Ernst-Georg Schwill
Schauspieler
* 30. März 1939 in Berlin; † 9. April 2020 ebenda
Biografie

Ernst-Georg Schwill
In ALARM IM ZIRKUS (1954) Fotograf: Manfred Klaw
Der Schauspieler Ernst-Georg Schwill beginnt seine Filmkarriere als 14-Jähriger. In mehr als 200 Filmen und Fernsehserien ist er zu sehen. Auch wenn er mit seinen Figuren häufig in der zweiten Reihe zu finden ist, haben sich einige Auftritte eingeprägt, unter anderem jener als 15-jähriger Rainer Meister in dem DEFA-Film SIE NANNTEN IHN AMIGO (1958) und jener als Kommissar Lutz Weber in der Tatort-Reihe des Rundfunks Berlin-Brandenburg.
Ernst-Georg Schwill wird am 30. März 1939 in Berlin geboren. Ein Kriegskind, dessen Vater, der als Töpferhelfer den Lebensunterhalt verdient, zur Wehrmacht eingezogen wird und 1945 an der Front stirbt. Er und seine vier Geschwister wachsen allein bei der Mutter auf. Nach deren Tod 1946 lebt er bei seiner Tante, später im Pestalozzi-Kinderheim in Berlin-Mitte. Die schwierige Kindheit bringt einen Aufenthalt in einem Heim für Schwererziehbare in Königsheide in Berlin-Johannisthal mit sich. Sein Wunsch ist es, Autoschlosser zu werden. Als die DEFA für den Jugendfilm ALARM IM ZIRKUS (1954) Darsteller sucht, wird der 14-jährige Ernst-Georg Schwill von Regisseur Gerhard Klein entdeckt. Seine Berufswahl wandelt sich. Zunächst absolviert er von 1954 bis 1957 eine Berufsausbildung als Filmfotograf im VEB DEFA-Kopierwerke mit dem Ziel, später als Kameramann zu arbeiten. Dann entscheidet er sich aber für das Schauspiel und studiert von 1957 bis 1960 Schauspiel an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Babelsberg.
Bereits vor und während seines Schauspielstudiums beginnt er vor der Kamera zu arbeiten. Sein erster Film wird besagter ALARM IM ZIRKUS, der nach wahren Ereignissen die Geschichte der zwei Berliner Jungen Max und Klaus (Hans Winter) aus dem Westsektor der Stadt erzählt, die einen geplanten Raub von Zirkuspferden in der Ostzone vereiteln. Max wird in dem Kinderkrimi, der rasant und authentisch daherkommt, von Ernst-Georg Schwill verkörpert. Von Kritikern wird er für seine erste Leistung gelobt: für den Zuschauer bietet er hohes Identifikationspotential. Regisseur Georg Klein gelingt auch dank der jungen Darsteller ein frischer Film, dem die Lust am Erzählen anzusehen ist.

Ernst-Georg Schwill mit Maximilian Larsen in BERLIN - ECKE SCHÖNHAUSER ... (R: Gerhard Klein, 1957) Fotografen: Siegmar Holstein, Hannes Schneider

SIE NANNTEN IHN AMIGO (R: Heiner Carow, 1958) Fotograf: Hans Bernd Baxmann
Auch mit BERLIN – ECKE SCHÖNHAUSER … (1957) begibt sich Gerhard Klein auf die Suche nach dem Lebensgefühl junger Menschen in der geteilten Stadt Berlin. Hier spielt Ernst-Georg Schwill einen jungen Mann, der vor seinen Freunden gern den starken Mann markiert. Zu Hause allerdings wird er von seinem betrunkenen Stiefvater verprügelt. Für Geld zieht er so manche Dummheit durch, die Verlockungen des Westens enden bei ihm tragisch. Ernst-Georg Schwill passt mit seiner proletarischen Herkunft und seiner authentischen Darstellung hervorragend ins Konzept von Gerhard Klein und Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase, die in ihren Berlin-Filmen mit Realismus und sozialer Genauigkeit überzeugen wollen.
