Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Harry Hornig

Dokumentarfilmer

* 22. Oktober 1930 in Gelsenkirchen; † 24. Dezember 2022

Biografie

Harry Hornig

Fotograf: Reinhard Podszuweit (© Filmmuseum Potsdam)

Der Dokumentarfilmer Harry Hornig arbeitet ab den 1950er-Jahren im DEFA-Studio, Bereich Dokumentar- und Kurzfilme. Seine zahlreichen Werke lassen sich in zwei große Lager teilen: zum einen propagandistische Auftragwerke, in denen sich der feste Glaube an den sozialistischen Staat dokumentiert und zum anderen einfühlsame Porträts von Arbeiterpersönlichkeiten, die ohne ideologische Überfrachtungen auskommen und ganz auf die Beobachtung setzen.

Harry Hornig wird am 22. Oktober 1930 in Gelsenkirchen geboren. Sein Vater ist Bergmann. Er bleibt das einzige Kind und wird wie sein Vater, der früh verstirbt, Bergarbeiter. Er beginnt nach seiner Schulausbildung an einer Mittelschule in Gelsenkirchen seine Bergarbeiterlehre und fährt unter Tage. Harry Hornig engagiert sich politisch und wird Mitglied der Kommunistischen Partei. 1949 siedelt er in den Ostteils Deutschlands über und absolviert in der Vorstudienanstalt in Jena, der späteren Arbeiter- und Bauernfakultät, sein Abitur. An der Philosophischen Fakultät der dortigen Friedrich Schiller-Universität studiert er von 1950 bis 1954 Philosophie, Germanistik und Filmwissenschaft.

Bereits während seines Studiums arbeitet er als Volontär und Redakteur bei verschiedenen Zeitungen. Nach dem Abschluss des Studiums führt ihn sein Weg 1954 ins DEFA-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme, wo er zunächst unter der Leitung von Gustav Wilhelm Lehmbruck als Dramaturgie-Assistent, später als Dramaturg und Redakteur tätig wird. Während dieser Zeit beginnt Harry Hornig zahlreiche Drehbücher und Texte für andere Dokumentarfilmregisseure zu verfassen. Besonders intensiv wird seine Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Joachim Hadaschik.

Filmstill zu "Norbert, der Ausreißer"

NORBERT, DER AUSREISSER (R: Hans-Ulrich Männling, 1957) Fotograf: Hans-Ulrich Männling

Filmstill zu "Eine Nacht wie jede andere"

EINE NACHT WIE JEDE ANDERE (R: Joachim Hadaschik, 1957) Fotograf: Günter Weschke

Ab 1956 übernimmt Harry Hornig die Redaktion der seit 1951 bestehenden „Pioniermonatsschau“, kurz PiMo genannt. Dabei handelt es sich um ein Filmmagazin, welches in kurzen Geschichten über das Leben der Jungen Pioniere berichtet. Gemeinsam mit Hans-Ulrich Männling entsteht NORBERT, DER AUSREISSER (1957), mit Kurt Stanke der Tagebuchbericht BRÜCKE INS LEBEN (1956). Hier wird die Jugendweihe thematisiert, die auf Widerstand und Vorbehalte in der Bevölkerung stößt. Ein Lehrer besucht mit seinen Schülern zahlreiche kulturelle Stätten und Veranstaltungen. In der Dokumentation EINE NACHT WIE JEDE ANDERE (1957) von Harry Hornig und Joachim Hadaschik begleiten die Regisseure eine Nachtstreife der Volkspolizei im Ostberliner Zentrum rund um den Alexanderplatz. Gezeigt werden Jugendliche, die durch die Gegend streunen, „Halbstarke“, die sich nicht leicht organisieren lassen. Mit dem Film DIE ROTE TROMMEL (1960) führt er die Reihe seiner Kinder- und Jugenddokumentationen fort und beginnt seine intensive Zusammenarbeit mit dem Schriftstellerehepaar Wera und Claus Küchenmeister. Diesmal wagt sich der Autor und Regisseur auf historisches Gebiet und thematisiert die Geschichte der proletarischen Kinderbewegung in Deutschland. In dieser historischen Dokumentation für Kinder wird dokumentarisches Material mit spielfilmartigen Elementen verknüpft.

Ab 1958 arbeitet Harry Hornig als Dokumentarfilmregisseur und übernimmt in dieser Funktion auch Autoren- und Dramaturgentätigkeiten. Sein Debütfilm als Regisseur wird TAGESKURS 1:4 (1957), eine Reportage, die sich stilistisch an der Wochenschau orientierend mit den Folgen des Geldumtausches am 13. Oktober 1957 beschäftigt. Im selben Jahr inszeniert er die Dokumentation ENERGIE (1958). Geschildert wird die Herstellung eines Wärmeerzeugers im Kraftwerk Berzdorf. In dem Dokumentarfilm ALLTAG EINES POETEN (1961) porträtiert er den Lokomotivführer und Lyriker Werner Barth aus Unterwellenborn, der mit dem Literaturpreis des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) ausgezeichnet wurde.

