemein, 03.09.1982.
  • dpa: Winfried Glatzeder, in: Frankfurter Rundschau, 30.08.1982.
  • Rosemarie Rehahn: Winfried Glatzeder, in: Horst Knietzsch (Hg.): Prisma 11, Henschel Verlag Berlin 1980.
  • Uwe Römhild: Neugier auf Leben, in: Filmspiegel, Nr. 03/1979.
  • M. P.: "Ich muß mich entfalten können..." – Interview mit Winfried Glatzeder, in: Sächsisches Tageblatt, Dresden, 14.04.1974.
  • Marlis Linke: Winfried Glatzeder, in: Renate Seydel (Hg.): Schauspieler, 2. Aufl., Henschel Verlag Berlin, 1974.
  • Marlis Tico: Testfahrt mit Wilfried, in: Filmspiegel, Nr. 03/1972.
  • Rosemarie Rehahn: Ein komischer Draufgänger, in: Wochenpost, Nr. 04/1972.

DEFA-Filmografie

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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