Sein nächster großer Film nach einigen Nebenrollen wird SIE NANNTEN IHN AMIGO unter der Regie von Heiner Carow. Er spielt den 15-jährigen Rainer Meister, der von allen Amigo genannt wird. Zufällig entdeckt er auf seinem Hinterhof in einem Verschlag einen entflohenen politischen Häftling und setzt alles daran, damit dieser nicht von der Gestapo gefasst wird. Um dessen Überleben zu sichern, stellt er sich und kommt in ein Konzentrationslager. Wieder wird die Leistung von Ernst-Georg Schwill von den Kritikern hervorgehoben, denn er geht in der Rolle des Jungen förmlich auf, wirkt in seiner Schlichtheit überaus glaubhaft.
In der Folge arbeitet Ernst-Georg Schwill mit Frank Beyer zusammen, unter anderem in FÜNF PATRONENHÜLSEN (1960) und KÖNIGSKINDER (1962), wiederholt mit Gerhard Klein in BERLINER ROMANZE (1956) sowie mit
Günter Reisch bei MAIBOWLE (1959) und SILVESTERPUNSCH (1960). Als sympathischer Hauptwachtmeister Löffelholz wirkt er wieder in einem Kinderfilm mit, in SUCHE NACH DEM WUNDERBUNTEN VÖGELCHEN (1963).
Ab 1960 ist er Mitglied im Ensemble des DEFA-Studios für Spielfilme. Kurzzeitig gehört Ernst-Georg Schwill auch dem Erich-Weinert-Ensemble der Nationalen Volksarmee in Berlin-Biesdorf an. Auch die Theaterbühne zieht ihn an: Von 1961 bis 1963 erhält er jeweils Engagements beim Berliner Ensemble und am Deutschen Theater. Dann entscheidet er sich, freiberuflich tätig zu sein. Erst 1970 geht er wieder einer Festanstellung nach, und zwar beim Fernsehen der DDR. Bis 1991 ist er dort unter Vertrag. In zahlreichen Fernsehfilmen und -serien ist er ein ständiger Gast auf den ostdeutschen Bildschirmen. Für die populären Reihen POLIZEIRUF 110 und DER STAATSANWALT HAT DAS WORT wird er mehrfach engagiert. Große Hauptrollen erhält der Schauspieler zwar nicht mehr, aber dafür ist er in den 1970er- und 1980er-Jahren in zahlreichen Nebenrollen zu sehen, denen er mit seinem Berliner Dialekt die gehörige Würze gibt. Meist verkörpert der Schauspieler Arbeiter und einfache Menschen, die er authentisch und glaubwürdig darstellen kann.

Ernst-Georg Schwill mit Peter Dommisch, Erich Fritze und Jürgen Holtz in MAIBOWLE (R: Günter Reisch, 1959) Fotografin: Karin Blasig

SILVESTERPUNSCH (R: Günter Reisch, 1960) Fotografin: Waltraut Pathenheimer
Auch nach der friedlichen Revolution 1989 und der deutschen Wiedervereinigung erhält Ernst-Georg Schwill Rollen in Fernsehserien, die nun das gesamtdeutsche Publikum ansprechen. So ist er unter anderem in FÜR ALLE FÄLLE STEFANIE und MAMA IST UNMÖGLICH zu sehen. Eine seiner bekanntesten Rollen ist jene des Kommissars Lutz Weber, der die beiden Berliner Hauptkommissare Till Ritter (Dominic Raacke) und Felix Stark (Boris Aljinovic) bei ihren Ermittlungen als Kriminaltechniker im RBB-Tatort unterstützt. Zwischen 1999 bis 2013 ist er in 32 Tatorten präsent.
Neben seiner schauspielerischen Tätigkeit ist Ernst-Georg Schwill auch politisch aktiv. Anfang der 1960er-Jahre wird er Kandidat im FDJ-Zentralrat. Nach dem Fall der Berliner Mauer wird 2006 durch die Birthler-Behörde festgehalten, dass er von Oktober 1964 bis Mai 1973 als Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit unter dem Decknamen „Jacob“ tätig gewesen sei. Im November 2012 kommt es zu weiteren Vorwürfen: Er habe von 1983 bis 1989 unter dem Decknamen „Maxe“ wieder für das Ministerium gearbeitet. Beide Vorwürfe bestreitet Ernst-Georg Schwill.