In AUF DER STRECKE (1963) sind es zwei Eisenbahner, die näher ins Blickfeld gerückt werden. Ein erfahrener Lokomotivführer begibt sich mit seinem jungen Praktikanten, einem zukünftigem Ingenieur, auf die Strecke. Dieses Porträt überzeugt durch seine nüchterne Beobachtung und stilistische Geschlossenheit; es gehört zu den besten Werken des Regisseurs. In seinem späteren Porträtfilmen bleibt der Regisseur ebenso dicht an den Protagonisten dran. In LIEBE LISBETH (1974) ist es eine 60-jährige Arbeiterin eines Dresdner Großbetriebes, die er auf ihrem Weg in die Rente begleitet. Aus alltäglichen Aufnahmen, alten Fotos und zahlreichen Erinnerungen entsteht ein einfühlsames Bild vom Leben der Arbeiterfrau. Nochmals porträtiert er eine Frau in EWA - EIN MÄDCHEN AUS WITUNIA (1972). Das junge Mädchen aus Polen kommt ins Berliner Kabelwerk Oberspree. Geschildert wird die Reise aus Polen nach Berlin, das Leben der Frauen in dem fremden Land, nicht frei von Vorurteilen.

Filmstill zu "Tageskurs 1 : 4"

TAGESKURS 1 : 4 (R: Harry Hornig, 1957) Fotograf: Bernhard Zoepffel

 Filmstill zu "Pankoff. Ein gesamtdeutsches Stück"

PANKOFF. EIN GESAMTDEUTSCHES STÜCK (R: Harry Hornig, 1966) Fotografen: Peter Hellmich, Hans-Eberhard Leupold

Harry Hornig wird Leiter der Künstlerischen Arbeitsgruppe document. Mitte der 1960er-Jahre legt er einen humoristischen Dokumentarfilm vor. In PANKOFF (1966) zeigt er die angebliche anteillose Haltung Westdeutscher zur DDR. Der Film soll dem ostdeutschen Publikum Stolz und Selbstbewusstsein vermitteln. Eine weitere Humoreske inszeniert er mit DIE MACHT DES SCHICKSALS (1964). Mit der deutsch-deutschen Teilung beschäftigt sich der Regisseur weiter. In OSTERN 68 (1968) nimmt er die studentischen Unruhen in Westdeutschland zum Anlass, um die Anerkennung der DDR zu fordern. Die Filme stehen offen im Glaubensbekenntnis zum sozialistischen Staat, werden propagandistisch ausgewertet. TRÄUME LEBEN (1975) entsteht aus Anlass des 25. Jahrestages der DDR. Der Film ist eine Lobeshymne auf das sozialistische Land.

Neben seiner Tätigkeit im DEFA-Dokumentarfilmstudio arbeitet Harry Hornig auch für das Fernsehen der DDR. Er wird stellvertretender Leiter im Bereich Fernsehen des DEFA-Studios für Kurzfilme. Sein TV-Beitrag TRAUTES HEIM, GLÜCK ALLEIN (1963) thematisiert das Problem des Wohnungsnotstandes in der DDR. In 7000 ZWISCHEN MÄRZ UND MAI (1971) berichtet er vom EAW Treptow, einem Großbetrieb, der mit großen Produktionsschwierigkeiten zu kämpfen hat. Das Filmteam befragt die Leiter und Arbeiter nach den Ursachen.

Ab Anfang der 1970er-Jahre ist Harry Hornig in zahlreichen gesellschaftlichen Funktionen tätig. Von 1972 bis 1988 ist er Vorstandsmitglied der Sektion Dokumentarfilm und Fernsehpublizistik im Verband der Film- und Fernsehschaffenden der DDR, von 1979 bis 1982 zudem deren Vorsitzender. Dass er nur noch selten als Regisseur auftritt, liegt vor allem an seiner Lehrtätigkeit, die er seit 1982 als Dozent für Regie des Dokumentarfilms an der Hochschule für Film- und Fernsehen ausübt. Ein Jahr später leitet er für drei Jahre den Fachbereich Regie, wird später Prorektor für Ausbildung, Film- und Fernsehproduktionen. Nebenbei lehrt er auch an der Hochschule für Fernsehen und Film München sowie an der Ruhr-Universität Bochum und der VHS Gelsenkirchen.

Ab 1982 konzentriert sich der Dokumentarfilmer auf seine Tätigkeiten als Autor und Dramaturg, in vielen Fällen arbeitet er mit der Regisseurin Róza Berger-Fiedler zusammen. Gemeinsam gründen sie 1991 die BABEL Film und Video GmbH mit Sitz in Berlin. Hier ist Harry Hornig als Autor, Dramaturg und beratender Produzent beschäftigt.

Harry Hornig stirbt an Heiligabend 2022 im Alter von 92 Jahren.

Zusammengestellt von Ines Walk. (Stand: Januar 2023)

Filmausschnitt aus PANKOFF. EIN GESAMTDEUTSCHES STÜCK (R: Harry Hornig, 1966)

Auszeichnungen

  • 1951: Friedensmedaille
  • 1964: DIE MACHT DES SCHICKSALS - Internationales Dokumentarfilmfestival Leipzig: Silberne Taube
  • 1967: Vaterländischer Verdienstorden in Bronze
  • 1969: Silberner Lorbeer des Fernsehens der DDR
  • 1974: WER DIE ERDE LIEBT - Kunstpreis der DDR: (im Kollektiv)
  • 1979: Artur-Becker-Medaille in Gold
  • 1979: Nationalpreis der DDR: II. Klasse für das Gesamtwerk (im Kollektiv von Regisseuren)
  • Unbekannt: Karl-Blechen-Preis

Literatur

  • Harry Hornig: Aktuelle Probleme des Dokumentarfilms, in: Deutsche Filmkunst 11/1961.
  • o. A.: Harry Hornig, in: Werkstatt. Berlin 1974;
  • o. A.: Der Dokumentarfilm und seine Zuschauer, in: Film und Fernsehen 11/1980.
  • Annemarie Noelle: Harry Hornig, in: Filmdokumentaristen der DDR, Henschel Verlag Berlin 1969.

DEFA-Filmografie

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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