Im Jahr 2008 veröffentlicht der Schauspieler seine Lebenserinnerungen unter dem Titel „Is doch keene Frage nich“. 2012 erscheint mit „Icke, meine und andere Tatorte. Geschichten.“ ein weiteres Buch.
Ernst-Georg Schwill lebt mit seiner Ehefrau in Zernsdorf bei Berlin. Der Schauspieler verstirbt am 9. April 2020.
Verfasst von Ines Walk. Stand: Januar 2015
Trailer zu BERLIN - ECKE SCHÖNHAUSER ... (R: Gerhard Klein, 1957)
Literatur
- Ernst-Georg Schwill: Is doch keene Frage nich – Erinnerungen eines Schauspielers, Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2008.
- Ernst-Georg Schwill: Icke, meine und andere Tatorte. Geschichten, Verlag am Park in der edition ost, Berlin 2012.
- Sven Felix Kellerhoff: "Tatort"-Darsteller Schwill spitzelte bis 1989, in: Die Welt, 19.11.2012. (http://www.welt.de/vermischtes/prominente/article111299314/Tatort-Darsteller-Schwill-spitzelte-bis-1989.html)
- Markus Ehrenberg und Christopher Weckwerth: Jacob und Maxe, in: Der Tagesspiegel, 20.11.2012. (http://www.tagesspiegel.de/medien/vorwuerfe-jacob-und-maxe/7410810.html)
DEFA-Filmografie
- Alarm im Zirkus (1954) - Darsteller | Regie: Gerhard Klein
- Eine Berliner Romanze (1956) - Darsteller | Regie: Gerhard Klein
- Berlin - Ecke Schönhauser ... (1957) - Darsteller | Regie: Gerhard Klein
- Sie nannten ihn Amigo (1958) - Darsteller | Regie: Heiner Carow
- Tilman Riemenschneider (1958) - Darsteller | Regie: Helmut Spieß
- Der Augenzeuge 1959/B 42 (1959) - Person, primär
- Maibowle (1959) - Darsteller | Regie: Günter Reisch
- SAS 181 antwortet nicht (1959) - Darsteller | Regie: Carl Balhaus
- Senta auf Abwegen (1959) - Darsteller | Regie: Martin Hellberg
- Fünf Patronenhülsen (1960) - Darsteller | Regie: Frank Beyer
- Das Rabauken-Kabarett (1960) - Darsteller | Regie: Werner Wolfgang Wallroth
- Silvesterpunsch (1960) - Darsteller | Regie: Günter Reisch
- Die aus der 12 B (1961) - Darsteller | Regie: Rudi Kurz
- Das Kleid (1961 - 1990) - Darsteller | Regie: Konrad Petzold
- Das Stacheltier - Kein Problem (1961) - Darsteller | Regie: Hans-Joachim Hildebrandt
- Rotkäppchen (1962) - Darsteller | Regie: Götz Friedrich
- Die Suche nach dem wunderbunten Vögelchen (1963) - Darsteller | Regie: Rolf Losansky
- Der Augenzeuge 1964/28 (1964) - Person, primär
- Die Reise nach Sundevit (1965 - 1966) - Darsteller | Regie: Heiner Carow
- Berlin um die Ecke (1965/1966 - 1990) - Darsteller | Regie: Gerhard Klein
- Flucht ins Schweigen (1966) - Darsteller | Regie: Siegfried Hartmann
- Die Fahne von Kriwoj Rog (1967) - Darsteller | Regie: Kurt Maetzig
- Geschichten jener Nacht, Teil 1 - 4 (1967) - Darsteller | Regie: Karl-Heinz Carpentier, Ulrich Thein, Frank Vogel, Gerhard Klein
- Hochzeitsnacht im Regen (1967) - Darsteller | Regie: Horst Seemann
- Kaule (1967) - Darsteller | Regie: Rainer Bär
- Ein Lord am Alexanderplatz (1967) - Darsteller | Regie: Günter Reisch
- Der Revolver des Corporals (1967) - Synchronisation (Sprecher) | Regie: Rolf Losansky
- Abschied (1968) - Darsteller | Regie: Egon Günther
- Im Himmel ist doch Jahrmarkt (1968) - Darsteller | Regie: Rolf Losansky
- Mord am Montag (1968) - Darsteller | Regie: Hans Kratzert
- Nebelnacht (1968) - Darsteller | Regie: Helmut Nitzschke
- Schüsse unterm Galgen (1968) - Darsteller | Regie: Horst Seemann
- Hart am Wind (1969) - Darsteller | Regie: Heinz Thiel
- Im Spannungsfeld (1969) - Darsteller | Regie: Siegfried Kühn
- OSWOBOSHDENIJE - OGNENNAJA DUGA, PRORYW / Befreiung - Der Feuerbogen (Teil 1), Der Durchbruch (Teil 2) (1969) - Darsteller | Regie: Juri Nikolajewitsch Oserow
- Der Weihnachtsmann heißt Willi (1969) - Darsteller | Regie: Ingrid Reschke (geb. Meyer)
- Meine Stunde Null (1970) - Darsteller | Regie: Joachim Hasler
- OSWOBOSHDENIJE - NAPRAWLENIJE GLAWNOWO UDARA / Befreiung - Die Hauptstoßrichtung (Teil 3) (1970) - Darsteller | Regie: Juri Nikolajewitsch Oserow
- OSWOBOSHDENIJE - BITWA SA BERLIN, POSLEDNIJ SCHTURM / Befreiung - Die Schlacht um Berlin (Teil 4), Der letzte Sturm (Teil 5) (1971) - Darsteller | Regie: Juri Nikolajewitsch Oserow
- Trotz alledem! - Ein Film über Karl Liebknecht (1971) - Darsteller | Regie: Günter Reisch, Hans Kratzert
- Willi, Wally, Werner und das Schweinchen Wurstel fahren zu den Weltfestspielen (1973) - Darsteller | Regie: Thomas Kuschel
- Der kleine Zauberer und die große 5 (1976) - Darsteller | Regie: Erwin Stranka
- Hiev up (1977) - Darsteller | Regie: Joachim Hasler
- Wer reißt denn gleich vor'm Teufel aus (1977) - Darsteller | Regie: Egon Schlegel
- Einfach Blumen aufs Dach (1979) - Darsteller | Regie: Roland Oehme
- Lachtauben weinen nicht (1979) - Darsteller | Regie: Ralf Kirsten
- Asta, mein Engelchen (1980) - Darsteller | Regie: Roland Oehme
- Max und siebeneinhalb Jungen (1980) - Darsteller | Regie: Egon Schlegel
- Mein Vater Alfons (1980) - Darsteller | Regie: Hans Kratzert
- Die Stunde der Töchter (1980) - Darsteller | Regie: Erwin Stranka
- Die Schüsse der Arche Noah (1982) - Darsteller | Regie: Egon Schlegel
- Automärchen (1983) - Darsteller | Regie: Erwin Stranka
- Fariaho ...! (1983) - Darsteller | Regie: Roland Gräf
- Der Lude (1984) - Darsteller | Regie: Horst E. Brandt
- Weiße Wolke Carolin (1984) - Darsteller | Regie: Rolf Losansky
- Der Haifischfütterer (1985) - Darsteller | Regie: Erwin Stranka
- Der Hut des Brigadiers (1985) - Darsteller | Regie: Horst E. Brandt
- Hasenherz (1987) - Darsteller | Regie: Gunter Friedrich
- Zwei schräge Vögel (1989) - Darsteller | Regie: Erwin Stranka
- Banale Tage (1990) - Darsteller | Regie: Peter Welz
- Anna annA (1991 - 1993) - Darsteller | Regie: Greti Kläy, Jürgen Brauer, Tony Loeser
- Was war die DEFA? (2006) - Person, primär
- Zeitzeugengespräch: Ernst-Georg Schwill (2006) - Person, primär
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